NWB Nr. 40 vom Seite 3329

„Deutsch-Schweizer Steuerabkommen”

Professor Dr. Hans-Joachim Kanzler | Vors. Richter des VI. Senats des BFH

Kavallerieattacke oder Kuschelkurs

Von einem Extrem ins andere zu fallen scheint eine deutsche Besonderheit zu sein. Drohte Peer Steinbrück als Finanzminister noch der Eidgenossenschaft mit einer Kavallerieattacke, dies wohl metaphorisch, denn die Bundeswehr hat die Schlachtrosse abgeschafft, so wird das gerade unterzeichnete Deutsch-Schweizer Steuerabkommen vom Vorsitzenden der Deutschen Steuergewerkschaft Thomas Eigenthaler als „roter Teppich für die Schweizer Banken” geschmäht. Nun, diesen roten Teppich gab es ja bisher schon, deshalb sollte nun auch etwas getan werden. Und die wohl folgerichtige Lösung könnte man darin sehen, den Banken den roten Teppich unter den Füßen wegzuziehen. So der Ansatz der Amerikaner, die sich nicht mit fragwürdigen bilateralen Abkommen aufhalten, sondern recht selbstbewusst unilateral gehandelt und die Banken selbst unter Druck gesetzt haben. So musste die UBS 2009 den Verlust ihrer Banklizenz mit einer hohen Strafzahlung sowie der Herausgabe der Kontodaten ihrer Kunden vermeiden und auch andere Banken und deren Vorstände waren und sind im Visier der US-Justiz (dazu Todero, Minnesota Journal of International Law, 2010, S. 241, 257). Parallel zu diesen spektakulären Einzelaktionen wurde 2010 der rigorose Foreign Account Tax Compliance Act in Kraft gesetzt und im März 2009 der Stop Tax Haven Abuse Act (H.R. 2669) eingebracht, der von US-Senator Carl Levin mit den Worten vorgestellt wurde: „Offshore tax abuses are not only undermining public confidence in our tax system, but increasing the tax burden on middle America … People are sick and tired of tax dodgers using offshore trickery”.

Freilich, auch wir haben seit September 2009 ein Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz, das aber noch der Anwendung harrt (s. BT-Drucks. 17/1765) und nun das Deutsch-Schweizer Steuerabkommen, dessen Wortlaut erst am veröffentlicht wurde, über das aber bereits im Vorfeld heftig diskutiert wurde. Bezeichnend ein Interview der Süddeutschen Zeitung mit dem Finanzminister von Sachsen-Anhalt Jens Bullerjahn (SPD): „Ich kenne die Einzelheiten des geplanten Abkommens nicht. Was mir bisher bekannt ist, spricht nicht für eine Steuergerechtigkeit für alle” (SZ v. S. 17). Nun wird man sich fragen können, ob der Abschluss eines 67-seitigen bilateralen Abkommens, das das schweizerische Bankgeheimnis verfestigt, der Steuergerechtigkeit dienen kann und soll. Aber auch eine Reihe weiterer Fragen stellen sich: Kann man die Steuererhebung den Banken anvertrauen, gegen die in Deutschland wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung vorgegangen wurde? Kann man nach Inkrafttreten dieses Abkommens noch überzeugend inländische Steuerhinterzieher verfolgen? Wie ist die Ungleichbehandlung dem Kläger eines finanzgerichtlichen Verfahrens sachlich zu rechtfertigen, der eine dem Abkommen entsprechende Besteuerung begehrt? Als überzeugenden Abschluss des Schweizer Steuerstreits mit Deutschland, der durch den Erwerb einiger CD ausgelöst wurde, wird man das Abkommen kaum sehen können, eine Einschätzung, die Bundesrat und EU-Kommission zu teilen scheinen.

Hans-Joachim Kanzler

Fundstelle(n):
NWB 2011 Seite 3329
NWB DAAAD-92364