BAG Urteil v. - 6 AZR 437/09

Überleitung in den TV-Bundesagentur für Arbeit - Gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss

Gesetze: Art 3 Abs 1 GG, § 1 TVG

Instanzenzug: ArbG Halle (Saale) Az: 9 Ca 1066/07 E Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Az: 9 Sa 355/08 E Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten noch darüber, ob der Klägerin nach der Überleitung des Arbeitsverhältnisses in den Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) vom in der Zeit vom bis zum ein individueller Übergangsbetrag in rechnerisch unstreitiger Höhe von monatlich 36,31 Euro brutto zustand.

2Die 1970 geborene Klägerin ist seit dem bei der Beklagten in der Agentur für Arbeit H als Fachassistentin für Arbeitnehmerleistungen SGB III beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtete sich nach dem Ersten Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (MTA-O) vom und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen. Am vereinbarten die Parteien, dass auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des TV-BA und des Tarifvertrags zur Überleitung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit in den TV-BA und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-BA) vom Anwendung finden.

3Die Beklagte führte im Zusammenhang mit der Bildung von Kundenzentren und Service-Center-Verbünden eine grundlegende Organisationsreform durch. Diese Änderungen und die Reform der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes führten zum Abschluss des TV-BA, der den MTA-O ablöste. Der TV-BA wurde am unterzeichnet und trat gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 TV-BA rückwirkend zum in Kraft. Bereits im Juli 2005 hatten sich die Tarifvertragsparteien auf wesentliche Eckpunkte des künftigen Tarifvertrags verständigt.

4Mit dem Inkrafttreten des TV-BA änderte sich die Vergütungsstruktur der Beklagten. Nach § 27 Abs. 1 MTA-O bemaß sich die Grundvergütung in den einzelnen Vergütungsgruppen nach Lebensaltersstufen, beginnend mit dem 21. Lebensjahr. Nach jeweils zwei Jahren wurde die nächste Lebensaltersstufe erreicht. Zusätzlich erhielten Angestellte einen Ortszuschlag und eine allgemeine Zulage.

Nach § 17 TV-BA erhalten die Beschäftigten nunmehr ein monatliches Festgehalt. Dessen Höhe richtet sich nach der Tätigkeitsebene (§ 14 TV-BA), in die sie eingruppiert sind, sowie nach der für sie maßgeblichen Entwicklungsstufe (§ 18 TV-BA). Die Zuordnung der in den TV-BA übergeleiteten Beschäftigten zu den einzelnen Entwicklungsstufen erfolgte nach den §§ 4 und 5 TVÜ-BA. Dort ist bestimmt:

Die Niederschrift über die Tarifverhandlung zwischen der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft - ver.di und der Beklagten am lautet unter 7. (Top 3):

7Die Beklagte zahlte der Klägerin bis zum unter Zugrundelegung der Lebensaltersstufe 33 eine monatliche Bruttovergütung iHv. insgesamt 2.109,93 Euro und in den Monaten August bis November 2005 unter Zugrundelegung der Lebensaltersstufe 35 jeweils monatlich 2.147,09 Euro brutto einschließlich des kinderbezogenen Ortszuschlags iHv. 83,78 Euro. Rückwirkend zum Überleitungszeitpunkt stufte die Beklagte die Klägerin in die Tätigkeitsebene V ein, ordnete sie der Entwicklungsstufe 4 zu, errechnete eine Bruttovergütung der Klägerin iHv. 2.027,00 Euro zuzüglich eines Kinderzuschlags gemäß § 10 TVÜ-BA iHv. 83,78 Euro und zahlte der Klägerin ab dem ein monatliches Gehalt iHv. insgesamt 2.110,78 Euro brutto. Die Klägerin hat ohne Erfolg von der Beklagten per E-Mail am und am die Zahlung eines individuellen Übergangsbetrags iHv. monatlich 36,31 Euro ab dem mit der Begründung verlangt, sie habe im August 2005 eine höhere Lebensaltersstufe erreicht.

8Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe ihr gemäß § 7 Abs. 10 TVÜ-BA den beanspruchten individuellen Übergangsbetrag zu zahlen. Ihrem Anspruch stehe nicht entgegen, dass ihr nicht bereits vor dem Erreichen der höheren Lebensaltersstufe ein individueller Übergangsbetrag zugestanden habe. Maßgebend sei, dass sich ihre Grundvergütung aufgrund des Erreichens der höheren Lebensaltersstufe im August 2005 und damit zwischen dem Überleitungszeitpunkt und dem erhöht habe. Der individuelle Übergangsbetrag dürfe ihr nicht allein deshalb vorenthalten werden, weil sie zufällig bereits zum in den TV-BA übergeleitet worden sei und keinen anderen überleitungsbedingten Entgeltverlust erlitten habe. Ein solches Ergebnis hielte dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht stand.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt festzustellen,

10Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit von Tarifregelungen mit Art. 3 Abs. 1 GG sei der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie Rechnung zu tragen. Den Tarifvertragsparteien komme in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative zu. Sie seien nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Daran gemessen verstoße die tarifliche Regelung nicht gegen den Gleichheitssatz, weil sie als Stichtagsregelung Ausdruck einer gebotenen pauschalierten Betrachtung sei.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren für die Monate Januar 2006 bis Dezember 2008 weiter. Soweit die Klägerin den individuellen Übergangsbetrag auch für Dezember 2005 und über den hinaus beansprucht hatte, hat sie ihre Klage mit Zustimmung der Beklagten in der Revisionsverhandlung zurückgenommen. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Gründe

12Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht abgewiesen, soweit die Klägerin für die Monate Januar 2006 bis Dezember 2008 einen individuellen Übergangsbetrag in rechnerisch unstreitiger Höhe von monatlich 36,31 Euro brutto beansprucht hat. Der Klägerin steht dieser Betrag gemäß § 7 Abs. 10 TVÜ-BA iVm. dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu.

13I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Trotz ihres Vergangenheitsbezugs liegt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Der verlangte Gegenwartsbezug wird dadurch hergestellt, dass die Klägerin die Erfüllung konkreter Vergütungsansprüche aus einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum und damit einen gegenwärtigen rechtlichen Vorteil erstrebt. Das angestrebte Feststellungsurteil ist geeignet, den Konflikt der Parteien endgültig beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Es kann von der Beklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechts erwartet werden, dass sie einem stattgebenden Feststellungsurteil nachkommen wird (vgl. Senat - 6 AZR 484/08 - Rn. 9, EzTöD 240 TV-Ärzte/TdL § 16 Nr. 2; - 6 AZR 449/09 - Rn. 14 mwN, AP BGB § 611 Dienstordnungs-Angestellte Nr. 78).

14II. Die Vorinstanzen haben zutreffend angenommen, dass der Anspruch der Klägerin auf individuelles Übergangsgeld nicht allein aus § 7 Abs. 10 Satz 1 TVÜ-BA folgt.

151. Diese Vorschrift regelt, um welchen Betrag sich der individuelle Übergangsbetrag auf Antrag der/des Beschäftigten erhöht, wenn diese/r zwischen dem Überleitungszeitpunkt und dem nach den bisherigen tarifvertraglichen Regelungen eine höhere Lebensalters-/Lohnstufe erreicht. Sie bindet den Anspruch auf einen erhöhten individuellen Übergangsbetrag ihrem Wortlaut nach, auf den es bei der Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zunächst ankommt (vgl. - 6 AZR 454/09 -; - 6 AZR 95/07 - Rn. 15, BAGE 124, 284; - 6 AZR 512/02 - BAGE 108, 72, 74), mit der Formulierung „…erhöht sich der individuelle Übergangsbetrag...“ daran, dass die/der Beschäftigte bereits vor der Erhöhung Anspruch auf einen individuellen Übergangsbetrag hatte. Selbst wenn angenommen würde, dass der Wortlaut des § 7 Abs. 10 Satz 1 TVÜ-BA insoweit nicht völlig eindeutig ist, schlösse die Niederschrift der Tarifvertragsparteien vom zur Berücksichtigung von Lebensaltersstufensteigerungen letzte Zweifel am Ergebnis der wortlautgetreuen Auslegung aus. In Nr. 3 dieser Niederschrift ist als Verhandlungsergebnis festgehalten, dass die Berücksichtigung der Lebensaltersstufensteigerung nach § 7 Abs. 10 Satz 1 TVÜ-BA voraussetzt, dass die/der Betroffene Empfänger/in eines individuellen Übergangsbetrags ist.

