BAG Urteil v. - 4 AZR 457/09

Einvernehmliches Ausscheiden aus einem Arbeitgeberverband - Verbandsaustritt unter Nichtbeachtung der satzungsmäßigen Beendigungstatbestände

Gesetze: Art 9 Abs 3 GG, § 26 Abs 2 S 1 BGB, § 3 Abs 1 TVG

Instanzenzug: ArbG Solingen Az: 1 Ca 1681/07 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 17 Sa 848/08 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche der Klägerin und in diesem Zusammenhang über die Geltung eines tarifvertraglichen Entgeltabkommens für das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis.

Die Klägerin, Mitglied der IG Metall, ist bei der Beklagten als Maschinenarbeiterin beschäftigt. Die Beklagte, ein in Solingen ansässiges Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie, war zunächst Mitglied im für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie zuständigen Arbeitgeberverband Solingen e.V. (nachfolgend: AGV), einem tarifschließenden Mitgliedsverband der Vereinigung Bergischer Unternehmerverbände e.V. - VBU (nachfolgend: VBU). Zu Beginn des Monats März 2007 beantragte sie beim AGV die einvernehmliche Beendigung ihrer Mitgliedschaft zum . Mit Schreiben vom teilte der Vorstand des Verbandes ihr ua. mit:

3Unter dem Datum des gab die Beklagte mit einem dem AGV übersandten Schreiben eine Beitrittserklärung zur Unternehmerschaft Rhein-Wupper e.V., einem Verband ohne Tarifbindung, der wie der AGV der VBU angehört, zum ab.

4Am wurde ein tarifliches Entgeltabkommen für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen geschlossen, wonach die monatlichen Entgelte ab dem steigen und eine Einmalzahlung vorgesehen ist. Mit Schreiben vom machte die Klägerin die Einmalzahlung sowie die sich aus der Entgelterhöhung ergebende Differenz für den Monat Mai 2007 gegenüber der Beklagten geltend. Die Beklagte lehnte dies unter Hinweis auf ihre am beendete Mitgliedschaft im AGV ab.

5Mit der beim Arbeitsgericht eingegangenen und später um die Entgeltdifferenzansprüche für die Monate Juni bis einschließlich August 2007 erweiterten Klage verlangt die Klägerin die sich aus dem Entgeltabkommen ergebenden Differenzansprüche. Die Beklagte habe aufgrund der in der Satzung des AGV vorgesehenen sechsmonatigen Kündigungsfrist ihre Mitgliedschaft nicht zum beenden können. Die Möglichkeiten der Beendigung der Mitgliedschaft seien in § 5 der Satzung des AGV abschließend geregelt und sähen eine einvernehmliche Aufhebung der Mitgliedschaft nicht vor. Darüber hinaus fehle dem Vorstand für solche Vereinbarungen die satzungsrechtliche Kompetenz.

Die Klägerin hat beantragt,

7Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie habe ihre Mitgliedschaft mit Ablauf des und damit vor dem Tarifabschluss wirksam beendet. Es sei zwischen einem Austritt und der einvernehmlichen Beendigung der Mitgliedschaft zu unterscheiden.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

9Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen habe die Klage zu Recht abgewiesen.

10I. Die Revision ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Revision nicht als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat die Frist zur Einlegung der Revision nach § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG gewahrt. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich des Empfangsbekenntnisses am zugestellt. Die Revision ging innerhalb der Frist von einem Monat am beim Bundesarbeitsgericht ein. Anhaltspunkte dafür, die vorliegend die Beweiskraft des Empfangsbekenntnisses nach § 419 ZPO mindern könnten (vgl.  - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 110, 252) sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Beweiskraft des Empfangsbekenntnisses wird nicht allein durch den Umstand gemindert, dass der Beklagten das Berufungsurteil bereits am zugestellt wurde.

11II. Die Revision ist in der Sache ohne Erfolg. Das Zahlungsbegehren der Klägerin ist unbegründet.

121. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist allerdings insoweit rechtsfehlerhaft und aufgrund eines von Amts wegen zu beachtenden Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu korrigieren, als es einen Anspruch der Klägerin aufgrund individualvertraglicher Bezugnahme der maßgebenden tariflichen Vorschriften abgelehnt hat.

