NWB Nr. 26 vom Seite 2169

„Erbe und Vollstrecker”

Heinrich Steinfeld | Verantw. Redakteur | nwb-redaktion@nwb.de

Statistiken

über das Volumen des in Deutschland zu vererbenden Vermögens hinterlassen bei vielen ihrer Adressaten oft den diffusen Eindruck, man habe schon Hunderte gelesen, und kann die astronomischen, sich stets ändernden Zahlen doch nicht behalten. So ist man geneigt, dem Bonmot von Churchill folgend nur den Studien zu trauen, die man selbst erfunden hat. Hegt man weniger Misstrauen, nimmt man die neuen Zahlen des Instituts für Altersvorsorge zur Kenntnis: In der kommenden Dekade werden 2,6 Billionen Euro vererbt, das entspricht mehr als einem Viertel des Vermögens der privaten Haushalte und einer Steigerung gegenüber dem Intervall zwischen 2001 und 2010 von gut 20 %. Die Beraterbranche nutzt die Bedeutung des Themas für ihre Zwecke und ist bemüht, ihre Kompetenz in Zusatzqualifikationen zum Ausdruck zu bringen. Neben den vom DStV angebotenen Fachberaterschaften für Testamentsvollstreckung und Nachlassverwaltung bzw. Unternehmensnachfolge hat sich der „zertifizierte Testamentsvollstrecker (AGT)” herausgebildet, der Anklang auch bei vielen Steuerberatern findet. Über die werblichen Aspekte derartiger Berufsqualifikationen hatte zuletzt Feiter in NWB 2010 S. 2885 berichtet. Seiner Empfehlung nach einer einheitlichen Regelung für den Nachweis der praktischen Tätigkeit ist der BGH in seiner aktuellen Entscheidung (S. 2241) leider nicht gefolgt. Das Gericht erkennt zwar die Verleihung des Titels durch eine private Vereinigung an, verlangt jedoch zum Nachweis praktischer Erfahrungen zumindest mehr als zwei tatsächlich durchgeführte Testamentsvollstreckungen. Die auf § 5 UWG gründende Entscheidung dürfte auf das Gefüge aller (zumindest von den privaten Organisationen verliehenen) Fachtitel ausstrahlen. Sie wirft aber mehr Fragen als Ant-worten auf: Müssen die Anforderungen auf andere Qualifikationen, etwa den zertifizierten Stiftungsmanager, übertragen werden? Wie sind die abweichenden Voraussetzungen bei der Verleihung des Fachberatertitels (hier genügen bei dreijähriger Berufs-tätigkeit vor Antragstellung zwei praktische Fälle) mit dem Urteil in Einklang zu bringen?

Die Vorteile einer fremdnützigen und sachkundigen Teilung des Nachlasses durch den Testamentsvollstrecker zeigen sich dort, wo das Erbe im streitigen Verfahren auseinandergesetzt werden muss. Dabei kann sich auch unter steuerlichen Gestaltungsgesichtspunkten ein Erbvergleich anbieten. Der BFH lässt hier mit einer Rechtsprechungsänderung aufhorchen: Erhält ein weichender Erbprätendent unter Verzicht auf sein vermeintliches Erbrecht (im Streitfall hatte ein vom vorhergehenden Testament Begünstigter die Wirksamkeit des Wideruftestaments angefochten, S. 2181) eine Abfindung vom Erben, so ist diese Abfindung kein der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb von Todes wegen i. S. des § 3 ErbStG. Ob die neue Rechtsprechung, die lediglich Fälle berührt, in denen nur eine von mehreren Personen einen erbrechtlichen Rechtsgrund herleiten kann, die steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten erweitert, muss die Praxis weisen.

Beste Grüße

Heinrich Steinfeld

Fundstelle(n):
NWB 2011 Seite 2169
NWB FAAAD-85513