BFH Urteil v. - XI R 9/10

Keine Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG für Umsätze aus Pensionspferdehaltung und Vermietung eigener Reitpferde

Leitsatz

Die Umsätze eines Landwirts aus dem Einstellen, Füttern und Betreuen von Reitpferden (sog. Pensionspferdehaltung) unterliegen nicht der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG.
Die stundenweise Vermietung von eigenen Reitpferden eines Landwirts zu Reitzwecken unterliegt nicht der Besteuerung nach Durchschnittssätzen nach § 24 UStG.
Vergleichbar .

Gesetze: UStG § 24, FGO § 120 Abs. 2, RL 77/388/EWG Anhang B

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

1 I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt seit 1996 einen Pferdehof. Auf den hierfür verwendeten landwirtschaftlichen Flächen von etwa sieben bis acht Hektar, die er aus dem landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern übernommen hat, befindet sich eine von ihm errichtete Reithalle und ein Offenstall, in dem sich die Pferde jederzeit ungehindert selbst bewegen können.

2 In den Streitjahren (2005 und 2006) nahm der Kläger fortlaufend etwa acht Pferde fremder Eigentümer auf seinem Pferdehof in Pensionshaltung. Diese Pferde wurden von den jeweiligen Eigentümern in dem Offenstall untergestellt und von ihnen in der Folgezeit ausschließlich zu Freizeitzwecken selbst beritten; die Einnahmen des Klägers aus dieser Tätigkeit beliefen sich monatlich auf etwa 230 € je Pferd.

3 Daneben hielt der Kläger auf dem Pferdehof ständig durchschnittlich etwa 18 (2005) bzw. 23 (2006) eigene Pferde, die er stundenweise an interessierte Kinder und Jugendliche sowie an Erwachsene zu Reitzwecken vermietete. Hierzu wies er die Reitinteressenten in die Besattelung und den Beritt des vermieteten Pferdes ein. Nach der Darstellung auf seiner Internetpräsenz erteilte der Kläger in den Streitjahren zudem regelmäßig Reitschülern Unterricht im kameradschaftlichen Umgang mit dem Pferd und im sicheren Reiten in Feld und Wald, wozu er auch ein von ihm aufgebautes und unter seiner Obhut tätig werdendes Team von Reitlehrern heranzog.

4 Die Futtergrundlage für die untergestellten eigenen und fremden Pferde erwirtschaftete der Kläger —mit Ausnahme von Nahrungsergänzungsstoffen— fast ausschließlich auf den eigenen Flächen des Pferdehofs. Die in § 51 Abs. 1a des Bewertungsgesetzes bezeichnete Grenze überstieg der Tierbestand des Klägers in den Streitjahren nicht.

5 Seine Einnahmen und Ausgaben sowie seine Umsätze aus dem Betrieb des Pferdehofs und den Umfang der eigenen Reitnutzung der Pferde durch ihn selbst, seine beiden Kinder und seine Ehefrau zeichnete der Kläger in den Streitjahren —wie bereits in den Vorjahren— nicht im Einzelnen auf.

6 Am reichte der Kläger für die Streitjahre Umsatzsteuererklärungen beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) ein. Angaben zu den ausgeführten Umsätzen machte er darin nicht. Er war der Auffassung, der landwirt-schaftliche Betrieb sei ein Tierhaltungsbetrieb i.S. des § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Zu den Tierhaltungsumsätzen gehörten auch Umsätze aus der Pensionstierhaltung und aus der Nutzungsüberlassung von Pferden für Reitzwecke, da es sich dabei um originäre Umsätze der Erzeugertätigkeit handele, auf die die Pauschalbesteuerung nach § 24 Abs. 1 UStG anzuwenden sei.

7 Mit Bescheiden vom setzte das FA die Umsatzsteuer für 2005 auf 5.821,79 € und die Umsatzsteuer für 2006 auf 6.606,84 € fest. Die dabei jeweils geschätzten Umsätze aus der Pferdepension bzw. der Pferdevermietung unterwarf das FA der Umsatzsteuer zum Steuersatz von 16 % bzw. 7 %, den geschätzten Wert des Eigenverbrauchs für vier Pferde unterwarf es der Umsatzsteuer zum Steuersatz von 16 %.

8 Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1547. Die Umsätze aus dem Betrieb des Pferdehofs unterlägen nicht der Besteuerung nach Durchschnittssätzen für landwirtschaftliche Betriebe. Die in Ermangelung hinreichender Aufzeichnungen des Klägers vom FA vorgenommene Schätzung der Umsätze sei weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden.