13a) Der Antragsgrundsatz nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist nicht nur dann verletzt, wenn einer Partei etwas zugesprochen wird, ohne dass sie dies beantragt hat, sondern auch dann, wenn ihr ein Anspruch aberkannt wird, den sie nicht zur Entscheidung gestellt hat ( - Rn. 28 mwN, AP ZPO § 551 Nr. 68; - 4 AZR 98/70 - BAGE 23, 146;  - zu I 2 a der Gründe mwN, NJW 1991, 1683).

14b) Die Klägerin hat, wie die Auslegung ihres Klageantrages ergibt, keinen Anspruch auf Zahlung aufgrund einer vertraglichen Inbezugnahme der tariflichen Vorschriften erhoben. Auf diesen Lebenssachverhalt, der einen anderen Streitgegenstand darstellt, hat sie ihr Begehren nicht gestützt.

15aa) Der Streitgegenstand wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die von der Klägerin in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und durch den zugehörigen Lebenssachverhalt, aus dem die Klägerin die begehrte Rechtsfolge herleitet. Der Lebenssachverhalt umfasst das ganze, dem Klageantrag zugrunde liegende tatsächliche Geschehen, das bei natürlicher, vom Standpunkt der Parteien ausgehender Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag der Klägerin zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehört oder gehört hätte. Eine vereinbarte arbeitsvertragliche dynamische Bezugnahme auf einen Tarifvertrag einerseits und dessen normative Geltung kraft unmittelbarer Tarifgebundenheit andererseits sind unterschiedliche Lebenssachverhalte und damit verschiedene Streitgegenstände ( (A) - Rn. 103 mwN, AP TVG § 3 Nr. 46 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 23).

16bb) Die Klägerin hat ihr Begehren stets mit der unmittelbaren und zwingenden Wirkung der tariflichen Normen des Entgeltabkommens aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Parteien begründet. Ein anderes ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass das Arbeitsgericht der Klägerin aufgegeben hatte, den Arbeitsvertrag vorzulegen und diese daraufhin vorgetragen hat, ein solcher existiere nicht. Hieraus kann ebenso wenig wie aus dem Umstand, dass die Beklagte einen Anspruch aus einer individualvertraglichen Bezugnahme bestritten hat, gefolgert werden, die Klägerin wolle ihr Begehren auf einen weiteren Streitgegenstand stützen.

17c) Indem das Landesarbeitsgericht einen Anspruch aufgrund einer Inbezugnahme ablehnte, hat es gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verstoßen. Das klageabweisende Urteil ist insoweit zu berichtigen, um eine sonst eintretende Rechtskraft (dazu  - zu II 2 a der Gründe, NJW 1999, 287) zu verhindern, ohne dass es insoweit eines förmlichen Entscheidungsausspruchs bedarf ( - Rn. 29 mwN, AP ZPO § 551 Nr. 68).

182. Die Klage ist gleichwohl unbegründet. Die Beklagte ist nicht an das Entgeltabkommen tarifrechtlich gebunden.

19a) Die Beklagte hat ihre Mitgliedschaft im AGV vor Abschluss des Entgeltabkommens wirksam durch eine Vereinbarung mit dem Verband beendet. Davon ist das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen.

20aa) Die Beklagte konnte ihre Mitgliedschaft in dem AGV durch einvernehmliche Auflösungsvereinbarung beenden. Anders als bei einem Austritt durch Kündigung, der nach § 5 Abs. 1 Buchst. a der Satzung des AGV nur unter Wahrung einer sechsmonatigen Frist zum Ende des Kalenderjahres erfolgen kann, ist für die zweiseitige Beendigungsvereinbarung entgegen der Auffassung der Klägerin eine Frist nicht einzuhalten (vgl. ausf.  - Rn. 46 mwN, BAGE 127, 27; - 4 AZR 64/07 - BAGE 126, 75; - 4 AZR 179/08 - Rn. 30, AP TVG § 3 Verbandszugehörigkeit Nr. 27 = EzA TVG § 3 Nr. 31).

