Zahlung tariflichen Wegegeldes - § 2 Abschn III Ziff 1 Bezirks-TV - Besitzstandsregelung - Gleichheitssatz
Gesetze: § 1 TVG, § 1 BUrlG, Art 3 Abs 1 GG, § 7 BUrlG, § 11 Abs 1 BUrlG, § 13 Abs 1 BUrlG, BMT-G 2
Instanzenzug: Az: 4b Ca 7303/08 F Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 9 Sa 950/08 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Zahlung tariflichen Wegegelds für die Zeit vom bis einschließlich Juli 2008.
2Der Kläger ist seit 1996 bei dem Beklagten als Straßenbauhelfer beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrags vom richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den jeweiligen Vorschriften des Bundesmanteltarifvertrags für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe vom (BMT-G II) und den zusätzlichen für den Bereich des Arbeitgebers verbindlichen Tarifverträgen in ihrer jeweils geltenden Fassung. Der Beklagte zahlte an den Kläger bis zum das tarifliche Wegegeld.
Im Bezirkstarifvertrag Nr. 11 zum BMT-G II (im Folgenden: BTV Nr. 11) ist geregelt:
Im 2. Landesbezirklichen Tarifvertrag vom zu § 2 Abs. 2 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) vom (Wahrung von Besitzständen) (im Folgenden: Bezirks-TV) heißt es ua.:
Im Bezirks-TV idF des 2. Änderungstarifvertrags vom ist in § 2 Abschn. III auszugsweise bestimmt:
6Zwischen dem und dem lagen 59 Arbeitstage. Der Kläger war in diesem Zeitraum an 15 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt. Für weitere 17 Arbeitstage nahm er Erholungsurlaub in Anspruch. An einem weiteren Tag brachte er Zeitausgleich ein. Er arbeitete deshalb nur an 26 Arbeitstagen. Der Beklagte zahlt seit dem kein Wegegeld mehr an den Kläger. Mit Schreiben vom legte der Kläger zur Geltendmachung eventueller Ansprüche „Widerspruch“ ein. Durch Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom machte er dann zunächst Wegegeld für die Zeit vom bis März 2008 in Höhe von 61,20 Euro brutto monatlich geltend.
7Er vertritt die Auffassung, nach der Besitzstandsregelung seien alle Tage, an denen er wegen Krankheit seine Arbeitsleistung nicht erbracht habe, ebenfalls Arbeitstage im Sinne der Besitzstandsvorschrift in Ziff. 1 des § 2 Abschn. III Bezirks-TV. Auch verstoße die Besitzstandsregelung gegen Vertrauensschutz. Da er erst nach Ablauf des Referenzzeitraums von der Besitzstandsregelung Kenntnis gehabt habe, habe er sich hierauf nicht einstellen können. Die tarifliche Regelung, träfe die Auslegung des Landesarbeitsgerichts zu, verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Tarifvertragsparteien hätten Arbeitnehmer, die an mehr als 29,5 Arbeitstagen ihre Arbeitsleistung mit Anspruch auf Wegegeld erbracht hätten, bessergestellt, als die Arbeitnehmer, die an weniger als 29,5 Arbeitstagen ihre Arbeitsleistung nur hätten erbringen können. Zudem widerspreche eine derartige Differenzierung der Wertung des Entgeltfortzahlungsgesetzes und des Bundesurlaubsgesetzes.
Der Kläger hat beantragt,
9Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen für die besitzstandsweise Fortzahlung des Wegegelds lägen nicht vor. Der Kläger habe im Referenzzeitraum vom 1. April bis nicht mindestens die Hälfte der Arbeitstage Anspruch auf Wegegeld gehabt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung des Beklagten abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung der klagestattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts.
Gründe
11A. Die Klage ist mit Ausnahme eines Teils des Zinsanspruchs begründet. Der Kläger hat aus Gründen der Gleichbehandlung Anspruch auf die besitzstandsweise Zahlung des tariflichen Wegegelds für den Zeitraum vom bis zum .
