StuB Nr. 19 vom Seite 1

Quo vadis, Abschlussprüfung?

Dr. Patrick Velte | Lehrstuhl für Revisions- und Treuhandwesen an der Universität Hamburg

Seit der Veröffentlichung des Grünbuchs der EU-Kommission zur Abschlussprüfung vom Oktober 2010 wird im Schrifttum die Fortentwicklung der Abschlussprüfung äußerst kontrovers diskutiert (vgl. u. a. das Schwerpunktheft 22/2010 der StuB). In jüngerer Zeit hat die Thematik erneut an Brisanz gewonnen. Am hat das EU-Parlament seine Entschließung zum Grünbuch verabschiedet und das grundlegende Vorgehen der EU-Kommission unterstützt. Wenngleich die offizielle Veröffentlichung des Regelungsentwurfs erst für November 2011 geplant ist, sind vor einiger Zeit wichtige Eckpunkte der künftigen Reform der Abschlussprüfung in die Medien gelangt (vgl. u. a. FAZ vom S. 9). Hiernach soll u. a. eine externe Rotationspflicht (d. h. Austausch der Prüfungsgesellschaft) für alle kapitalmarktorientierten Unternehmen nach spätestens neun Jahren implementiert werden. Zudem wird eine Kombination von Prüfungs- und Beratungstätigkeiten bei ein und demselben Mandaten abgelehnt. Sofern die Prüfungsgesellschaft über 1,5 Mrd € Einnahmen aus Prüfungsleistungen im EU-Raum tätigt und hierauf über 1/3 kapitalmarktorientierte Unternehmen entfallen, wird das Beratungsgeschäft generell unterbunden. Auch eine zwingende Gemeinschaftsprüfung (Joint Audit) ist bei der Prüfung von kapitalmarktorientierten Unternehmen mit einer Bilanzsumme von über 1 Mrd € vorgesehen. Hierbei soll mindestens eine „systemunrelevante” Prüfungsgesellschaft (keine Big Four) berufen werden.

Das IDW hat zeitnah in der Presseinformation 7/2011 auf die Vorschläge reagiert und massive Kritik geäußert. Bemängelt wird der unverhältnismäßige Eingriff in den Prüfungsmarkt und die intendierte „Zerschlagung großer Prüfungsgesellschaften”. Ferner kann das IDW in den oben genannten Reformvorschlägen keinen positiven Einfluss auf die Prüfungsqualität erkennen.

Sollten die angedachten Pläne realisiert werden, würde dies zweifellos einen der folgenreichsten Paradigmenwechsel in der Geschichte der europäischen Abschlussprüfung bedeuten. Überaus kritisch zu sehen ist, dass die empirische Prüfungsforschung noch keinen Nachweis für eine höhere Prüfungsqualität durch Joint Audits auf EU-Ebene erbracht hat, die empirischen Ergebnisse zur externen Prüferrotation tendenziell negative Auswirkungen zeigen und die Studien zum parallelen Angebot von Prüfungs- und Beratungsleistungen zu uneinheitlichen Resultaten gelangen. Daher ist eine weitergehende Wirkungsanalyse in den EU-Staaten, gerade vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Unternehmensverfassungsmodelle (Dual- versus Boardsystem), dringend geboten. Die StuB wird Sie über die offiziellen Reformvorhaben der EU-Kommission im November auf dem Laufenden halten.

Patrick Velte

Fundstelle(n):
StuB 19/2011 Seite 1
NWB EAAAD-93327