21bb) Ein anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus der Satzung des AGV. Aus der Festlegung einzelner einseitiger Beendigungstatbestände in § 5 der Satzung des AGV folgt nicht, dass diese eine einvernehmliche Aufhebungsvereinbarung zwischen dem Mitglied und dem hierfür nach § 26 Abs. 2 BGB zuständigen Vorstand - weder insgesamt noch ohne Einhaltung einer der Kündigungsfrist entsprechenden Auflösungsfrist - untersagt. Das ergibt die Auslegung der Satzung, die den Regeln über die Auslegung von Normen folgt. Sie hat zunächst vom Wortlaut auszugehen und sich dann an dem systematischen Zusammenhang, der Entstehungsgeschichte und dem Normzweck, soweit er in der Norm erkennbaren Ausdruck gefunden hat, auszurichten ( - Rn. 49 mwN, BAGE 127, 27).

(1) In der Satzung des AGV (idF vom ) heißt es ua.:

23(2) Danach steht die Satzung der Möglichkeit einer Beendigung der Mitgliedschaft durch einvernehmliche Vereinbarung zwischen dem Verband und einem Mitglied nicht - auch nicht mit sofortiger Wirkung - entgegen. Die grundsätzliche Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung folgt bereits aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit (s. nur Oetker ZfA 1998, 41, 46 f. mwN).

24Ein anderes, also die Beschränkung einer solchen einvernehmlichen Beendigungsmöglichkeit, ergibt sich nicht aus § 5 der Satzung. Die Satzung regelt in dieser Bestimmung entgegen der inhaltlich weitergehenden Überschrift nicht abschließend alle Möglichkeiten der Beendigung der Mitgliedschaft, sondern ersichtlich nur diejenigen Fallgestaltungen, die ohne Willensübereinkunft zwischen Mitglied und AGV die Beendigung der Mitgliedschaft herbeiführen sollen (vgl. auch Oetker ZfA 1998, 41, 49 f.). Die Regelung über eine einseitige Kündigungsmöglichkeit des Mitglieds unter Wahrung einer Kündigungsfrist dient erkennbar dem Schutz des Verbandes und seiner - verbleibenden - Mitglieder vor einem kurzfristigen Verlust von Mitgliedern und Mitgliedschaftsbeiträgen durch einseitige Austritte. Ebenfalls dem Schutz des Verbandes dienen die weiteren genannten Beendigungstatbestände. Eine andere Interessenlage besteht bei der grundsätzlich von der Verbandsautonomie erfassten Möglichkeit einer einvernehmlichen Beendigung der Mitgliedschaft, die auch im Interesse des Verbandes und der verbleibenden Mitglieder liegen kann. Die Bestandsinteressen der Koalition sind dadurch gewahrt, dass sie an dieser Form der Beendigung notwendigerweise mitwirken muss (Däubler/Lorenz TVG 2. Aufl. § 3 Rn. 52).

25Ohne weitere besondere Anhaltspunkte in der Satzung kann nicht davon ausgegangen werden, eine einvernehmliche Aufhebungsvereinbarung solle untersagt oder nur unter Einhaltung einer Frist möglich sein (s. nur Krause GS Zachert S. 605, 610 mwN; Oetker ZfA 1998, 41, 50; weiterhin ErfK/Franzen 11. Aufl. § 3 TVG Rn. 11; Löwisch/Rieble TVG 2. Aufl. § 3 Rn. 59; Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 3 Rn. 55; aA - Beschränkung auf die in der Satzung ausdrücklich benannten Beendigungsmöglichkeiten - Plander NZA 2005, 897; Peter FS Däubler S. 479, 485 f.). Daher kann die Satzung entgegen der Auffassung der Revision nicht dahin ausgelegt werden, die Mitgliedschaft könne nur durch die in § 5 ausdrücklich geregelten Tatbestände beendet werden. Es verbleibt dann bei dem allgemeinen Grundsatz, dass die Parteien eines Rechtsverhältnisses dieses jedenfalls mit Wirkung für die Zukunft grundsätzlich durch eine beiderseitige Vereinbarung auch wieder aufheben können.

26cc) Aus den von der Klägerin angeführten Entscheidungen des Reichsgerichts folgt entgegen ihrer Auffassung kein anderes Ergebnis. Beide Entscheidungen sind vorliegend nicht einschlägig.