12I. Ein Anspruch nach § 2 Nr. 9 des Bezirkstarifvertrags Nr. 11 zum BMT-G II (BTV Nr. 11) kommt nach dem nicht mehr in Betracht. Gemäß § 3 Abschn. III Bezirks-TV vom trat der BTV Nr. 11 mit Ablauf des außer Kraft. Eine Weiterzahlung des tariflichen Wegegelds erfolgt nach diesem Zeitpunkt nur noch für die Arbeitnehmer, die die Voraussetzungen der Besitzstandsregelung gemäß § 2 Abschn. III Ziff. 1 Bezirks-TV erfüllen.
13II. Der Kläger erfüllte im geltend gemachten Anspruchszeitraum nicht die in § 2 Abschn. III Ziff. 1 Bezirks-TV aufgestellten Voraussetzungen der tarifvertraglichen Besitzstandsregelung.
141. Die Bezirkstarifverträge finden gemäß § 2 des Arbeitsvertrags auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.
152. Nach § 2 Abschn. III Ziff. 1 Abs. 2 Bezirks-TV setzt die besitzstandsweise Zahlung des Wegegelds voraus, dass der Anspruch in den letzten drei Kalendermonaten vor dem Inkrafttreten dieses Tarifvertrags am (Referenzzeitraum) für mindestens die Hälfte der Arbeitstage bestanden hat. Der 2. Änderungstarifvertrag vom zum Bezirks-TV änderte diese Besitzstandsregelung nicht. Der Kläger arbeitete im Referenzzeitraum nur an 26 von 59 möglichen Arbeitstagen. An 15 Arbeitstagen war er arbeitsunfähig; an weiteren 17 Arbeitstagen befand er sich im Erholungsurlaub und an einem Tag erhielt er Freizeitausgleich. Sein Anspruch bestand deshalb für weniger als die Hälfte der Arbeitstage. Entgegen der Auffassung der Revision gelten im Rahmen der Besitzstandsregelung Tage, an denen der Arbeiter wegen Arbeitsunfähigkeit seine Arbeitsleistung nicht erbringen konnte oder wegen Urlaub nicht erbringen musste, nicht als Arbeitstage. Das ergibt die Auslegung des Tarifvertrags.
16a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Ausgehend vom Tarifwortlaut ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Erlaubt der Tarifwortlaut kein abschließendes Ergebnis, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und oft nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm ermittelt werden können. Ergänzend können weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung herangezogen werden. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., vgl. Senat - 9 AZR 887/08 - Rn. 22, EzA BUrlG § 13 Nr. 60; - 9 AZR 677/07 - Rn. 35, BAGE 129, 131).
17b) Nach dem Wortlaut von § 2 Abschn. III Ziff. 1 Abs. 2 Bezirks-TV muss der Anspruch „für mindestens die Hälfte der Arbeitstage“ nach der bisher geltenden tariflichen Regelung bestanden haben.
18aa) Gemäß § 2 Nr. 9 Abs. 1 BTV Nr. 11 erhielt der Arbeiter Wegegeld nur für die Tage, an denen er den Weg zur Arbeitsstätte oder zum Sammelplatz tatsächlich zurücklegte. Das folgt schon aus § 2 Nr. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 BTV Nr. 11. Danach erhielt er das Wegegeld auch, wenn er aus dienstlichen Gründen an einem Tag den Weg ein zweites Mal außerhalb der Arbeitszeit zurücklegte. Die Tarifvertragsparteien gingen damit davon aus, dass der Weg auch das erste Mal tatsächlich zurückgelegt werden musste. Hätten die Tarifvertragsparteien den Anspruch auf das Wegegeld unabhängig vom tatsächlichen Aufwand begründen wollen, wäre zudem die Regelung in § 2 Nr. 9 Abs. 2 Unterabs. 4 BTV Nr. 11 überflüssig. Danach wurde das Wegegeld auch gezahlt, wenn der Arbeiter am Sammelplatz oder am Arbeitsplatz erschien, die Arbeit jedoch wegen schlechter Witterung nicht aufnehmen konnte.
