BAG Beschluss v. - 7 ABR 98/09

Tarifvertragliches Höchstalter für die Einstellung von Piloten

Leitsatz

Eine tarifvertragliche Betriebsnorm, die für ein Luftfahrtunternehmen das Höchstalter für die Einstellung von in anderen Luftfahrtunternehmen ausgebildeten Piloten auf 32 Jahre und 364 Tage festlegt, ist unwirksam. Die für das Luftfahrtunternehmen errichtete Personalvertretung kann daher die Zustimmung zur Einstellung eines Piloten nicht mit der Begründung verweigern, dieser sei zu alt.

Gesetze: § 3 Abs 2 TVG, § 99 Abs 2 Nr 1 BetrVG, Art 12 Abs 1 S 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 9 Abs 3 GG, § 7 Abs 1 AGG, § 7 Abs 2 AGG, § 1 AGG, § 10 AGG, § 117 Abs 2 BetrVG

Instanzenzug: ArbG Frankfurt Az: 14 BV 36/08 Beschlussvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 4 TaBV 168/08 Beschluss

Gründe

1A. Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der von der Personalvertretung verweigerten Zustimmung zur Einstellung eines Copiloten. Kern des Streits ist die Rechtmäßigkeit einer tarifvertraglichen Altersgrenze für die Einstellung des Cockpitpersonals.

2Die Arbeitgeberin ist ein zum Lufthansa-Konzern (DLH-Konzern) gehörendes Luftfrachtunternehmen. Ihr fliegendes Personal wird von der zu 2. beteiligten Personalvertretung repräsentiert, die auf der Grundlage des nach § 117 Abs. 2 BetrVG zwischen der Arbeitgeberin und der Deutschen Angestelltengewerkschaft geschlossenen Tarifvertrags Personalvertretung GCS vom (TV PV GCS) gebildet wurde. §§ 64, 65 TV PV GCS sind weitgehend wort- und in der Sache inhaltsgleich mit §§ 99, 100 BetrVG.

3Die Arbeitgeberin deckt ihren Bedarf an Piloten in erster Linie aus dem Lufthansa Tarifverbund und nachrangig durch sog. „Ready Entries“ (RE) ab, die über eine bei einem anderen Luftfahrtunternehmen abgeschlossene Flugzeugführerausbildung und über Flugerfahrung verfügen. Sie unterzieht RE-Piloten vor der Einstellung einem sog. DLR-Test, der aus einem dreistufigen Auswahlprozess besteht. Die erste Stufe umfasst eine Grunduntersuchung der von der Arbeitgeberin als notwendig erachteten Kenntnisse und Fähigkeiten. In der zweiten Stufe wird die Adaptionsfähigkeit der Bewerber an die im Konzern üblichen speziellen Verfahren und Arbeitsweisen überprüft. Daran schließt sich im dritten Schritt ein Simulator-Screening an, in dem die fliegerischen Fähigkeiten der Piloten und deren Anpassung an die im Konzern üblichen Prinzipien der Tätigkeit im Cockpit beobachtet werden. Nach der Einstellung müssen die Piloten das „Type Rating“, dh. die Musterberechtigung, erwerben und sich einer Einweisung unterziehen.

Das nationale und internationale Luftsicherheitsrecht sieht neben der allgemeinen Altershöchstgrenze für Piloten nach 1.060 JAR-FCL 1 keine Altersgrenze für den Wechsel von Piloten zwischen verschiedenen Fluggesellschaften vor. Während zahlreiche Luftfahrtunternehmen kein Einstellungshöchstalter festgelegt haben, schlossen die Beteiligten am die Betriebsvereinbarung „Auswahlrichtlinien für die personelle Auswahl bei der Einstellung von Verkehrsflugzeugführern“, die unter § 3 I Nr. 6 als Altersgrenze für die Einstellung von Piloten 32 Jahre und 364 Tage bestimmt. Die Muttergesellschaft der Arbeitgeberin vereinbarte am mit der Gesamtvertretung für das fliegende Personal die Betriebsvereinbarung „Auswahlrichtlinien für die personelle Auswahl bei der Einstellung von Flugzeugführern bei der DLH“ (BV Auswahlrichtlinien). Diese enthält ua. folgende Regelungen:

Am selben Tag schlossen die Muttergesellschaft der Arbeitgeberin und die Gesamtvertretung die „Ergänzungsvereinbarung Nr. 1“, in der es ua. heißt:

6Vor dem Hintergrund seit dem Jahr 2006 auftretender Probleme, den im Konzern bestehenden Bedarf an Nachwuchspiloten zu decken, schlossen die die Unternehmen des Lufthansa-Konzerns tarifrechtlich vertretende Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg e. V. (AVH) und die Vereinigung Cockpit e. V. (VC) am die „Tarifvereinbarung Kapazitätserhöhung Cockpit 2007/2008“ (Tarifvereinbarung Kapazitätserhöhung).

Der Einleitungssatz der Tarifvereinbarung Kapazitätserhöhung lautet:

Unter „Nr. 4 [Einstellungsvoraussetzungen NFF/Ready Entries]“ ist auszugsweise folgendes geregelt:

9Die Tarifvereinbarung Kapazitätserhöhung ist unterzeichnet „für die AVH/DLH“ und „für die VC“. Die Beteiligten des Verfahrens gehen übereinstimmend davon aus, dass die Tarifvereinbarung Kapazitätserhöhung und die von ihnen als „TV Auswahlrichtlinien“ bezeichneten Regelungen in Nr. 4 der Tarifvereinbarung Kapazitätserhöhung im Betrieb der Arbeitgeberin Anwendung finden.

Mit Schreiben vom unterrichtete die Arbeitgeberin unter Vorlage einer Personalbedarfsplanung sowie der Bewerbungsunterlagen die Personalvertretung über ihre Absicht, den 1970 geborenen, zuvor für die D tätigen Piloten S zum einzustellen, und beantragte dazu deren Zustimmung. Gleichzeitig teilte sie mit, sie werde die Einstellung des Herrn S als Copiloten ab dem (Ground Course-Beginn ab ) aufgrund des dringenden Bedarfs nach § 65 TV PV GCS vorläufig durchführen. Die Personalvertretung widersprach in einem der Arbeitgeberin am zugegangenen Schreiben vom der beabsichtigten Einstellung und bestritt die Dringlichkeit der vorläufigen Maßnahme. Darin heißt es ua.:

11In dem am eingeleiteten Beschlussverfahren hat die Arbeitgeberin die gerichtliche Ersetzung der von der Personalvertretung verweigerten Zustimmung zur Einstellung des Herrn S begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Personalvertretung habe ihre Zustimmung zu Unrecht verweigert. Insbesondere verstoße die beabsichtigte Einstellung nicht gegen ein tarifliches Verbot. Die Altersgrenze in § 4 Abs. 1 Satz 2 TV Auswahlrichtlinien stelle eine nicht gerechtfertigte Altersdiskriminierung dar und sei deshalb unwirksam. Das Interesse an einer Amortisierung von Ausbildungskosten rechtfertige die Grenze nicht. Bei der Übernahme der bereits fertig ausgebildeten Piloten fielen nur geringe Kosten für die Einweisung und das Type Rating an. Entsprechendes gelte für die tarifvertragliche Übergangsversorgung, da diese eine zehnjährige Mindestbeschäftigung voraussetze. Sicherheitsbedenken gegen die Einstellung älterer Bewerber seien unbegründet. Piloten anderer Luftfahrtunternehmen könnten sich jedenfalls vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres problemlos auf die spezifischen Abläufe im DLH-Konzern umstellen. Auch ein ohne Altersgrenze zulässiger Wechsel des Flugzeugmusters habe veränderte Abläufe im Cockpit zur Folge.

