BAG Urteil v. - 5 AZR 855/09

Einzelvertragliche Vergütungsabrede eines Chefarztes im Bereich des BAT-KF - Bezugnahmeklausel

Gesetze: § 133 BGB, § 157 BGB, § 242 BGB, § 1 Abs 1 Buchst a BAT-KF, Anl 1 BAT-KF, Anl 6 BAT-KF, Anl 7 BAT-KF

Instanzenzug: ArbG Mainz Az: 6 Ca 1033/08 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Az: 9 Sa 119/09 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche.

2Die beklagte Stiftung des öffentlichen Rechts ist Trägerin des Diakonie-Krankenhauses in K. Der Kläger ist dort seit dem als Chefarzt der Inneren Abteilung tätig.

Im Dienstvertrag vom vereinbarten die Parteien ua.:

Der Bundes-Angestelltentarifvertrag - Kirchliche Fassung (BAT-KF) ist das kirchliche Regelungswerk, das mit den Angestellten der drei Landeskirchen und der drei Diakonischen Werke Rheinland, Westfalen und Lippe vereinbart ist. Die Arbeitsrechtliche Schiedskommission beschloss am über die Gestaltung des BAT-KF wie folgt:

§ 1 BAT-KF nF lautet:

§ 2 der Arbeitsrechtsregelung zu Übergangsregelungen im Zuge der Neufassung des BAT-KF und MTArb-KF vom 22. Oktober/ (im Folgenden: Arbeitsrechtsregelung) lautet:

7Nach der Anlage 1 (Zuordnung der Vergütungs- und Lohngruppen zu den Entgeltgruppen) zu § 2 Arbeitsrechtsregelung wird die VergGr. I der Entgeltgruppe 15Ü zugeordnet.

§ 1 der Anlage 6 zum BAT-KF nF (= TV-Ärzte-KF) lautet:

Anlage 7 zum BAT-KF nF (TVÜ-Ärzte-KF) lautet auszugsweise:

10Die Beklagte zahlte an den Kläger ab dem Entgelt nach der Entgeltgruppe 15Ü BAT-KF.

11Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nach § 8 Abs. 1 des Dienstvertrags seien ab dem die Vergütungsregelungen des TV-Ärzte-KF anzuwenden. Mit der Klage hat der Kläger für den Zeitraum bis die Zahlung der Differenz zwischen der Entgeltgruppe 15Ü und der Entgeltgruppe Ä4, Stufe 3 des TV-Ärzte-KF geltend gemacht.

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt,

13Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Hinsichtlich der Vergütung gelte der BAT-KF vereinbarungsgemäß in der jeweils geltenden Fassung. Er sei nicht ersetzt worden. Auf den Kläger als Chefarzt seien die Anlagen 6 und 7 BAT-KF nF nicht anwendbar.

Das Arbeitsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Gründe

15Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe Ä4 TV-Ärzte-KF.

16I. Ein Anspruch des Klägers auf Vergütung nach Entgeltgruppe Ä4 TV-Ärzte-KF ergibt sich nicht aus dem Dienstvertrag.

17Gemäß § 8 Abs. 1 des Dienstvertrags erhält der Kläger für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich eine Vergütung, die sich aus Grundvergütung und Ortszuschlag zusammensetzt und deren Höhe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Grundvergütung nach VergGr. I der Vergütungsordnung zum BAT-KF und dem Ortszuschlag entsprach, in der jeweils gültigen Fassung. Diese Vereinbarung enthält eine kleine dynamische Bezugnahme.

181. Bei § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrags handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten ( - Rn. 24 mwN, BAGE 126, 198). Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist durch das Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen ( - Rn. 13, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 58 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 13). Dies gilt auch dann, wenn die Arbeitsvertragsparteien auf kirchlich-diakonische Arbeitsbedingungen und ihre Änderungen und Ergänzungen und damit auch auf ein von ihnen selbst nicht abzuänderndes externes Regelwerk Bezug nehmen ( - Rn. 12, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 55 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 15).

192. Danach enthält § 8 Abs. 1 des Dienstvertrags eine kleine dynamische Bezugnahme. In § 8 Abs. 1 vereinbarten die Parteien eine Grundvergütung, die, obwohl leitende Ärzte (Chefärzte) bei einzelvertraglicher besonderer Vereinbarung ihrer Arbeitsbedingungen nach § 3 Abs. 1 Buchst. i BAT-KF aF von dessen Geltungsbereich ausgenommen waren und dementsprechend die Vergütungsgruppenpläne zum BAT-KF aF keine Eingruppierungsmerkmale für Chefärzte enthielten, der VergGr. I des Vergütungsgruppenplans zum BAT-KF aF einschließlich der im BAT-KF aF vorgesehenen Struktur einer Gesamtvergütung bestehend aus der Grundvergütung und dem Ortszuschlag entsprach, und gestalteten sie dynamisch. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Vereinbarung, die auf den BAT-KF in der jeweiligen Fassung verwies.

