BGH Beschluss v. - AnwZ (Brfg) 25/11

Verwaltungsrechtliche Anwaltssache: Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung

Gesetze: § 112e BRAO, § 124a Abs 4 S 4 VwGO

Instanzenzug: Anwaltsgerichtshof Brandenburg Az: AGH I 12/09

Gründe

I.

1Die Klägerin, eine Diplomjuristin, die bisher nicht als Rechtsanwältin zugelassen war, beantragte im Juli 2004 die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Mit Bescheid vom lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil eine der Voraussetzungen für die Zulassung einer Diplomjuristin zur Anwaltschaft - eine mindestens zweijährige juristische Praxis in der Rechtspflege oder in einem rechtsberatenden Beruf (vgl. § 4 RAG-DDR vom ) - nicht erfüllt sei. Die Klägerin stellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Am hob die Beklagte den ablehnenden Bescheid vom auf. Das Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof wurde übereinstimmend für erledigt erklärt. Mit Beschluss vom legte der Anwaltsgerichtshof der Beklagten die Kosten des Verfahrens auf.

2Am beschloss die Beklagte, das Zulassungsverfahren gemäß § 10 BRAO auszusetzen. Gegen die Klägerin war ein Strafverfahren wegen falscher Versicherung an Eides statt anhängig; das zuständige Amtsgericht hatte mit Beschluss vom die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage angeordnet, ob bei ihr zur Tatzeit eine krankhafte seelische Störung, eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung oder Schwachsinn oder eine schwere andere seelische Abartigkeit vorlag und sie deshalb vollständig oder teilweise unfähig war, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

3Mit Schreiben vom , beim Anwaltsgerichtshof eingegangen am , hat die Klägerin persönlich Untätigkeitsklage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Zulassungsantrag nunmehr zeitnah zu entscheiden.  Der Anwaltsgerichtshof hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen müsse. Mit Gerichtsbescheid vom hat der Anwaltsgerichtshof die Klage als unzulässig abgewiesen. Gegen den ihr am zugestellten Bescheid hat die Klägerin, vertreten durch Rechtsanwalt G.     , am "Rechtsmittel" eingelegt und die Zulassung der Berufung beantragt. Am hat die Klägerin, wiederum vertreten durch Rechtsanwalt G.      , "Verlängerung der Frist für die Berufungsbegründung" beantragt. Am hat sich Rechtsanwalt Go.    für die Klägerin gemeldet und beantragt, unter Abänderung des Gerichtsbescheides die Beklagte zu verurteilen, den Zulassungsantrag der Klägerin zu bescheiden. Er hat die Ansicht vertreten, es gelte altes Recht, weil die Klägerin den früheren Rechtsstreit habe fortsetzen wollen; überdies habe sie rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt. Der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs hat den Schriftsatz vom als Antrag auf mündliche Verhandlung ausgelegt und die Sache an den Anwaltsgerichtshof zurückgegeben. Nach mündlicher Verhandlung am hat der Anwaltsgerichtshof die Klage auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zurückgewiesen. Das Urteil ist der Klägerin persönlich am und Rechtsanwalt Go.     am zugestellt worden.

4Am ist beim Bundesgerichtshof ein Schriftsatz vom eingegangen, mit dem Rechtsanwalt K.     für die Klägerin "Berufung" eingelegt hat. Nachdem Rechtsanwalt K.     darauf hingewiesen worden war, dass der Antrag auf Zulassung der Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung beim Anwaltsgerichtshof hätte eingelegt werden müssen, hat er mit Schriftsatz vom erklärt, er ziehe sein Schreiben zurück. Zwischenzeitlich, am , hat Rechtsanwalt T.     namens und in Vollmacht der Klägerin "den Antrag auf Zulassung der Berufung … durch Einreichung des anliegenden Schriftsatzes der Klägerin vom begründet".

5Am hat sich wiederum Rechtsanwalt Go.    für die Klägerin gemeldet und "Gegenvorstellung" erhoben; hilfsweise hat er "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Zulassung der Berufung" beantragt. In diesem Schriftsatz heißt es, die Klägerin habe am den von Rechtsanwalt K.     unterzeichneten Schriftsatz per Email und Telefax an den Bundesgerichtshof und an den Anwaltsgerichtshof übersandt (Beweis: Zeuge H.     Ke.     , der diesen Vorgang erforderlichenfalls an Eides statt versichern werde). Die Rücknahme des Rechtsmittels durch Rechtsanwalt K.     sei als nicht erfolgt anzusehen, weil dieser sich infolge des Hinweises des Bundesgerichtshofs in einem Irrtum über das zulässige Rechtsmittel befunden habe, die Klägerin nicht habe kontaktieren können und dieser nicht bewusst habe Schaden zufügen wollen. Dem Bundesgerichtshof sei die Sache infolge mehrfacher Befassung bereits bekannt; deshalb sei die Einlegung des Rechtsmittels bei dem falschen Gericht unschädlich. Ebenfalls am hat Rechtsanwalt Go.    beim Anwaltsgerichtshof Wiedereinsetzung und Zulassung der Berufung beantragt.