Die Arbeitgeberin hat, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung, beantragt,

13Die Personalvertretung hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht, sie habe ihre Zustimmung zur Einstellung des Herrn S zu Recht nach § 64 Abs. 2 Nr. 1 TV PV GCS wegen Verstoßes gegen § 4 TV Auswahlrichtlinien verweigert. Die dort geregelte Altersgrenze sei gerechtfertigt. Die Tarifvertragsparteien hätten innerhalb der ihnen zustehenden Einschätzungsprärogative entschieden, dass die Altersgrenze der Gewährleistung der Flugsicherheit diene. In konzernfremden Unternehmen ausgebildete Piloten unterlägen einer „Verbildung“. Ihnen falle es mit zunehmendem Alter schwerer, sich abweichend von zunächst erlernten Abläufen unternehmensspezifische Verfahren so einzuprägen, dass sie nicht im Notfall in alte Verhaltensmuster zurückfielen. Der Wechsel zwischen Fluggesellschaften sei mit dem auch noch in höherem Alter möglichen Wechsel der Flugzeugmuster nicht vergleichbar. Bei diesem gehe es nur um die Beherrschung des Cockpits des jeweiligen Flugzeugmusters und der spezifischen Flugzeugeigenschaften, was sich ohne weiteres lernen und einüben lasse. Beim Unternehmenswechsel sei dagegen das Umlernen der Kommunikations- und Entscheidungsprozesse zwischen Pilot und Copilot für Krisensituationen entscheidend. Zudem diene die Altersgrenze der Förderung einer sachgerechten Hierarchie im Cockpit. Ein höheres Alter verschaffe dem Kapitän eine natürliche Autorität gegenüber dem Copiloten. Diese Hierarchie werde gestört, wenn der Pilot jünger als der Copilot sei. Eine altersgerechte Hierarchie beuge Konflikten im Krisenfalle vor. Im Übrigen entspreche die Höchstaltersgrenze auch einem wirtschaftlichen Amortisierungsinteresse der Arbeitgeberin.

14Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberin stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Personalvertretung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Personalvertretung weiterhin die Abweisung des Zustimmungsersetzungsantrags. Die Arbeitgeberin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

15B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben dem Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin zu Recht stattgegeben. Die Personalvertretung hat die Zustimmung zur Einstellung des Herrn S zu Unrecht verweigert. Die Einstellung verstößt iSv. § 64 Abs. 2 Nr. 1 TV PV GCS nicht gegen ein - wirksames - tarifliches Verbot. Zwar überschreitet der zum Einstellungszeitpunkt 38 Jahre alte Herr S das in § 4 Abs. 1 Satz 2 TV Auswahlrichtlinien bestimmte Einstellungshöchstalter von 32 Jahren und 364 Tagen. Diese Regelung ist aber, soweit sie die Einstellung älterer RE zwingend untersagt, unwirksam. Als Betriebsnorm ist sie mit höherrangigem Recht unvereinbar. Sie greift unverhältnismäßig in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit der Berufswahl älterer Bewerber ein und verstößt zugleich gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 AGG.

16I. Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig.

171. Der Antrag ist iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt.

18a) Nach dem im Beschlussverfahren anwendbaren § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss der prozessuale Antrag und der entsprechende gerichtliche Rechtsfolgenausspruch den Gegenstand der Entscheidung so präzise beschreiben, dass der Umfang der materiellen Rechtskraft hinreichend festgestellt werden kann. Bei einem Zustimmungsersetzungsantrag nach dem - mit § 99 Abs. 4 BetrVG inhaltsgleichen - § 64 Abs. 4 TV PV GCS muss klar sein, zu welcher personellen Einzelmaßnahme die von der Personalvertretung verweigerte Zustimmung gerichtlich ersetzt werden soll (vgl. zu § 99 Abs. 4 BetrVG  - Rn. 17 mwN, BAGE 125, 306). Ein bestimmter Zeitpunkt, zu dem die Zustimmung zu der beabsichtigten endgültigen personellen Maßnahme ersetzt werden soll, kann und muss nicht bezeichnet werden. Die von der Personalvertretung verweigerte Zustimmung wird vielmehr mit Eintritt der Rechtskraft der dem Antrag der Arbeitgeberin entsprechenden gerichtlichen Entscheidung ersetzt.

19b) Hiernach wird der Antrag der Arbeitgeberin den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gerecht. Die personelle Maßnahme - endgültige Einstellung -, der betroffene Arbeitnehmer - S - und der Arbeitsplatz - Copilot auf dem Flugzeugmuster MD 11 - sind hinreichend genau bezeichnet. Dagegen kommt, wie die gebotene Auslegung ergibt, den im Antrag enthaltenen Worten „ab (Ground Course-Beginn )“ keine eigenständige Bedeutung zu. Gegenstand eines Verfahrens auf Ersetzung der Zustimmung zu einer Einstellung nach § 64 Abs. 4 TV PV GCS ist nur die Frage, ob die - weiterhin von der Arbeitgeberin beabsichtigte - personelle Maßnahme aufgrund eines konkreten Zustimmungsersuchens angesichts der von der Personalvertretung vorgebrachten Verweigerungsgründe gegenwärtig und zukünftig als endgültige Maßnahme zulässig ist (vgl.  - Rn. 23 mwN, BAGE 117, 123).

202. Die Arbeitgeberin verfügt über das Rechtsschutzbedürfnis für den Zustimmungsersetzungsantrag zur endgültigen Einstellung. Die Zustimmung gilt nicht nach § 64 Abs. 3 TV PV GCS als erteilt. Die Personalvertretung hat die Zustimmung frist- und formgerecht mit erheblicher Begründung verweigert.

21a) Die Personalvertretung genügt der Begründungspflicht nach § 64 Abs. 3 Satz 1 TV PV GCS, wenn es als möglich erscheint, dass sie mit ihrer schriftlich gegebenen Begründung einen der in § 64 Abs. 2 TV PV GCS aufgeführten Verweigerungsgründe geltend macht. Eine Begründung, die sich in der Benennung einer der Nummern des § 64 Abs. 2 TV PV GCS oder in der Wiederholung ihres Wortlauts erschöpft, oder die offensichtlich auf keinen der gesetzlichen Verweigerungsgründe Bezug nimmt, ist allerdings unbeachtlich. Die Begründung der Personalvertretung braucht nicht schlüssig zu sein. Konkrete Tatsachen müssen nur für die auf § 64 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 6 TV PV GCS gestützte Verweigerung angegeben werden (vgl. zu § 99 Abs. 2 BetrVG  - Rn. 12 mwN, AP AÜG § 3 Nr. 4 = EzA BetrVG 2001 § 99 Einstellung Nr. 12; - 1 ABR 49/08 - Rn. 22 mwN, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 128 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 14).

22b) Hiernach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das der Arbeitgeberin innerhalb der Wochenfrist am zugegangene Schreiben der Personalvertretung vom habe den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Zustimmungsverweigerung genügt, rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. In diesem Schreiben widersprach die Personalvertretung der Einstellung mit der Begründung, Herr S erfülle nicht „die im TV ‚Kapazitätserhöhung 2007/2008’ geregelten Voraussetzungen für die Einstellung“. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Personalvertretung habe ersichtlich auf den Zustimmungsverweigerungsgrund in § 64 Abs. 2 Nr. 1 TV PV GCS Bezug genommen. Auch ohne eine ausdrückliche Bezeichnung sei aufgrund der vorausgegangenen Gespräche für die Arbeitgeberin klar gewesen, dass die Personalvertretung die Überschreitung des Einstellungshöchstalters nach § 4 Abs. 1 Satz 2 TV Auswahlrichtlinien rügen wollte. Gegen diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts haben die Beteiligten im Rechtsbeschwerdeverfahren auch keine Einwendungen erhoben.

23II. Der Zustimmungsersetzungsantrag ist begründet. Die Arbeitgeberin hat die Personalvertretung ordnungsgemäß unterrichtet. Der Personalvertretung stand kein Grund nach § 64 Abs. 2 TV PV GCS zur Seite, die Zustimmung zur Einstellung des Piloten S zu verweigern.

241. Die Arbeitgeberin hat das Zustimmungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet und den Betriebsrat ausreichend unterrichtet.

