OFD Frankfurt/M. - S 7174 A - 1 - St 112

Umsatzsteuerliche Behandlung von Rettungsdienstleistungen

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1. Grundsätzliches zur Steuerbefreiung von Rettungsdienstleistungen

Im Rahmen des Rettungsdienstes werden verschiedene Dienstleistungen erbracht, die in der Vergangenheit überwiegend als steuerfrei behandelt wurden. Eine Steuerbefreiung dieser Rettungsdienstleistungen kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale einer Steuerbefreiungsvorschrift komplett erfüllt sind. Rettungsdienstleistungen können demnach nach § 4 Nr. 14, § 4 Nr. 16 Buchstabe c, § 4 Nr. 17 Buchstabe b oder § 4 Nr. 18 UStG steuerbefreit sein.

Da die Regelung des Rettungsdienstes in die Kompetenz der Länder fällt, ergeben sich durch die unterschiedlichen Rettungsdienstgesetze Abweichungen in der Gestaltung des Rettungsdienstes von Bundesland zu Bundesland.

2. Rettungsdienstsystem in Hessen

2.1 Gesetzliche Grundlage und Aufgabe des Rettungsdienstes

In Hessen ist der Rettungsdienst ab auf der Grundlage des Hessischen Rettungsdienstgesetzes (HRDG) vom (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen – GVBl – 1998 I S. 499) in der ab dem bis zum gültigen Fassung vom (GVBl 2010 I S. 646) geregelt. Zuvor war das HRDG in der Fassung vom (GVBl 1993 I S. 268) anzuwenden.

Der Rettungsdienst unterteilt sich dabei in den Bereich der Notfallversorgung (§ 3 Abs. 2 HRDG) und den Bereich des Krankentransports (§ 3 Abs. 3 HRDG), wobei diese Aufgaben grundsätzlich in organisatorischer Einheit durchzuführen sind (§ 4 HRDG).

Nach dem HRDG sind Träger der Notfallversorgung das Land, die Landkreise und die kreisfreien Städte. Während die Luftrettung Angelegenheit des Landes ist (§ 5 Abs. 4 Satz 1 HRDG), obliegt die Durchführung der bodengebundenen Notfallversorgung einschließlich der Berg- und Wasserrettung den Landkreisen und kreisfreien Städten als Selbstverwaltungsangelegenheit (§ 5 Abs. 1 HRDG).

Diese sollen sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 5 Abs. 2 und Abs. 4 HRDG Dritter bedienen. Dabei sollen die auf Landesebene im Katastrophenschutz mitwirkenden Hilfsorganisationen bzw. sonstigen Organisationen, soweit sie die allgemeine Anerkennung im Katastrophenschutz besitzen, mit ihren Untergliederungen und Tochtergesellschaften vorrangig berücksichtigt werden.

Wer Leistungen im Bereich des Krankentransports erbringen will, bedarf der Beauftragung. Die Beauftragung erfogt durch öffentlich rechtlichen Vertrag oder Verwaltungsakt (§ 11 Abs. 1 HRDG).

2.2 Aufbau des Rettungsdienstsystems

Leistungen werden auf Anforderung der Zentralen Leitstellen erbracht. Die Rettungsmittel und das Fachpersonal werden in Rettungswachen einsatzbereit vorgehalten (§ 3 Abs. 8 HRDG).

Die Zentrale Leitstelle hat alle Hilfeersuchen entgegenzunehmen und die notwendigen Einsatzmaßnahmen zu veranlassen, zu lenken und zu koordinieren. Sie hat den bedarfsgerechten Einsatz zu steuern und erteilt die notwendigen Einsatzaufträge. Ihre Aufgaben sind den kreisfreien Städten und den Landkreisen zur Erfüllung nach Weisung übertragen (§ 6 Abs. 2 und 3 HRDG).

Die Leitstellen werden von den Landkreisen und kreisfreien Städten im Rahmen ihrer hoheitlichen Tätigkeit betrieben. Zur Abgeltung der entstehenden Kosten werden vom Land die in § 8 HRDG geregelten Erstattungen geleistet. Für darüber hinausgehende Kosten können nach § 9 HRDG durch die Leistungsträger Gebühren erhoben werden.

