BGH Beschluss v. - III ZR 114/10

Krankenhausentgeltrecht: Anwendbarkeit auf eine von dem Träger eines Plankrankenhauses als Alleingesellschafter einer GmbH auf dem Gelände des Plankrankenhauses betriebene Privatklinik

Leitsatz

Errichtet der Träger eines Plankrankenhauses als Alleingesellschafter eine GmbH, die auf dem Gelände des Plankrankenhauses eine Privatkrankenanstalt für Privatpatienten betreibt, unterliegt diese Privatkrankenanstalt auch dann nicht den Bestimmungen des Krankenhausentgeltrechts, wenn sie ihre Patienten mit Hilfe der apparativen Ausstattung und unter Einsatz von Ärzten des Plankrankenhauses behandelt .

Gesetze: § 1 Abs 2 S 2 Nr 2 KHEntgG, § 17 Abs 1 KHEntgG, § 5 Abs 1 Nr 2 KHG, § 30 Abs 1 GewO

Instanzenzug: Az: 29 U 5136/09 Urteilvorgehend LG Kempten Az: 1 O 2344/08nachgehend Az: III ZR 114/10 Beschluss

Gründe

I.

1Der klagende Verband der privaten Krankenversicherung e.V. nimmt die Beklagten wegen der Gestaltung der Entgelte in einer Privatklinik auf Unterlassung in Anspruch. Die Beklagte zu 1, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, ist Trägerin eines Plankrankenhauses und zugleich Alleingesellschafterin der Beklagten zu 2, die in räumlicher Nähe zum Plankrankenhaus eine Privatkrankenanstalt mit 26 Betten betreibt und ihre Patienten mit Hilfe der apparativen Ausstattung und unter Einsatz der Chefärzte des Plankrankenhauses behandelt. Der Kläger sieht in der "Ausgründung" der Privatklinik eine rechtlich nicht anzuerkennende Umgehung der gesetzlichen Vorschriften des Krankenhausentgeltrechts, mit der nur das Ziel verfolgt werde, von den (Privat-)Patienten der Privatklinik für dieselben Leistungen, die das Plankrankenhaus nach dem Krankenhausentgeltgesetz abzurechnen habe, eine höhere Vergütung zu verlangen. Der Kläger verfolgt daher mit verschiedenen Anträgen das Unterlassungsbegehren, für Patienten der Privatklinik höhere Entgelte als nach dem Krankenhausentgeltrecht geschuldet zu verlangen und Entgelte für die Wahlleistung Unterkunft im Einbettzimmer und im Zweibettzimmer abzurechnen, hilfsweise diese auf angemessene Beträge herabzusetzen.

2Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision.

II.

3Die Revision ist nicht, wie die Beschwerde meint, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Zu Recht hat das Berufungsgericht - ohne Rechte des Klägers aus Art. 103 Abs. 1 GG zu verletzen - seiner Beurteilung zugrunde gelegt, dass die von der Beklagten zu 2 betriebene Privatklinik, die auch nicht zur stationären Versorgung von gesetzlich Versicherten nach § 109 Abs. 4 SGB V zugelassen ist, nicht den Bestimmungen des Krankenhausentgeltrechts unterliegt.

41. Die Anwendung des Krankenhausentgeltrechts gilt nicht voraussetzungslos als Regel für alle Arten von Krankenhäusern. Vielmehr stehen die die Vertragsfreiheit bei Vergütungsvereinbarungen einschränkenden Regelungen des Krankenhausfinanzierungs- und des Krankenhausentgeltgesetzes im Zusammenhang mit der Investitionsförderung, auf die insbesondere Plankrankenhäuser nach § 8 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) einen Anspruch haben. In der Investitionsförderung wird daher ein verfassungsrechtlich gebotener Ausgleich für die Beschränkungen der Vergütungsvereinbarung gesehen (vgl. Quaas/Zuck, Medizinrecht, 2. Aufl., § 25 Rn. 103). Demgegenüber haben nicht geförderte Krankenhäuser auf einer anderen wirtschaftlichen Grundlage zu kalkulieren (vgl. , BGHZ 154, 154, 162). Die Frage, ob die "Ausgründung" einer Privatklinik Einfluss auf die von ihr vorzunehmende Preisgestaltung hat, hat sich daher zunächst und vor allem daran zu orientieren, ob sie weiterhin der Krankenhausförderung unterliegt.

52. Die von der Beklagten zu 2 aufgrund einer Konzession nach § 30 Abs. 1 GewO betriebene Privatkrankenanstalt erfüllt nach den nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts nicht die Voraussetzungen des § 67 AO und wird mithin auch nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 KHG gefördert (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG). Sie ist daher in ihrer Preisgestaltung - in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB - grundsätzlich frei (vgl. aaO S. 158 ff). Welche versicherungsrechtlichen Folgen sich hieraus ergeben, betrifft allein das Verhältnis des Krankenversicherers zum Patienten. Außerhalb des in § 17 Abs. 1 Satz 5 KHEntgG angesprochenen Bereichs ist dem Kläger von Gesetzes wegen kein Recht eingeräumt worden, die Herabsetzung unangemessen hoher Entgelte zu verlangen (vgl. hierzu Senatsurteil vom - III ZR 158/99, BGHZ 145, 66).