25a) Die von der Personalvertretung verweigerte Zustimmung darf von den Gerichten nach § 64 Abs. 4 TV PV GCS nur ersetzt werden, wenn die Frist des § 64 Abs. 3 Satz 1 TV PV GCS in Gang gesetzt wurde. Dazu muss die Arbeitgeberin die Anforderungen des § 64 Abs. 1 Satz 1 und 2 TV PV GCS sowie bei Einstellungen und Versetzungen auch diejenigen des - mit § 99 Abs. 1 Satz 2 BetrVG inhaltsgleichen - § 64 Abs. 1 Satz 3 TV PV GCS erfüllt haben (zu § 99 BetrVG  - Rn. 13, BAGE 127, 51 mwN). Vor jeder Einstellung und Versetzung hat die Arbeitgeberin deshalb die Personalvertretung zu unterrichten, ihr die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft sowohl über die Person der Beteiligten als auch - unter Vorlage der dazu erforderlichen Unterlagen - über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben (zu § 99 BetrVG  - zu B II 2 a der Gründe mwN, BAGE 113, 109).

26b) Das Zustimmungsersuchen der Arbeitgeberin enthält nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts alle erforderlichen Auskünfte und Unterlagen über die Person des Herrn S und seine Qualifikation als Pilot, eine Beschreibung des in Aussicht genommenen Arbeitsplatzes und die Angabe der vorgesehenen Eingruppierung.

272. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass die Personalvertretung ihre Zustimmung nicht nach § 64 Abs. 2 Nr. 1 TV PV GCS wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 TV Auswahlrichtlinien verweigern konnte. Zwar hatte Herr S - bereits zu dem ursprünglich von der Arbeitgeberin für die endgültige Einstellung vorgesehenen Zeitpunkt - das in dieser Vorschrift festgelegte Einstellungshöchstalter von 32 Jahren und 364 Tagen überschritten. Zugunsten der Personalvertretung kann auch unterstellt werden, dass der TV Auswahlrichtlinien im Betrieb der Arbeitgeberin Anwendung findet. Auch handelt es sich bei den Regelungen des TV Auswahlrichtlinien nicht um eine rein schuldrechtliche Regelungsabrede, sondern um einen normative Geltung beanspruchenden Tarifvertrag. Die darin getroffenen Regelungen über „personenbezogene Einstellungsvoraussetzungen“ haben ferner nicht den Charakter von Abschlussnormen, die nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG unmittelbar und zwingend lediglich für beiderseits Tarifgebundene gelten. Vielmehr handelt es sich nach ihrem Geltungsanspruch um „Betriebsnormen“, also um „Rechtsnormen eines Tarifvertrags über betriebliche Fragen“, die nach § 3 Abs. 2 TVG für alle Arbeitnehmer des Betriebs unabhängig von ihrer Tarifbindung bereits deshalb normativ gelten sollen, weil die Arbeitgeberin tarifgebunden ist. Die Altersgrenzenbestimmung im TV Auswahlrichtlinien ist schließlich auch keine Regelung im Sinne einer Auswahlrichtlinie, die nur dann zur Anwendung kommt, wenn es mehrere im Übrigen geeignete Bewerber gibt. Vielmehr handelt es sich um eine starre Regelung, die nach ihrem klaren Wortlaut jeglicher Einstellung eines RE entgegensteht, der die darin genannte Altersgrenze überschritten hat. Als solche kann sie jedoch rechtlich keinen Bestand haben; jedenfalls ist sie nicht geeignet, einen Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 64 Abs. 2 Nr. 1 TV PV GCS abzugeben. Dabei kann dahin stehen, ob und inwieweit es grundsätzlich überhaupt der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien unterfällt, im Wege von Betriebsnormen personenbezogene Einstellungsvoraussetzungen auch für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer zu regeln. Auch wenn eine solche Regelungsmacht besteht, so ist jedenfalls die streitbefangene zwingende Regelung eines Höchsteintrittsalters, durch welche dem einstellungsbereiten Arbeitgeber die Einstellung eines einstellungswilligen Arbeitnehmers verboten wird, unwirksam. Zum einen verletzt sie in unverhältnismäßiger und demzufolge unzulässiger Weise das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht älterer Arbeitsplatzbewerber. Zum anderen verstößt die damit verbundene Gruppenbildung mangels ausreichender sachlicher Rechtfertigung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und gegen das in § 7 Abs. 1 AGG normierte Verbot der Altersdiskriminierung.

28a) Nach § 64 Abs. 2 Nr. 1 TV PV GCS kann die Personalvertretung die Zustimmung zu einer personellen Einzelmaßnahme verweigern, „wenn die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde“. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu der - entsprechenden - Regelung in § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG muss die Maßnahme selbst gegen einen Tarifvertrag oder eine Norm verstoßen. Dazu muss hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen, dass der Zweck der betreffenden Norm darin besteht, die personelle Maßnahme selbst zu verhindern. Der Zustimmungsverweigerungsgrund in § 64 Abs. 2 Nr. 1 TV PV GCS ist deshalb bei Einstellungen nur gegeben, wenn das Ziel der Norm allein dadurch erreicht werden kann, dass die Einstellung insgesamt unterbleibt (vgl.  - zu B II 3 a aa der Gründe, BAGE 113, 102; - 1 ABR 61/03 - zu B II 4 b bb (3) (a) der Gründe mwN, BAGE 113, 218; - 1 ABR 81/06 - Rn. 29, BAGE 126, 176). Kein Verstoß gegen eine „Bestimmung in einem Tarifvertrag“ liegt bei einer schuldrechtlichen Regelungsabrede der Tarifvertragsparteien vor. Eine lediglich schuldrechtlich zwischen den Tarifvertragsparteien wirkende Vereinbarung ist kein Tarifvertrag iSv. § 64 Abs. 2 Nr. 1 TV PV GCS oder § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Voraussetzung für den Zustimmungsverweigerungsgrund ist vielmehr ein Verstoß gegen eine normativ wirkende Regelung.

29b) Die beabsichtigte Einstellung des Piloten S verstößt gegen die in § 4 Abs. 1 Satz 2 TV Auswahlrichtlinien vorgesehene Altersgrenze von 32 Jahren und 364 Tagen. Herr S gehörte als zuvor bei dem Unternehmen D beschäftigten Flugzeugführer nicht zu den Piloten, für welche die in Nr. 4 Abs. 1 Satz 2 Tarifvereinbarung Kapazitätserhöhung genannten Ergänzungsvereinbarungen Nr. 1 und 2 ein - bei Herrn S freilich ebenfalls nicht mehr gewahrtes - Höchsteinstiegsalter von 37 Jahren und 364 Tage vorsehen.

30c) Der Senat unterstellt - entsprechend der nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts ersichtlich nicht weiter zu prüfenden, übereinstimmenden Beurteilung der beiden Beteiligten - zugunsten der Personalvertretung, dass die im Zustimmungsverweigerungsschreiben in Bezug genommene Tarifvereinbarung Kapazitätserhöhung, deren Bestandteil wiederum der TV Auswahlrichtlinien ist, im Betrieb der Arbeitgeberin anwendbar ist. Hieran bestehen allerdings durchaus Zweifel. Die Tarifvertragsparteien haben den betrieblichen Geltungsbereich der Tarifvereinbarung Kapazitätserhöhung nicht ausdrücklich beschrieben. Gegen eine Einbeziehung der Arbeitgeberin in den Geltungsbereich spricht - zumindest auf den ersten Blick - Nr. 4 der Tarifvereinbarung Kapazitätserhöhung. Die dort in Bezug genommene „BVB Auswahlrichtlinie“ sieht ihrerseits unter § 1 zum „Geltungsbereich“ vor, dass diese Betriebsvereinbarung „die personelle Auswahl von künftigen Flugzeugführern der DLH Passage Airline“ regelt. Die Arbeitgeberin gehört zwar zu den Airlines im DLH-Konzern, sie wird aber nicht der Passage Airline Gruppe zugeordnet. Auch findet auf sie nicht der für die Unternehmen der DLH geltende TV PV Personalvertretung, sondern vielmehr der - anders aufgebaute - TV PV GCS Anwendung. Schließlich gibt es auch keine Feststellungen über das Schicksal der am nur für die Beschäftigten der Arbeitgeberin getroffene Betriebsvereinbarung über Auswahlrichtlinien. Anders als die für die DLH Muttergesellschaft abgeschlossene „BVB Auswahlrichtlinie“ vom ist diese in der Tarifvereinbarung Kapazitätserhöhung nicht in Bezug genommen. Ein Anhaltspunkt dafür, dass die Tarifvereinbarung Kapazitätserhöhung und der TV Auswahlrichtlinien auch für die Arbeitgeberin geschlossen werden sollte, könnte lediglich aus der mehrfach in der Tarifvereinbarung Kapazitätserhöhung vorkommenden Abkürzung „KTV“ folgen. Diese Abkürzung ist in dem Tarifvertrag zwar ebenfalls nicht definiert. Nach den Angaben der Beteiligten in der Anhörung vor dem Senat steht sie für den Begriff „Konzerntarifverbund“, dem die Arbeitgeberin angehöre. Ungeachtet der dadurch nicht vollständig ausgeräumten Bedenken konnte der Senat die Anwendbarkeit des TV Auswahlrichtlinien und der Tarifvereinbarung Kapazitätserhöhung unterstellen und von einer - ggf. zur Feststellung der Anwendbarkeit des TV Auswahlrichtlinien erforderlichen - Zurückverweisung absehen, da sich die Zustimmungsverweigerung der Personalvertretung bei Unanwendbarkeit des TV Auswahlrichtlinien ohnehin als unbegründet erwiese.

