Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe
Das Landgericht hat die Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet sich die Beschuldigte mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen nahm die Beschuldigte am gegen 10.00 Uhr in der Poliklinik der Medizinischen Hochschule H. bei der Zeugin T. einen Behandlungstermin wahr. Sie empfand Angst und Panik. Nachdem sie die Zeugin mehrfach erfolglos aufgefordert hatte, die Türe zu verschließen, wurde sie zunehmend angespannt und aufgeregt. Als die Beschuldigte Stimmen hörte, die ihr befahlen, gegen die Zeugin vorzugehen, ergriff sie ein Fleischermesser mit einer Klingenlänge von 20 cm, das sie in ihrer Handtasche mit sich führte. Frau T. wich zurück und betätigte den Alarmknopf. Daraufhin eilten mehrere Personen herbei, denen es gemeinsam gelang, die Türe zu öffnen, gegen die die Beschuldigte von innen drückte.
In diesem Moment trat die Beschuldigte auf die Zeugin zu. Sie hielt das Messer in der erhobenen Hand und führte einen Stich in Richtung des Oberkörpers im Bereich des Herzens, um Frau T. zu töten. Dieser gelang es, das Handgelenk der das Messer führenden Hand zu ergreifen und so den gegen sie gerichteten Stich abzufangen. Sie hielt den Arm fest, bis einer der Helfer der Beschuldigten das Messer abnehmen konnte. Während des Tatgeschehens war die Steuerungsfähigkeit der Beschuldigten wegen einer schizoaffektiven Psychose aufgehoben.
2. Die Beschuldigte hat sich dahingehend eingelassen, sie habe mit dem Messer in der erhobenen Hand vor der Zeugin T. gestanden, aber nicht versucht, auf diese einzustechen, sie habe mit dem Messer nur gedroht.
Diese Einlassung hat die Strafkammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als widerlegt angesehen. Sie hat als rechtswidrige Anlasstat im Sinne des § 63 StGB einen im Zustand der Schuldunfähigkeit mit natürlichem Vorsatz begangenen versuchten Totschlag angenommen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt:
Die Zeugin T. habe glaubhaft ausgesagt, der Messerstich hätte sie im Bereich des linken Arms getroffen, mit dem sie ihren Oberkörper in der Herzgegend geschützt habe, wenn es ihr nicht gelungen wäre, das Handgelenk der Beschuldigten zu ergreifen und festzuhalten; als sie deren Arm ergriffen habe, habe sie deutlich Widerstand gespürt. Der Aussage dieser Zeugin stünden nicht die glaubhaften Angaben der Zeugin B. entgegen, die bekundet habe, es habe keine Stichbewegung gegeben, die Beschuldigte habe ein großes Messer in der Hand gehalten und sei in unentschlossener Haltung wie eingefroren in einer Entfernung von 70 bis 100 cm vor der Geschädigten gestanden, als diese das Handgelenk der Beschuldigten ergriffen und festgehalten habe. Aus dieser Aussage folge aber nicht, dass die Schilderung der Zeugin T. falsch wäre. Den gefühlten Widerstand, mit der die Geschädigte die Stichführung beschrieben habe, habe die das Geschehen von außen beobachtende Zeugin B. nicht wahrnehmen können. Der Zeuge W. habe bekundet, er erinnere sich an eine Stichführung nicht, er habe aber Sorge gehabt, dass die Zeugin T. verletzt werden könne; es habe ausgesehen, als ob die Beschuldigte mit dem Messer auf die Geschädigte losgegangen sei, er habe das Empfinden gehabt, eingreifen zu müssen.
