BAG Urteil v. - 3 AZR 83/09

Betriebliche Altersversorgung - Invalidenrente

Leitsatz

Sagt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Zahlung einer Invalidenrente für den Fall der Erwerbsunfähigkeit oder voraussichtlich dauernden Berufsunfähigkeit im Sinne des jeweiligen Sozialversicherungsrechts zu, so ist er auch dann zur Leistung verpflichtet, wenn der Sozialversicherungsträger dem Arbeitnehmer eine lediglich befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB VI bewilligt.

Gesetze: § 133 BGB, § 157 BGB, § 43 Abs 2 SGB 6 vom , § 102 Abs 2 SGB 6 vom

Instanzenzug: Az: 1 Ca 484/05 B Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 3 Sa 1034/06 B Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger für die Zeit ab dem eine Invalidenrente zu zahlen.

Der am geborene Kläger ist seit dem bei der Beklagten als Krankenpfleger beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge für die Beschäftigten der Privaten Krankenanstalten Niedersachsens Anwendung. Außerdem gelten die „Bestimmungen für die betriebliche Altersversorgung der W Krankenanstalten KG,“ vom (im Folgenden: VB 1978). Diese lauten auszugsweise:

3Am schloss die Beklagte das Versorgungswerk.

Mit Schreiben vom beantragte der Kläger bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (im Folgenden: BfA) Leistungen zur Rehabilitation. Die BfA bewilligte ihm daraufhin mit Bescheid vom eine unbefristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Den Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung lehnte sie ab. Im Rentenbescheid vom heißt es hierzu:

5Mit Schreiben vom teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie über keinen Arbeitsplatz verfüge, der seinem Belastungsgrad und seiner Einsatzfähigkeit entspreche.

6Mit Bescheid vom gab die BfA dem Widerspruch des Klägers vom gegen den Bescheid vom statt und bewilligte an Stelle der bisherigen Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung mit Wirkung vom eine bis zum befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Der Rentenbescheid vom hat ua. den folgenden Inhalt:

8Die Rente wurde zwischenzeitlich mit Bescheid vom bis zum verlängert.

9Eine Vergütung hat der Kläger von der Beklagten letztmalig für den erhalten. Seit dem bezieht er ausschließlich die Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte die Zahlung einer Invalidenrente ab. Unter dem erteilte sie dem Kläger auf dessen Bitte eine unverbindliche Pensionsberechnung. Dabei errechnete sie unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Monatsverdienstes in der Zeit vom bis zum iHv. 2.359,46 Euro eine Pension iHv. 460,09 Euro monatlich. Später hat die Beklagte eine weitere unverbindliche Berechnung eines möglichen Rentenanspruchs des Klägers vorgenommen, wonach sich dieser auf 278,92 Euro belaufe.

10Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe jedenfalls ab dem eine Invalidenrente nach § 2 Nr. 3 VB 1978 iHv. 519,52 Euro monatlich zu. Mit der Bewilligung der vollen Erwerbsminderungsrente sei eine „voraussichtlich dauernde Berufsunfähigkeit“ iSd. VB 1978 eingetreten. Die Beklagte habe das durchschnittliche Bruttomonatsentgelt falsch berechnet. Hierzu gehörten auch das Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Zeiten ohne Vergütungszahlungen im Referenzzeitraum führten nicht zu einer Minderung der Durchschnittsbruttobezüge iSv. § 4 Nr. 1 VB 1978. Zu einer Kürzung wegen vorzeitigen Ausscheidens sei die Beklagte nicht berechtigt. Sie habe bei anderen Arbeitnehmern, die vorzeitig wegen Erwerbsminderung oder Erwerbsunfähigkeit ausgeschieden seien, die Rente nicht gekürzt.