31d) Wie die gebotene Auslegung ergibt, handelt es sich bei dem TV Auswahlrichtlinien nicht um eine schuldrechtliche, nur zwischen den Tarifvertragsparteien Wirkung erzeugende Regelungsabrede, sondern um einen normativ wirkenden Tarifvertrag. Hierfür spricht bereits der Wortlaut der Regelung. Nach dem Einleitungssatz der Nr. 4 der Tarifvereinbarung Kapazitätserhöhung vereinbaren die Tarifpartner einen „Tarifvertrag ‚Auswahlrichtlinien’“. Auch nach dem Gesamtzusammenhang handelt es sich ersichtlich um Regelungen, die normative Wirkung in den Betrieben der Arbeitgeber entfalten und nicht nur zwischen den Tarifvertragsparteien wirken sollen. So enthält die Tarifvereinbarung Kapazitätserhöhung in Nr. 1 Buchst. a und b Regelungen über Flugzeiten und Stundensätze. Auch nach dem Sinn und Zweck der Bestimmung sollen die darin enthaltenen Regelungen erkennbar unmittelbar normativ und nicht erst nach einer Transformation in die einzelnen Arbeitsverträge Wirkung entfalten. Gleiches gilt für die Entstehungsgeschichte der Regelung. Diese soll die nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG ebenfalls unmittelbar und zwingend geltende Betriebsvereinbarung ablösen.

32e) Zugunsten der Personalvertretung konnte ferner davon ausgegangen werden, dass die Bezugnahme in der Nr. 4 Tarifvereinbarung Kapazitätserhöhung auf die „BVB Auswahlrichtlinien“ dem Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG genügt.

33aa) Nach § 1 Abs. 2 TVG bedürfen Tarifverträge der Schriftform. Das Tarifvertragsrecht kennt keinen eigenständigen Schriftformbegriff. Die Schriftform richtet sich damit grundsätzlich nach § 126 BGB. Hiernach muss die Urkunde eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. Es reicht bei Dokumenten mit Anlagen aber aus, wenn die sachliche Zusammengehörigkeit von unterzeichneter Haupturkunde und Anlage eindeutig feststeht ( - Rn. 30, BAGE 118, 141;  - zu 3 a aa (1) der Gründe, NJW 2000, 354). Dem Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG ist daher genügt, wenn die Tarifvertragsurkunde klar und zweifelsfrei auf - nicht selbst unterzeichnete - Schriftstücke verweist, selbst wenn diese nicht körperlich mit der Urkunde verbunden sind. Dies ist anzunehmen, wenn der Tarifvertrag in seinem Wortlaut unmittelbar oder mittelbar auf die Anlage Bezug nimmt ( - Rn. 30, aaO).

34bb) Diesen Anforderungen an die Schriftform genügt die unter Nr. 4 der Tarifvereinbarung Kapazitätserhöhung getroffene Regelung, der Tarifvertrag sei bis auf die dort bestimmten Änderungen „wortgleich mit der BVB Auswahlrichtlinie für die personelle Auswahl bei Einstellungen von Flugzeugführern bei DLH vom “. Zwar stammt die Betriebsvereinbarung „Auswahlrichtlinien für die personelle Auswahl bei der Auswahl von Flugzeugführern bei der DLH“ nicht vom , sondern vom . Nach dem Gesamtzusammenhang und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Betriebsvereinbarung ab dem galt, ist die Bezugnahme aber eindeutig.

35f) Der TV Auswahlrichtlinien ist nach seinem rechtlichen Charakter keine „Abschlussnorm“ iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG, sondern eine unabhängig von der Tarifbindung der einzelnen Arbeitnehmer für die gesamte Belegschaft des Betriebs Geltung beanspruchende „Betriebsnorm“ iSv. § 3 Abs. 2 TVG.

36aa) Rechtsnormen eines Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG unmittelbar und zwingend - nur - zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Soweit sie für die Normunterworfenen belastende Wirkungen entfalten, also Pflichten begründen oder Rechte einschränken, geschieht dies auf einer mitgliedschaftlich vermittelten, privatautonomen Legitimationsgrundlage (vgl. ErfK/Dieterich 11. Aufl. GG Einl. Rn. 47 mwN).

37bb) Demgegenüber gelten die Rechtsnormen eines Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen nach § 3 Abs. 2 TVG für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist. Sofern sie die Arbeitnehmer belasten, indem sie deren Rechte einschränken oder ihnen Pflichten auferlegen, geschieht dies unabhängig von der Tarifgebundenheit der Arbeitnehmer. Auf Seiten der Arbeitnehmer fehlt es daher an einer privatautonom durch Mitgliedschaft in der Gewerkschaft vermittelten Legitimationsgrundlage (vgl. Dieterich FS Däubler 1999, 451, 456 ff. mwN). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts betreffen derartige „Betriebsnormen“ Regelungsgegenstände, die nur einheitlich gelten können. Ihre Regelung im Individualvertrag wäre zwar nicht im naturwissenschaftlichen Sinne unmöglich, sie würde aber wegen „evident sachlogischer Unzweckmäßigkeit ausscheiden“, weil eine einheitliche Regelung auf betrieblicher Ebene unerlässlich ist ( - BAGE 64, 368 im Anschluss an - 4 AZR 486/86 - AP GG Art. 9 Nr. 46; - 1 ABR 3/97 - zu B 1 a der Gründe mwN, BAGE 86, 126 = AP TVG § 3 Betriebsnormen Nr. 2 mit Anmerkung Wiedemann). Bei der näheren Bestimmung dieses Normtyps ist danach auszugehen von dem in § 3 Abs. 2 TVG verwandten Begriff der „betrieblichen Fragen“. Dies sind nicht etwa alle Fragen, die im weitesten Sinne durch die Existenz des Betriebes und durch die besonderen Bedingungen der betrieblichen Zusammenarbeit entstehen können. Gemeint sind vielmehr nur solche Fragen, die unmittelbar die Organisation und Gestaltung des Betriebes, also der Betriebsmittel und der Belegschaft, betreffen ( - zu B 1 a der Gründe mwN, BAGE 86, 126; Dieterich Die betrieblichen Normen nach dem Tarifvertragsgesetz vom S. 34 f.). Diese Umschreibung markiert zwar keine scharfe Grenze, sie verdeutlicht aber Funktion und Eigenart der Betriebsnormen im Sinne von § 3 Abs. 2 TVG. Betriebsnormen regeln das betriebliche Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und der Belegschaft als Kollektiv, hingegen nicht die Rechtsverhältnisse zwischen Arbeitgeber und einzelnen Arbeitnehmern, die allenfalls mittelbar betroffen sind ( - zu B 1 a der Gründe, aaO).

