BGH Urteil v. - VIII ZR 133/10

Betriebskostenabrechnung: Korrektur eines für den Mieter offensichtlichen Abrechnungsfehlers kurz nach Ablauf der Abrechnungsfrist

Gesetze: § 242 BGB, § 556 Abs 3 S 2 BGB

Instanzenzug: Az: 67 S 522/09 Urteilvorgehend AG Spandau Az: 4 C 145/09 Urteil

Tatbestand

1Die Klägerin ist Vermieterin, die Beklagte Mieterin einer Wohnung in B. Die Klägerin hatte mit der Nebenkostenabrechnung für 2005 die Vorauszahlungen für die Betriebskosten und Heizkosten ab 2006 erhöht. Der Erhöhungsbetrag ist von der Beklagten jedoch für die Monate Februar bis November 2007 nicht gezahlt worden. Durch rechtskräftiges ist die erhöhte Vorauszahlungsforderung der Klägerin als wirksam anerkannt worden. Mit Datum vom erstellte die Klägerin die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2007. In dieser wies die Klägerin statt der tatsächlich geleisteten Vorauszahlungen von 1.895,75 € (versehentlich) den erhöhten Betrag der geschuldeten Vorauszahlungen, nämlich 2.640,96 €, aus und kennzeichnete ihn handschriftlich mit "Sollvorauszahlungen". Aus der Abrechnung ergab sich deshalb statt einer Nachforderung von 532,78 € ein Guthaben zugunsten der Beklagten in Höhe von 203,02 €. Dieses verrechnete die Beklagte mit der Miete für Januar 2009.

2Mit Schreiben vom korrigierte die Klägerin ihre Abrechnung und legte dieser die tatsächlich von der Beklagten geleisteten Vorauszahlungen zugrunde, so dass nunmehr der tatsächliche Saldo in Höhe von 532,78 € zu Lasten der Beklagten ausgewiesen wurde. Die Klägerin hat Zahlung der Nachforderung von 532,78 €, die restliche Miete für Januar 2009 in Höhe von 203,02 € sowie für Februar 2009 in Höhe von 8,91 € jeweils nebst Zinsen begehrt.

3Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage bis auf den Betrag von 8,91 € nebst Zinsen abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

4Die Revision hat Erfolg.

I.

5Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt:

6Die Klägerin habe gegen die Beklagte lediglich einen Anspruch auf Zahlung rückständiger Miete für Februar 2009 in Höhe von 8,91 € aus § 535 Abs. 2 BGB.

7Dagegen könne sie die Nebenkostenvorauszahlungen für 2007 nicht mehr verlangen, da die Abrechnungsperiode abgelaufen sei und nach der Abrechnung vom eine Nachforderung ausgeschlossen sei, weil der Rechnungsabschluss ein Guthaben zugunsten der Beklagten ausweise.

8Nebenkostenvorauszahlungen seien zwar grundsätzlich Teil der Miete gemäß § 535 Abs. 2 BGB. Sie könnten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (VIII ZR 261/06) in bestimmten Fällen auch noch nach Abrechnungsreife verlangt werden, etwa wenn der Vermieter erst nach Fristablauf gemäß § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB abrechne, eine Nachforderung zu Lasten des Mieters ermittle und diese bis zur Höhe der ursprünglich zu leistenden Vorauszahlungen verlange. Anders sei dies jedoch, wenn innerhalb des Abrechnungszeitraums eine in formeller Hinsicht wirksame Abrechnung mit einem Guthaben zugunsten des Mieters erstellt werde, die sich als inhaltlich unrichtig erweise, weil die Vorschüsse zu Lasten des Vermieters zu hoch eingestellt gewesen seien. Dies müsse unabhängig davon gelten, ob der Abrechnung - wie hier - Soll-Vorauszahlungen oder - wie in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (VIII ZR 190/06) - Ist-Vorauszahlungen zugrunde gelegen hätten.

9Nach Ablauf der Frist aus § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB seien Korrekturen der Abrechnung zu Lasten des Mieters nur ausnahmsweise zulässig, etwa wenn dem Vermieter eine vorherige Angabe überhaupt nicht oder nicht korrekt möglich sei, wie beispielsweise bei einer noch nicht oder neu festgesetzten Grundsteuer.

