BFH Beschluss v. - IX S 1/11 (PKH)

Verbindliche Planung einer Urlaubsreise als erheblicher Grund für eine Terminsverlegung; Wechsel des Prozessbevollmächtigten als erheblicher Grund

Gesetze: FGO § 76 Abs. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 118 Abs. 2, FGO § 142, FGO § 155, ZPO § 114, ZPO § 118, ZPO § 227 Abs. 1, GKG § 1 Abs. 2 Nr. 2, GKG § 3 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Antragstellerin (Klägerin) als unbegründet abgewiesen, die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen erhob die Klägerin Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision und beantragte unter Hinweis auf ihre schlechten finanziellen Verhältnisse für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe (PKH). Eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wurde beigefügt.

2 II. Der Antrag auf PKH ist unbegründet. Die mit der Nichtzulassungsbeschwerde beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S. von § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO); denn die von der Klägerin gerügten Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) sind zum Teil nicht hinreichend dargelegt, im Übrigen liegen sie nicht vor.

3 1. Die Entscheidung des FG ohne die von der Klägerin beantragte Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung verletzt nicht deren Anspruch auf rechtliches Gehör und begründet daher keinen Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.

4 a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein Gericht verpflichtet, anberaumte Verhandlungstermine zu verlegen, wenn hierfür erhebliche Gründe i.S. des § 227 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 155 FGO vorliegen (vgl. BFH-Beschlüsse vom V B 224/00, BFH/NV 2002, 520; vom I B 122/02, BFH/NV 2003, 1584). Zu erheblichen Gründen gehören u.a. schon vor der Terminbekanntgabe verbindlich geplante Urlaubsreisen (s. BFH-Beschlüsse vom X B 130/04, BFH/NV 2005, 1596; vom VIII B 121/07, BFH/NV 2008, 397; vom V B 105/09, BFH/NV 2011, 53). Ob im Einzelfall solche Gründe für eine Terminsverlegung gegeben sind, muss das FG anhand der ihm bekannten Umstände beurteilen. Die Voraussetzungen durch Vortrag entsprechender Tatsachen zu schaffen, ist Aufgabe desjenigen, der die Verlegung beantragt (, www.bundesfinanzhof.de, m.w.N.). Das gilt insbesondere dann, wenn der Antrag —wie hier— erst kurz vor der mündlichen Verhandlung gestellt wird (, www.bundesfinanzhof.de).

5 Diesen Maßstäben entspricht der Vortrag der Klägerin nicht: Zwar hat sie fernmündlich und schriftsätzlich vier bzw. drei Tage vor der mündlichen Verhandlung am einen Verlegungsantrag unter Hinweis auf ihren „vom bis zum in Vietnam” stattfindenden Aufenthalt wegen Besuchs ihrer Familie gestellt, Abflug . am um 22.40 Uhr. Indes fehlt neben der Behauptung auch die Glaubhaftmachung, dass dieser Urlaub bereits im Zeitpunkt der Zustellung der Ladung verbindlich geplant war. Aus der dem Verlegungsantrag im FG-Verfahren beigefügten Reservierungsbestätigung der Reiseagentur geht die erforderliche verbindliche Planung vor Erhalt der Ladung jedenfalls nicht hervor; dort ist außer den Flugdaten nur (rechts unten) das Datum des „” zu entnehmen. Dass die „Buchung des Fluges…endgültig am erfolgte” —wie jetzt vorgetragen—, war dem FG nicht bekannt und ist daher auch im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren, abgesehen von der auch hier fehlenden Glaubhaftmachung, unbeachtlich (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).

6 b) Zwar kann auch der Wechsel des Prozessbevollmächtigten ein erheblicher Grund i.S. des § 227 Abs. 1 ZPO sein und im Einzelfall das rechtliche Gehör verletzen, wenn es sich um eine in tatsächlicher oder rechtlicher Sicht schwierige Sache handelt, der Wechsel kurz vor der mündlichen Verhandlung stattfindet, dem neuen Prozessbevollmächtigten daher keine ausreichende Zeit zur Vorbereitung verbleibt, und vom Beteiligten nicht verschuldet wird oder zumindest aus schutzwürdigen Gründen erfolgt (vgl. BFH-Beschlüsse vom XI B 38/91, BFH/NV 1992, 679; vom V B 72/06, BFH/NV 2008, 812; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 91 FGO Rz 114 f., m.w.N.).

7 Im Streitfall trifft die Klägerin jedenfalls ein Verschulden am späten Wechsel bzw. an der späten Bestellung ihres neuen Prozessbevollmächtigten. Sie war —obwohl im Parallelverfahren wegen Einkommensteuer durch einen Rechtsanwalt vertreten— seit der Mandatsniederlegung durch ihren bisherigen Prozessbevollmächtigten im April 2008 in diesem Verfahren wegen Eigenheimzulage nicht mehr rechtskundig vertreten. Auch die Aufklärungsverfügung des Gerichts vom mit Setzung einer Ausschlussfrist zum war für sie offenbar kein Anlass, sich prozessual vertreten zu lassen. Dies geschah erst am , drei Tage vor Beginn der mündlichen Verhandlung, indem sich der Rechtsanwalt aus dem Parallelverfahren auch für dieses Verfahren als nunmehriger Prozessbevollmächtigter der Klägerin meldete. Das hätte angesichts der Aufklärungsverfügung mit Ausschlussfrist und mit Blick auf die teilweise gleiche Problematik im Parallelverfahren früher geschehen können, zumal der nunmehrige Prozessbevollmächtigte aus dem Parallelverfahren mit der Problematik seit Juli 2008 bereits befasst war. Dem steht daher nicht entgegen, dass der zuständige Einzelrichter —ohne Not und ohne Angabe von Gründen— die (zweiwöchige) Ladungsfrist auf zehn Tage verkürzte.

8 2. Soweit die Klägerin darüber hinaus eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) des FG als (verzichtbaren) Verfahrensmangel durch Unterlassen einer Amtsermittlung oder durch Übergehen von Beweisangeboten rügt, fehlt es bereits an genauen Angaben und Ausführungen zu bestimmten Punkten (vgl. , BFH/NV 2008, 2022, unter 4.a, m.w.N.). Der Vortrag, dass die Klägerin bei einer persönlichen Anhörung „auch die materiellrechtlichen Versagungsgründe entkräftet” hätte, reicht dazu nicht aus.

9 3. Mit einer (vermeintlich) unzutreffenden Tatsachen- und Beweiswürdigung hinsichtlich des „Abschluss(es) eines Scheinvertrages” und einem „Widerspruch zu dem Urteil im Parallelverfahren” rügt die Klägerin lediglich eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG, also materiell-rechtliche Fehler; damit kann indes die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 110/08, BFH/NV 2009, 39; vom IX B 66/10, BFH/NV 2010, 2296).

10 4. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Die Entscheidung ergeht —auch hinsichtlich des Antrags auf Beiordnung eines Bevollmächtigten (§ 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. Anlage 1 -Kostenverzeichnis-; s. z.B. BFH-Beschlüsse vom X S 29/96, BFH/NV 1997, 489; vom IX S 21/09 -PKH-, BFH/NV 2010, 1103)— gerichtsgebührenfrei. Dem Gegner entstandene Kosten werden nicht erstattet (§ 142 FGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 1381 Nr. 8
UAAAD-86477