38cc) Um welche Art von tariflicher Regelung es sich handelt, ist durch Auslegung der Tarifbestimmung zu ermitteln. Es gelten die allgemeinen Grundsätze der Tarifauslegung ( - Rn. 29, BAGE 126, 176).

39(1) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags richtet sich nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei nicht eindeutigem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Verbleiben gleichwohl Zweifel, können die Gerichte weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags und die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und gesetzeskonformen Regelung führt ( - Rn. 29 mwN, EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 9). Dabei kommt dem Grundsatz der möglichst verfassungs-/gesetzeskonformen Auslegung erhebliche Bedeutung zu, stehen doch zumindest die Betriebsnormen, welche die Arbeitnehmer belasten, insbesondere aufgrund ihrer nicht durch Mitgliedschaft legitimierten Außenseiterwirkung in erhöhter Gefahr, wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam zu sein (vgl.  - Rn. 29, 33, BAGE 126, 176).

40(2) Die Qualifizierung einer tariflichen Bestimmung als „Betriebsnorm“ scheidet nicht etwa generell - quasi per definitionem - immer dann aus, wenn das von den Tarifvertragsparteien verfolgte Ziel der Erstreckung der tariflichen Regelung auf die gesamte Belegschaft eines Betriebs wegen Überschreitung der den Tarifvertragsparteien zustehenden Regelungsmacht oder wegen Verstoßes gegen zwingendes höherrangiges Recht nicht erreicht werden kann. Es gibt vielmehr auch unwirksame „Betriebsnormen“, die die in § 3 Abs. 2 TVG vorgesehene Wirkung nicht entfalten. Der „mehrdeutige Wortlaut des § 3 Abs. 2 TVG“ (Wiedemann Anm. zu AP TVG § 3 Betriebsnormen Nr. 2), der in ungewöhnlicher Weise Tatbestand und Rechtsfolge verschränkt, rechtfertigt nicht den Schluss, immer dann, wenn die in § 3 Abs. 2 TVG beschriebene Rechtsfolge der normativen Geltung des Tarifvertrags für alle Arbeitnehmer des Betriebs nicht eintrete, handele es sich bereits aus diesem Grunde nicht um eine „Betriebsnorm“. Ein solcher Schluss wäre zirkulär.

41dd) Hiernach handelt es sich bei den Bestimmungen im TV Auswahlrichtlinien um Regelungen, die den Anspruch erheben, als „Betriebsnormen“ iSv. § 3 Abs. 2 TVG betriebliche Fragen unabhängig von der Tarifbindung der betroffenen Arbeitnehmer zu regeln. Der Wortlaut des TV Auswahlrichtlinien ist insoweit wenig ergiebig. Er verhält sich nicht ausdrücklich zu der Frage, ob die in der Regelung vorgesehenen Einstellungsvoraussetzungen nur für tarifgebundene Bewerber oder unabhängig von ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit für alle Bewerber maßgeblich sein sollen. Dagegen sprechen bereits systematischer Zusammenhang und Entstehungsgeschichte eindeutig für den Willen der Tarifvertragsparteien, keine nur für Gewerkschaftsmitglieder, sondern für alle Bewerber geltenden Einstellungsvoraussetzungen zu normieren. Dies zeigt insbesondere der Umstand, dass der TV Auswahlrichtlinien an die Stelle einer Betriebsvereinbarung trat. Auch diese galt für alle Bewerber unabhängig von ihrer Verbandszugehörigkeit. Schließlich sprechen für den Rechtscharakter einer „Betriebsnorm“ ganz entscheidend der Sinn und Zweck der tariflichen Regelung. Dieser geht erkennbar dahin, für die zu besetzenden Arbeitsplätze von Piloten einheitlich bestimmte Mindestqualifikationen sicherzustellen. Es würde weder Sinn machen, zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Außenseitern zu unterscheiden, noch wäre eine Schlechterstellung von Gewerkschaftsmitgliedern mit dem Willen der Tarifvertragsparteien in Einklang zu bringen.

42g) Die hiernach als betriebliche Norm zu erachtende Höchstaltersgrenze im TV Auswahlrichtlinien ist unwirksam. Dabei kann dahinstehen, ob die Tarifvertragsparteien bereits ihre sachlich-gegenständliche Regelungskompetenz überschritten haben. Jedenfalls verstößt die tarifliche Regelung sowohl gegen das bei Betriebsnormen zu beachtende verfassungsrechtliche Übermaßverbot als auch gegen den durch Art. 3 Abs. 1 GG gewährleisteten Gleichheitssatz und das diesen hinsichtlich des Merkmals Alter konkretisierende Diskriminierungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG.

43aa) Der Streitfall erfordert keine abschließende Stellungnahme des Senats zur sachlich-gegenständlichen Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien für Regelungen, die normative Geltung für die gesamte Belegschaft eines Betriebs unabhängig von der Gewerkschaftszugehörigkeit der einzelnen Arbeitnehmer beanspruchen.

44(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bedarf der sachlich-gegenständliche Bereich der Betriebsnormen mit Rücksicht auf die negative Koalitionsfreiheit der Außenseiter einer weitgehenden Eingrenzung (vgl.  - zu B V 2 b der Gründe mwN, BAGE 64, 368). Dieterich weist zu Recht darauf hin, dass es sich bei der Einbeziehung von Außenseitern weniger um ein Problem der durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten negativen Koalitionsfreiheit als vielmehr um die Frage der rechtsstaatlichen Legitimationsgrundlage handelt (Dieterich FS Däubler 1999, 451, 456 ff.). Er hält das Legitimationsproblem für „entschärft“, wenn der Gegenstandsbereich von Betriebsnormen auf Fragen der Betriebsgestaltung beschränkt wird, für deren Regelung die privatautonome Legitimation durch den Arbeitgeber allein ausreicht, weil nur dessen Organisationsgewalt betroffen ist und rechtlich gebunden wird. Es gehe danach nur um Fragen, die nicht auf eine Regelung des Arbeitsverhältnisses angewiesen sind, sondern vom Arbeitgeber im Rahmen seiner Organisationsgewalt im Prinzip allein entschieden und geregelt werden. Das Legitimationsdefizit auf Seiten der Arbeitnehmer werde „kompensiert durch das betriebsautonome Mandat des Betriebsrats“ (Dieterich FS Däubler 1999, 451, 458 f.). Giesen will den Gegenstandsbereich betrieblicher Tarifnormen auf die Gegenstände der erzwingbaren betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung beschränken (Giesen Tarifvertragliche Rechtsgestaltung für den Betrieb 2002 S. 379 ff., 574).

45(2) Der Senat lässt dahin stehen, ob sowie ggf. nach welchen Maßgaben den Tarifvertragsparteien die Regelungsmacht zusteht, Einstellungsvoraussetzungen unterschiedlicher Art als betriebliche Verbotsnormen zu vereinbaren, aufgrund derer es dem Arbeitgeber untersagt ist, Arbeitnehmer, welche die Voraussetzungen nicht erfüllen, einzustellen und auf bestimmten Arbeitsplätzen einzusetzen. Immerhin sei aber darauf hingewiesen, dass sich die Gefahr unzulässiger, durch die Ausübung kollektiver Privatautonomie nicht legitimierter Eingriffe in die Freiheitsrechte von Außenseitern relativiert, wenn „Betriebsnormen“ - ggf. anders Inhalts-, Abschluss- und Beendigungsnormen - nicht lediglich am Untermaßverbot gemessen, sondern einer konsequenten Verhältnismäßigkeitsprüfung sowie der Anwendung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG unterworfen werden (vgl. zur ähnlich gelagerten Frage des Verhältnisses zwischen Regelungskompetenz der Betriebsparteien und Inhaltskontrolle belastender Betriebsvereinbarungen  - Rn. 13 bis 25, BAGE 120, 308).

