BFH Beschluss v. - IX B 99/11

Bekanntgabe eines Steuerbescheids an Steuerberater; Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben

Gesetze: AO § 110 Abs. 3, AO § 365 Abs. 3, AO § 122 Abs. 1, AO § 124 Abs. 1, AO § 80 Abs. 1, FGO § 76 Abs. 1, FGO § 96 Abs. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 118 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin und Be-schwerdeführerin (Klägerin) geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

2 1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die aufgeworfene Rechtsfrage der wirksamen Bekanntgabe eines Steuerbescheids an einen Steuerberater mit Einzelkanzlei, der zugleich alleiniger Geschäftsführer der —nach entsprechendem Kürzel— unter seinem Namen firmierenden und in der Einkommensteuererklärung als Empfangsbevollmächtigter angegebenen Steuerberatungsgesellschaft mit identischer Adresse ist, stellt sich im Streitfall nicht, da sie nicht klärungsfähig ist; sie ist im Übrigen so zu beantworten, wie es das Finanzgericht (FG) getan hat. Zum einen ist der ursprünglich angegriffene Steuerbescheid (vom ) und dessen Änderungsbescheid (vom ) nach § 365 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) wegen der erneuten Änderung durch Bescheid vom nicht mehr Gegenstand des Einspruchsverfahrens gewesen, das mit Einspruchsbescheid vom abgeschlossen wurde. Zum anderen war nach mehr als vier Jahren (hier: Einspruch vom ) seit Ablauf der versäumten (Einspruchs-)Frist gemäß § 110 Abs. 3 AO keine Wiedereinsetzung mehr zu gewähren. Zum Dritten ist das FG davon ausgegangen, dass der betreffende Steuerbescheid jedenfalls so in den Machtbereich des Steuerberaters —ob in seiner Funktion als Einzelpraxis-Inhaber oder als gesetzlicher Vertreter (Geschäftsführer) der Steuerberatungsgesellschaft ist insoweit unerheblich— gelangt ist, dass „diesem die Kenntnisnahme normalerweise möglich war” und nach den allgemeinen Gepflogenheiten „auch erwartet werden konnte”, also auch in seiner Funktion als Geschäftsführer.

3 Vor diesem Hintergrund ist auch keine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO erforderlich.

4 2. Die Rechtssache hat auch hinsichtlich der Frage eines Ver-trauensschutzes keine grundsätzliche Bedeutung. Denn ob und in welchem Umfang sich eine Steuerpflichtige gegenüber der Finanzbehörde auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen kann, richtet sich —so auch im Streitfall— nach den tatsächlichen Umständen des jeweiligen Einzelfalls, so dass die Beurteilung nicht über den konkreten Fall hinausreicht und daher nicht grundsätzlich bedeutsam ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom VII B 82/08, BFH/NV 2009, 970; vom VIII B 104/09, BFH/NV 2010, 605).

5 3. Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO sowie eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) als (verzichtbare) Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) rügt, sind diese Verstöße schon mangels Entscheidungserheblichkeit nicht gegeben. Denn nach den das Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG war dem Bevollmächtigten die Kenntnisnahme des betreffenden Steuerbescheids möglich.

Fundstelle(n):
AO-StB 2012 S. 80 Nr. 3
BFH/NV 2012 S. 163 Nr. 2
RAAAD-97974