10Die Höhe der tatsächlich geleisteten Vorauszahlungen müsse der Vermieter dagegen kennen. Sinn der Abrechnung und der Frist aus § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB sei es, für Vermieter und Mieter in absehbarer Zeit die jeweilige Abrechnungsperiode abschließend zu regeln. Unstreitig seien die Zahlungen der Beklagten auch nicht zunächst in voller Höhe auf die Vorauszahlungen und erst dann auf die Nettokaltmiete zu verrechnen mit dem Ergebnis, dass letztlich keine Nebenkostenvorauszahlung, sondern nur noch die Nettokaltmiete offen sei.

II.

11Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Zwar gibt das Berufungsurteil die Rechtsprechung des Senats zum Ausschluss von Nebenkostennachforderungen im Wohnraummietverhältnis gemäß § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB für den Regelfall zutreffend wieder. Allerdings verkennt das Berufungsgericht, dass sich die Beklagte im hier vorliegenden Fall nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ausnahmsweise nicht mit Erfolg auf den Ablauf der Ausschlussfrist aus § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB berufen kann.

121. Grundsätzlich kann der Vermieter eine Betriebskostenabrechnung nach Ablauf der Frist aus § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht mehr zum Nachteil des Mieters korrigieren. Das gilt namentlich auch dann, wenn das Ergebnis der erteilten Abrechnung - wie hier - ein Guthaben des Mieters ist (Senatsurteil vom - VIII ZR 190/06, WuM 2008, 150 Rn. 12). Die Abrechnungsfrist aus § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB und der durch § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB angeordnete Ausschluss von Nachforderungen nach Fristablauf dienen der Abrechnungssicherheit für den Mieter und sollen Streit vermeiden. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn der Vermieter einen Abrechnungsfehler nach Ablauf der Abrechnungsfrist noch zum Nachteil des Mieters korrigieren könnte.

13Entgegen der Auffassung der Revision kommt es nicht darauf an, worauf der Fehler der Abrechnung beruht. Vielmehr ist eine nachträgliche Korrektur der Abrechnung grundsätzlich auch dann ausgeschlossen, wenn der Vermieter zugunsten des Mieters irrtümlich höhere als die tatsächlich erbrachten Vorauszahlungen angesetzt und deshalb zu Unrecht ein Guthaben des Mieters oder eine zu geringe Nachforderung errechnet hat.

14Dass es sich bei den Nebenkostenvorauszahlungen um einen Teil der Miete handelt, rechtfertigt entgegen der Auffassung der Revision keine andere Wertung. Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Vermieter Nebenkosten als Vorauszahlungen nur solange geltend machen, als eine Abrechnung noch nicht erteilt und die Abrechnungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Nach dem Eintritt der Abrechnungsreife kann er nur noch die sich aus der Abrechnung ergebenden Beträge verlangen (Senatsurteil vom - VIII ZR 258/09, NZM 2010, 736 Rn. 22 mwN).

152. Das Berufungsgericht hat aber zu Unrecht dem Umstand keine Bedeutung beigemessen, dass der hier der Klägerin unterlaufene Fehler für die Beklagte auf den ersten Blick erkennbar war. Zwischen den von der Beklagten geleisteten Vorauszahlungen von 1.895,75 € und den zu ihren Gunsten berücksichtigten, in der Abrechnung handschriftlich als "Sollvorschüsse" bezeichneten Vorauszahlungen von 2.640,96 € besteht eine erhebliche Differenz. Zudem hatten die Parteien zuvor gerade über die Erhöhung der Vorauszahlungen auf die von der Klägerin in die Abrechnung eingestellten "Sollvorschüsse" einen Rechtsstreit geführt, weil die Beklagte die Erhöhung nicht akzeptiert und dem entsprechend in den Monaten Februar bis November 2007 Vorschusszahlungen nur in der ursprünglichen Höhe geleistet hatte. Unter diesen Umständen ist es der Beklagten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, die Klägerin an ihrem für die Beklagte offensichtlichen und kurz nach Ablauf der Abrechnungsfrist korrigierten Versehen festzuhalten.

III.

16Hiernach kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da es keiner weiteren Feststellungen bedarf (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Ball                                      Dr. Milger                                         Dr. Hessel

                 Dr. Fetzer                                        Dr. Bünger

Fundstelle(n):
NJW 2011 S. 1957 Nr. 27
LAAAD-83956