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infoCenter (Stand: Januar 2023)

Kapitalmarktorientierte Unternehmen (IFRS, HGB)

Prof. Dr. Carsten Theile
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Das durch den Wirecard-Skandal 2020 veranlasste Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) ist am und in einigen Teilen am in Kraft getreten. Es hat im Hinblick auf die Corporate Governance kapitalmarktorientierter Unternehmen zu einigen Änderungen geführt. Diese sind im vorliegenden Beitrag berücksichtigt.

1. Zweck

Die Kapitalmarktorientierung eines Unternehmens hat materielle Auswirkung auf die Berichterstattung: Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften gelten stets als groß und müssen daher einen Lagebericht aufstellen, im Jahresabschluss zusätzliche Anhangangaben erfüllen und weitere Vorschriften, z. B. zur Vorstandsvergütung und zur nichtfinanziellen Berichterstattung beachten. Kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen sind verpflichtet, einen Konzernabschluss nach IFRS aufzustellen und offen zu legen. Galt früher als einzige Trennungslinie für die Berichterstattungspflichten die Haftung natürlicher Personen (geringe Berichterstattungspflichten für Unternehmen mit natürlicher Person als persönlich haftenden Gesellschafter, hohe Berichterstattungspflichten für Unternehmen ohne natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter), so ist mit der Kapitalmarktorientierung in den letzten Jahren eine weitere Trennlinie hinzugekommen. Dabei ist fein säuberlich zwischen der umfassenden Kapitalmarktorientierung und der speziellen Börsennotierung zu unterscheiden.

2. Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft

2.1. Anwendungsbereich

Der Begriff der „kapitalmarkorientierten Kapitalgesellschaft“ wurde erstmals durch das BilMoG 2009 im § 264d HGB im deutschen Handelsrecht eingeführt. Die Intention des Gesetzgebers war dabei eine „erhebliche Verkürzung und bessere Lesbarkeit einer Reihe handelsrechtlicher Vorschriften“ (BT-Drucks. 16/10067 2008 H S. 63). Das wurde tatsächlich durch die Verweistechnik bei zahlreichen Vorschriften erreicht, beispielsweise zum Lagebericht (§ 315 Abs. 4 HGB).

Die Definition einer kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaft (§ 264d HGB) befindet sich im zweiten Abschnitt des dritten Buches des HGB und betrifft somit grundsätzlich Kapitalgesellschaften, namentlich AG, GmbH, KGaA und SE, aber auch ihnen gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften nach § 264a HGB. Andere Gesellschaftsformen wie Personenhandelsgesellschaften mit natürlicher Person als persönlich haftender Gesellschafter, Einzelkaufleute oder Genossenschaften fallen – ungeachtet ob sie den Kapitalmarkt beanspruchen – nicht unter die Definition von § 264d HGB. Allerdings verweisen bestimmte Regelungen im PublG und GenG sinngemäß auf § 264d HGB.

2.2. Tatbestand

Eine Kapitalgesellschaft gilt als kapitalmarktorientiert, wenn ihre emittierten

  • Eigenkapitaltitel (Aktien) oder

  • Schuldtitel (z. B. Anleihen oder Genussscheine) oder

  • Derivate auf Eigenkapital- oder Schuldtitel

an einem organisierten Markt zugelassen sind oder eine Zulassung beantragt wurde.

Neben dem Begriff der „kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaft“ findet sich im HGB auch der Begriff der „börsennotierten AG/Kapitalgesellschaft” wieder. Die Börsennotierung nach § 3 Abs. 2 AktG umfasst die Zulassung der Aktien zu einem organisierten Markt. Die Börsennotierung einer Aktiengesellschaft ist daher eine Unterform der Kapitalmarktorientierung. Bestimmte Vorschriften des HGB (siehe unter Abschn. 4) gelten (zusätzlich) nur für börsennotierte Aktiengesellschaften (AG, KGaA, SE).

2.3. Organisierter Markt

Ein organisierter Markt ist nach den Anforderungen des § 2 Abs. 11 WpHG ein

  • im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat der EWR (Norwegen, Liechtenstein, Island) betriebener oder verwalteter Markt,

  • der von staatlichen Stellen genehmigt, geregelt und überwacht wird,

  • der regelmäßige Handelsmöglichkeiten (Vertragsabschlüsse) einer Vielzahl von Personen über die dort zum Handel zugelassenen Finanzinstrumente nach nichtdiskretionären Bestimmungen erlaubt oder fördert.

In Deutschland erfüllen diese Kriterien die regulierten Marktsegmente

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