BAG Urteil v. - 5 AZR 112/10

Tarifliche Zulage - anteilige Kürzung wegen Teilzeitbeschäftigung - Vertragsauslegung

Gesetze: § 133 BGB, § 157 BGB, § 15 Abs 2.1 TVöD-K

Instanzenzug: ArbG Siegen Az: 2 Ca 1563/07 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 2 Sa 1209/08 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob die Klägerin eine tarifliche Zulage in voller Höhe beanspruchen kann.

Die Klägerin ist bei der Beklagten bzw. früheren Betriebsinhaberinnen auf der Grundlage des Formulararbeitsvertrags vom als Physiotherapeutin in der B tätig. In dem Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien ua.:

Zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen vereinbarte die Klägerin - wie nahezu alle Beschäftigten - unter dem mit der damaligen Betriebsinhaberin folgende Ergänzung zum Arbeitsvertrag (im Folgenden: Ergänzungsvereinbarung):

4Ab Juli 1998 erhielt die Klägerin Grundgehalt, Ortszuschlag und allgemeine tarifliche Zulage nur noch iHv. 95 %. Das Urlaubsgeld nach § 7 Arbeitsvertrag und Einmalzahlungen leisteten die jeweiligen Arbeitgeberinnen weiter ungekürzt, das Weihnachtsgeld gewährten sie infolge der Anbindung an das September-Gehalt gekürzt. Nach Inkrafttreten des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom wurde die Klägerin der Entgeltgruppe 9, Entwicklungsstufe 4 TVöD zugeordnet. Sie erhält 95 % des Tabellenentgelts einer Vollzeitkraft.

In der Durchgeschriebenen Fassung des TVöD für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-K) hieß es für den hier interessierenden Zeitraum vor dem auszugsweise:

6Die Beklagte gehört zum HELIOS-Konzern. Zwischen der HELIOS Kliniken GmbH und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) wurde mit Wirkung zum der „Vorschalt-Tarifvertrag zur Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes für künftig vom TV HELIOS und vom TV HELIOS Reha erfasste Unternehmen des HELIOS-Konzerns“ (TV Vorschalt Helios Reha) geschlossen, dessen Geltungsbereich nach seinem § 1 Abs. 1 iVm. Anlage 4B (1) e die Betriebsstätte B erfasst. Für die Beschäftigungsgruppe, zu der die Klägerin zählt, sieht § 2 Abs. 1 der Anlage 1 zum TV Vorschalt Helios Reha iVm. Anlage 1A die Anwendung der Entgeltregelungen des TVöD-K unter Beachtung bereits vereinbarter Tariferhöhungen und einer etwaigen dynamischen Verweisung sowie unter Einschluss der für die bisherigen Entgeltregelungen gegebenenfalls maßgeblichen Überleitungs- und Besitzstandsregelungen vor. Die Beklagte gewährte der Klägerin daraufhin rückwirkend ab August 2006 die Zulage nach § 15 Abs. 2.1 TVöD-K in auf 95 % gekürzter Höhe von 33,25 Euro brutto monatlich.

7Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Zulage in voller Höhe von 35,00 Euro begehrt und dazu die Auffassung vertreten, nach Satz 3 der Ergänzungsvereinbarung gelte sie für die Bemessung der Zulage als Vollzeitbeschäftigte.

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Belang - zuletzt beantragt,

9Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, Satz 3 der Ergänzungsvereinbarung beziehe sich nicht auf die monatliche Vergütung.

Das Arbeitsgericht hat insoweit der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

11Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen.

12I. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin kann die Zulage nach § 15 Abs. 2.1 TVöD-K entsprechend ihrer um fünf Prozent gekürzten Wochenarbeitszeit nur iHv. 95 % (= 33,25 Euro brutto) beanspruchen. Das folgt bereits aus Satz 2 der Ergänzungsvereinbarung.

131. Zwischen den Parteien steht in der Revisionsinstanz außer Streit, dass sich nach der Tarifsukzession im öffentlichen Dienst (vgl. dazu  - Rn. 18 ff., AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44; - 5 AZR 498/09 - Rn. 20 ff., AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 82; - 5 AZR 633/09 - Rn. 16 ff., ZTR 2011, 150, jeweils mwN) die Vergütung der Klägerin nach dem TVöD-K richtet und sie demgemäß auch die in § 15 Abs. 2.1 TVöD-K geregelte Zulage beanspruchen kann.