Bei dieser Gestaltung werden im Bereich der Zentralen Leitstellen keine umsatzsteuerrechtlich relevanten Tatbestände verwirklicht.

Die Rettungswachen werden von den jeweiligen beauftragten Leistungserbringern besetzt und unterhalten. Hierfür erhalten die Rettungswachen keine vom Träger der Notfallversorgung zu zahlende Vergütung, so dass ein Leistungsaustausch zwischen den Leistungserbringern und den Trägern der Notfallversorgung nicht vorliegt. Es wird lediglich eine vertragliche Vereinbarung (Beauftragung) über die Sicherstellung des Rettungsdienstes abgeschlossen.

Das bestehende Notarztsystem ist u. a. durch das sog. Stations- und Rendezvous-System gekennzeichnet.

Beim Stationssystem sind Notarzt und Rettungsassistent an einem gemeinsamen Standort stationiert. Notarzt und Rettungsassistent werden gemeinsam im Notarztwagen (NAW) zum Einsatzort transportiert.

Verbreiteter ist jedoch das sog. Rendezvous-System mit getrenntem Standort von Rettungswagen (RTW) und Notarzt. Der Notarzt wird hierbei von einem Notarzteinsatzfahrzeug (NEF – mit Blaulicht und Martinshorn ausgestatteter Pkw) zum Einsatzort gebracht. Die zum Einsatz kommenden Fahrzeuge (RTW und NEF) können verschiedenen Organisationen angehören.

2.3 Rettungsdienst-Rechnungswesenverordnung

Nach § 8 der Rettungsdienst-Rechnungswesenverordnung (GVBl 1999 I S. 487) dürfen die Leistungserbringer für die im Rahmen des Rettungsdienstes erbrachten Leistungen Entgelte erheben.

Diese können zwar von Rettungsdienstbereich zu Rettungsdienstbereich differieren. Innerhalb eines Rettungsdienstbereiches werden jedoch für alle Leistungserbringer, unabhängig davon ob Wohlfahrtsverband oder privater Anbieter einheitliche Entgelte gezahlt.

3. Umsatzsteuerliche Qualifizierung der einzelnen Leistungen

Die im Rahmen des Rettungsdienstes erbrachten Leistungen sind umsatzsteuerlich wie folgt zu qualifizieren:

3.1 Ärztliche Leistungen

Die im Rettungsdienst erbrachten ärztlichen Leistungen sind nach § 4 Nr. 14 UStG von der Umsatzsteuer befreit.

3.2 Leistungen der Rettungsassistenten

Vor Ort tätige Rettungsassistenten üben eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit im Sinne des § 4 Nr. 14 UStG aus, wenn sie selbständig tätig sind und ihnen die zur Ausübung ihres Berufs erforderliche Erlaubnis nach §§ 1 und 13 des Rettungsassistentengesetzes erteilt wurde (Abschn. 4.14.4 Abs. 11 UStAE).

3.3 Notfallrettung/Medizinische Leistungen unter ärztlicher Aufsicht

Die Leistungen der Notfallrettung umfassen sowohl Leistungen der Lebensrettung und Betreuung von Notfallpatienten als auch deren Beförderung.

Die lebensrettenden Maßnahmen im engeren Sinne werden regelmäßig durch selbständige Ärzte erbracht, die sich dazu gegenüber dem beauftragten Unternehmen verpflichtet haben und insoweit als Unternehmer im Sinne des § 2 UStG tätig werden. Die Leistungen dieser Ärzte sind nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei.

Die vom beauftragten Unternehmer am Einsatzort erbrachten lebensrettenden Maßnahmen im weiteren Sinne unterliegen nicht der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG. Diese Leistungen können aber unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchstabe c UStG steuerfrei sein.