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

Hilfsweise hat er beantragt,

13Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, der Kläger könne bereits dem Grunde nach eine Invalidenrente nicht beanspruchen. Eine „voraussichtlich dauernde Berufsunfähigkeit“ iSd. VB 1978 liege nicht vor. Die Versorgungsordnung stelle auf eine vollständig dauernde Berufsunfähigkeit und weder auf eine teilweise Berufsunfähigkeit noch auf eine Berufsunfähigkeit auf Zeit ab. Sollte ein Anspruch des Klägers auf eine Invalidenrente dem Grunde nach bestehen, belaufe sich diese Rente lediglich auf 278,92 Euro monatlich.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr mit den Hauptanträgen stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

15Die Revision ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Klage mit den Hauptanträgen nicht stattgegeben werden. Das Landesarbeitsgericht hat zwar zu Recht erkannt, dass der Kläger nach § 2 Nr. 3 VB 1978 dem Grunde nach Anspruch auf eine Invalidenrente hat. Auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann jedoch noch nicht entschieden werden, in welcher Höhe dem Kläger die Invalidenrente zusteht. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 ZPO) und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung (§ 563 ZPO).

16A. Die Klage ist hinsichtlich der Hauptanträge zulässig. Das gilt auch für den Hauptantrag zu 5. Das erforderliche Feststellungsinteresse besteht trotz der Möglichkeit einer Klage auf künftige Leistungen nach den §§ 257 ff. ZPO. Der Kläger hatte insoweit ein Wahlrecht. Er musste den Feststellungsantrag auch im Laufe des Rechtsstreits nicht teilweise auf Leistung umstellen (vgl.  - Rn. 22).

17B. Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Invalidenrente nach § 2 Nr. 3 VB 1978. Aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat jedoch nicht entscheiden, in welcher Höhe die Klage begründet ist. Der Rechtsstreit ist deshalb an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

18I. Der Kläger hat für die Zeit ab dem dem Grunde nach einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Invalidenrente nach § 2 Nr. 3 VB 1978. Er hat die Wartezeit nach § 1 iVm. § 3 VB 1978 erfüllt, da er nach Vollendung des 20. Lebensjahres mehr als 15 Jahre ununterbrochen im Dienste der Beklagten tätig war. Er ist erwerbsunfähig iSv. § 2 Nr. 3 VB 1978. Die BfA hat ihm mit Bescheid vom für die Zeit vom bis zum eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI in der ab dem geltenden Fassung (im Folgenden: SGB VI nF) bewilligt und in dem Bescheid zugleich festgestellt, dass die Anspruchsvoraussetzungen ab dem erfüllt sind. Die volle Erwerbsminderung ist als Erwerbsunfähigkeit iSv. § 2 Nr. 3 VB 1978 anzusehen. Dies ergibt die Auslegung der VB 1978.

191. Bei den VB 1978, mithin auch bei deren § 2 Nr. 3, handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Zwar hat das Landesarbeitsgericht hierzu keine Tatsachenfeststellungen getroffen; unter den Parteien ist jedoch unstreitig, dass die VB 1978 von der Beklagten vorformuliert waren und standardmäßig für alle Arbeitnehmer verwendet wurden.

202. Als Allgemeine Geschäftsbedingungen sind die VB 1978 nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Ausgangspunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Parteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist durch das Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen (vgl.  - Rn. 36 mwN, NJW 2010, 2455; - 3 AZR 777/08 - Rn. 21, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 48).

213. Die nach diesen Grundsätzen vorzunehmende Auslegung der VB 1978 ergibt, dass die volle Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI nF als Erwerbsunfähigkeit iSv. § 2 Nr. 3 VB 1978 anzusehen ist.

22a) Nach § 2 Nr. 3 VB 1978 ist der Anspruch auf Invalidenrente von der „Erwerbsunfähigkeit“ bzw. der „voraussichtlich dauernden Berufsunfähigkeit“ abhängig. Was hierunter zu verstehen ist, richtet sich nach den im Sozialversicherungsrecht maßgeblichen Begriffsinhalten.

