Ausreichende Bezeichnung des Klagebegehrens; Beschlagnahme von Unterlagen
Gesetze: FGO § 65 Abs. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Instanzenzug:
Gründe
1Die Beschwerde ist unbegründet. Zwar stellt es nach ständiger Rechtsprechung einen Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dar, wenn über eine in Wahrheit zulässige Klage nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entschieden wird (vgl. nur , BFH/NV 2004, 514, m.w.N.). Im Streitfall hat das Finanzgericht (FG) die Klage mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, der Gegenstand des Klagebegehrens sei —trotz mehrfacher Verlängerung der dafür vom Gericht bestimmten Ausschlussfrist— vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) nicht hinreichend bezeichnet worden. Die Entscheidung hält indes rechtlicher Nachprüfung stand. Der geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegt nicht vor.
21. Der Kläger hat den Gegenstand des Klagebegehrens nicht ausreichend bezeichnet.
3a) Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muss die Klage u.a. den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Eine ausreichende Bezeichnung erfordert zumindest die substantiierte und schlüssige Darlegung, was der Kläger begehrt und worin er eine Rechtsverletzung sieht; dadurch soll das Gericht in die Lage versetzt werden, die Grenzen seiner Entscheidungsbefugnis zu bestimmen (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO). Fehlt der Klage diese Voraussetzung, ist sie als unzulässig abzuweisen. Wie weit ein Klagebegehren zu substantiieren ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von dem Inhalt des angefochtenen Verwaltungsakts, der Steuerart und der Klageart. Entscheidend ist, ob das Gericht durch die Angaben des Klägers in die Lage versetzt wird, zu erkennen, worin die den Kläger treffende Rechtsverletzung nach dessen Ansicht liegt (, BFHE 180, 247, BStBl II 1996, 483; , BFHE 198, 1, BStBl II 2002, 306).
4b) Für den Fall, dass sich der Kläger mit der Anfechtungsklage gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid wendet, in dem der Gewinn geschätzt worden ist, reicht es aus, wenn der Kläger sein mit der Klage verfolgtes Begehren durch die Angabe des Gewinns präzisiert (vgl. , BFH/NV 1996, 900) oder wenn er einen bezifferten Antrag stellt und der Sachverhalt, um den gestritten wird, in groben Zügen aus der Einspruchsentscheidung oder einer Einspruchsbegründung, auf die Bezug genommen wird, erkennbar ist (, BFHE 162, 534, BStBl II 1991, 242; vom IV R 74/96, BFH/NV 1998, 37). Der Gegenstand des Klagebegehrens kann auch durch die Bezugnahme auf eine bei dem Finanzamt nachträglich eingereichte Steuererklärung bezeichnet werden (, BFHE 153, 290, BStBl II 1988, 895, und vom I R 28/97, BFH/NV 1998, 175). Nicht ausreichend ist allerdings die bloße Ankündigung einer noch einzureichenden Steuererklärung (BFH-Beschlüsse vom III S 17/04 (PKH), BFH/NV 2005, 1124; vom XI B 235/03, BFH/NV 2005, 2239) oder die Behauptung, die Besteuerungsgrundlagen seien zu hoch geschätzt (, BFHE 186, 309, BStBl II 1998, 628; in BFH/NV 1998, 37).
5c) Der Senat kann letztlich offenlassen, welche Anforderungen im Streitfall an die hinreichende Bezeichnung des Klagebegehrens gestellt werden müssen und wie der Umstand zu berücksichtigen ist, dass der Kläger nach der Beschlagnahme sämtlicher Akten durch die Staatsanwaltschaft nur unter wesentlich erschwerten Bedingungen in der Lage gewesen ist, die ausstehende Steuererklärung zu fertigen. Die Angaben des Klägers in der Klageschrift und im finanzgerichtlichen Verfahren reichen zur hinreichenden Bezeichnung des Klagebegehrens ungeachtet dieser tatsächlichen Besonderheiten jedenfalls nicht aus.
6Die Klageschrift enthält lediglich die Anträge, das Vorverfahren für notwendig zu erklären und im Fall der Klageabweisung die Revision zuzulassen. Im Übrigen wird darin auf eine nachzureichende Begründung verwiesen, die jedoch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht eingereicht worden ist. Auch die Einspruchsentscheidung enthält keinen Hinweis auf den Gegenstand des Klagebegehrens, da der Kläger den Einspruch ebenfalls nicht begründet hatte. Im Verlauf des Prozesses hat der Kläger in Bezug auf den Gegenstand des Klagebegehrens lediglich behauptet, der Gewinn sei zu hoch geschätzt. Er werde die Steuererklärung abgeben, sobald die beschlagnahmten Unterlagen wieder zur Verfügung stünden. Im Übrigen hat der Kläger nur ausgeführt, dass die Auswertung von 60 bis 100 beschlagnahmten Aktenordnern im Wege der Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft unmöglich sei.
7Bei dieser Sachlage konnte das FG den Gegenstand des Klagebegehrens selbst bei der gebotenen Auslegung der Klage anhand sämtlicher zur Verfügung stehender Unterlagen (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 65 FGO Rz 14; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 65 FGO Rz 64) nicht hinreichend sicher bestimmen. Demgegenüber ist davon auszugehen, dass dem Kläger auch ohne vollständige Auswertung sämtlicher beschlagnahmter Akten eine hinreichend genaue Bezeichnung der geltend gemachten Rechtsverletzung in der zur Verfügung stehenden Zeit möglich gewesen wäre, selbst wenn man berücksichtigt, dass der Gewinnfeststellungsbescheid keine Begründung für die Höhe der Schätzung enthält.
8d) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Kläger für Vorauszahlungszwecke im Streitjahr unter Vorlage einer Betriebswirtschaftlichen Auswertung (BWA) eine erklärungsgemäße Festsetzung des Gewinns erwirkt hatte. Den Gewinn aus der BWA hat der Kläger im vorliegenden Verfahren weder ausdrücklich noch sinngemäß durch Bezugnahme zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, sondern stets auf eine noch zu erstellende Gewinnermittlung verwiesen. Der Senat kann deshalb offenlassen, ob die Bezugnahme auf eine in einem anderen Verfahren (Herabsetzung der Besteuerungsgrundlagen für Vorauszahlungszwecke) eingereichte BWA zur Bezeichnung des Klagebegehrens unter den Umständen des Streitfalls ausreichen könnte.
92. Unerheblich ist schließlich, ob das FG unter den Umständen des Streitfalls sein Ermessen zur Bestimmung einer Ausschlussfrist (§ 65 Abs. 2 Satz 2 FGO) rechtsfehlerfrei ausgeübt hat oder ob es nach der Beschlagnahme sämtlicher Unterlagen des Klägers auf die damit verbundenen Erschwernisse für den Kläger mehr Rücksicht hätte nehmen müssen. Auf die Wirksamkeit der Ausschlussfrist käme es nur an, wenn der Kläger das Klagebegehren nach Fristablauf, aber noch vor der Entscheidung des Gerichts bezeichnet hätte. Das war jedoch nicht der Fall.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 1172 Nr. 7
EAAAD-83685