9 Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung des § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und des § 24 UStG. Die Voraussetzungen eines landwirtschaftlichen Betriebes nach § 24 Abs. 2 UStG seien erfüllt. Die erbrachten Leistungen entsprächen auch den in Art. 25 Abs. 2 vierter Gedankenstrich i.V.m. Anhang A Abschn. II und in Art. 25 Abs. 2 fünfter Gedankenstrich i.V.m. Anhang B der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) aufgeführten Tätigkeiten.

10 Tierhaltungsbetriebe führten Umsätze nicht nur mit der Lieferung von Tieren und tierischen Erzeugnissen aus, sondern auch mit sonstigen Leistungen wie der Pensionstierhaltung und der Vermietung von eigenen Pferden, sofern die Tiere im Rahmen eines landwirtschaftlichen Tierhaltungsbetriebes gehalten würden. Die Haltung eigener Reitpferde gelte grundsätzlich als landwirtschaftliche Betätigung in Form der Haltung, Verpfle-gung und Betreuung von Tieren. Die Lohnhaltung von Pferden könne nicht anders beurteilt werden als die Haltung von eigenen Pferden und werde von Art. 25 Abs. 2 fünfter Gedankenstrich i.V.m. Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG erfasst. Ebenso gehöre die Nutzungsüberlassung von Pferden zu Reitzwecken zu den Tierhaltungsumsätzen.

11 Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Vorentscheidung sowie die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2005 und 2006 vom , jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom , aufzuheben.

12 Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

13 II. Die Revision ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

14 1. Soweit der Kläger geltend macht, das FG habe § 76 Abs. 1 FGO durch eine „einseitige Sachverhaltsaufklärung” verletzt, greift die Verfahrensrüge nicht durch.

15 Nach § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO hat der Revisionskläger die Tatsachen zu bezeichnen, die den Mangel ergeben. Eine Verfahrensrüge ist deshalb unzulässig, wenn sie nicht schlüssig ist, d.h., wenn die zur Begründung der Rüge vorgetragenen Tatsachen schon als solche —also unabhängig von ihrer Beweisbarkeit— nicht ausreichen oder nicht geeignet sind darzutun, dass der behauptete Verfahrensmangel vorliegt und dass das angefochtene Urteil auf ihm beruhen kann. Dabei ist vom rechtlichen Standpunkt der Vorentscheidung auszugehen; die Rüge mangelnder Sachaufklärung ist daher nur schlüssig, wenn die nicht berücksichtigten Tatsachen auch aus der Sicht des FG entscheidungserheblich waren (vgl. , BFH/NV 1991, 201).

16 Der Kläger hat vorgetragen, es werde den Tatbestandsausführungen des FG „unmissverständlich widersprochen”, er habe in den Streitjahren ein Team von Reitlehrern herangezogen; vielmehr könne nur von sog. Reitassistenten gesprochen werden. Das FG sei dabei für die Streitjahre 2005 und 2006 zu Unrecht von Angaben in seinem aktuellen Internetauftritt ausgegangen.

17 Aus diesen Ausführungen ergibt sich bereits nicht, dass das Urteil auf einer unzutreffenden oder widersprüchlichen Ermittlung des Sachverhalts beruhen könnte. Für entsprechende Darlegungen des Klägers bestand insbesondere deshalb besonderer Anlass, weil das FG ausdrücklich darauf hingewiesen hat, in der Schätzung des FA sei zugunsten des Klägers der Umstand unberücksichtigt geblieben, dass in den Streitjahren auf dem Pferdehof in erheblichem Umfang Reitunterricht erteilt und vergütet worden sei. Es bedarf daher keiner weiteren Erörterung, was sich aus dem Internetauftritt im Einzelnen ergab.

18 2. Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Umsätze aus der Pferdepensionshaltung nicht der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG unterliegen. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf das . Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.

19 3. Dem FG ist ferner darin zuzustimmen, dass die stundenweise Vermietung von eigenen Reitpferden des Klägers zu Reitzwecken nicht der Besteuerung nach Durchschnittssätzen nach § 24 UStG unterliegt.

20 Bei diesen Leistungen handelt es sich nicht um „Hüten, Zucht und Mästen von Vieh” oder um eine andere der in Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG aufgeführten Dienstleistungen landwirt-schaftlicher Erzeuger. Die vom Kläger am Markt erbrachte und von seinen Kunden vergütete Dienstleistung besteht nicht im (Vor-)Halten, sondern allein in dem Zur-Verfügung-Stellen der jeweils angemieteten Pferde. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger die vermieteten Pferde im Wesentlichen auf eigener, selbsterzeugter Futtergrundlage gehalten hat.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 1405 Nr. 8
HAAAD-86464