23aa) Die Beklagte hat in den VB 1978 die Begriffe „Erwerbsunfähigkeit“ und „voraussichtlich dauernde Berufsunfähigkeit“ nicht selbst definiert, sondern die sozialversicherungsrechtliche Terminologie übernommen. § 2 Nr. 3 VB 1978 weist zwar nicht ausdrücklich darauf hin, dass es sich um eine Erwerbs- bzw. eine Berufsunfähigkeit iSd. Sozialversicherungsrechts handeln muss. Aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Bezugnahme kann aber zum einen nicht geschlossen werden, dass die Versorgungszusage einen besonderen, vom gesetzlichen Rentenversicherungsrecht abweichenden Begriff verwandt hat. Das Arbeitsrecht kennt weder den Begriff der Erwerbsunfähigkeit noch den der Berufsunfähigkeit. Sieht der Arbeitgeber davon ab, die Voraussetzungen der Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit selbst festzulegen, will er damit in der Regel den sozialversicherungsrechtlichen Sprachgebrauch übernehmen (vgl.  - zu I 1 der Gründe, EzA BetrAVG § 1 Wartezeit Nr. 2; - 3 AZR 742/98 - zu I 1 a der Gründe, AP BetrAVG § 1 Invaliditätsrente Nr. 12 = EzA BetrAVG § 1 Invalidität Nr. 2). Zum anderen wird nach § 2 Nr. 3 VB 1978 die Invalidenrente nur gewährt, wenn im Dienste der Krankenanstalten unter Anerkennung durch die Sozialversicherung eine voraussichtlich dauernde Berufsunfähigkeit eintritt, für die Dauer der Berufsunfähigkeit. Mit dem Erfordernis der Anerkennung der voraussichtlich dauernden Berufsunfähigkeit durch die Sozialversicherung ist hinreichend klargestellt, dass die Begriffe der Erwerbsunfähigkeit und der Berufsunfähigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts gemeint sind.

24bb) Diese Auslegung wird durch die in § 4 Nr. 2 letzter Absatz VB 1978 getroffene Regelung bestätigt. Danach werden die Rentenbeträge nur in der Höhe gewährt, dass die Gesamtversorgung aus der Sozialversicherungsrente und der betrieblichen Rente 75 % der letzten Monatsgehälter bzw. Monatslöhne (ohne Nebenbezüge) des Versorgungsberechtigten nicht überschreitet. Liegt die Gesamtversorgung über 75 %, so wird die betriebliche Rente so weit gekürzt, dass sich nur ein Betrag von 75 % ergibt. Die Betriebsrente wird demnach als Zuschuss zur gesetzlichen Alters- oder Invalidenrente gezahlt. Dieser Ergänzungsfunktion der Betriebsrente entspricht es, dass die Anspruchsvoraussetzungen der Betriebsrente und der Sozialversicherungsrente möglichst weitgehend übereinstimmen (vgl.  - zu I 1 b der Gründe, AP BetrAVG § 1 Invaliditätsrente Nr. 12 = EzA BetrAVG § 1 Invalidität Nr. 2).

25cc) Dass die Berufs- und Erwerbsunfähigkeit nach § 2 Nr. 3 VB 1978 iSd. der Terminologie des Sozialversicherungsrechts zu verstehen ist, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass für die Bewilligung der entsprechenden Renten nach dem Sozialversicherungsrecht die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen sind (vgl. hierzu ausführlich  - zu I 1 c cc der Gründe, AP BetrAVG § 1 Invaliditätsrente Nr. 12 = EzA BetrAVG § 1 Invalidität Nr. 2).

26b) Die VB 1978 enthalten, da sie nicht auf die einschlägigen Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts in einer bestimmten Fassung verweisen, eine dynamische Bezugnahme auf die Begrifflichkeiten des jeweils geltenden Sozialversicherungsrechts. Statische Verweisungen und die damit verbundene Festschreibung bestimmter Regelungen sind die Ausnahme und müssen deshalb deutlich zum Ausdruck gebracht werden (vgl.  - Rn. 14, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44; für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ausdrücklich:  - zu B I 1 a der Gründe, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 45 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 42; - 3 AZR 553/06 - Rn. 24, AP BGB § 133 Nr. 55). Die dynamische Bezugnahme auf die sozialversicherungsrechtlichen Begrifflichkeiten führt dazu, dass nach Inkrafttreten des Rentenreformgesetzes am Erwerbsunfähigkeit nach § 2 Nr. 3 VB 1978 gegeben ist, wenn der Arbeitnehmer iSv. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI nF voll erwerbsgemindert ist.