162. Die Tarifvertragsparteien haben damit alle Beschäftigten von der Berücksichtigung einer Lebensaltersstufensteigerung zwischen dem Überleitungszeitpunkt und dem ausgeschlossen, denen vor dem Erreichen der höheren Lebensaltersstufe ein individueller Übergangsbetrag gemäß § 7 Abs. 1 TVÜ-BA nicht zustand, weil für sie die Überleitung in den TV-BA nicht mit einer Verringerung des Entgelts verbunden war. Zu dieser Beschäftigtengruppe gehört die Klägerin. Ihre Gesamtbruttovergütung betrug im Monat vor dem für sie maßgeblichen Überleitungszeitpunkt 2.109,93 Euro und nach der Überleitung in den TV-BA 2.110,78 Euro. Die Überleitung war für die Klägerin damit nicht mit einer Verringerung, sondern mit einer Erhöhung ihres Entgelts um monatlich 0,85 Euro brutto verbunden.

17III. Die Ausnahme der Beschäftigten in § 7 Abs. 10 Satz 1 TVÜ-BA, für die die Überleitung in den TV-BA zwar nicht mit einer Verringerung des Entgelts verbunden war, denen jedoch nach der tariflichen Regelung nach ihrer Überleitung in den TV-BA ein niedrigeres Entgelt zusteht als das, das sie bei Berücksichtigung einer zwischen dem Überleitungszeitpunkt und dem erreichten Lebensaltersstufensteigerung erhielten, ist auch unter Beachtung des den Tarifvertragsparteien zukommenden Gestaltungsspielraums gleichheitswidrig und damit nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

181. Die Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung zwar nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Sie müssen hierbei jedoch aufgrund der Schutzpflichtfunktion der Grundrechte den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie die Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 3 GG beachten (st. Rspr. des Senats, vgl. - 6 AZR 129/03 - BAGE 111, 8; - 6 AZR 32/08 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bundesagentur für Arbeit Nr. 1; - 6 AZR 434/07 - Rn. 33, AP GG Art. 3 Nr. 321 = EzTöD 100 TVöD-AT § 2 Diskriminierung sexuelle Orientierung Nr. 1; - 6 AZR 966/08 - Rn. 26, AP GG Art. 3 Nr. 322 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 5 Abs. 2 Ortszuschlag Nr. 20). Deshalb ist im Ergebnis bei der Prüfung der Vereinbarkeit von Tarifregelungen mit Art. 3 Abs. 1 GG derselbe Maßstab anzulegen wie im Fall einer unmittelbaren Grundrechtsbindung (Senat - 6 AZR 129/03 - BAGE 111, 8, 14 ff.).

19a) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für alle Belastungen und ungleiche Begünstigungen (, 1 BvR 2464/07 - NJW 2010, 2783 mwN). Verboten ist damit auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall das Willkürverbot oder das Verbot verhältnismäßiger Gleichbehandlung verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (, 1 BvR 2464/07 - aaO).

20b) Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl.  - BVerfGE 107, 133, 141). Im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit von Tarifregelungen mit Art. 3 Abs. 1 GG ist der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie Rechnung zu tragen. Den Tarifvertragsparteien kommt in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie eine Einschätzungsprärogative zu. Sie sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen (st. Rspr. des Senats, vgl. - 6 AZR 180/09 - Rn. 12, PersR 2010, 482; - 6 AZR 966/08 - Rn. 26, AP GG Art. 3 Nr. 322 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 5 Abs. 2 Ortszuschlag Nr. 20; - 6 AZR 156/09 - Rn. 30, EzA GG Art. 3 Nr. 108; - 6 AZR 129/03 - BAGE 111, 8, 19 mwN).

