BFH Beschluss v. - V R 60/09

Anforderungen an Antrag auf Wiedereinsetzung bei fristgerechter Absendung

Leitsatz

Die einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründenden Tatsachen müssen innerhalb der Antragsfrist vorgetragen werden. Nur die Glaubhaftmachung kann noch während des Verfahrens erfolgen.
Beruft sich ein Rechtsmittelführer auf die fristgerechte Absendung des beim Empfänger nicht eingegangenen Schriftstückes durch seinen Prozessbevollmächtigten, sind innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO alle Tatsachen vorzutragen, aus denen sich die rechtzeitige Absendung bzw. Aufgabe des fristwahrenden Schriftsatzes zur Post ergibt, wobei nicht nur die Versendungsart, sondern auch angegeben werden muss, wer den Schriftsatz wann und in welchen Briefkasten eingeworfen hat.
Zur Glaubhaftmachung einer unverschuldeten Fristversäumnis ist das Fristenkontrollbuch vorzulegen.

Gesetze: FGO § 56

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

1 I. Gegen das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) legte die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) —vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten— fristgerecht Revision ein. Die Frist für die Begründung der Revision lief am ab; die Revisionsbegründung ging beim Bundesfinanzhof (BFH) am 1. April ein. Mit Schreiben vom wies die Geschäftsstelle des erkennenden Senats auf den verspäteten Eingang hin.

2 Mit Schriftsatz vom beantragte die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und stützte dies darauf, dass die Sekretariatsleiterin der Prozessbevollmächtigten, Frau W., den Brief, der das Schreiben mit der Revisionsbegründung enthielt, am Montag, den , „in die Mittagspost” gegeben habe, „damit der Brief am gleichen Tag noch der Post zugeführt wurde”. Der Postausgang ergebe sich aus der Kopie des Fristenbuches.

3 Mit Schriftsatz vom trug die Klägerin weiter vor, dass die Prozessbevollmächtigte in die „Organisationsstrukturen” eines Verbandes mit 500 Mitarbeitern eingebunden sei. Der „Geschäftsprozess Postausgang” sei aufgrund des seit Jahren ohne Beanstandungen funktionierenden routinemäßigen Arbeitsablaufes „nicht dokumentiert bzw. nicht mit Arbeitsanweisungen belegt”. Die Ausgangspost werde „in einem Postrundgang von dem Mitarbeiter der Poststelle ab ca. 13.30 Uhr eingesammelt und dann ab 14.15 Uhr in der Poststelle bearbeitet”. Ausgehende Briefe würden dort mit einer verbandseigenen Frankiermaschine frankiert und gegen 15.30 Uhr „zur Abholung durch einen Abholdienst” (Firma X) „an einer verabredeten Stelle in der Tiefgarage” des Verbandsgebäudes „deponiert”. Der Abholdienst liefere „die gegen 16.30 Uhr abgeholte Post bis 20.00 Uhr (Annahmeschluss für Großkunden)” in ein Postverteilzentrum ein. Die Mitarbeiter der Poststelle Herr W und Herr Z hätten bestätigt, dass es sich bei der Firma X um einen „außergewöhnlich zuverlässigen, pünktlichen und korrekten Abholdienst” handele. Entsprechend dem üblichen „Prozedere” sei auch am verfahren worden. Dies ergebe sich auch aus den Versicherungen an Eides Statt, die Frau W und die Herren A und B am 13., 18. und abgegeben hätten.

4 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt), wendet sich gegen die Wiedereinsetzung.

5 II. Die Revision war wegen Versäumung der Begründungsfrist durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).

6 1. Die Klägerin hat die Revision verspätet begründet. Die Frist zur Begründung der Revision endete am (§ 120 Abs. 2 FGO). Innerhalb dieser Frist hat die Klägerin weder die Revision begründet noch einen Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist gestellt.

7 2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist ist der Klägerin nicht zu gewähren.

8 a) Nach § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO ist der Antrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO). Die den Antrag begründenden Tatsachen müssen innerhalb der Antragsfrist vorgetragen werden. Nur die Glaubhaftmachung kann noch während des Verfahrens erfolgen (z.B. , BFH/NV 2002, 533; vom I R 90/97, BFH/NV 1999, 512; vom VIII R 66/95, BFH/NV 1997, 137).

9 Beruft sich ein Rechtsmittelführer auf die fristgerechte Absendung des beim Empfänger nicht eingegangenen Schriftstückes durch seinen Prozessbevollmächtigten, sind innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO alle Tatsachen vorzutragen, aus denen sich die rechtzeitige Absendung bzw. Aufgabe des fristwahrenden Schriftsatzes zur Post ergibt, wobei nicht nur die Versendungsart, sondern auch angegeben werden muss, wer den Schriftsatz wann und in welchen Briefkasten eingeworfen hat (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2002, 533; vom V R 3/03, BFH/NV 2004, 524; vom V B 182/02, nicht veröffentlicht).

10 b) Im Streitfall hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO lediglich vorgetragen, dass die Sekretariatsleiterin des Prozessbevollmächtigten, Frau W., den Brief, der das Schreiben mit der Revisionsbegründung enthielt, am Montag, den , „in die Mittagspost” gegeben habe. Wie der Brief aus der „Mittagspost” in das Postverteilzentrum für Großkunden gelangt ist, hat die Klägerin erst nach Fristablauf und damit verspätet dargelegt.

11 Im Übrigen hat die Klägerin auch nicht —wie erforderlich— zur Glaubhaftmachung einer unverschuldeten Fristversäumnis das hierfür notwendige Fristenkontrollbuch vorgelegt (vgl. hierzu , BFH/NV 2006, 559).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 617 Nr. 4
HFR 2011 S. 555 Nr. 5
StBW 2011 S. 307 Nr. 7
NAAAD-62346