NWB Nr. 38 vom Seite 3161

Déjà-vu bei der Grunderwerbsteuer?

Christian Osthus | Rechtsanwalt und Referent für Steuern und Recht im ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e. V. in Berlin

Tariferhöhung ruft nach Ermäßigungstatbeständen

Bis 1983 war die Grunderwerbsteuer geprägt von Befreiungstatbeständen und einem hohen Steuersatz von 7 %. Aus heutiger Sicht scheint dieser Satz wieder in greifbare Nähe zu rücken. Jedenfalls dann, wenn die Länder den Wettlauf um den höchsten Steuersatz nicht beenden wollen. Berlin machte 2007 den Anfang und erhöhte als erstes Bundesland die Grunderwerbsteuer von damals bundeseinheitlich 3,5 % auf zunächst 4,5 %. Jüngst hat auch Nordrhein-Westfalen an der Steuerschraube gedreht und die Grunderwerbsteuer zum auf 5 % erhöht. In Baden-Württemberg ist ebenfalls eine Erhöhung auf 5 % beabsichtigt. Lediglich vier Bundesländer haben von der 2006 eingeräumten Möglichkeit, den Grunderwerbsteuertarif selbst zu bestimmen, keinen Gebrauch gemacht. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis das eine oder andere verbleibende Land nachzieht und ebenfalls erhöht.

Spätestens dann wird der Steuergesetzgeber laut darüber nachdenken, aus sozialen Gründen steuerermäßigende Privilegierungen wieder einzuführen, um insbesondere den Beziehern mittlerer Einkommen den Grunderwerb nicht ganz zu verleiden. Viele Akteure auf dem deutschen Immobilienmarkt würden in diesem Fall ein Déjà-vu erleben, da es genau diese Situation schon einmal gegeben hat: Hoher Steuersatz mit zahlreichen Befreiungen und Vergünstigungen. Exakt diesen Zustand wollte der Gesetzgeber aber beseitigen, als er 1983 den Steuersatz auf einheitliche 2 % senkte und die Ausnahmen aufhob. Zwar führte er 1997 eine Tariferhöhung um 40 % auf 3,5 % durch; von Ausnahmetatbeständen sah er – wie bereits 1983 aus Steuervereinfachungsgründen – aber ab, um die Finanzämter weiterhin vor aufwändigen Prüfungen zu bewahren. Dies könnte sich jetzt wieder ändern.

Wenn die Grunderwerbsteuer erst Schritt für Schritt erhöht wird und dann zur Vermeidung einer sozialen Schräglage wieder nach Ermäßigungstatbeständen gerufen wird, wiederholt sich die Geschichte. Wird ein Gesetz aufgrund der Berücksichtigung sozialer Härtefälle erheblich komplexer, erhöht sich dessen Streitanfälligkeit. Gleichzeitig steigert sich der Arbeitsaufwand bei der Steuerverwaltung und sinkt die Transparenz aus Sicht des Steuerpflichtigen. Der Wunsch nach Steuervereinfachung ist die logische Folge.

Ob derartige Ansätze überhaupt künftig umsetzbar sind, ist aufgrund des komplizierten Gesetzgebungsprozesses nicht ganz einfach zu beantworten. Den Ländern steht zwar die Hoheit über die Höhe des Steuertarifs zu, Änderungen am Gesetzestext selbst müssen jedoch Bundestag und Bundesrat durchlaufen. Insbesondere für Länder, die eine Erhöhung bislang abgelehnt haben, stellt sich die Frage, weshalb man einer Änderung des Gesetzes zur Vermeidung unbilliger Härten aufgrund überproportionaler Erhöhung des Steuertarifs in anderen Ländern zustimmen sollte. Bereits heute ist ein niedrigerer Steuertarif auch ein Instrument im Standortwettbewerb zwischen den Ländern. Für diesen Vorteil lohnt es sich somit nicht nur im Namen der Einfachheit des Steuersystems zu kämpfen.

Christian Osthus

Fundstelle(n):
NWB 2011 Seite 3161
NWB BAAAD-91037