212. Daran gemessen ist die Nichtberücksichtigung einer im maßgeblichen tariflichen Zeitraum erfolgten Lebensaltersstufensteigerung bei Beschäftigten nicht zu beanstanden, soweit sich die Gesamthöhe ihres Entgelts infolge der Überleitung in den TV-BA nicht verringert hat und sie unter der Geltung der bisherigen tariflichen Regelungen auch nach dem Erreichen der höheren Lebensaltersstufe ein niedrigeres Entgelt bezogen hätten als nach der Überleitung in den TV-BA (vgl. Senat - 6 AZR 32/08 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bundesagentur für Arbeit Nr. 1). Die Tarifvertragsparteien mussten bei der Regelung des individuellen Übergangsbetrags auch nicht erst nach dem jeweiligen Überleitungszeitpunkt erreichte höhere Lebensaltersstufen berücksichtigen. Wenn sie dies jedoch für angemessen gehalten haben, mussten sie die Grenzen ihrer autonomen Regelungsmacht beachten und durften Beschäftigte wie die Klägerin, für die die Überleitung in den TV-BA zwar nicht mit einer Verringerung des Entgelts verbunden war, denen jedoch nach der tariflichen Regelung nach der Überleitung ein niedrigeres Entgelt zusteht als das, das sie bei Berücksichtigung einer zwischen dem Überleitungszeitpunkt und dem erreichten Lebensaltersstufensteigerung erhalten hätten, von der Begünstigung nicht ausnehmen.

22a) Zwischen der von der Regelung in § 7 Abs. 10 Satz 1 TVÜ-BA erfassten Beschäftigtengruppe und der Gruppe der Beschäftigten, der die Klägerin angehört, bestehen im Hinblick auf den Zweck des individuellen Übergangsbetrags, den Besitzstand der Beschäftigten zu sichern und eine mit der Überleitung der Beschäftigten in den TV-BA verbundene Verringerung des Entgelts auszugleichen, keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Mit dem Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung ist es deshalb nicht zu vereinbaren, Beschäftigte ohne Anspruch auf einen individuellen Übergangsbetrag von der begünstigenden Regelung in § 7 Abs. 10 Satz 1 TVÜ-BA auch dann auszunehmen und ihnen damit die mit der Berücksichtigung der höheren Lebensaltersstufe verbundene Entgeltsteigerung vorzuenthalten, wenn ihnen im Vergleich zu dem Entgelt, auf das sie nach den bisherigen tariflichen Regelungen bei Berücksichtigung der erreichten Lebensaltersstufensteigerung Anspruch hatten und - wie die Klägerin - auch erhielten, nach der Überleitung in den TV-BA ein niedrigeres Entgelt zusteht.

23b) Allerdings dürfen Tarifvertragsparteien bei der Gruppenbildung generalisieren und typisieren. Sie können bestimmte in wesentlichen Elementen gleichgeartete Lebenssachverhalte normativ zusammenfassen und dabei Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, generalisierend vernachlässigen. Allerdings müssen die von ihnen vorgenommenen Verallgemeinerungen im Normzweck angelegt sein und dürfen diesem nicht widersprechen. Die bei einer solchen Typisierung entstehenden, unvermeidlichen Ungerechtigkeiten und Härten in einzelnen, besonders gelagerten Fällen, in denen die Interessenlage von der von den Tarifvertragsparteien als typisch angenommenen abweicht, sind hinzunehmen, wenn sie nicht besonders schwerwiegend und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl. Senat - 6 AZR 966/08 - Rn. 28, AP GG Art. 3 Nr. 322 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 5 Abs. 2 Ortszuschlag Nr. 20; - 6 AZR 287/07 - Rn. 26, AP TVÜ § 11 Nr. 2 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 11 Abs. 1 Nr. 13).