6a) Dies ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil Alleingesellschafter der Beklagten zu 2 der Träger eines Plankrankenhauses ist. Weder die einschlägigen Vorschriften der Gewerbeordnung noch die des Krankenhausfinanzierungsgesetzes hindern den Träger eines Plankrankenhauses daran, eine Privatkrankenanstalt zu gründen und zu betreiben. Jedenfalls solange das Plankrankenhaus - wovon hier auszugehen ist - seinen durch den Krankenhausplan zugewiesenen Versorgungsauftrag erfüllt und nach dem legislativen Vorbild auch Selbstzahler und Privatpatienten behandelt, ist gegen eine solche Verfahrensweise von Gesetzes wegen nichts einzuwenden (vgl. Bohle, KHR 2009, 1, 7).

7b) Unerheblich ist weiter, dass die ärztliche und apparative Ausstattung des von der Beklagten zu 1 betriebenen Plankrankenhauses maßgeblich dazu beiträgt, dass die Beklagte zu 2 ihr Leistungsangebot überhaupt verwirklichen kann. Dies ändert nichts daran, dass die von der Beklagten zu 2 betriebene Privatklinik rechtlich selbständig und nicht lediglich eine Abteilung für Privatpatienten des Plankrankenhauses ist. Es versteht sich, dass ein Krankenhaus in der Lage sein muss, die ausreichende medizinische und pflegerische Versorgung der Patienten zu gewährleisten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Leistungen des Krankenhauses notwendigerweise vollumfänglich durch "eigenes" Personal und "eigene" Apparaturen und Geräte erbracht werden müssten; sichergestellt sein muss nur, dass diese Leistungen jederzeit - auf rechtlich gesicherter Grundlage - abrufbar sind (vgl. Quaas/Zuck aaO § 24 Rn. 42; Bender, HK/AKM Nr. 5485 Rn. 6 [Stand Juni 2010]; Bohle aaO S. 5 f). Wäre die Rechtslage anders zu beurteilen, hätte die Beklagte zu 2 keine Konzession erhalten dürfen; denn diese ist nach § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 1a GewO unter anderem dann zu versagen, wenn die Leitung der Krankenanstalt unzuverlässig oder die ausreichende medizinische und pflegerische Versorgung der Patienten nicht gewährleistet sind.

83. Allerdings mag dann, wenn die Leistungsbeziehungen zwischen dem Plankrankenhaus und der "ausgegründeten" Privatklinik in räumlicher, personeller und organisatorischer Hinsicht nicht klar genug abgegrenzt sind - was das Berufungsgericht, ohne dass es darauf entscheidend ankäme, im Übrigen vorliegend aufgrund tatrichterlicher Würdigung verneint hat -, eine Quersubventionierung der öffentlichen Hand zugunsten von Privatkliniken zu befürchten sein (vgl. Schwintowski, MedR 2009, 741, 742 f). Wenn es aber darum geht sicherzustellen, dass Plankrankenhäuser ihren Versorgungsauftrag wahrnehmen und die Förderungsvoraussetzungen einhalten, so ist es allein Aufgabe der zuständigen Aufsichtsbehörden, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen (so auch Bender aaO Rn. 7; Degener-Hencke in Huster/Kaltenborn, Krankenhausrecht, § 5 Rn. 71, 75; Bohle aaO S. 7). Demgegenüber geht es in einem solchen Falle nicht an, über den zivilrechtlichen Gedanken der "Umgehung" die Einhaltung der ordnungspolitischen Zielvorstellungen des Gesetzgebers des Krankenhausfinanzierungs- und des Krankenhausentgeltgesetzes zu erzwingen mit der Folge, dass die Vertragsbeziehungen zwischen dem Patienten und dem Privatkrankenhaus nach Maßgabe der §§ 134, 138 BGB sanktioniert werden oder aber die Privatklinik vergütungsrechtlich in ein Plankrankenhaus "umfunktioniert" und damit den Vorgaben des § 17 Abs. 1 KHEntG unterworfen wird (in diesem Sinne jedoch Uleer/Miebach/Patt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, 3. Aufl., 2. Teil, Gesamtübersicht Rn. 69 ff; siehe auch Patt/Wilde, MedR 2008, 707, 708 ff).

94. Soweit die Beschwerde allgemein das Bedenken sieht, bei einer Zusammenarbeit, wie sie hier zwischen den Beklagten bestehe, sei es zum Nachteil der Privatpatienten möglich, diese in die wesentlich teurere Privatklinik zu legen, ist dem durch an den jeweiligen Einzelfall angepasste Hinweise des Arztes oder Krankenhausträgers zu begegnen, zu denen sie ohnehin insbesondere dann vertraglich verpflichtet sind, wenn begründete Zweifel an der Erstattungsfähigkeit der Behandlungskosten bestehen (vgl. , NJW 1983, 2630 f).

105. Auch im Übrigen lässt die angefochtene Entscheidung keine zulassungsbegründenden Rechtsfehler erkennen. Von einer näheren Begründung wird insoweit abgesehen.

Schlick                                         Dörr                                        Wöstmann

                         Hucke                                    Seiters

Fundstelle(n):
XAAAD-83576