27aa) Nach Inkrafttreten des Rentenreformgesetzes zum kann der Arbeitnehmer durch einen Bescheid der Rentenversicherung eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nicht mehr nachweisen; gem. § 43 SGB VI nF ist an die Stelle der Rente wegen Berufsunfähigkeit und der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit die Rente wegen Erwerbsminderung getreten. Nach § 43 Abs. 1 SGB VI nF erhalten Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, erhalten nach § 43 Abs. 2 SGB VI nF eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

28Bei Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung liegt Erwerbsunfähigkeit iSv. § 2 Nr. 3 VB 1978 vor. Die Rente wegen voller Erwerbsminderung entspricht nach Voraussetzungen und Inhalt der bisherigen Erwerbsunfähigkeitsrente. Sowohl nach § 1247 RVO und § 24 AVG in der bis zum geltenden Fassung als auch nach § 44 SGB VI in der bis zum geltenden Fassung (im Folgenden: aF) ist erwerbsunfähig der Versicherte, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande ist, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder ausreichendes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen. Auch an dem Rentenartfaktor, der sich nach § 67 SGB VI aF bei Renten wegen Erwerbsunfähigkeit auf 1,0 belief, hat sich durch das SGB VI nF nichts geändert. Bei Renten wegen voller Erwerbsminderung beläuft sich dieser Faktor nach § 67 SGB VI nF unverändert auf 1,0.

29bb) Erwerbsunfähigkeit bzw. voraussichtlich dauerhafte Berufsunfähigkeit iSv. § 2 Nr. 3 VB 1978 liegt auch dann vor, wenn der Sozialversicherungsträger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nur befristet bewilligt. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI nF setzt die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung voraus, dass die Erwerbsminderung „auf nicht absehbare Zeit“ besteht. Sie muss daher „voraussichtlich dauerhaft“ iSv. § 2 Nr. 3 VB 1978 sein. Gleichwohl werden Erwerbsminderungsrenten gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI nF grundsätzlich befristet geleistet, wobei die Befristung längstens drei Jahre beträgt (§ 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI nF). Eine unbefristete Rente darf gemäß § 102 Abs. 2 Satz 5 Halbs. 1 SGB VI nF nur gewährt werden, wenn die Rentenbewilligung ausschließlich auf arbeitsmarktunabhängigen Faktoren beruht und in diesen Fällen auch nur dann, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Auch aus diesem Grunde steht die nur befristete Bewilligung der gesetzlichen Rente wegen voller Erwerbsminderung der Gewährung der Betriebsrente nach § 2 Nr. 3 VB 1978 nicht entgegen, wenn es sich um eine arbeitsmarktabhängige Rente handelt und die Befristung für die Höchstdauer von drei Jahren erfolgt. Dies ist hier der Fall. Die BfA hat dem Kläger die Rente wegen voller Erwerbsminderung mit Bescheid vom für die Zeit vom bis zum bewilligt.

30II. Aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann noch nicht abschließend beurteilt werden, in welcher Höhe dem Kläger die Invalidenrente zusteht. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht für die Ermittlung der rentenfähigen Bezüge iSd. § 4 Nr. 1 VB 1978 auf einen Referenzzeitraum vom bis zum abgestellt. Maßgeblich ist vielmehr die Zeit vom bis zum . Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen zur Höhe der dem Kläger im Januar 2003 gezahlten Vergütung getroffen. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung.