3. Die angeordnete Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hat keinen Bestand, weil die Annahme des Landgerichts, die Anlasstat sei ein mit natürlichem Vorsatz begangener versuchter Totschlag, auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung beruht.
a) Die Feststellung der Strafkammer, die Beschuldigte habe einen Stich in Richtung des Oberkörpers im Bereich des Herzens geführt, um Frau T. zu töten, beruht nicht auf einer tragfähigen Beweisgrundlage (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 261 Rn. 2 und § 337 Rn. 26, jeweils mwN). Sie steht im Widerspruch zu den Aussagen aller vernommenen Zeugen, von denen keiner eine Stichbewegung bekundet hat. Dies gilt auch für die Zeugin T. , die in ihrer Aussage lediglich einen Widerstand beschrieben hat, den sie beim Ergreifen des Handgelenks der Beschuldigten gespürt habe, nicht aber eine tatsächlich geführte Stichbewegung. Sie hat ihren subjektiven Eindruck wiedergegeben, dass ein Stich, wenn er tatsächlich geführt worden wäre, sie im Bereich des linken Arms getroffen hätte, mit dem sie ihren Oberkörper in der Herzgegend geschützt habe. Zu einem Stich ist es nach dieser Zeugenaussage wegen des Festhaltens der Hand nicht gekommen. Die Zeugin B. hat eine Stichbewegung in ihrer Vernehmung explizit ausgeschlossen, der Zeuge W. konnte sich an eine solche nicht erinnern.
b) Weiterhin ist die Beweiswürdigung lückenhaft (vgl. dazu Meyer-Goßner, aaO, § 337 Rn. 27 mwN), weil sich das Landgericht nicht im Einzelnen mit der Möglichkeit befasst hat, dass die Beschuldigte die Zeugin T. lediglich bedrohen und nötigen, nicht aber töten wollte. Hierzu bestand indes nach der Einlassung der Beschuldigten und den Zeugenaussagen Anlass. Die Strafkammer hat den natürlichen Tötungsvorsatz allein aus der Angabe der Zeugin T. gefolgert, sie habe deutlich Widerstand gespürt, als sie das Handgelenk der Beschuldigten ergriffen habe. Bei dieser Beweissituation hätte sich das Landgericht näher mit der Möglichkeit auseinandersetzen müssen, dass die Beschuldigte die Geschädigte mit dem Messer nur bedrohen wollte und lediglich dem Festhalten ihres Handgelenks Widerstand entgegensetzte.
c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung als rechtswidrige Anlasstat im Sinne des § 63 StGB statt des versuchten Totschlags lediglich eine Bedrohung (§ 241 Abs. 1 StGB) oder eine versuchte Nötigung (§ 240 Abs. 1, 2 und 3, § 22 StGB) angenommen hätte. Möglicherweise hätte sie dann auch die Gefahr verneint, dass die Beschuldigte infolge ihres Zustandes weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, oder die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Bewährung ausgesetzt.
4. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Die akute schizoaffektive Psychose, die das Landgericht in Übereinstimmung mit dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen zum Tatzeitpunkt bejaht hat, könnte als krankhafte seelische Störung einzuordnen sein, welche die Fähigkeit der Beschuldigten ausgeschlossen hat, das Unrecht ihres Handelns einzusehen. Ohne weitere Erörterung ist bei dem festgestellten Krankheitsbild nicht nachvollziehbar, dass bei bestehender Unrechtseinsicht lediglich die Steuerungsfähigkeit aufgehoben gewesen sein soll (vgl. Nedopil, Forensische Psychiatrie 1996, 12.5.1.5 und 12.5.3.1).
b) Die Anordnung der Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus ist nicht von vorneherein ausgeschlossen, wenn von ihr infolge ihres Zustandes Taten der Bedrohung mit einem Messer und versuchten Nötigung zu erwarten sind (, NStZ 2008, 563; , NStZ 2009, 383). In diesem Fall bedarf die Gefährlichkeitsprognose jedoch einer besonders sorgfältigen Prüfung, weil in Anbetracht der Schwere des Eingriffs in die persönliche Freiheit nur erhebliche Störungen des Rechtsfriedens, die zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind, die Anordnung der Unterbringung rechtfertigen ( und 1504/82, BVerfGE 70, 297, 312).
Fundstelle(n):
IAAAD-83568