Die Beförderung von Notfallpatienten in dafür besonders eingerichteten Fahrzeugen ist steuerfrei nach § 4 Nr. 17 Buchstabe b UStG. Wird der Verletzte im Anschluss an eine Notfallrettung in ein Krankenhaus befördert, stellen die lebensrettenden Maßnahmen, die der Vorbereitung der Transportfähigkeit des Patienten dienen, eine einheitliche Leistung dar, die nach § 4 Nr. 17 Buchstabe b UStG steuerfrei ist.

3.4 Beförderungsleistungen von Personen

Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 17 Bst. b UStG kommt in Betracht, wenn die Beförderung der kranken und verletzten Personen mit hierfür besonders eingerichteten Fahrzeugen erfolgt.

a) Begünstigte Fahrzeuge

Nach Abschn. 4.17.2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStAE gehören dazu nur solche Fahrzeuge, die für die Beförderung verletzter und kranker Personen besonders eingerichtet sind. Das ist der Fall, wenn das Fahrzeug durch die vorhandenen Einrichtungen die typischen Merkmale eines Krankenfahrzeugs aufweist, z. B. Liegen, Spezialsitze. Spezielle Einrichtungen für den Transport von Kranken und Verletzten können u. a. auch-eine Bodenverankerung für Rollstühle, eine Auffahrrampe sowie eine seitlich ausfahrbare Trittstufe sein.

Serienmäßige Personenkraftwagen, die lediglich mit blauem Rundumlicht und Einsatzhorn, sog. Martinshorn, ausgerüstet sind, erfüllen die Voraussetzungen nicht. Die Ausstattung mit einer Trage und einer Grundausstattung für „Erste Hilfe” reicht nicht aus. (Abschn. 4.17.2 Abs. 1 Sätze 4 und 5 UStAE).

Im Übrigen wird auf Abschn. 4.17.2 Abs. 1 und 2 UStAE verwiesen, in denen auf die Problematik der Ausstattung von nach § 4 Nr. 17 Bst. b UStG begünstigten Fahrzeugen sowie der Beförderung von Personen mit solchen Fahrzeugen eingegangen wird.

b) Begünstigter Personenkreis

Nach Ansicht der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder ist bei der Auslegung der Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 17 Bst. b UStG insbesondere auch das –  BStBl 1995 II S. 559 – zu berücksichtigen.

Die Steuerbefreiung kommt danach nur für die Beförderung von kranken und verletzten Personen in Betracht.

Werden Leistungen zur Sicherstellung der Einsatzbereitschaft der Rettungsmittel und des Personals (sog. Vorhalteleistungen) von demselben Unternehmer erbracht, der die Beförderung von Notfallpatienten als Hauptleistung ausführt, teilen die Vorhalteleistungen als Nebenleistungen das Schicksal der Hauptleistung. Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 17 Buchstabe b UStG kommt hingegen nicht in Betracht, wenn Vorhalteleistungen und Hauptleistungen von verschiedenen Unternehmern erbracht werden.

c) Gemeinnützige und mildtätige Organisationen

Gemeinnützige und mildtätige Organisationen führen häufig Krankenfahrten mit nicht besonders für die Beförderung von Kranken besonders eingerichteten Personenkraftwagen durch.

Bei derartigen Leistungen ist die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG nicht anwendbar, da die Voraussetzungen der Wohlfahrtspflege nicht erfüllt sind (vgl. Abschn. 4.18.1 Abs. 12 Sätze 1 und 2 UStAE).

Die übrigen Voraussetzungen nach § 4 Nr. 18 UStG sind daher nicht zu prüfen. Die Leistungen unterliegen dem allgemeinen Steuersatz, da ein steuerschädlicher wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vorliegt (Abschn. 4.18.1 Abs. 12 Satz 3 i. V. m. Abschn. 12.9 Abs. 4 Nr. 3 UStAE).

d) Beförderungen in Notarzteinsatzfahrzeugen

Je nach Fallgestaltung ergeben sich hier unterschiedliche umsatzsteuerliche Konsequenzen:

  • Betrieb von RTW und NEF durch ein Rettungsdienstunternehmen

In diesem Fall erbringt das Rettungsdienstunternehmen eine einheitliche Leistung, die aus der Notfallbehandlung durch den Arzt und dem anschließenden Krankentransport besteht. Die Beförderung des Notarztes zum Einsatzort ist als unselbständige Nebenleistung ebenfalls nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei.