203. Bei dem BAT-KF handelt es sich entgegen der Bezeichnung in der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel nicht um einen Tarifvertrag im Sinne des TVG, weil er nicht nach dessen Maßgaben, insbesondere nicht unter Beteiligung von Gewerkschaften (§ 2 Abs. 1 TVG), zustande gekommen ist. Der BAT-KF ist vielmehr eine im sog. Dritten Weg beschlossene kirchliche Arbeitsrechtsregelung. Es handelt sich um eine Kollektivvereinbarung besonderer Art, in der allgemeine Bedingungen für die Vertragsverhältnisse der kirchlichen Arbeitnehmer durch eine paritätisch zusammengesetzte Arbeitsrechtliche Kommission festgelegt werden. Den Regelungen kommt keine normative Wirkung zu. Sie finden auf das Arbeitsverhältnis - wie vorliegend - nur kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung (st. Rspr., vgl. zB  - zu III 2 b aa der Gründe, BAGE 101, 9; - 6 AZR 430/03 - AP AVR § 1a Caritasverband Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 4; - 4 AZR 412/04 - mwN, AP MitarbeitervertretungG-EK Rheinland-Westfalen § 42 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 6; - 4 AZR 424/04 -).

214. Der BAT-KF in der ab dem geltenden Fassung hat den BAT-KF in der vorherigen Fassung entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht iSd. § 8 Abs. 1 Satz 2 des Dienstvertrags „ersetzt“. Das ergibt sich bereits aus der unveränderten Bezeichnung des Regelungswerks „BAT-KF“, die lediglich mit dem Zusatz „neue Fassung“ versehen wurde, und aus dem Umstand, dass der BAT-KF konstant weiterentwickelt wurde und wird. So gab es in den Jahren 2007 bis 2010 zahlreiche Änderungen aufgrund von Beschlüssen der Arbeitsrechtlichen Kommission. Zwar wurden inhaltlich ab dem insbesondere die Entgelte neu strukturiert, zugleich wurden jedoch - anders als im Bereich des öffentlichen Dienstes - die für Arbeiter und Angestellte unterschiedlichen Regelungswerke beibehalten (BAT-KF für die Angestellten und Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter in kirchlicher Fassung - MTArb-KF). Auch nach dem Beschluss der Arbeitsrechtlichen Schiedskommission vom wurde der BAT-KF lediglich „geändert“. Damit ist die Rechtslage nicht mit der Tarifsukzession im öffentlichen Dienst vergleichbar. Dort wurde der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) für den Bereich des Bundes und der Kommunen zum durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom ersetzt, für den Bereich der Länder zum durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vom . Bei der im öffentlichen Dienst erfolgten Ablösung des BAT durch den TVöD und den TV-L ersetzten Gewerkschaft und Arbeitgeberseite damit übereinstimmend und ausdrücklich ein Tarifwerk durch ein anderes Tarifwerk ( -; - 5 AZR 888/08 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44; - 5 AZR 633/09 - ZTR 2011, 150).

225. Damit verbleibt es im Streitfall bei der in § 8 Abs. 1 Satz 1 des Dienstvertrags getroffenen Vergütungsvereinbarung, wonach der Kläger Anspruch auf eine Vergütung entsprechend der VergGr. I BAT-KF der Anlage 1a zum BAT-KF in der jeweils gültigen Fassung hat. Die gültige Fassung der früheren VergGr. I BAT-KF ab ist nach der einzelvertraglichen Vergütungsabrede des Klägers die Entgeltgruppe 15Ü BAT-KF und nicht die von ihm beanspruchte Entgeltgruppe Ä4 TV-Ärzte-KF.

23a) Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Dienstvertrags erhält der Kläger eine Vergütung entsprechend der VerGr. I BAT-KF in der jeweils gültigen Fassung. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 der Arbeitsrechtsregelung iVm. der Anlage 1 wurde die VergGr. I BAT-KF ab der Entgeltgruppe 15Ü BAT-KF zugeordnet. Das „ist“ entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts die vereinbarte Vergütung nach VergGr. I BAT-KF in der jeweils gültigen Fassung. Die VergGr. I BAT-KF ist nicht ersatzlos „entfallen“, sondern vielmehr gemäß § 2 Abs. 1 der Arbeitsrechtsregelung in die neue Entgeltgruppe 15Ü BAT-KF übergeleitet worden. Diese Überleitung wird vom Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 1 des Dienstvertrags erfasst. Die Entgeltgruppe 15Ü BAT-KF ist auch dynamisch. Ihre Tabellenwerte wurden zum , zum , zum und werden zum erhöht. Sie betrugen in Stufe 6 bis 5.625,00 Euro, vom bis 5.765,80 Euro, vom bis 6.014,76 Euro, vom bis 6.086,94 Euro und werden ab auf 6.154,08 Euro erhöht.