24c) Bei Anwendung dieser Grundsätze überschreitet die tarifliche Regelung in § 7 Abs. 10 Satz 1 TVÜ-BA die Grenzen zulässiger Typisierung. Sie führt nicht nur in atypischen, seltenen Ausnahmefällen zu erheblichen Nachtteilen für die ausgenommene Beschäftigtengruppe, der die Klägerin zuzuordnen ist.

25aa) Aus den in § 4 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-BA festgesetzten Überleitungszeitpunkten ergibt sich, dass bereits ein großer Teil der Beschäftigten in den ersten Monaten des Jahres 2005 in den TV-BA übergeleitet worden ist. Ausweislich der Personalstatistik im Geschäftsbericht 2006 der Beklagten (S. 87) wies ihr Haushaltsplan im Jahr 2005 76.483,50 Stellen für Plankräfte, davon 20.014 Stellen für Beamte aus. Dies rechtfertigt die Annahme, dass eine große Zahl der in einem Arbeitsverhältnis Beschäftigten nach ihrer Überleitung in den TV-BA bis zum eine höhere Lebensaltersstufe erreicht hat. Dies war bei allen Beschäftigten der Fall, deren Grundvergütung sich nach der bisherigen tariflichen Regelung nach Lebensaltersstufen bemessen hat, die noch nicht der höchsten Lebensaltersstufe zugeordnet waren und die im maßgeblichen Zeitraum ein Lebensjahr mit ungerader Zahl vollendeten.

26bb) Angesichts der großen Zahl der bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis Beschäftigten fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass sich infolge der Überleitung in den TV-BA bei nur sehr wenigen Beschäftigten das monatliche Entgelt im Vergleich mit ihrer Vergütung vor der Überleitung lediglich um 0,85 Euro brutto oder ähnlich geringfügig erhöht hat. Für das Gegenteil spricht schon, dass die als Fachassistentin für Arbeitnehmerleistungen SGB III beschäftigte Klägerin von den insgesamt acht Tätigkeitsebenen des neuen Vergütungssystems der Tätigkeitsebene V zugeordnet worden ist und die Beklagte im Bereich der Arbeitsförderung (SGB III) eine Vielzahl von Fachassistentinnen und Fachassistenten beschäftigt. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, dass es sich beim Fall der Klägerin um einen seltenen Ausnahmefall handelt.

27cc) Gemessen an der mit der Lebensaltersstufensteigerung verbundenen Entgelterhöhung von monatlich 37,16 Euro ist die mit der Überleitung in den TV-BA für die Klägerin verbundene Entgeltsteigerung von monatlich nur 0,85 Euro brutto keine einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ausschließende Kompensation. Die Entgeltsteigerung ist vielmehr im Vergleich zur vorenthaltenen Begünstigung unverhältnismäßig. Dies ist auch dann anzunehmen, wenn für Beschäftigte mit der Überleitung in den TV-BA eine ähnlich geringfügige Entgeltsteigerung wie für die Klägerin verbunden war. Ohne die Ausnahme der Gruppe der Beschäftigten, der die Klägerin angehört, hätte die Klägerin bis zur Erhöhung des Festgehalts durch das Aufsteigen in den Entwicklungsstufen ihrer Tätigkeitsebene (§ 9 Abs. 3 TVÜ-BA) und damit in den Monaten Januar 2006 bis Dezember 2008 jeweils ein um den Differenzbetrag von 36,31 Euro brutto höheres Entgelt erhalten. Die Benachteiligung iHv. insgesamt 1.307,16 Euro brutto kann bezogen auf den Regelungsbereich „Besitzstandswahrung“ und angesichts der Höhe des Gehalts der Klägerin nicht als marginale, unerhebliche Schlechterstellung vernachlässigt werden. Es trifft zwar zu, dass in den TV-BA übergeleitete Beschäftigte die nächsthöhere Entwicklungsstufe - ungeachtet einer nach Maßgabe des § 19 TV-BA möglichen Verkürzung oder Verlängerung von für das Erreichen von Entwicklungsstufen erforderlichen Zeiten - anders als die Klägerin nicht erst nach vier Jahren, sondern gemäß § 18 Abs. 6 TV-BA auch schon nach einem Jahr, zwei Jahren oder drei Jahren erreichen konnten mit der Folge der Verringerung oder des Wegfalls des individuellen Übergangsbetrags gemäß § 9 Abs. 3 TVÜ-BA. Auch dies rechtfertigt aber noch nicht die Annahme, dass eine der Benachteiligung der Klägerin vergleichbare Schlechterstellung nur in Ausnahmefällen eingetreten ist, zumal nach § 18 Abs. 6 TV-BA die Entwicklungsstufe 6 erst nach fünf Jahren einer ununterbrochenen Tätigkeit in der Entwicklungsstufe 5 erreicht wird und sich die Benachteiligung damit noch stärker auswirkt.

283. Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bewirkt, dass die Klägerin so zu stellen ist, als würde sie von der Regelung in § 7 Abs. 10 Satz 1 TVÜ-BA erfasst.

29a) Verstöße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG lösen bei Tarifverträgen und Gesetzen die gleichen Rechtsfolgen aus. Soweit den Tarifvertragsparteien ein Regelungsspielraum verbleibt, haben die Gerichte für Arbeitssachen dies zu respektieren. Eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches einer tariflichen Regelung ist daher nicht ohne weiteres möglich. Die gleichheitswidrig ausgenommenen Beschäftigten haben jedoch dann Anspruch auf die Vergünstigung, wenn die Tarifvertragsparteien nur auf diesem Weg dem Gleichheitssatz Rechnung tragen können oder wenn anzunehmen ist, dass sie bei Beachtung des Gleichheitssatzes alle zu berücksichtigenden Personen in die Vergünstigung einbezogen hätten (vgl. Senat - 6 AZR 966/08 - Rn. 43, AP GG Art. 3 Nr. 322 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 5 Abs. 2 Ortszuschlag Nr. 20; - 6 AZR 434/07 - Rn. 57, AP GG Art. 3 Nr. 321 = EzTöD 100 TVöD-AT § 2 Diskriminierung sexuelle Orientierung Nr. 1; - 6 AZR 287/07 - Rn. 36, AP TVÜ § 11 Nr. 2 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 11 Abs. 1 Nr. 13).

30b) Die Voraussetzungen einer Ausdehnung des Anwendungsbereiches einer tariflichen Regelung in § 7 Abs. 10 Satz 1 TVÜ-BA sind erfüllt. Der gleichheitswidrige Begünstigungsausschluss kann nur dadurch beseitigt werden, dass die Beschäftigtengruppe, der die Klägerin angehört, die ihr vorenthaltene Leistung erhält und sich ihr Entgelt damit unter Berücksichtigung einer eingetretenen Lebensaltersstufensteigerung nach Maßgabe des § 7 Abs. 10 Satz 1 TVÜ-BA erhöht. Aus Gründen des Vertrauensschutzes kann der von § 7 Abs. 10 Satz 1 TVÜ-BA erfassten Beschäftigtengruppe der erhöhte individuelle Übergangsbetrag nicht rückwirkend genommen werden (vgl. Senat - 6 AZR 156/09 - Rn. 54 mwN, EzA GG Art. 3 Nr. 108).

314. Die Zinsentscheidung beruht auf § 286 Abs. 1, §§ 288, 247 BGB iVm. § 26 Abs. 1 Satz 2 TV-BA.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Der Klägerin waren die Kosten aufzuerlegen, soweit sie die Klage teilweise zurückgenommen hat. Zur Ermittlung der Kostenquote war ein fiktiver, den gesamten Streitgegenstand abbildender Streitwert zu bilden. Dabei waren für jede Instanz bezogen auf den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung der von der Feststellungsklage umfasste, vergangenheitsbezogene Zeitraum einerseits und der zukunftsgerichtete Teil der Klage andererseits zu berücksichtigen (Senat - 6 AZR 174/09 - Rn. 26).

Fundstelle(n):
JAAAD-61598