46bb) Auch wenn im Ausgangspunkt nach § 3 Abs. 2 TVG eine sachlich-gegenständliche Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien zur Normierung betrieblicher Einstellungsvoraussetzungen angenommen wird, hält die vorliegend im TV Auswahlrichtlinien vereinbarte Höchstaltersgrenze der gebotenen Inhaltskontrolle nicht stand. Sie verletzt zum einen in unverhältnismäßiger Weise die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufswahl der sich um einen Arbeitsplatz bewerbenden Arbeitnehmer, welche die tarifliche Höchstaltersgrenze überschritten haben. Zum anderen verstößt sie gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, der durch § 7 Abs. 1 AGG eine einfachgesetzliche Konkretisierung erfahren hat.

47(1) Tarifliche Betriebsnormen, welche die Arbeitnehmer eines Betriebs ungeachtet ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit belasten, indem sie ihre Rechte beschränken oder ihnen Pflichten auferlegen, unterfallen einer gerichtlichen Inhaltskontrolle. Deren Maßstab ist nicht lediglich das aus der Schutzpflichtfunktion der Grundrechte folgende sog. „Untermaßverbot“ (vgl. zu diesem etwa  - zu III 2 b der Gründe mwN, BAGE 88, 162; - 7 AZR 399/08 - Rn. 31 mwN, AP TzBfG § 14 Nr. 67 = EzA TzBfG § 14 Nr. 62; ErfK/Dieterich GG Einl. Rn. 38 mwN; für tarifvertragliche Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit von Gewerkschaftsmitgliedern letztlich offen gelassen in  - Rn. 25, BAGE 120, 308). Soweit die Tarifvertragsparteien durch Betriebsnormen ohne die Legitimation der Verbandszugehörigkeit in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen von Arbeitnehmern und Arbeitsplatzbewerbern eingreifen, ist es vielmehr geboten, ihre Regelungen an dem Prüfungsmaßstab zu messen, der auch für andere fremdbestimmende Normgeber gilt (vgl. zur fremdbestimmenden Rechtssetzung durch Betriebsparteien Linsenmaier RdA 2008, 1, 2 ff.). Es fehlt insoweit an der durch Verbandszugehörigkeit vermittelten privatautonomen Legitimationsgrundlage, die es rechtfertigt und angesichts der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Tarifautonomie zur Vermeidung von „Tarifzensur“ wohl sogar gebietet, tarifliche Regelungen nicht der strengeren Kontrolle nach dem sog. „Übermaßverbots“ (vgl. dazu ErfK/Dieterich GG Einl. Rn. 27 ff. mwN) zu unterwerfen. Sobald und soweit die mitgliedschaftliche Legitimationsgrundlage tarifvertraglicher Regelungen überschritten wird, bedarf es besonderer rechtsstaatlicher Sicherungen (ErfK/Dieterich/Schmidt Art. 12 GG Rn. 25). Betriebsnormen sind daher wegen ihrer Außenseiterwirkung wie Regelungen des Gesetz- oder anderer fremdbestimmender Normgeber nach Maßgabe des „Übermaßverbots“ zu prüfen. Demzufolge haben die Tarifvertragsparteien zwar einen Gestaltungsfreiraum und eine Einschätzungsprärogative, müssen aber bei Eingriffen in grundrechtlich geschützte Freiheitsrechte den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG beachten.

48(a) Das zulässige Ausmaß der Beschränkung grundrechtlicher Freiheiten nicht tarifgebundener Arbeitnehmer durch eine tarifliche Betriebsnorm bestimmt sich damit nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (aA wohl insoweit Dieterich, der - freilich ausgehend von einem engen sachlich-gegenständlichen Regelungsbereich der Betriebsnormen - die Auffassung vertritt, die fehlende mitgliedschaftliche Legitimation werde kompensiert durch die betriebsautonome Legitimationsgrundlage des Betriebsrats, allerdings bei tariflichen Besetzungsregeln ebenfalls verlangt, dass der Arbeitsplatzbewerber nicht mit „unverhältnismäßigen Folgen benachteiligt wird“, vgl. Dieterich FS Däubler 1999, 451, 463). Die von den Tarifvertragsparteien in Betriebsnormen getroffene, Arbeitnehmer und Arbeitsplatzbewerber in ihren Freiheitsrechten beschränkende Regelung muss daher geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Geeignet ist die Regelung dann, wenn mit ihrer Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann. Erforderlich ist sie, wenn kein anderes gleich wirksames, aber die gewährleistete Freiheit weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht. Angemessen ist sie, wenn sie verhältnismäßig im engeren Sinn erscheint. Es bedarf hier einer Gesamtabwägung zwischen der Intensität des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe; die Grenze der Zumutbarkeit darf nicht überschritten werden (vgl. zur Verhältnismäßigkeitsprüfung bei einer die Arbeitnehmer in ihrer Handlungsfreiheit beschränkenden Betriebsvereinbarung  - Rn. 24, BAGE 120, 308).

49(b) Die Tarifvertragsparteien haben bei der Ausgestaltung von Betriebsnormen - wie auch sonst bei ihrer Normsetzung - ferner den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten (vgl. etwa  - Rn. 30 mwN, AP BAT-O § 29 Nr. 6 = EzA GG Art. 3 Nr. 108; ErfK/Schmidt Art. 3 GG Rn. 25 mwN). Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. etwa  - Rn. 70 mwN, BVerfGE 117, 272). Personenbezogene Differenzierungen bedürfen regelmäßig einer intensiveren Rechtfertigung als solche, die an personenunabhängige Umstände anknüpfen. Der Gestaltungsspielraum ist umso kleiner, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. ErfK/Schmidt Art. 3 GG Rn. 38 mit Rechtsprechungsnachweisen). Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG erfährt eine einfachgesetzliche Konkretisierung ua. im AGG. Differenziert eine Regelung nach einem der in § 1 AGG genannten Merkmale, so ist dann, wenn diese Differenzierung nach den im AGG genannten Voraussetzungen zulässig ist, zugleich der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gewahrt (vgl.  - Rn. 14, AP BetrVG 1972 § 75 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 35).

50(2) Hiernach verletzt die Altersgrenzenregelung im TV Auswahlrichtlinien zum einen in unverhältnismäßiger Weise die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit der Berufswahl älterer Arbeitsplatzbewerber. Zum andern verstößt die mit der Altersgrenze verbundene Gruppenbildung auch gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und das Verbot der Altersdiskriminierung.

51(a) Die Altersgrenzenregelung im TV Auswahlrichtlinien beschränkt die Freiheit der Berufswahl älterer Arbeitsplatzbewerber unverhältnismäßig.

52(aa) Nach Art. 12 Abs. 1 GG haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden. Das Grundrecht gewährleistet dem einzelnen Bürger das Recht, jede erlaubte Erwerbstätigkeit, für die er sich geeignet und befähigt glaubt, als „Beruf“ zu ergreifen. Die Vorschrift konkretisiert das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich der individuellen Leistung und Existenzerhaltung und zielt auf eine möglichst unreglementierte berufliche Betätigung ab ( - Rn. 36 mwN, BVerfGE 103, 172). Art. 12 Abs. 1 GG formuliert ein einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit, dessen verschiedene Gewährleistungen allerdings insofern Bedeutung haben, als an die Einschränkung der Berufswahl höhere Anforderungen gestellt werden als an die Freiheit der Berufsausübung. Durch den Eingriff auf der Ebene der Berufswahl wird der Freiheitsanspruch des Einzelnen in besonders empfindlicher Weise beeinträchtigt. Deshalb sind an den Nachweis der Notwendigkeit einer solchen Freiheitsbeschränkung besonders strenge Anforderungen zu stellen. Es muss im Allgemeinen um die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlich schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut gehen ( - Rn. 37 mwN, aaO). Dabei gibt es in der beruflichen Realität fließende Übergänge zwischen Berufswahl und Berufsausübung ( - aaO). Beschränkungen der Berufswahl und der Berufsausübung stehen unter dem Gebot der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Der Eingriff muss zur Erreichung des Eingriffsziels geeignet sein und darf nicht weiter gehen, als es die Gemeinwohlbelange erfordern. Ferner müssen Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen ( - Rn. 60 mwN, BVerfGE 117, 163). Bei subjektiven Zulassungsvoraussetzungen hat der Gesetzgeber auch darauf zu achten, dass er keine Regelung trifft, die sich als eine übermäßige, unzumutbare Belastung darstellt. Insbesondere muss das Maß der den Einzelnen treffenden Belastung noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen stehen ( - Rn. 93 mwN, BVerfGE 119, 59).

