BFH Beschluss v. - XI B 67/10

Keine Berücksichtigung eines nach Verkündung des Urteils eingehenden Schriftsatzes

Gesetze: FGO § 104 Abs. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3, UStG § 14 Abs. 1 Satz 2

Instanzenzug:

Gründe

1Die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 116 der FinanzgerichtsordnungFGO—) ist unbegründet.

21. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb in den Jahren 1996 und 1997 (Streitjahre) als Einzelunternehmer einen Handel mit Nutzfahrzeugen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) versagte im Anschluss an eine Außenprüfung in den Umsatzsteuerbescheiden für 1996 und 1997 vom den vom Kläger geltend gemachten Vorsteuerabzug aus den Lieferungen von LKW, weil es sich bei den Lieferanten um Scheinfirmen gehandelt habe.

3Das Finanzgericht (FG) wies die Klage in diesem Streitpunkt ab. Es führte zur Begründung aus, soweit der Kläger die streitigen Rechnungen vorgelegt habe, berechtigten diese nicht zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG). In den meisten Rechnungen sei entgegen § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 UStG der Zeitpunkt der Lieferung nicht angegeben worden (Hinweis auf das , BFHE 223, 535, BStBl II 2009, 432). In einer Rechnung, die möglicherweise diese Voraussetzung erfülle, sei entgegen § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UStG der Leistungsempfänger nicht richtig angegeben worden, weil diese Rechnung nicht an den Kläger A, sondern an eine „A Nutzfahrzeuge GmbH” adressiert sei.

42. Die Revision ist nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen.

5Der Kläger rügt mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde einen „Form- bzw. Verfahrensfehler”, weil das FG seinen Vortrag in einem Telefax vom nicht mehr berücksichtigt habe.

6Der gerügte Verfahrensfehler liegt nicht vor. Das FG hat in seinem Urteil —vom Kläger in seiner Beschwerde nicht bestritten— ausgeführt, dass das Telefax am erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung und Urteilsverkündung (13:52 Uhr) um 13:56 Uhr bei Gericht eingegangen ist (Urteil, S. 5). Ein Schriftsatz ist aber nicht mehr zu berücksichtigen, wenn ihn der Kläger bei Gericht einreicht, nachdem das Urteil durch Verkündung wirksam geworden ist (vgl. , BFH/NV 2003, 1206).

7Im Übrigen kann die Vorentscheidung auf dem vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmangel nicht —wie nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO erforderlich— beruhen. Nach der insoweit maßgeblichen (vgl. z.B. , BFH/NV 2010, 2052) —und zutreffenden— Rechtsauffassung des FG war der Inhalt des Telefax für die getroffene Entscheidung nicht erheblich.

83. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO wegen Divergenz zuzulassen.

9Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen (vgl. z.B. , BFH/NV 2011, 511, unter II.3., m.w.N.). Des Weiteren ist auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und eine identische Rechtsfrage handele (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom VIII B 103/07, BFH/NV 2008, 980; vom II B 47/07, BFH/NV 2008, 1846, unter II.2., m.w.N.).

10Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht. Er hat schon keine voneinander abweichenden Rechtssätze gegenübergestellt.

11Soweit der Kläger insbesondere geltend macht, die vom FG angeführte Entscheidung in BFHE 223, 535, BStBl II 2009, 432 sei zum UStG 2005 ergangen und deshalb auf die hier erfolgten Lieferungen in den Jahren 1996 und 1997 nicht anwendbar, weist der Senat darauf hin, dass —wie in § 14 Abs. 4 Nr. 6 UStG 2005— auch nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung die Rechnungen „den Zeitpunkt der Lieferung oder der sonstigen Leistung” enthalten mussten.

124. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung scheidet ebenfalls aus.

13Der Kläger hält die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, „ob die Finanzbehörden einem gutgläubigen Steuerpflichtigen das Risiko für den Verlust von Vorsteuern aus Rechnungen aufbürden kann, wenn dieser Betrügern aufgesessen ist oder ob in diesen Fällen dem Gesetzgeber mit einem Übermaßgebot Einhalt zu gebieten ist”.

14Er hat aber eine grundsätzliche Bedeutung dieser Rechtsfrage nicht dargelegt. Denn seinem Vorbringen hierzu lässt sich nicht entnehmen, dass die zu entscheidende Rechtsfrage klärungsbedürftig ist. Dazu bedarf es der Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung (vgl. z.B. , juris; , BFH/NV 2010, 259) und der Darlegung, weshalb die bestehenden Rechtsprechungsgrundsätze auf den Streitfall nicht übertragbar sind (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom II B 62/01, BFH/NV 2003, 62; vom XI B 179/07, BFH/NV 2008, 819). Daran mangelt es im Streitfall.

15Zudem wäre die vom Kläger als grundsätzlich bezeichnete Rechtsfrage in dem von ihm angestrebten Revisionsverfahren nicht klärbar. Denn die Entscheidung darüber, ob wegen eines guten Glaubens an die Richtigkeit der Angabe des Leistenden in den Rechnungen ein Vorsteuerabzug aus Vertrauensschutzgründen zu gewähren ist, gehört nicht in das Festsetzungs-, sondern in das Billigkeitsverfahren nach den §§ 163, 227 der Abgabenordnung (vgl. , BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744; in BFH/NV 2010, 259, unter II.1.c bb).

16Im Übrigen ergibt sich aus den Feststellungen des FG, die für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend sind, kein Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger gutgläubig gewesen ist.

175. Die im nach Ablauf der Begründungsfrist und damit verspätet eingereichten Schriftsatz vom enthaltenen Ausführungen sind, soweit sie nicht nur erläuternder, ergänzender oder vervollständigender Natur sind, unbeachtlich (vgl. z.B. , BFH/NV 2007, 83, unter 3., m.w.N.).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 1714 Nr. 10
PAAAD-89798