Oberfinanzdirektionen Rheinland und - S 2241a A - 1020 - St 113

Ertragsteuerliche Behandlung von Darlehen, die eine Personengesellschaft ihren Gesellschaftern gewährt (aktivische Gesellschafterkonten)

Zur Behandlung von Darlehen einer Personengesellschaft an ihre Gesellschafter nehme ich wie folgt Stellung:

a) Abgrenzung zwischen Entnahme und Darlehen an den Gesellschafter

Ein Gesellschafter kann Mittel aus der Gesellschaft durch eine Entnahme zulasten seines Kapitalkontos oder auf schuldrechtlicher Basis, insbesondere durch Darlehensaufnahme, erlangen.

Eine Entnahme beeinflusst nicht die Höhe des Gesellschaftsgewinns, sondern über die Kapitalkontenverzinsung ggf. die Gewinnverteilung.

Ob ein Konto ein (mit Negativsaldo geführtes „aktivisches”) Unterkonto zum Kapitalkonto ist oder eine (Darlehens-)Forderung an den Gesellschafter ausweist, ist unter Berücksichtigung der konkret auf diesem Konto verbuchten Geschäftsvorfälle zu beurteilen. Werden für den Gesellschafter nach den gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen Konten in einem so genannten Mehrkontenmodell (Zwei-, Drei- oder Vier-Konten-Modell) geführt, so ist für jedes Gesellschafterkonto gesondert zu beurteilen, ob es nach den Grundsätzen des BStBl 1997 I S. 627 Eigenkapital oder Fremdkapital ausweist. Ein Gesellschafterkonto, dem nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen auch Verluste belastet werden (wie zum Beispiel dem variablen Konto eines Kommanditisten im sogenannten Zweikontenmodell), ist unabhängig davon, ob es einen Bestand zugunsten oder zulasten des Gesellschafters ausweist, als Kapitalkonto zu qualifizieren.

Dagegen handelt es sich bei einem Konto, auf dem einem Kommanditisten nach § 169 HGB entnahmefähige Gewinne gutgeschrieben werden (wie zum Beispiel dem Darlehenskonto eines Kommanditisten im sogenannten Drei- oder Vierkontenmodell), regelmäßig um ein Darlehenskonto, solange es einen Habensaldo ausweist. Überzieht der Kommanditist dieses Konto, so ist nach dem BStBl 2009 II S. 272 zu prüfen, ob und inwieweit das nunmehr aktivische Konto infolge von gesellschaftsvertraglich nicht vorgesehenen Auszahlungen negativ geworden ist („unzulässige Entnahmen”). Unzulässige Entnahmen in diesem Sinne sind auch anzunehmen, wenn diesen zwar ein besonderer Gesellschafterbeschluss zugrunde liegt, durch den aber bestehende gesellschaftsvertragliche Entnahmeregelungen nicht erweitert werden sollten.

Ein Kommanditist hat nach der Regelung des § 169 Abs. 1 Satz 2 HGB nur einen Anspruch auf Auszahlung des ihm zukommenden Gewinns. Ein darüber hinausgehendes, gewinnunabhängiges Entnahmerecht steht ihm hingegen nicht zu. Sind die zu einer Überziehung des „Darlehenskontos” im Drei- oder Vier-Konten-Modell führenden Auszahlungen ohne Grundlage im Gesellschaftsvertrag erfolgt, liegt demzufolge insoweit eine (Darlehens-)Forderung der Gesellschaft an den Gesellschafter vor. Die steuerliche Berücksichtigung eines solchen Darlehens ist nicht davon abhängig, dass die Anforderungen des sog. Fremdvergleichs erfüllt sind (vgl. jedoch in diesem Zusammenhang die Ausführungen unter b) zur betrieblichen Veranlassung eines Darlehens an den Gesellschafter). Die für Darlehen aufgrund besonderer Vereinbarung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft geltenden Grundsätze (Fremdvergleich) lassen sich nicht ohne weiteres auf aktivische Gesellschafterverrechnungskonten übertragen.

Soweit ein aktivisches Gesellschafterkonto auf gesellschaftsvertraglich zulässige Entnahmen zurückzuführen ist, sind die betreffenden Auszahlungen als Vorschüsse auf künftige Gewinne anzusehen, die gesellschaftsrechtlich keine Forderung begründen; das Konto ist insoweit ein im Soll geführtes Unterkonto des Kapitalkontos.

b) Betriebliche Veranlassung eines Darlehens an den Gesellschafter

Darlehen einer Personengesellschaft an einen Gesellschafter sind unabhängig davon, ob sie auf einer besonderen Vereinbarung oder auf einer Überziehung eines Gesellschafterverrechnungskontos beruhen, betrieblich veranlasst, wenn sie im Interesse der Gesellschaft (und nicht nur im Eigeninteresse des Gesellschafters) gewährt werden. Ein betriebliches Interesse ist anzunehmen

aa) wenn die Darlehenshingabe aus Sicht der Gesellschaft zu marktüblichen Konditionen erfolgt. Die Art der Verwendung der Darlehensmittel ist diesem Fall unerheblich; selbst ein privater Verwendungszweck ist bei Marktüblichkeit der Konditionen unschädlich. Für die Beurteilung der Marktüblichkeit kommt es neben der tatsächlichen Durchführung und Besicherung etc. in erster Linie auf die Zinshöhe sowie ggf. auf die eigene Zinsbelastung der Gesellschaft an (Beispiel: die Ausreichung eines Kredits zu 6 % Zinsen wäre nicht „marktüblich”, wenn die Gesellschaft das Geld zur Tilgung eigener, höher verzinster Schulden verwenden könnte). Die Gestellung oder Nichtgestellung von Kreditsicherheiten hat für die Beurteilung der Marktüblichkeit keine alleinentscheidende Bedeutung (vgl. auch Erlass des betreffend Darlehensverträge zwischen Angehörigen, der dem , BStBl 1992 I S. 729 entspricht).

bb) wenn marktunüblich günstige Konditionen durch ein besonderes betriebliches Interesse der Gesellschaft an dem Verwendungszweck des Kredits bedingt sind (Beispiel: Der Gesellschafter soll mit einem zu 4 % verzinsten Darlehen der Gesellschaft eine Fabrikhalle errichten, die nach Fertigstellung der Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden soll).