53(bb) Art. 12 Abs. 1 GG ist allerdings zunächst ein Abwehrrecht des einzelnen Bürgers gegenüber dem Staat. Soweit Tarifverträge im Wege von Inhalts-, Abschluss- und Beendigungsnormen Arbeitsbedingungen gestalten, handelt es sich nicht um staatliche Eingriffe in die Berufswahl oder Berufsausübung, sondern um den durch Art. 9 Abs. 3 GG grundrechtlich gewährleisteten Ausgleich der kollidierenden Berufsfreiheiten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern mit den Mitteln der kollektiven Privatautonomie (ErfK/Dieterich/Schmidt Art. 12 GG Rn. 25). Art. 12 Abs. 1 GG gewinnt insoweit erst Bedeutung aufgrund seiner den Staat verpflichtenden Schutzfunktion und unterwirft tarifvertragliche Beschränkungen der Berufsfreiheit dem Untermaßverbot. Bei Betriebsnormen genügt dies wegen ihrer mitgliedschaftlich nicht legitimierten Wirkung für Außenseiter jedoch nicht. Eingriffe in deren Freiheit von Berufswahl und Berufsfreiheit sind daher ebenfalls am Übermaßverbot und am strengen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien auch aufgrund ihrer grundrechtlich gewährleisteten Freiheit zur Gestaltung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen bei ihren Regelungen einen Beurteilungsspielraum. Dabei spricht viel dafür, dass die Ziele, die geeignet sein können, die Berufsfreiheit nicht oder anders organisierter Außenseiter einzuschränken solche des Gemeinwohls sein müssen und die Interessen der Tarifvertragsparteien und ihrer Mitglieder nicht ausreichen. Diese Frage bedarf vorliegend allerdings keiner abschließenden Beurteilung.

54(cc) Der TV Auswahlrichtlinien beschränkt die Berufsfreiheit sowohl organisierter als auch nicht oder anders organisierter Arbeitsplatzbewerber. Indem er die Nichtüberschreitung eines Lebensalters von 32 Jahren und 364 Tagen zur Einstellungsvoraussetzung erklärt, hindert er ältere Arbeitsplatzbewerber daran, mit der Arbeitgeberin einen Arbeitsvertrag als Pilot abzuschließen und diesen Beruf bei ihr auszuüben. Zwar handelt es sich nicht um eine staatliche Freiheitsbeschränkung. Auch beruht sie für die Arbeitgeberin auf der privatautonom durch den Abschluss des TV Auswahlrichtlinien vorgenommenen Selbstbindung (vgl. Dieterich FS Däubler 1999, 451, 463). Gleichwohl stellt sich die Altersgrenze für den Arbeitsplatzbewerber als schwerwiegende Beschränkung der Berufswahlfreiheit dar.

55(aaa) Es handelt sich - ungeachtet der Schwierigkeiten, die bisweilen die Abgrenzung zwischen Berufsausübungsregelung und subjektiver Zulassungsvoraussetzung bereitet (vgl.  - zu B VI 1 c bb der Gründe, BAGE 64, 368; - 1 ABR 19/90 - zu B II 4 c aa der Gründe, AP GG Art. 12 Nr. 67 = EzA TVG § 4 Druckindustrie Nr. 22) - bei der Altersgrenze nicht lediglich um eine Berufsausübungsregelung, sondern um eine subjektive Zugangsbeschränkung. Anders als bei den „qualitativen Besetzungsregeln“ in der Druckindustrie, die den Entscheidungen des Ersten Senats vom (- 1 ABR 84/87 - aaO) und vom (- 1 ABR 19/90 - aaO) zugrunde lagen, ist die tarifliche Höchstaltersgrenze nicht etwa - nur - eine Vorrangregel bei der Besetzung von Arbeitsplätzen, sondern eine absolute, uneingeschränkte Einstellungsvoraussetzung. Wie die Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 2 TV Auswahlrichtlinien ergibt, soll eine Einstellung stets unterbleiben, wenn ein Pilot eine der genannten Einstellungsvoraussetzungen nicht erfüllt. Es handelt sich nicht um eine Richtlinie für die Auswahl zwischen mehreren Kandidaten. Zwar könnte die Bezeichnung der in Nr. 4 Tarifvereinbarung Kapazitätserhöhung in Bezug genommenen „BVB Auswahlrichtlinien“ dafür sprechen, dass die vereinbarten Einstellungskriterien nur für den Fall einer Auswahl zwischen mehreren Bewerbern gelten sollen. Der TV Auswahlrichtlinien enthält aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass von den in ihm bezeichneten Einstellungsvoraussetzungen einzelne verzichtbar sein könnten, wenn Bewerber, die alle Voraussetzungen erfüllen, nicht zur Verfügung stehen. Die Regelungen sehen vielmehr keinerlei Differenzierung oder Gewichtung zwischen persönlichen Faktoren (zB Körpergröße, Sehschärfe oder Einstellungsalter) und fachlichen Qualifikation (zB Lizenzen und Flugstunden) vor.

56(bbb) Besonders weitgehend ist der Eingriff in die Berufswahlfreiheit älterer Arbeitsplatzbewerber deshalb, weil es sich bei dem zur Einstellungsvoraussetzung erklärten Höchstalter nicht um eine Qualifikation handelt, deren Erwerb in der Hand des Arbeitsplatzbewerbers liegt und die er etwa durch eine Zusatzausbildung oder das Ablegen einer Prüfung noch erlangen könnte. Ein Arbeitsplatzbewerber kann seine Fähigkeiten und Qualifikationen verbessern, sich aber nicht verjüngen. Schließlich wird durch die Regelung der Zugang nicht nur für einen unbedeutenden, sondern für einen erheblichen Teil des bundesdeutschen Arbeitsmarkts versperrt. Die Höchstaltersgrenze im TV Auswahlrichtlinien greift somit intensiv in die Berufswahlfreiheit von Bewerbern mit einem Lebensalter von mehr als 32 Jahren und 364 Tagen ein.

57(dd) Der Eingriff in die Berufswahlfreiheit der Arbeitsplatzbewerber ist unverhältnismäßig. Die von der Personalvertretung zur Rechtfertigung angeführten Gründe sind nicht geeignet, einen derart intensiven Eingriff zu rechtfertigen. Dabei kann dahinstehen, ob die von der Personalvertretung angeführten Ziele überhaupt als geeignet erscheinen, Beschränkungen der Berufsfreiheit von Arbeitsplatzbewerbern zu rechtfertigen und ob die konkret vorgesehene Höchstaltersgrenze zur Erreichung der Zwecke jeweils geeignet und erforderlich ist. Jedenfalls sind sie unter Berücksichtigung der Intensität des Eingriffs nicht angemessen.

58(aaa) Das gilt zunächst für das von der Personalvertretung angeführte „Hierarchiegefälle“. Darunter versteht die Personalvertretung eine erhöhte Autorität des älteren Flugkapitäns gegenüber dem jüngeren Copiloten. Die Personalvertretung hat Anhaltspunkte dafür, dass sich der Altersunterschied zwischen einem jüngeren Piloten und einem älteren Copiloten überhaupt in sicherheitsrelevanter Weise auf die Entscheidungskultur im Cockpit auswirken könne, nicht ansatzweise vorgetragen. Sie hat nicht einmal behauptet, dass die Konstellation der Zusammenarbeit eines jüngeren Piloten mit einem älteren Copiloten bei der Arbeitgeberin konsequent vermieden würde. Selbst wenn aber bei einer solchen Konstellation Empfindlichkeiten auftreten sollten, wären diese nicht geeignet, den massiven Eingriff in die Berufswahlfreiheit von Arbeitsplatzbewerbern, die das 33. Lebensjahr vollendet haben, als angemessen erscheinen zu lassen.