19bb) Nach der Besitzstandsregelung in § 2 Abschn. III Ziff. 1 Abs. 2 Bezirks-TV müssen diese Voraussetzungen des tatsächlichen Wegeaufwands für mindestens die Hälfte „der“ Arbeitstage im Referenzzeitraum bestanden haben. Das Landesarbeitsgericht weist in seiner Auslegung zu Recht darauf hin, dass nach diesem Wortlaut nur die allgemein im Referenzzeitraum anfallenden Arbeitstage gemeint sein können. Ansonsten hätte es heißen müssen, „seiner“ Arbeitstage oder „der Arbeitstage“ des Arbeiters.
20c) Dieses Auslegungsergebnis wird durch einen Vergleich mit der Besitzstandsregelung zum Zehrgeld gemäß § 2 Abschn. III Ziff. 2 Abs. 2 und 3 Bezirks-TV idF des 2. Änderungstarifvertrags vom bestätigt. Dort ist ausdrücklich geregelt, welche Zeiten fehlender Arbeitsleistung zur Ermittlung der notwendigen Anzahl anspruchsberechtigender Arbeitstage im Referenzzeitraum unschädlich sind. Hierzu gehören ua. Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgrund eines Arbeitsunfalls (§ 2 Abschn. III Ziff. 2 Abs. 2 und Abs. 3 Buchst. b) und Zeiten des Erholungsurlaubs sowie Freizeitausgleich für Mehrarbeit oder Überstunden (§ 2 Abschn. III Ziff. 2 Abs. 2 und Abs. 3 Buchst. f), in denen dem Arbeiter kein Zehrgeld zugestanden hat. Da eine solche Regelung für das Wegegeld fehlt, lässt sich hieraus im Umkehrschluss nur herleiten, dass solche Zeiten für den Besitzstand beim Wegegeld schädlich sein sollten.
21d) Zudem stellt § 2 Abschn. III Ziff. 1 Abs. 2 Bezirks-TV für den Referenzzeitraum auf die letzten drei Kalendermonate und eben nicht auf die Arbeitsmonate ab. Sie sind deshalb auch dann Referenzzeitraum, wenn der Arbeiter während dieser Zeit überhaupt nicht gearbeitet hat. Er hätte dann nicht für mindestens die Hälfte der in diesen Kalendermonaten liegenden Arbeitstage Anspruch auf Wegegeld gehabt.
22e) Die Revision beruft sich für ihre Auslegung ohne Erfolg auf den Sinn und Zweck des BUrlG und des EFZG. Das tarifliche Wegegeld wird vom Schutzbereich dieser Gesetze nicht erfasst. Da der Anspruch nur dann bestehen soll, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich zur Arbeitsstätte oder zur Sammelstelle fährt, ist das Wegegeld weder während des Urlaubs noch während krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit fortzuzahlen.
23Der Begriff „Arbeitsverdienst“ in § 11 Abs. 1 BUrlG dient als urlaubsrechtlicher Fachbegriff zur Bemessung des Urlaubsentgelts. Er wird dort zur Kennzeichnung der Gegenleistung verwandt, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die im Abrechnungszeitraum erbrachten Dienste nach § 611 BGB geschuldet und vergütet hat (Senat - 9 AZR 437/99 - Rn. 32, BAGE 95, 112).
24Ebenso ergibt sich aus der gesetzlichen Konkretisierung des Lohnausfallprinzips in § 4 EFZG, dass Aufwendungsersatz für konkrete Mehraufwendungen des Arbeitnehmers, der nur an den Tagen entsteht, an denen er tatsächlich arbeitet, nicht fortzuzahlen ist ( - zu II 1 der Gründe, AP FeiertagslohnzahlungsG § 1 Nr. 67 = EzA FeiertagslohnzahlungsG § 1 Nr. 46).
25III. Im Ergebnis erweist sich das Berufungsurteil dennoch als fehlerhaft. Es hat nämlich nicht berücksichtigt, dass es den Tarifvertragsparteien aus Gleichheitsgründen verwehrt war, eine Besitzstandsregelung zu treffen, nach der Arbeitnehmer benachteiligt werden, weil ihnen im Referenzzeitraum Urlaub gewährt wurde. Nach § 2 Abschn. III Ziff. 1 Abs. 2 Bezirks-TV sind zur Feststellung der im Referenzzeitraum erforderlichen Anzahl besitzstandswahrender Arbeitstage die während dieser Zeit gewährten Urlaubstage unberücksichtigt zu lassen. Insoweit verstößt § 2 Abschn. III Ziff. 1 Abs. 2 Bezirks-TV gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Diese gleichheitswidrige Bestimmung ist unanwendbar.