27(1) Das Urteil des Reichsgerichts vom (- IV 467/23 - RGZ 108, 160) handelt von der Vereinbarkeit einer Satzungsbestimmung mit § 39 Abs. 2 BGB, die den an sich möglichen „freiwilligen Austritt“ untersagt, solange gegen das betreffende Mitglied „seitens des Vereinsehrengerichts ein Verfahren anhängig gemacht ist“. Das Reichsgericht befasst sich weder mit der vorliegenden Fragestellung noch können aus dem Urteil Schlussfolgerungen für sie gezogen werden.

28(2) Gleiches gilt für das weitere Urteil vom (- IV 16/28 - RGZ 122, 266), welches die Zulässigkeit eines Vereinsbeschlusses nach einem erfolgten Austritt zum Gegenstand hat, das Mitglied wäre ausgeschlossen worden, wenn es nicht schon ausgetreten wäre.

29dd) Das Landesarbeitsgericht ist entgegen der Auffassung der Klägerin zutreffend von einer Zuständigkeit des Vorstandes nach § 26 Abs. 2 BGB ausgegangen, weil sich aus der Satzung des AGV keine Beschränkungen der rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht des Vorstandes ergeben und ihm nach § 11 Abs. 3 Buchst. a der Satzung des AGV die Leitung des Verbandes obliegt. Dies wird auch von der Revision nicht mehr gerügt.

30ee) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Aufhebungsvereinbarung auch wirksam zustande gekommen. Das hat das Landesarbeitsgericht auch zutreffend dargelegt. Seine Ausführungen werden von der Revision nicht angegriffen. Dabei kann es mit dem Landesarbeitsgericht dahinstehen, ob die Beklagte in ihrem Schreiben aus dem Monat März 2007, welches zugleich einen Antrag iSd. § 145 BGB auf einvernehmliche Beendigung der Mitgliedschaft zum genannten Zeitpunkt enthält, oder aufgrund vorangegangener Gespräche mit dem Vorstand zum Ausdruck gebracht hatte, ihr Ausscheiden aus dem AGV sei auf mit der Begründung einer neuen, sich zeitlich unmittelbar anschließenden Mitgliedschaft in einem Verband ohne Tarifbindung unter dem Dach des VBU verbunden. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, stellt sich das Schreiben des AGV vom jedenfalls nach § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung des ursprünglichen Antrages verbunden mit einem neuen auf Aufhebung der Mitgliedschaft im AGV zu den im Schreiben genannten Bedingungen dar, welches die Beklagte durch Übersendung der Beitrittserklärung zur Unternehmerschaft Rhein-Wupper e. V. vom an den AGV wirksam angenommen hat.

31b) Die Beklagte ist auch nicht deshalb an das Entgeltabkommen gebunden, weil die Beendigung ihrer Mitgliedschaft im AGV trotz grundsätzlicher Zulässigkeit und sich daraus ergebender vereinsrechtlicher Wirksamkeit tarifrechtlich nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG als eine die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie beeinträchtigende Abrede unwirksam ist. Das kann der Fall sein, wenn der Wechsel nach Beginn der Tarifverhandlungen, aber vor Unterzeichnung des Tarifvertrages erfolgte und für die an der Verhandlung beteiligte Gewerkschaft vor dem endgültigen Tarifabschluss nicht erkennbar war. Unter diesen Voraussetzungen führt ein sog. Blitzaustritt trotz vereinsrechtlich wirksamen Austritt zu einer Bindung des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 1 TVG an den Tarifvertrag, der Gegenstand der Tarifverhandlungen war (vgl. zum Blitzwechsel in eine Gast- oder OT-Mitgliedschaft im selben Verband  - Rn. 25 ff., AP TVG § 3 Nr. 45 = EzA TVG § 3 Nr. 32; - 4 AZR 419/07 - Rn. 57 ff., BAGE 127, 27; vgl. auch - 4 AZR 64/07 - Rn. 41 ff., BAGE 126, 75). Diese Voraussetzungen hat die Klägerin aber nicht vorgetragen.