59(bbb) Auch die von der Personalvertretung angeführte „Verbildung“ von Flugzeugführern, die das 33. Lebensjahr vollendet haben, lässt den Eingriff in deren Berufswahlfreiheit nicht als angemessen erscheinen. Eine „Verbildung“ tritt nach dem Vortrag der Personalvertretung dadurch ein, dass der Pilot durch spezifische Verfahren während seiner Tätigkeit in einem konzernfremden Unternehmen geprägt ist; mit dem Alter sinke die Möglichkeit, sich von den einmal erlernten, prägenden Mustern auf neue Verfahren umzustellen und diese als Routine zu verinnerlichen. Das Landesarbeitsgericht hat dieses Vorbringen zu Recht als pauschale, nicht fundierte Behauptung angesehen. Gegen ihre Richtigkeit spricht bereits, dass Höchstaltersgrenzen für Einstellung von Flugzeugführern im nationalen und internationalen Luftverkehrsrecht nicht vorgesehen sind und von anderen großen internationalen Fluggesellschaften wie der Air France und der British Airways nicht praktiziert werden. Auch hat es das Landesarbeitsgericht zu Recht als unplausibel erachtet, dass Piloten in höherem Alter unbeschränkt zwischen verschiedenen Flugzeugmustern wechseln dürfen, während sie sich angeblich nicht mehr auf die Handlungsmuster in einem anderen Luftfahrtunternehmen umstellen können. Außerdem ist es unlogisch, den durch die Tätigkeit in einem anderen Luftfahrtunternehmen angeblich auftretenden „Verbildungseffekt“ am Lebensalter statt an der Dauer der Vorbeschäftigung in den anderen Unternehmen festzumachen. Im Übrigen rechtfertigt das Ziel, die etwa mit der Umstellung auf ein anderes Luftfahrtunternehmen verbundenen Eingewöhnungsschwierigkeiten zu vermeiden, nicht den weitgehenden Eingriff in die Berufswahlfreiheit. Etwaigen Risiken wäre vielmehr durch geeignete Einstellungsuntersuchungen und Schulungsmaßnahmen vorzubeugen. Die Prüfung der Beherrschung von Handlungsabläufen ist nach den zutreffenden Erwägungen des Landesarbeitsgerichts Gegenstand zahlreicher Eignungstests. Sie stellt gerade für Piloten etwa im Rahmen des Erwerbs der Musterberechtigungen nichts Ungewöhnliches dar.

60(ccc) Ein etwaiges wirtschaftliches Interesse der Arbeitgeberin, Ausbildungskosten durch eine bestimmte, zum Zeitpunkt der Einstellung noch mögliche Mindestdauer des Arbeitsverhältnisses zu amortisieren, rechtfertigt es ebenfalls nicht, ihr im Wege einer Betriebsnorm die Einstellung eines älteren Arbeitnehmers zu verbieten. Dabei kann dahin stehen, ob und ggf. unter welchen Umständen ein solches Amortisierungsinteresse einen Arbeitgeber berechtigt, einen älteren Bewerber abzulehnen, ohne gegen das Verbot der Altersdiskriminierung zu verstoßen. Ein generelles Einstellungsverbot, durch das ein einstellungswilligen Arbeitgeber gehindert wird, einen älteren Arbeitsplatzbewerber einzustellen, vermag ein solches wirtschaftliches Interesse des Arbeitgebers nicht zu rechtfertigen. Es ist perplex, einem Arbeitgeber die von ihm konkret gewünschte Wahrnehmung seiner wirtschaftlichen Interessen mit einem angeblich der Wahrnehmung dieser Interessen dienenden Verbot zu untersagen. Selbst wenn aber die wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers als Grund für ein gegen ihn gerichtetes Verbot akzeptiert würden, wäre der damit verbundene Eingriff in die Berufswahlfreiheit der Arbeitsplatzbewerber unverhältnismäßig.

61(b) Die mit der Altersgrenze verbundene Gruppenbildung verstößt auch gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und das diesen ua. hinsichtlich des Merkmals Alter konkretisierende Verbot in § 7 Abs. 1, § 1 AGG.

62(aa) Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen dieses Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG gelten als Beschäftigte im Sinne des AGG auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis. Der Begriff der Benachteiligung bestimmt sich nach § 3 AGG. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung kann nach § 10 AGG unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig sein. § 10 Satz 1 und 2 AGG gestatten die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Die zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung herangezogenen Tatsachen und Erwägungen müssen einer Nachprüfung zugänglich sein. Bloße Vermutungen und Einschätzungen genügen nicht (vgl.  - Rn. 55 mwN, BAGE 129, 181; vgl. auch die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom - C-499/08 - [Andersen] Rn. 45). Außerdem ist eine Abwägung zwischen dem Schutz vor Ungleichbehandlung und dem verfolgten Ziel vorzunehmen. Die Ungleichbehandlung muss durch das verfolgte Ziel sachlich gerechtfertigt sein. Schließlich ist nach § 10 Satz 2 AGG zu prüfen, ob auch die eingesetzten Mittel zur Erreichung des Ziels verhältnismäßig sind ( - Rn. 55 mwN, aaO). Nach § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG kann die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand gerechtfertigt sein. Dies entspricht Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c der Richtlinie 2000/78/EG. § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG bestimmt allerdings nur das legitime Ziel iSv. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG. Eine auf diese Bestimmung gestützte Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung muss daher geeignet sein, das mit der Bestimmung verfolgte Ziel tatsächlich zu fördern und darf die Interessen der benachteiligten (Alters-)Gruppe nicht unverhältnismäßig stark vernachlässigen (vgl. zu § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG  - Rn. 20, AP BetrVG 1972 § 75 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 35).

(bb) Hiernach ist das Landesarbeitsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die im TV Auswahlrichtlinien vorgesehene Höchstaltersgrenze gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1, § 1 AGG verstößt und daher nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ist. Die für eine Einstellung festgelegte Höchstaltersgrenze von 32 Jahren und 364 Tagen benachteiligt ältere Bewerber unmittelbar. Ihnen wird im Gegensatz zu jüngeren Bewerbern in ansonsten entsprechender Situation der Zugang zu einem Beschäftigungsverhältnis verwehrt. Die Diskriminierung ist nicht nach § 10 Satz 1, 2 und 3 Nr. 3 AGG gerechtfertigt. Es ist schon nicht hinreichend erkennbar, dass die Tarifvertragsparteien mit der Höchstaltersgrenze legitime Ziele im Sinne von § 10 Satz 1 AGG verfolgen. Die hierzu von der Personalvertretung vorgetragenen Erwägungen sind einer Nachprüfung auf ein legitimes Ziel nicht hinreichend zugänglich. Das Vorbringen zu der bei einem älteren Copiloten angeblich gefährdeten Hierarchie im Cockpit und zu der ab einem bestimmten Lebensalter eintretenden „Verbildung“ erschöpft sich im Wesentlichen in Vermutungen und entbehrt des Vortrags konkreter Tatsachen. Ein von der Arbeitgeberin selbst nicht geltend gemachtes wirtschaftliches Amortisierungsinteresse taugt ebenfalls nicht als legitimes Ziel für das ab einem Alter von 32 Jahren und 364 Tagen normierte Einstellungsverbot. Im Übrigen belastet das eingesetzte Mittel die benachteiligte Altersgruppe auch offensichtlich unverhältnismäßig. Nachdem Flugzeugführer ihre berufliche Tätigkeit regelmäßig frühestens mit 21 Jahren aufnehmen können und diese bei normalem Verlauf mindestens bis zum 60., wenn nicht bis zum 65. Lebensjahr ausüben können, liegt das vorliegend vorgesehene Einstellungshöchstalter ausgesprochen niedrig, wird doch damit Flugzeugführern bereits nach etwa einem Viertel ihrer insgesamt möglichen Berufstätigkeit ein Wechsel zur Arbeitgeberin unmöglich gemacht.

Fundstelle(n):
BB 2011 S. 1332 Nr. 21
DB 2011 S. 15 Nr. 20
DB 2011 S. 1922 Nr. 34
NJW 2011 S. 8 Nr. 22
EAAAD-82956