261. Es kann dahinstehen, ob Tarifvertragsparteien als Normgeber unmittelbar an Art. 3 Abs. 1 GG oder nur mittelbar an dessen Grundsätze gebunden sind (für eine nur mittelbare Grundrechtsbindung - Rn. 23, BAGE 124, 284; - 6 AZR 129/03 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 111, 8; offengelassen von Senat - 9 AZR 378/04 - zu B II 3 a der Gründe, AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 8 = EzA GG Art. 3 Nr. 103; - 9 AZR 146/03 - zu I 3 b der Gründe, BAGE 108, 94; - Rn. 24, AP GG Art. 3 Nr. 319 = EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 34). Für den Prüfungsmaßstab ist die dogmatische Herleitung ohne Bedeutung (Senat - 9 AZR 378/04 - zu B II 3 a der Gründe, aaO; vgl. - zu B II 3 der Gründe, aaO).
272. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz setzt voraus, dass die Tarifvertragsparteien bei der Aufstellung tariflicher Vorschriften tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten außer Acht lassen, die so wesentlich sind, dass sie bei einer am allgemeinen Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtung hätten berücksichtigt werden müssen. Soweit es dabei um die Beurteilung tatsächlicher Umstände und möglicher Regelungsfolgen geht, steht den Tarifvertragsparteien eine Einschätzungsprärogative zu. Bei der inhaltlichen Gestaltung der Regelung haben sie einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste und zweckmäßigste Lösung für den zu regelnden Sachverhalt gefunden haben. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Tarifvertragsparteien ihren Gestaltungsspielraum überschritten haben (st. Rspr., Senat - 9 AZR 146/03 - zu I 3 b aa der Gründe mwN, BAGE 108, 94).
283. Gemessen daran haben die Tarifvertragsparteien den ihnen durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Gestaltungsspielraum überschritten. Es ist mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar, Arbeitnehmer von der Besitzstandsregelung auszuschließen, weil sie einen wesentlichen Teil ihres tariflichen Urlaubs in dem für den Besitzstand maßgeblichen Referenzzeitraum von April bis einschließlich Juni 2006 (§ 2 Abschn. III Ziff. 1 Abs. 2 Bezirks-TV) in Anspruch nahmen und demgegenüber Arbeitnehmern, die ihren Urlaub im Wesentlichen auf Zeiträume außerhalb dieses Referenzzeitraums verteilt haben, den Besitzstand zu gewähren.
29a) Das Anknüpfen an einen Mindestanspruchsumfang auf Wegegeld im Referenzzeitraum kann grundsätzlich nach dem Zweck einer Besitzstandsregelung sachlich gerechtfertigt sein. Nur wer das Wegegeld bisher in einem gewissen Mindestumfang beanspruchen konnte, sollte für die Zukunft vor dem Wegfall des Anspruchs geschützt werden. Für diese Gruppe der Arbeitnehmer wirkt sich der mit der Tarifänderung bewirkte Wegfall des Anspruchs schwerwiegender aus, als für die Gruppe der Arbeitnehmer, der Wegegeld bisher nur in einem geringeren Umfang zustand.
30b) Es kann dahinstehen, ob die Tarifvertragsparteien grundsätzlich Urlaubszeiten und Zeiten der Arbeitsunfähigkeit als besitzstandsschädliche Zeiten bewerten durften. Jedenfalls ist es zu beanstanden, die Besitzstandsregelung so auszugestalten, dass der in einem Referenzzeitraum von nur drei Monaten gewährte Urlaub sich so anspruchsvernichtend auswirkt. Die sich daraus ergebende Gruppenbildung ist auch bei typisierender Betrachtung und unter Beachtung des den Tarifvertragsparteien zukommenden weiten Gestaltungsspielraums gleichheitswidrig.