Auf ein Darlehen der Gesellschaft an den Gesellschafter ist § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG weder direkt noch entsprechend anwendbar. Bei einem steuerlich anzuerkennenden Darlehen sind die Darlehenszinsen für die Gesellschaft Betriebseinnahmen; die Abzugsfähigkeit der Zinsausgaben beim Gesellschafter richtet sich nach der Verwendung des Kredits (Betriebsausgaben bzw. Sonderbetriebsausgaben bei betrieblichem Verwendungszweck, Werbungskosten oder nichtabzugsfähige Kosten der Lebensführung bei privatem Verwendungszweck). Der Ansatz eines niedrigeren Teilwerts der Forderung für den Fall, dass das Darlehen notleidend wird, ist wegen des Grundsatzes der korrespondierenden Bilanzierung (vgl. dazu , BFH/NV 2006, 2110, m.w.N.) jedenfalls dann nicht möglich, wenn die Darlehensschuld bei dem Gesellschafter zum (negativen) Sonderbetriebsvermögen gehört. Für eine Teilwertabschreibung ist im Übrigen kein Raum, soweit der Forderung ein Guthaben des Gesellschafters nach § 738 Abs. 1 S. 2 BGB gegenübersteht, gegen das im Auseinandersetzungsfall aufgerechnet werden könnte, oder wenn nicht die üblichen Schritte zur Durchsetzung der Forderung ausgeschöpft werden.

c) Rechtsfolgen fehlender betrieblicher Veranlassung

aa) Zuordnung der Darlehensvaluta

Wird das Darlehen nicht angemessen verzinst oder hält es bei einer Gesamtbetrachtung in anderer Hinsicht einem Fremdvergleich nicht stand, so gehört es zwar zivilrechtlich zum Gesellschaftsvermögen, aber nicht zum steuerlichen Betriebsvermögen (siehe BStBl 1996 II S. 642; vgl. auch H 4.3 (2-4): Personengesellschaften EStH 2008).

Damit ergeben sich insgesamt folgende Möglichkeiten:


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Fallgestaltung zu beurteilen
„echte” Entnahme
betrieblich veranlasstes Darlehen an den Gesellschafter
außerbetrieblich veranlasstes Darlehen an den Gesellschafter
handelsrechtlich als
Minderung des Kapitalkontos
Forderung
Forderung
steuerlich als
Minderung des Kapitalkontos
Forderung
Minderung des Kapitalkontos

Die Gewährung eines außerbetrieblich veranlassten Darlehens stellt also eine „Entnahme” der Darlehensvaluta aus dem Betriebsvermögen der Gesellschaft in das gesamthänderisch gebundene Privatvermögen mit allen steuerlichen Folgen dar (insbesondere auch bezüglich des § 15a EStG).

Die Entnahme ist (mangels einer abweichenden besonderen Vereinbarung) allen Gesellschaftern nach Maßgabe ihres jeweiligen Anteils am Gesamthandsvermögen zuzurechnen. Dementsprechend sind „Tilgungsleistungen” sowie „Zinsleistungen” des Darlehensnehmers bei allen Gesellschaftern anteilig als Einlagen zu erfassen.

bb) Gewinnauswirkung

Sofern die Darlehensvaluta aus dem steuerlichen Betriebsvermögen in das gesamthänderisch gebundene Privatvermögen „entnommen” wird, sind zugehörige Refinanzierungskosten der Gesellschaft nicht betrieblich veranlasst und deshalb vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen.

Vom Darlehensnehmer gezahlte „Zinsen” für ein nach den vorstehenden Grundsätzen nicht aus betrieblichen Gründen gewährtes Darlehen führen nicht zu Betriebseinnahmen der Gesellschaft. Bei einem nach den allgemeinen Grundsätzen steuerlich anzuerkennenden Darlehensverhältnis sind sie insoweit als Einnahmen aus Kapitalvermögen der Gesellschafter zu erfassen, als sie nicht anteilig dem Darlehensschuldner selbst zuzurechnen sind.

Ob die vom Darlehensschuldner gezahlten Zinsen – soweit sie anteilig den Mitgesellschaftern als Darlehensgeber zustehen – Betriebsausgaben, Werbungskosten oder nicht abziehbare Lebenshaltungskosten darstellen, ist von der Verwendung der entsprechenden Darlehensmittel abhängig.

Die schenkungsteuerrechtlichen Folgen eines zu unüblich günstigen Konditionen gewährten Darlehens sind ggf. gesondert zu untersuchen.

Diese Verfügung tritt an die Stelle der Verfügung vom .

Inhaltlich gleichlautend
Oberfinanzdirektionen Rheinland und v. - S 2241a A - 1020 - St 113
Oberfinanzdirektionen Münster v. - S 2241 - 79 - St 12 - 33

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
MAAAD-81066