BFH Beschluss v. - IX B 63/11

Entscheidung über grundlegenden Umbau eines Gebäudes als Neubau aufgrund Umstände des Einzelfall

Gesetze: FGO § 76 Abs. 1, FGO § 96 Abs. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs.2 Nr. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3, ZPO § 165, ZPO § 295, GG Art. 103 Abs. 1

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zum Teil entspricht ihre Begründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO); im Übrigen liegen die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vor.

2 1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist zum einen geklärt, unter welchen Voraussetzungen der Umbau eines Gebäudes einem Neubau gleichkommt (vgl. etwa , BFH/NV 2008, 762; vom IX R 49/06, BFH/NV 2008, 1839). Zum anderen hat das Finanzgericht (FG) als Tatsacheninstanz zu entscheiden, aufgrund welcher Umstände des Einzelfalls der Umbau eines Gebäudes einem Neubau gleichkommt oder ob die durchgeführten Baumaßnahmen dem entstandenen Gebäude das bautechnische Gepräge geben (vgl. , BFH/NV 2005, 1505, unter II.2. a.E.). Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung eines Streitfalles ist aber generell nicht grundsätzlich bedeutsam (BFH-Beschlüsse vom I B 168/05, BFH/NV 2006, 1121; vom XI B 172/07, BFH/NV 2009, 617). Entsprechend ist auch keine Entscheidung zur Fortbildung des Rechts erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO).

3 2. Die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) wurde schon nicht hinreichend i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt. Dazu hätten die Kläger die tragenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung und (vermeintlicher) Divergenzentscheidungen so herausarbeiten und gegenüberstellen müssen, dass eine Abweichung im Grundsätzlichen erkennbar wird. Das ist nicht geschehen. Weder eine Abweichung in der Würdigung von Tatsachen noch bloße Subsumtionsfehler des FG reichen für die Annahme einer Divergenz aus; insbesondere die —hier gerügte— fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalls genügt dazu nicht (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 124/02, BFH/NV 2003, 495; vom III B 144/09, BFH/NV 2011, 1144). Angesichts der Maßgeblichkeit der Umstände des Einzelfalls ist im Streitfall eine Abweichung im Grundsätzlichen auch nicht gegeben.

4 Soweit sich die Kläger gegen eine (vermeintlich) fehlerhafte bzw. unterlassene Tatsachen- und Beweiswürdigung und eine unzutreffende Rechtsanwendung wenden, rügen sie lediglich materiell-rechtliche Fehler und damit die Unrichtigkeit des FG-Urteils; so kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 66/10, BFH/NV 2010, 2296; vom VI B 98/06, BFH/NV 2007, 949).

5 3. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegen nicht vor. Deren Überprüfung hat auf der Basis des materiell-rechtlichen Standpunktes des FG zu erfolgen (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFH/NV 2010, 443).

6 a) Das FG hat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) nicht verletzt. Zur Gewährung rechtlichen Gehörs obliegt es dem Gericht u.a., den Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung zu geben und ihre Ausführungen und Anträge wie auch den Akteninhalt zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Andererseits ist das Gericht nicht verpflichtet, die für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten umfassend zu erörtern und ihnen die einzelnen für die Entscheidung maßgebenden Gesichtspunkte im Voraus anzudeuten oder das Ergebnis einer Gesamtwürdigung einzelner Umstände offenzulegen (vgl. , BFH/NV 2011, 448). Vielmehr muss ein —fachkundig vertretener— Beteiligter gerade —wie hier— bei umstrittener Sach- oder Rechtslage grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten (vgl. , BFH/NV 2010, 222, unter 2.b).

7 Ausweislich des Sitzungsprotokolls (vgl. § 94 FGO i.V.m. § 165 der ZivilprozessordnungZPO—) wurde „die Sach- und Rechtslage” mit den Beteiligten „erörtert"; die Kläger hatten in der ca. 50 Minuten dauernden mündlichen Verhandlung hinreichend Gelegenheit, sich zu den Streitpunkten zu äußern. Angesichts offensichtlich streitiger Ansichten über die Bewertung und Berechnung der alten und neuen Bauteile, auch bezüglich des vorliegenden Sachverständigen-Gutachtens, haben die rechtskundig vertretenen Kläger gleichwohl keinen (weiteren oder ergänzenden) Beweisantrag gestellt oder auf einen solchen oder anderweitige Aufklärungsmaßnahmen hingewirkt und damit rügelos zur Sache verhandelt (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO).

8 b) Die Rüge der Kläger einer Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Ablehnung eines beantragten Schriftsatznachlasses wegen des einen Tag vor der mündlichen Verhandlung erhaltenen FA-Schriftsatzes greift nicht durch. Unabhängig davon, ob das FG diesem Schriftsatz überhaupt Bedeutung beigemessen hat, muss dargetan werden, was in einem nachgereichten Schriftsatz vorgetragen worden wäre und inwieweit dieser Vortrag die Entscheidung des FG hätte beeinflussen können (vgl. BFH-Beschlüsse vom I B 190/09, BFH/NV 2011, 291; vom III S 4/11 (PKH), www.bundesfinanzhof.de). Das ist nicht geschehen.

9 c) Auch eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) durch Unterlassen einer Amtsermittlung als (verzichtbarer) Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) ist nicht gegeben. Trotz streitiger Sachlage wurde ein Beweisantrag nicht gestellt, auch ein anderweitiges Aufklärungsersuchen ist nicht erfolgt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die vorstehenden Ausführungen unter 3.a) 2. Absatz verwiesen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2012 S. 53 Nr. 1
XAAAD-96183