31c) Zwar dürfen Tarifvertragsparteien bei der Gruppenbildung generalisieren und typisieren. Sie dürfen also bestimmte in wesentlichen Elementen gleichgeartete Lebenssachverhalte normativ zusammenfassen und können Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, generalisierend vernachlässigen. Allerdings müssen die von ihnen vorgenommenen Verallgemeinerungen im Normzweck angelegt sein und dürfen diesem nicht widersprechen. Die bei einer solchen Typisierung entstehenden unvermeidlichen Ungerechtigkeiten und Härten in einzelnen, besonders gelagerten Fällen, in denen die Interessenlage von der von den Tarifvertragsparteien als typisch angenommenen abweicht, sind hinzunehmen, wenn sie nicht besonders schwer wiegen und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären ( - Rn. 28; - 6 AZR 287/07 - Rn. 26, BAGE 129, 93).
32d) § 2 Abschn. III Ziff. 1 Abs. 2 Bezirks-TV überschreitet die Grenzen zulässiger Typisierung. Die Tarifvertragsparteien haben die besitzstandsweise Zahlung an den tatsächlichen, individuellen Besitzstand des Arbeitnehmers in den letzten drei Monaten vor Inkrafttreten des Bezirks-TV geknüpft. Es handelt sich deshalb materiell um eine Stichtagsregelung. Stichtagsregelungen sind als „Typisierung in der Zeit” ungeachtet der damit verbundenen Härten zur Abgrenzung des begünstigten Personenkreises grundsätzlich zulässig. Erforderlich ist jedoch, dass sich die Wahl des Zeitpunkts am zu regelnden Sachverhalt orientiert und die Interessenlage der Betroffenen angemessen erfasst. Die mit ihnen verbundenen Härten sind grundsätzlich hinzunehmen. Der Anspruch auf Gleichbehandlung ist nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich begrenzt. Der Arbeitgeber darf unter Wahrung von Besitzständen eine neue Regelung einführen (vgl. Wiedemann Die Gleichbehandlungsgebote im Arbeitsrecht S. 46). Allerdings ist nicht jede beliebige zeitliche Differenzierung zulässig. Sie muss auf die infrage stehende Leistung und ihre Besonderheiten abgestimmt sein (Senat - 9 AZR 685/08 - Rn. 30, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 186). Diese Grundsätze rechtfertigen es nicht, diejenigen Arbeitnehmer von der Leistung auszuschließen, die wegen der in einem Zeitraum von nur drei Monaten in Anspruch genommenen Anzahl von Urlaubstagen die für die Fortzahlung des Wegegelds erforderliche Anzahl von Arbeitstagen nicht erreichen können. Zudem war die Lage des Referenzeitraums, innerhalb dessen sich die Urlaubsgewährung anspruchsschädlich auswirken soll, von den Tarifvertragsparteien willkürlich gesetzt. Es war für keinen Arbeitnehmer vorhersehbar, dass sich die Inanspruchnahme von Urlaub in den letzten drei Monaten vor Inkrafttreten des neuen Tarifvertrags ungünstig auswirken würde. Erfasst wurden die Arbeitnehmer, die zufällig in diesem Zeitraum Urlaub nahmen. Wem zufällig vorher Urlaub gewährt worden war, konnte demgegenüber die für die Fortzahlung des Wegegelds erforderliche Mindestzahl von Arbeitstagen erreichen.
33aa) Der Beschränkung auf nur drei Monate steht schon entgegen, dass der Urlaub auf das laufende Kalenderjahr bezogen ist. Er entsteht, der Abänderbarkeit der Tarifvertragsparteien entzogen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG), für das gesamte laufende Kalenderjahr (§ 1 BUrlG) und muss grundsätzlich in diesem gewährt und genommen werden (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG). Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, diesen Jahresbezugszeitraum für eine Besitzstandsregelung zur Erhaltung des Anspruchs auf Wegegeld zeitlich zu verengen.
34bb) Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 BUrlG ist der Urlaub zusammenhängend zu gewähren. Damit besteht grundsätzlich die Pflicht, den gesetzlichen Mindesturlaub von vier Wochen nicht zu teilen. Selbst bei entgegenstehenden dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen sind mindestens 12 Werktage Urlaub zusammenhängend zu gewähren (§ 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG). Nach der Protokollerklärung zu § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD soll ein Urlaubsteil von zwei Wochen Dauer angestrebt werden. Dem liegt zugrunde, dass der Urlaubsanspruch seine Wirksamkeit nur in einer längeren geschlossenen Urlaubsperiode entfalten kann ( - BAGE 17, 263). Diesen gesetzlichen und tariflichen Vorgaben widerspricht es, für die Besitzstandsregelung lediglich die Lage der Urlaubsgewährung innerhalb von nur drei Monaten zugrunde zu legen.
