BFH Urteil v. - IX R 47/10

Zur rückwirkenden Herabsetzung der Beteiligungsquote

Leitsatz

Soweit nach Maßgabe des , 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05 gemäß § 17 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 Wertsteigerungen steuerbar sind, welche nach der Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/ 2002 am entstanden sind, handelt es sich um eine steuerbegründende Tatsache, wofür die Feststellungslast das FA trifft.

Gesetze: EStG § 17 Abs. 1 Satz 4

Instanzenzug:

Gründe

I.

1Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war seit dem mit 24,02 v.H. am Stammkapital der T-GmbH beteiligt. Am hat er die Beteiligung für 100.000 DM veräußert. Unter Berücksichtigung der Anschaffungskosten in Höhe von 48.224 DM ermittelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 51.776 DM.

2Der Einspruch, mit dem der Kläger geltend machte, die rückwirkende Absenkung der Beteiligungsgrenze des § 17 EStG von 25 v.H. auf 10 v.H. sei verfassungswidrig, blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen.

3Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 Abs. 1 und 2 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 —StEntlG 1999/2000/2002— vom , BGBl I 1999, 402; Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). Der Gesetzgeber habe eine, das Vertrauen in die steuerfrei gebildeten Wertsteigerungen der Beteiligungen schützende Übergangsregelung schaffen müssen. Zumindest seien der Ermittlung des Veräußerungsgewinns die Zeitwerte zugrunde zu legen, die die Beteiligungen im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung gehabt hätten; danach hätte sich hier ein steuerpflichtiger Gewinn nicht ergeben.

4Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheides vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom die Einkommensteuer auf 25.893 DM herabzusetzen.

5Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

6Der (BFH/NV 2005, 2188) —nunmehr IX R 47/10— die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Mit Beschluss vom   2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dieses Urteil aufgehoben und das Verfahren an den BFH zurückverwiesen.

II.

7Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidung des FG. Die Rechtssache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

8Unzutreffend hat das FG auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen den gesamten im Jahr 2001 entstandenen Veräußerungsgewinn unter § 17 EStG gefasst.

9Das BVerfG hat im o.g. Beschluss entschieden, dass § 17 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 nichtig ist, soweit in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zur Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 am entstanden sind und die —so im Streitfall— bei einer Veräußerung nach Verkündung des Gesetzes sowohl zum Zeitpunkt der Verkündung als auch zum Zeitpunkt der Veräußerung nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei hätten realisiert werden können. Im Hinblick darauf ist zwischen den Beteiligten streitig, welchen Wert der vom Kläger am gehaltene Geschäftsanteil hatte, nachdem das Stammkapital der Gesellschaft mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom erhöht und der Anteil des Klägers im August 1999 aufgestockt worden war. Dies betrifft die Feststellung von Tatsachen (§ 118 Abs. 2 FGO) und wird im finanzgerichtlichen Verfahren zu klären sein.

10Das FG wird bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen haben, dass —entgegen der Auffassung des FA— nach dem o.g. Beschluss des BVerfG nur solche Wertsteigerungen steuerbar sind, welche nach dem entstanden sind. Insoweit handelt es sich um eine steuerbegründende Tatsache, so dass die Feststellungslast hierzu das FA trifft.

Fundstelle(n):
BB 2011 S. 915 Nr. 15
BFH/NV 2011 S. 887 Nr. 5
BFH/PR 2011 S. 217 Nr. 6
DB 2011 S. 6 Nr. 13
DB 2011 S. 744 Nr. 13
DStR 2011 S. 620 Nr. 13
DStR 2011 S. 8 Nr. 13
DStRE 2011 S. 527 Nr. 8
DStZ 2011 S. 300 Nr. 9
EStB 2011 S. 181 Nr. 5
FR 2011 S. 774 Nr. 16
GmbH-StB 2011 S. 133 Nr. 5
GmbHR 2011 S. 120 Nr. 8
GmbHR 2011 S. 492 Nr. 9
HFR 2011 S. 546 Nr. 5
KÖSDI 2011 S. 17376 Nr. 4
KÖSDI 2011 S. 17416 Nr. 5
NJW 2011 S. 1840 Nr. 25
NWB-Eilnachricht Nr. 14/2011 S. 1130
StB 2011 S. 137 Nr. 5
StBp. 2011 S. 149 Nr. 5
StuB-Bilanzreport Nr. 8/2011 S. 314
RAAAD-79671