311. Nach § 4 Nr. 1 VB 1978 gelten als rentenfähige Bezüge die Durchschnittsbruttobezüge der letzten drei Jahre vor Eintritt des Versorgungsfalls. Dies ist der Zeitpunkt, zu dem ausweislich des Rentenbescheids des Rentenversicherungsträgers die Voraussetzungen für den Anspruch auf die Erwerbsminderungsrente erfüllt sind. Diesen Zeitpunkt hat die BfA in ihrem Bescheid vom auf den festgestellt. Zwar muss der Versorgungsfall nicht stets zwingend mit dem Zeitpunkt übereinstimmen, an dem ausweislich des Bescheids des Sozialversicherungsträgers die Voraussetzungen für den Rentenbezug erfüllt sind, sondern kann im Wege der Vertragsfreiheit auch anderweitig festgelegt werden (vgl. zB  - zu II 1 c der Gründe, AP BetrAVG § 1 Invaliditätsrente Nr. 6 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 36). Eine solche anderweitige Festlegung, zB dahingehend, dass der Versorgungsfall erst mit Zahlungsbeginn der gesetzlichen Rente eintritt, ist in den VB 1978 jedoch nicht getroffen worden. Vielmehr heißt es in § 2 Nr. 3 VB 1978, dass der Nachweis der Berufsunfähigkeit durch Vorlage des Rentenbescheides der Sozialversicherung zu erfolgen hat. Damit ist der Versorgungsfall der im Rentenbescheid des Rentenversicherungsträgers festgestellte Zeitpunkt, zu dem die Anspruchsvoraussetzungen für die Erwerbsminderungsrente vorliegen.

32Dem steht nicht entgegen, dass nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 VB 1978 Berufsunfähigkeit nicht vorliegt, wenn und solange der Betriebsangehörige ohne Rücksicht auf eine von der Sozialversicherung anerkannte Berufsunfähigkeit noch im Betrieb beschäftigt wird und Lohn oder Gehalt bezieht. Mit dieser Bestimmung wird nicht der Eintritt des Versorgungsfalls hinausgeschoben. Ihr Sinn und Zweck ist es lediglich, den gleichzeitigen Bezug von Lohn oder Gehalt und einer Betriebsrente zu verhindern.

332. Bei der Ermittlung der „Durchschnittsbruttobezüge“ iSd. § 4 Nr. 1 VB 1978 wird das Landesarbeitsgericht Folgendes zu beachten haben:

34a) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass unter den Begriff der Durchschnittsbruttobezüge iSd. § 4 Nr. 1 VB 1978 sämtliche Einnahmen fallen, die der Kläger während seiner Tätigkeit für die Beklagte von dieser in Geld oder Geldeswert erhalten hat und die insoweit seinen Lebensstandard (mit)geprägt haben.

35Der Begriff der Bezüge ist weiter gefasst als beispielsweise der Begriff des Tarifentgelts oder des Monatsgehalts, wie er in § 4 Nr. 2 Abs. 2 VB 1978 angeführt ist; er erfasst von seinem Wortlaut her all das, was der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber „bezogen“, also erhalten hat. Auch Sinn und Zweck der VB 1978, dem Arbeitnehmer einen bestimmten Lebensstandard zu sichern, spricht für eine weite Auslegung des Begriffs der Bezüge. Im Übrigen zählen nach der Rechtsprechung des Senats im Normalfall alle Einkommensteile, die nicht ausdrücklich ausgenommen sind, zum versorgungsfähigen „Einkommen“ (vgl. - 3 AZR 515/85 - zu 3 a der Gründe, NZA 1987, 312).

36Damit gehören nicht nur die Grundvergütung, sondern auch der Ortszuschlag, die allgemeine Zulage, die Psychiatriezulage, sämtliche Zuschläge, Gratifikationen und Sonderzahlungen - wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld - sowie Kostenerstattungen - wie beispielsweise die Kontoführungsgebühr - zu den Bezügen iSd. § 4 Nr. 1 VB 1978. Nicht hierzu gehört allerdings die in der Abrechnung des Klägers ausgewiesene VL-Zulage AG. Diese Leistung hat der Kläger nicht iSd. § 4 Nr. 1 VB 1978 bezogen. Der Arbeitgeberanteil an den vermögenswirksamen Leistungen prägt für die Zeit, während der er erbracht wird, nicht den Lebensstandard des Arbeitnehmers, sondern dient der Vermögensbildung für eine spätere Zeit.

37b) Als rentenfähige Bezüge gelten nach § 4 Nr. 1 VB 1978 allerdings nur die Durchschnittsbruttobezüge ohne Sonderzulagen. Die Sonderzulagen sind demnach von den Durchschnittsbruttobezügen in Abzug zu bringen.