35Die zeitliche Lage des zusammenhängenden Urlaubs bestimmt sich regelmäßig nach den persönlichen Lebensverhältnissen des Arbeitnehmers und den betrieblichen Gegebenheiten (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG). Arbeitnehmer mit schulpflichtigen Kindern werden die Schulferien bevorzugen. In dem hier maßgeblichen Freistaat Bayern lagen in dem für den Besitzstand geltenden Referenzzeitraum April 2006 bis einschließlich Juni 2006 die Osterferien (10. April bis ) sowie die Pfingstferien (6. Juni bis ). Für Arbeitnehmer mit schulpflichtigen Kindern bestand deshalb ohne sachlich nachvollziehbare Gründe eine besondere Gefährdung des tariflich geregelten Besitzstands durch Gewährung von Urlaub im zeitlichen Zusammenhang mit den Schulferien.
36cc) Hinzu kommt, dass der Arbeitgeber nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BUrlG dem Urlaubswunsch des Arbeitnehmers Leistungsverweigerungsrechte entgegenhalten und die Erfüllung des Urlaubsanspruchs ablehnen kann (Senat - 9 AZR 364/95 - zu A II 4 der Gründe, BAGE 84, 140). Dies kann dazu führen, dass ein Arbeitnehmer seinen zusammenhängenden Urlaub gerade im tariflichen Referenzzeitraum nehmen muss. Es lässt sich sachlich nicht rechtfertigen, diesem Arbeitnehmer den Besitzstand für das Wegegeld zu verweigern, während anderen, die gleichen Wege zurücklegenden Arbeitnehmern weiterhin der Anspruch auf Wegegeld zustehen soll, weil sie zufällig ihren Urlaub außerhalb des Referenzzeitraums nehmen konnten.
374. Jede gleichheitswidrig ausgeklammerte Person hat Anspruch auf die gleiche Vergünstigung, wenn die tariflichen Normgeber dem Gleichheitssatz nur auf diese Weise Rechnung tragen können (Senat - 9 AZR 181/09 - Rn. 39, EzA GG Art. 3 Nr. 110). Für den Referenzzeitraum von April 2006 bis einschließlich Juni 2006 besteht für die Tarifvertragsparteien keine andere dem Gleichheitssatz genügende Möglichkeit, als entsprechend der tariflichen Regelung zum Zehrgeld (§ 2 Abschn. III Ziff. 2 Abs. 3 Buchst. f des Bezirks-TV idF des 2. Änderungstarifvertrags vom ) zu bestimmen, dass Zeiten des Erholungsurlaubs für das Entstehen des tariflichen Besitzstands unschädlich sind.
38Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen der Besitzstandsregelung gemäß § 2 Abschn. III Ziff. 1 Abs. 2 Bezirks-TV, wenn die 17 im Referenzzeitraum gewährten Urlaubstage unschädlich sind. Er hat dann im Referenzzeitraum „für mindestens die Hälfte der Arbeitstage“ nach der bisher geltenden tariflichen Regelung Anspruch auf das tarifliche Wegegeld.
39IV. Der Zinsanspruch ist nur teilweise begründet. Der Kläger kann aus dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1, § 187 Abs. 1 BGB Zinsen nicht schon mit Ablauf des jeweiligen Monats beanspruchen. Das Wegegeld wird erst am Zahltag des zweiten Kalendermonats, der auf seine Entstehung folgt, fällig (§ 24 Abs. 1 Satz 3 TVöD aF).
B. Da die Berufung des Beklagten zurückzuweisen ist, verbleibt es bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung, die auf § 91 Abs. 1 ZPO beruht. Der Beklagte hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung (§ 97 Abs. 1 ZPO) und als unterliegende Partei auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).
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Fundstelle(n):
ZAAAD-73274