  • Betrieb von RTW und NEF durch verschiedene Rettungsdienstunternehmen

Wird der RTW und das NEF von zwei verschiedenen Rettungsdienstunternehmen eingesetzt, werden zwei Leistungen erbracht. Zum einen die nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfreie Notfallbehandlung durch den Arzt einschließlich der Beförderung des Notarztes und zum anderen der nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG steuerfreie Krankentransport.

Der Transport des Notarztes zum Einsatzort ist eine unselbständige Nebenleistung zur steuerfreien heilberuflichen Tätigkeit. Die Transportleistung ist unabdingbar für die ärztliche Leistung des Notarztes vor Ort und hat keinen eigenen Zweck. Nur durch diese Nebenleistung wird die ärztliche Behandlung vor Ort überhaupt erst möglich.

Der über folgenden Fall: Ein Verein für Rettungsdienste, Krankentransporte und soziale Hilfsdienste stellte dem ärztlichen Notdienst ein Rettungsfahrzeug zur Verfügung und rechnete unmittelbar gegenüber den Notärzten ab, weshalb er sich nicht auf § 4 Nr. 18 UStG berufen kann (keine unmittelbare Leistungen an Patienten). Das Urteil kommt in Hessen jedoch nicht zur Anwendung, weil in Hessen keine Abrechnung mit dem Notarzt über die Transportleistung möglich ist.

In Hessen gibt es nur vom jeweiligen Rettungsdienstträger (Landkreis oder kreisfreie Stadt) beauftragte Notarztsysteme. Diese Notarztsysteme bedienen sich verschiedener Notärzte, die bei den Beauftragten unter Vertrag stehen. Das für den Notarzteinsatz fällige Benutzungsentgelt wird von dem Beauftragten eingezogen und entsprechend des geschlossenen Vertrages anteilmäßig an den jeweiligen Notarzt weitergegeben. Dass ein Beauftragter unmittelbar gegenüber den Notärzten abrechnet und diese ihrerseits entsprechende Erstattungen von den Krankenkassen erhalten, ist nach dem HRDG nicht möglich.

e) Beförderungsleistungen privater Anbieter

Für Beförderungsleistungen privater Anbieter kommt eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG nicht in Betracht, da diese nicht unter den begünstigten Personenkreis dieser Vorschrift fallen. Sofern die Beförderung der kranken und verletzten Personen mit einem hierfür besonders eingerichteten Fahrzeug erfolgt (vgl. Tz. 3.4 Buchst. a), ist die Beförderungsleistung nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG steuerbefreit.

3.5 Transportleistungen

Hinsichtlich des Transportes von Medikamenten, Blutkonserven und Organen ergibt sich – ebenso wie bei Suchflügen – keine Steuerbefreiung.

Der entgeltliche Organtransport durch gemeinnützige Organisationen ist grundsätzlich als Zweckbetrieb zu beurteilen.

Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG kommt nicht in Betracht, da einheitliche Entgelte an Wohlfahrtsverbände und private Anbieter gezahlt werden und die Entgelte der Wohlfahrtsverbände somit nicht hinter den Entgelten privater Anbieter zurückbleiben.

Die Leistung unterliegt wegen der Zweckbetriebseigenschaft dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Bst. a UStG.

Begehrt der Unternehmer eine Steuerbefreiung für seine im Rahmen des Rettungsdienstes erbrachten Leistungen, trägt er hierfür die Beweislast.

Gfs. kann eine entsprechende Prüfung der Steuerbefreiungsvorschriften auch im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung erfolgen.

Die Rdvfg. (USt-Kartei OFD Ffm. § 4 – Fach S 7174 – Karte 1) ist durch diese Rdvfg. überholt und kann ausgesondert werden. Die Änderungen sind kursiv dargestellt.

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Fundstelle(n):
USt-Kartei § 4 UStG Fach S 7174 Karte 1
SAAAD-90992