II.

6Der Zulassungsantrag ist aus mehreren Gründen unzulässig.

71. Das Verfahren unterliegt neuem Verfahrensrecht. Nach § 215 Abs. 1 BRAO werden die vor dem eingeleiteten Verwaltungsverfahren in Anwaltssachen in der Lage, in der sie sich an diesem Tag befinden, nach der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab diesem Tag geltenden Fassung fortgeführt, soweit nichts anderes bestimmt ist. Die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen gegen Entscheidungen, die vor dem ergangen sind, bestimmt sich zwar ebenso wie das weitere Verfahren nach dem bis zu diesem Tag geltenden Recht (§ 215 Abs. 2 BRAO). Der Antrag der Klägerin vom , der das vorliegende Verfahren eingeleitet hat, ist jedoch nicht auf Fortsetzung des vorangegangenen Verfahrens gerichtet. Dieses hat vielmehr durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien und die Kostenentscheidung des Anwaltsgerichtshofs vom seinen Abschluss gefunden. Die Klägerin beanstandet gerade, dass ihr Antrag auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft noch nicht beschieden worden ist.

82. Entgegen § 112e BRAO, § 124a Abs. 4 BRAO hat die Klägerin den Antrag auf Zulassung der Berufung nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Anwaltsgerichtshof angebracht. Der Antrag ist beim Bundesgerichtshof eingereicht worden, nicht beim Anwaltsgerichtshof. Der Behauptung der Klägerin, sie habe die von Rechtsanwalt K.     unterzeichnete Berufungsschrift vom am per Fax und per Email an den Anwaltsgerichtshof geschickt, geht der Senat nicht nach. Fax und Email sind nicht zu den Akten gelangt. Der von der Klägerin geschilderte Geschehensablauf lässt sich mit der Aktenlage nicht in Einklang bringen. Die Berufungsschrift kann nicht, wie die Klägerin behauptet, am , in ihrem Beisein per Fax an den Bundesgerichtshof übersandt worden sein. Das entsprechende Fax ist erst am beim Bundesgerichtshof eingegangen. Das Original kann auch nicht, wie sie weiter behauptet, am der Klägerin ausgehändigt worden sein. Es ist vielmehr am beim Bundesgerichtshof eingegangen und befindet sich bei den Akten. Unabhängig hiervon genügte die Übersendung einer Faxkopie eines Anwaltsschriftsatzes ohne Wissen des Rechtsanwalts an einen anderen als den angegebenen Adressaten nicht den Anforderungen an eine dem Anwaltszwang unterliegende Rechtsmitteleinlegung.

93. Überdies fehlt es auch an der nach § 112e BRAO, § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erforderlichen Begründung. Die Begründung eines Zulassungsantrags gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO unterliegt dem Anwaltszwang. Die Begründung, die als Anlage des Schriftsatzes vom zu den Akten gereicht worden ist, ist von der Klägerin persönlich verfasst und unterschrieben worden. Rechtsanwalt T.    hat im Schriftsatz vom zwar auf dieses Begründungsschreiben Bezug genommen. Er hat jedoch nicht zum Ausdruck gebracht, dass er es inhaltlich überprüft hat und aufgrund der Prüfung die volle Verantwortung übernimmt (vgl. , NJW 2008, 1311 Rn. 5). Ein inhaltlicher Vergleich beider Schreiben zeigt, dass eine inhaltliche Prüfung nicht stattgefunden haben kann. Im Schriftsatz des Rechtsanwalts T.    ist von einem Antrag auf Zulassung der Berufung die Rede. Die Klägerin selbst spricht dagegen nur von einer "Berufungsbegründung"; sie kündigt Berufungsanträge an, keinen Zulassungsantrag.

104. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist schließlich mit Anwaltsschriftsatz vom zurückgenommen worden. Die Rücknahme ist wirksam. Rechtsanwalt K.     ist auch nicht, wie die Klägerin behauptet, durch einen unzutreffenden gerichtlichen Hinweis zur Rücknahme des Rechtsmittels veranlasst worden. Der Hinweis darauf, dass der Zulassungsantrag beim Anwaltsgerichtshof anzubringen gewesen wäre und die Frist des § 112e BRAO, § 124a Abs. 2 VwGO verstrichen war, traf zu.

115. Der Antrag auf Wiedereinsetzung bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Gemäß § 112e BRAO, § 60 VwGO wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, wenn jemand ohne sein Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Die Klägerin hat die Frist für den Antrag auf Zulassung der Berufung nicht ohne ihr Verschulden versäumt. Das Verschulden ihres Vertreters, des Rechtsanwalts K.    , wird ihr gemäß § 173 VwGO, § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet. Abgesehen davon würde eine Wiedereinsetzung nichts daran ändern, dass der Zulassungsantrag zurückgenommen worden ist.

Kessal-Wulf                                    Roggenbuck                                             Lohmann

                                Frey                                                  Braeuer

Fundstelle(n):
DAAAD-95491