BGH Beschluss v. - VIII ZB 95/11

Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem Räumungsurteil gegen den Wohnraummieter durch das Rechtsbeschwerdegericht im Verfahren der Zulässigkeitsprüfung für eine Berufung

Gesetze: § 522 Abs 1 S 4 ZPO, § 570 Abs 3 Halbs 1 ZPO, § 574 Abs 2 Nr 2 ZPO, § 575 Abs 5 ZPO, § 535 BGB, § 536 BGB, § 543 BGB

Instanzenzug: Az: 65 S 145/11 Urteilvorgehend Az: 214 C 290/10 Urteil

Gründe

1Das Rechtsbeschwerdegericht kann im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 570 Abs. 3, Halbs. 1 ZPO in Verbindung mit § 575 Abs. 5 ZPO auch die Vollziehung einer Entscheidung der ersten Instanz aussetzen, wenn durch die Vollziehung dem Rechtsbeschwerdeführer größere Nachteile drohen als dem Gegner, die Rechtsbeschwerde zulässig erscheint und die Rechtsmittel des Rechtsbeschwerdeführers nicht von vornherein ohne Erfolgsaussicht sind (vgl. , NJW 2002, 1658 unter II 1 und 2; Senatsbeschluss vom – VIII ZB 77/03, WuM 2003, 509). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

2Durch die Vollstreckung des Räumungsurteils würde einerseits dem Beklagten ein unwiederbringlicher Nachteil entstehen; andererseits drohen der Klägerin durch einen Aufschub der Vollstreckung bis zu der Entscheidung des Senats über die bereits begründete Rechtsbeschwerde keine wesentlichen Nachteile.

3Die nach § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde erscheint nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig und im Übrigen auch begründet. Die Rechtsbeschwerdebegründung zeigt auf, dass der Beklagte innerhalb der Frist zur Stellung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die versäumte Berufungsbegründung nachgeholt und das Berufungsgericht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Unrecht abgelehnt hat, weil es die an den Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu stellenden Sorgfaltsanforderungen bezüglich der beantragten Akteneinsicht überspannt hat.

4Die vom Beklagten eingelegte Berufung hat nach dem gegenwärtigen Stand schon deshalb weitgehende Aussicht auf Erfolg, weil die vom Amtsgericht angesetzte Mietminderung für die meterlangen breiten Risse in den Decken der Wohnung des Beklagten mit monatlich 5,15 € deutlich zu gering bemessen erscheint und bei einer nur geringfügig höheren Mietminderung der zur fristlosen Kündigung erforderliche Mietrückstand von zwei Monatsmieten nicht erreicht ist. Im Übrigen liegt es nahe, dass in der ausdrücklichen Bezugnahme des Beklagten in der Berufungsbegründung auf seinen erstinstanzlichen Schriftsatz vom , in dem er den Einbehalt der Miete mit der verweigerten Mängelbeseitigung begründet, die (erneute) Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts liegt, das der Annahme eines zur Kündigung berechtigenden Zahlungsverzugs ebenfalls entgegen stehen dürfte.

Ball                                                         Dr. Hessel                                                 Dr. Achilles

                       Dr. Schneider                                                    Dr. Bünger

Fundstelle(n):
TAAAD-96543