142. Diese Zulage ist nach Satz 2 der Ergänzungsvereinbarung entsprechend der reduzierten Arbeitszeit der Klägerin um fünf Prozent zu kürzen und betrug damit im streitgegenständlichen Zeitraum 33,25 Euro brutto monatlich.

15a) Bei der Ergänzungsvereinbarung handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). Dafür begründet das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl.  - Rn. 20 ff., BAGE 117, 155; - 6 AZR 76/07 - Rn. 18, BAGE 128, 73), der keine der Parteien entgegengetreten ist. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (zum Auslegungsmaßstab vgl.  - Rn. 24 mwN, BAGE 126, 198). Dabei kann das Revisionsgericht die Auslegung uneingeschränkt selbst vornehmen (vgl.  - Rn. 13, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 58 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 13).

16b) Die Auslegung der Ergänzungsvereinbarung ergibt, dass die gesamte monatliche Vergütung nur noch entsprechend der verringerten Arbeitszeit geschuldet sein soll und dem Satz 3 für die Bemessung der monatlichen Vergütung keine Bedeutung zukommt.

17aa) Den Begriff der „monatlichen Vergütung“ in Satz 2 der Ergänzungsvereinbarung haben die Parteien nicht selbst definiert oder näher konkretisiert. Er umfasst deshalb entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch alle finanziellen Leistungen, die der Arbeitsvertrag oder das dort in Bezug genommene tarifliche Regelungswerk als monatlich zahlbare Gegenleistung für die von der Klägerin erbrachte Arbeitsleistung vorsieht ( - Rn. 41, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44). Insoweit entsprach es dem bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ebenfalls maßgeblichen übereinstimmenden Verständnis der Parteien (vgl. dazu  - Rn. 27 mwN, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 13) zurzeit der Anlehnung der Vergütung an den BAT, dass die gesamte monatliche Vergütung in Gestalt nicht nur der Grundvergütung, sondern auch des Ortszuschlags und der allgemeinen Zulage gekürzt zu zahlen war.

18bb) Wie die allgemeine Zulage im Geltungsbereich des BAT ist die Zulage nach § 15 Abs. 2.1 TVöD-K, auch wenn sie nicht (mehr) dynamisch ausgestaltet ist, Teil der monatlichen Vergütung. Sie wird nach § 24 Abs. 1 Satz 1 TVöD-K monatlich gezahlt und dient der Aufstockung des von den Tarifvertragsparteien als nicht ausreichend erachteten Tabellenentgelts der Beschäftigten, die in eine der Entgeltgruppen 5 bis 15 eingruppiert sind. Damit handelt es sich gerade nicht um eine von einem unmittelbaren Gegenleistungsbezug unabhängige Sonderzahlung.

19cc) Die Ergänzungsvereinbarung enthält keine Anhaltspunkte dafür, die proportionale Anpassung der monatlichen Vergütung an die verringerte Arbeitszeit solle auf bei Abschluss der Ergänzungsvereinbarung bereits bekannte Vergütungsbestandteile beschränkt bleiben. Das kann auch nicht damit begründet werden, Sanierungsbeiträge würden in der Regel nur vorübergehend geleistet. Wäre eine zeitliche Begrenzung gewollt gewesen, hätte es nahe gelegen, die Absenkung der Arbeitszeit zu befristen.

20Dem entspricht es, dass die Klägerin selbst davon ausgeht, das Tabellenentgelt iSv. § 15 Abs. 1 TVöD-K sei weiterhin der verringerten Arbeitszeit anzupassen. Ein solches gab es bei Abschluss der Ergänzungsvereinbarung aber ebenfalls noch nicht.

21c) Satz 3 der Ergänzungsvereinbarung wird dadurch nicht gegenstandslos. Er hat Bedeutung für all diejenigen Regelungsgegenstände, die nicht die durch Satz 1 und Satz 2 gewahrte Äquivalenz zwischen Arbeitszeit und monatlicher Vergütung betreffen. So gilt zB für die Höhe des Zuschusses zur vermögenswirksamen Leistung (§ 6 Arbeitsvertrag) die Klägerin als vollzeitbeschäftigt. Auch für Sonderzahlungen, deren Höhe nicht an die monatliche Vergütung anknüpft, kann Satz 3 der Ergänzungsvereinbarung Relevanz erlangen.

II. Über die Kosten des in den Vorinstanzen erledigten Teils des Rechtsstreits ist rechtskräftig entschieden. Im Übrigen hat die Klägerin gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Fundstelle(n):
KAAAD-85948