32aa) Der Verstoß gegen das gesetzliche Verbot des Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG, § 134 BGB ist nach den Regeln einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast festzustellen. Da der Austritt aus dem Verband im Grundsatz rechtmäßig ist und nur im Einzelfall unter den beschriebenen Umständen gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, liegt die Darlegungs- und Beweislast für die einen solchen Verstoß begründenden Tatsachen nach den allgemeinen Grundsätzen bei demjenigen, der sich auf die tarifrechtliche Unwirksamkeit des Ausscheidens aus dem Tarifbindung vermittelnden Verband beruft. Macht der Arbeitnehmer sie geltend, hat er zunächst vorzutragen, dass die Tarifvertragsverhandlungen bei dem Austritt bereits begonnen hatten und sich zu diesem Zeitpunkt in einem Stadium befanden, in dem eine Störung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie in Betracht kommt. Die Bestimmung dieses Zeitpunktes ist eine Frage des Einzelfalles. Darüber hinaus muss der Arbeitnehmer darlegen, dass der Austritt des Arbeitgebers für die andere Tarifvertragspartei nicht transparent war. Der Arbeitgeber hat sodann substantiiert darzulegen, aus welchen Umständen sich eine Transparenz des Verhaltens für die Gewerkschaftsseite ergeben habe. Nach einer solchen Darlegung ist es wiederum Aufgabe des Arbeitnehmers, diese Behauptungen im Wege des Beweises zu entkräften (zum Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft  - Rn. 73 ff., BAGE 127, 27; weiterhin - 5 AZR 191/09 - Rn. 17, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 135).

33bb) Diesen Anforderungen entspricht das Vorbringen der Klägerin nicht. Sie hat trotz des ausdrücklichen Hinweises des Landesarbeitsgerichts vom - und damit über zweieinhalb Monate vor der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz - auf die Entscheidung des Senats vom (- 4 AZR 419/07 - BAGE 127, 27) zu den „tarifrechtlichen Voraussetzungen für den Blitzwechsel eines Arbeitgebers in eine OT-Mitgliedschaft“ nicht dargelegt, wann die Tarifverhandlungen für das Entgeltabkommen vom begonnen haben, dass der Austritt der Beklagten aus dem tarifvertragschließenden Arbeitgeberverband so kurzfristig erfolgte, dass eine Störung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie in Betracht kommt, und auch nicht, dass die IG Metall hiervon keine Kenntnis hatte.

34Die Klägerin hat lediglich geltend gemacht, der Austritt der Beklagten zum Ende des Monats April 2007 sei vereinsrechtlich aufgrund entgegenstehender Satzungsbestimmungen unwirksam gewesen und die Beklagte daher an das Entgeltabkommen aufgrund fortbestehender Mitgliedschaft im AGV gebunden. Ein weiterer Vortrag erfolgte nicht.

35Die Voraussetzungen für eine Beweislastumkehr oder diejenigen einer Beweiserleichterung nach den Regeln des Anscheinsbeweises (dazu  - Rn. 24 mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 37) liegen nicht vor. Es gibt entgegen der Auffassung der Klägerin keine allgemeine Lebenserfahrung auf einen bestimmten zeitlichen Ablauf und eine Mindestdauer von Tarifvertragsverhandlungen. Das zeigen beispielsweise Tarifvertragsverhandlungen, die zunächst nur in einem sog. Pilot-Bezirk geführt und deren Ergebnisse anschließend zeitnah für andere räumliche Geltungsbereiche übernommen werden. Deshalb kann allein aus den vorliegenden Daten nicht zugunsten der Klägerin angenommen werden, zum Zeitpunkt des Austritts der Beklagten aus dem AGV gegen Ende des Monats April 2007 sei im Allgemeinen von bereits begonnenen Tarifvertragsverhandlungen auszugehen gewesen. Zudem würde es selbst dann an einem Vortrag der Klägerin zu den weiteren oben genannten Voraussetzungen fehlen.

36Soweit die Klägerin nunmehr in ihrer Revisionsbegründung ua. vorträgt, die Tarifvertragsverhandlungen hätten bereits am begonnen, seien am und am fortgesetzt worden und die IG Metall sei über den Austritt nicht unterrichtet worden, handelt es sich um einen in der Revisionsinstanz nach § 559 Abs. 1 ZPO unbeachtlichen neuen Sachvortrag.

III. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.

Fundstelle(n):
BB 2011 S. 1395 Nr. 22
BB 2011 S. 2163 Nr. 35
BB 2012 S. 2441 Nr. 39
DB 2011 S. 1815 Nr. 32
HFR 2011 S. 1251 Nr. 11
ZIP 2011 S. 6 Nr. 21
ZAAAD-86967