24b) Einer Überleitung der von den Parteien gewählten VergGr. I BAT-KF in die Entgeltgruppe 15Ü BAT-KF nF steht nicht entgegen, dass nach § 3 Abs. 1 Satz 4 der Anlage 7 zum BAT-KF nF Ärzte der VergGr. I BAT-KF in die Entgeltgruppe 4 (= Ä4 TV-Ärzte-KF) überzuleiten waren. Diese Überleitungsvorschriften gelten nur für die von § 1 Abs. 1 TVÜ-Ärzte-KF erfassten Ärzte, dh. für diejenigen, die am unter den Geltungsbereich des BAT-KF fielen. Dies war bei Chefärzten nicht der Fall, § 3 Abs. 1 Buchst. i BAT-KF aF, wie es auch dem heutigen Rechtszustand entspricht (§ 1 Abs. 2 TV-Ärzte-KF). Der TV-Ärzte-KF ist über seinen persönlichen Geltungsbereich hinaus deshalb auch nicht als speziellere Regelung für Ärzte anzusehen (vgl. für den Bereich des öffentlichen Dienstes,  - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 80 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 50). § 11 TV-Ärzte-KF enthält genau wie Fallgruppe 18 der Berufsgruppe 3.1 des bis zum gültigen Vergütungsgruppenplans zum BAT-KF aF auch keine Eingruppierungsmerkmale für Chefärzte, sondern nur für Chefarztvertreter und zudem ein gegenüber dem früheren BAT-KF vollständig neues Eingruppierungssystem für die von ihm erfassten Ärztinnen und Ärzte. Der Arbeitsvertrag enthält auch keine Hinweise, dass der Kläger eine monatliche Grundvergütung wie ein Chefarztvertreter erhalten sollte oder dass sich die Parteien bei der Wahl der in Bezug genommenen Vergütungsgruppe überhaupt an die Vergütung anderer Ärzte angelehnt haben. Der gewählten Formulierung lässt sich schlicht eine Dynamisierungsabsicht der Parteien entnehmen, die auch bei der Überführung der VergGr. I BAT-KF in die allgemeine Entgeltgruppe 15Ü BAT-KF zum Tragen kommt. Der Hinweis auf eine angebliche Lebensfremdheit einer solchen Auslegung ersetzt jedenfalls nicht die notwendige schlüssige Darlegung eines über den Vertragswortlaut hinausgehenden Vertragsinhalts, wie er vom Kläger behauptet wird. Gerade im Hinblick auf das zugleich vereinbarte Recht des Klägers zur Privatliquidation als zweiter Säule der Vergütung erscheint eine Auslegung im Sinne der Beklagten auch nicht lebensfremd.

25c) Die Bezugnahmeklausel in § 8 Abs. 1 Satz 1 des Dienstvertrags ist auch nicht unklar iSd. § 305c BGB, mit der Folge, dass die für den Kläger (derzeit günstigere) Entgeltgruppe Ä4 TV-Ärzte-KF Anwendung finden müsste. Die Klausel ist eindeutig. Der Kläger sollte für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich eine Vergütung nach der VergGr. I BAT-KF in der jeweils gültigen Fassung erhalten. Dass seit dem neue Entgeltregelungen für Ärzte, die nicht Chefärzte sind, gelten, macht die vereinbarte Regelung nicht im Nachhinein unklar (vgl. auch  - Rn. 19).

26II. Ein Anspruch des Klägers auf eine Anpassung der Vergütungsvereinbarung ab folgt auch nicht aus einer Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 Abs. 1 BGB. Wie ausgeführt, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eine für andere Ärzte geltende Entgeltregelung Grundlage des Dienstvertrags der beiden Parteien war. Zudem haben sich die Umstände durch das Inkrafttreten des TV-Ärzte-KF nicht so schwerwiegend geändert, dass dem Kläger unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, wozu auch die variablen Einnahmen aus Privatliquidationen gehören, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Eine Anpassung der Vergütung kommt nach der Rechtsprechung des Senats jedenfalls nicht schon deshalb in Betracht, weil Chefärzte stets mehr verdienen müssten, als ihre in Entgeltgruppe Ä4 TV-Ärzte-KF eingruppierten Vertreter. Einen allgemeinen Grundsatz, ein Vorgesetzter sei stets höher zu vergüten als seine ihm unterstellten Mitarbeiter, gibt es im Arbeitsrecht ebenso wenig wie ein „Abstandsgebot“ ( - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 80 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 50; vgl. für tarifliche Vergütungsregelungen - 6 AZR 665/08 - AP TVÜ § 4 Nr. 1).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
MAAAD-92455