BGH Beschluss v. - IX ZB 47/10

Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters: Berechnungsgrundlage für die Ermittlung des Zuschlags wegen Fortführung einer Arztpraxis

Gesetze: § 1 Abs 2 Nr 4 S 2 Buchst b InsVV, § 2 Abs 1 InsVV, § 10 InsVV, § 11 Abs 1 S 2 InsVV vom

Instanzenzug: Az: 9 T 660/05 Beschlussvorgehend Az: 253 IN 171/03 Beschluss

Gründe

I.

1Mit wurde der weitere Beteiligte zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners wurde mit eröffnet und der weitere Beteiligte zum Insolvenzverwalter bestellt. In der Zeit der vorläufigen Verwaltung wurde der nervenärztliche Praxisbetrieb des Schuldners fortgeführt.

2Der weitere Beteiligte hat am beantragt, die Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter auf 9.909,59 €, die Auslagen auf 1.486,43 €, und jeweils 16 v.H. Umsatzsteuer von insgesamt 1.823,36 € festzusetzen, zusammen 13.219,38 €.

3Das Amtsgericht hat die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner eine Neufestsetzung der Vergütung auf der Grundlage einer Berechnungsgrundlage, die hinsichtlich der Betriebsfortführung lediglich den Überschuss berücksichtigt.

II.

4Die gemäß §§ 6, 7, 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2, § 575 ZPO).

5Sie ist begründet. Die vom Amtsgericht und vom Beschwerdegericht zugrunde gelegte Berechnungsgrundlage von 75.249,45 € weicht von der Rechtsprechung des Senats zu § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b, § 10 InsVV ab.

61. Auf die Festsetzung der Vergütung des weiteren Beteiligten ist die insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung in der Fassung der Änderungsverordnung vom (BGBl. I S. 2569) anzuwenden. Die Änderungen der Zweiten Änderungsverordnung vom (BGBl. I S. 3389) sind nicht anwendbar, weil die vorläufige Insolvenzverwaltung vor dem begonnen und geendet hat (, ZIP 2008, 2323 Rn. 5 f).

72. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV in der hier maßgeblichen Fassung erhält der vorläufige Insolvenzverwalter in der Regel 25 v.H. der Vergütung nach § 2 Abs. 1 InsVV bezogen auf das Vermögen, auf das sich seine Tätigkeit während des Eröffnungsverfahrens erstreckt. Wird das Unternehmen vom vorläufigen Insolvenzverwalter fortgeführt, kann insoweit in die Berechnungsgrundlage gemäß § 10 InsVV in entsprechender Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV nur der Überschuss einstellt werden (, ZIP 2007, 1330 Rn. 12, 13).

8a) Zur Ermittlung des Überschusses hat der vorläufige Verwalter hinsichtlich der Praxisfortführung eine gesonderte Einnahmen-/Ausgabenrechnung vorzulegen. Diese ist auf den Zeitpunkt zu beziehen, in dem die vorläufige Insolvenzverwaltung geendet hat (vgl. , ZIP 2007, 784 Rn. 15).

9In diese Rechnung sind sämtliche Einnahmen und Forderungen, aber auch sämtliche Ausgaben und Verbindlichkeiten aufzunehmen, die durch die Betriebsfortführung entstanden sind. Das Einstellen kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass Forderungen oder Verbindlichkeiten bereits erfüllt worden sind. Auch Geschäftsvorfälle, die noch nicht zu einer Fakturierung geführt haben, müssen im Rahmen der Einnahmen-/Ausgabenrechnung erfasst werden. Gegebenenfalls muss die Höhe der Forderungen oder Verbindlichkeiten geschätzt werden ( aaO, Rn. 15).

10b) Eine solche Einnahmen-/Ausgabenrechnung hat der weitere Beteiligte nicht vorgelegt. Er hat vielmehr seinem Vergütungsantrag - in Verbindung mit seinem Bericht gemäß § 156 InsO vom - das Bankguthaben von 65.349,45 € und Praxisforderungen in Höhe von 9.900 € zugrunde gelegt. Bei dem Bankguthaben wird zutreffend auf den Tag der Beendigung der vorläufigen Verwaltung, bei den offenen Forderungen dagegen auf den abgestellt. Ob ein Teil dieser (geschätzten) offenen Forderungen erst nach der Eröffnung vom erwirtschaftet wurde, ist nicht ersichtlich.

11Jedenfalls ist nicht erkennbar, inwieweit die in dem genannten Bericht des Verwalters angeführten offenen Verbindlichkeiten des Schuldners als Ausgaben der Betriebsfortführung anzusehen und deshalb bei der Überschussrechnung zu berücksichtigen sind. Der Verwalter führt zwar in seinem Bericht aus, er habe in der Zeit der Praxisfortführung sämtliche Kosten beglichen. Ausdrücklich ausgenommen hiervon hat er jedoch Steuern und andere Beträge, die aufgelaufen seien, weil das Insolvenzverfahren verspätet eröffnet worden sei. Hierauf kommt es indessen nicht an. Aus Gründen der Praxisfortführung entstandene Verbindlichkeiten sind in die bislang fehlende Einnahmen-/Ausgabenrechnung einzustellen (vgl. näher hierzu , ZIP 2008, 2222 Rn. 15 ff).

124. Da die Sache nicht zur Endendscheidung reif ist, ist sie zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Dabei macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, an das Insolvenzgericht zurückzuverweisen, weil erstmals die Einnahmen-/Ausgabenrechnung vorgelegt und geprüft werden muss (vgl. , BGHZ 160, 176, 185 f).

135. Bei der Festsetzung des Zuschlags wegen der Praxisfortführung wird sodann die erforderliche Vergleichsrechnung nach § 3 Abs. 1 Buchst. b InsVV vorzunehmen sein (vgl. dazu , ZInsO 2010, 2409; vom - IX ZB 143/08, zVb je mit weiteren Nachweisen).

Kayser                                  Gehrlein                                    Vill

                    Lohmann                                   Fischer

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Fundstelle(n):
DAAAD-87018