38Bei der Auslegung des Begriffs der Sonderzulagen ist zunächst zu berücksichtigen, dass allein die Qualifizierung eines Vergütungsbestandteils als „Zulage“ noch nicht zum Ausschluss bei der Berechnung führt. Es muss sich vielmehr um eine Leistung handeln, die - anders als die „Bezüge“ iSd. § 4 Nr. 1 VB 1978 - nicht üblicherweise, sondern nur aus besonderem Anlass oder zu einem besonderen Zweck erbracht wird und die bei typisierender Betrachtung im Allgemeinen nicht prägend für den Lebensstandard des Arbeitnehmers ist. Damit ist das Landesarbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass nicht nur das Urlaubs- und Weihnachtsgeld, sondern auch die Psychiatriezulage keine Sonderzulagen iSd. § 4 Nr. 1 VB 1978 sind, ebenso die Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft.

39c) Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass bei der Ermittlung der „Durchschnittsbezüge“ die Zeiten ohne Bezüge wegen Arbeitsunfähigkeit in den letzten 36 Monaten vor Eintritt des Versorgungsfalls nicht anspruchsmindernd berücksichtigt werden dürfen. Mit der Zugrundelegung der Durchschnittsbezüge sollen lediglich zufällige Schwankungen in der Gehaltshöhe, wie sie sich zB durch Tariferhöhungen ergeben können, ausgeglichen werden. Deshalb ist die Summe der Bezüge des Klägers für die Zeit vom bis zum nicht durch 36 Monate, sondern durch die Anzahl der Monate (auch Bruchteile von Monaten) zu teilen, in denen der Kläger tatsächlich eine Vergütung bezogen hat.

403. Das Landesarbeitsgericht wird außerdem zu berücksichtigen haben, dass dem Kläger lediglich eine Rente iHv. 18 % der rentenfähigen Bezüge zusteht und nicht iHv. 19,5 %, wovon das Landesarbeitsgericht bislang ausgegangen ist.

41Gem. § 4 Nr. 1 VB 1978 setzt sich die Rente aus einer Grundrente iHv. 10 % der rentenfähigen Bezüge sowie einer Steigerungsrente iHv. 0,5 % für jedes volle Dienstjahr nach Ablauf der Wartezeit von 15 Jahren nach Vollendung des 20. Lebensjahres zusammen.

42Der Kläger, der am geboren wurde und am in die Dienste der Beklagten getreten ist, hatte mit Ablauf des die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt. Bei Eintritt des Versorgungsfalls am hatte er weitere 16 volle Dienstjahre zurückgelegt. Die Rente beträgt mithin 18 % der rentenfähigen Bezüge.

434. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kommt eine ratierliche Kürzung des Anspruchs weder nach § 1b, § 2 Abs. 1 BetrAVG noch nach § 7 Nr. 1 VB 1978 in Betracht. Der Kläger ist nicht vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Das Arbeitsverhältnis hat bis zum Eintritt des Versorgungsfalls der Invalidität bestanden. § 4 Nr. 2 Abs. 1 VB 1978 ist nicht von Bedeutung. Der für den Kläger maßgebliche Versorgungsfall ist der der Invalidität und nicht der der vorgezogenen bzw. flexiblen Inanspruchnahme des Altersruhegeldes.

445. Letztlich wird das Landesarbeitsgericht bei der Berechnung der dem Kläger zustehenden Invalidenrente die sich aus § 4 Nr. 2 letzter Absatz VB 1978 ergebende Gesamtversorgungsobergrenze von 75 % der letzten Monatsgehälter bzw. Monatslöhne (ohne Nebenbezüge) zu berücksichtigen haben. Diese Bestimmung bezieht sich - obgleich sie sich eingerückt unter § 4 Nr. 2 VB 1978 befindet - nach Sinn und Zweck der VB 1978 auf sämtliche Versorgungsfälle und nicht nur auf das flexible bzw. vorzeitige Altersruhegeld.

C. Das Landesarbeitsgericht hat auch über die Kosten der Revision zu entscheiden.

Fundstelle(n):
BB 2011 S. 1651 Nr. 26
DB 2011 S. 2499 Nr. 44
DB 2011 S. 8 Nr. 23
NJW 2011 S. 8 Nr. 27
SAAAD-85069