BAG Urteil v. - 9 AZR 518/09

Konkurrentenklage - Mindestbeschäftigung - Berücksichtigung von befristeten Arbeitsverträgen

Leitsatz

Es ist mit dem Leistungsgrundsatz nach Art. 33 Abs. 2 GG unvereinbar, wenn der öffentliche Arbeitgeber bei der Entscheidung über die Besetzung von Beförderungsstellen Beschäftigungszeiten, die im Rahmen von befristeten Arbeitsverträgen zurückgelegt wurden, für die geforderte Mindestbeschäftigungsdauer nicht berücksichtigt.

Gesetze: Art 33 Abs 2 GG, § 4 Abs 2 TzBfG, § 19 TzBfG, § 17 Abs 1 BG NW, § 24 BG NW, § 25 BG NW, § 2 LbV NW 1973 vom , § 3 Abs 2 LbV NW 1973 vom , § 4 Abs 1 LbV NW 1973 vom , § 7 LbV NW 1973 vom , § 10 Abs 2 Buchst b LbV NW 1973 vom , § 12 LbV NW 1973 vom , § 39 Abs 4 LbV NW 1973 vom , § 50 Abs 1 LbV NW 1973 vom , § 52 LbV NW 1973 vom

Instanzenzug: ArbG Wuppertal Az: 3 Ca 2307/08 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 12 Sa 299/09 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Teilnahme der Klägerin am Beförderungsverfahren um eine Stelle der Entgeltgruppe 14 TV-L.

2Die 1960 geborene Klägerin absolvierte beide Staatsprüfungen für das Lehramt der Sekundarstufe II, Fächerkombination Deutsch/Geschichte. Sie war bei dem beklagten Land zunächst vom bis zum unbefristet in Vollzeit als Lehrerin an einer Gesamtschule beschäftigt. Nach einer Unterbrechungszeit arbeitete sie erneut ab dem als Lehrerin an einem Weiterbildungskolleg des beklagten Landes. Dabei war das Arbeitsverhältnis mit zwei aufeinanderfolgenden Verträgen vertretungsbedingt kalendermäßig befristet, zwischen dem und dem mit verringertem Stundendeputat von 19 Unterrichtsstunden sowie anschließend bis zum in Vollzeit. Seit dem ist das Arbeitsverhältnis unbefristet. Die Klägerin erhält die Vergütung nach der Entgeltgruppe 13 TV-L. Eine Übernahme in das Beamtenverhältnis zum war wegen Überschreitung der Höchstaltersgrenze nicht möglich.

3Nachdem die Schulleitung des B Kollegs im September 2007 bei der Bezirksregierung Düsseldorf die Beförderungsfähigkeit seiner Lehrkräfte erfragt und die Antwort erhalten hatte, dass ua. die Klägerin beförderungsfähig sei, bewarb sich diese - mit Schreiben vom , dem beklagten Land am zugegangen - auf eine von zwei ausgeschriebenen Stellen. Diese betreffen die Mitarbeit bei der Betreuung von Beratungs- und Fördermaßnahmen am B Kolleg in W (Besoldungsgruppe A 14 BBesO/LBesO bzw. Entgeltgruppe 14 TV-L) mit der laufbahnrechtlichen Voraussetzung „§ 10 LVO, analog Erfüller“.

Als Bewerbungsschluss war der angegeben. In den Hinweisen „zur Stellenausschreibung der Bezirksregierung Düsseldorf vom bis für Planstellen bzw. Stellen der Bes.-Gr. A 14 BBesO bzw. Entg.-Gr. 14 TV-L“ heißt es ua.:

5Am lehnte die Bezirksregierung Düsseldorf die Zulassung der Bewerbung mit der Begründung ab, die Klägerin erfülle nicht die nötigen laufbahnrechtlichen Anforderungen. Mit Schreiben vom erläuterte sie, es sei eine fiktive Laufbahnnachzeichnung vorzunehmen und eine einjährige Beförderungssperre zu beachten. Zu berücksichtigen sei nur die Beschäftigungszeit seit der letzten unbefristeten Einstellung ab . Auf der Grundlage dieses maßgeblichen Anstellungsbeginns sei trotz Verkürzung der dreijährigen Anwärterprobezeit wegen bestandener Laufbahnprüfung mit der Note „sehr gut“ und der weiteren Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten unter Berücksichtigung der einjährigen Mindestdauer die Beförderungsreife erst zum und damit nach Ausschreibungsende eingetreten. Die der Schulleitung erteilte anderslautende Auskunft beruhe auf einem Versehen.

6Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie habe ein Recht auf chancengleiche Teilnahme am Auswahlverfahren gemäß Art. 33 Abs. 2 GG. Die Bestenauslese dürfe bei Angestellten nicht unter laufbahnrechtlichen Anforderungen erfolgen, wie sie etwa nach der Verordnung über die Laufbahnen der Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen idF vom (GV NRW 1996, 1; im Folgenden: LVO NRW) allein auf Beamte zugeschnitten sei. Es sei auch fehlerhaft, befristete Einstellungen nicht mit Einstellungen im beamtenrechtlichen Sinn gleichzusetzen.

Die Klägerin hat beantragt,

8Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat gemeint, dass aus Gründen der Gleichbehandlung von angestellten und verbeamteten Bewerbern eine (fiktive) Laufbahnnachzeichnung nach der LVO NRW stattfinden müsse. Dies entspreche der Erlasslage bezüglich der Höhergruppierung von Angestellten. Mit Zeiten im Beamtenverhältnis seien allein unbefristete Beschäftigungen vergleichbar. Befristete Beschäftigungen gingen nämlich beiden Tätigkeitsformen in ähnlicher Weise voraus und würden bereits durch Bonifizierungen in der Ordnungsgruppe berücksichtigt, die neben der Fächerkombination für die spätere Verbeamtung maßgeblich sei. Zudem könnten befristete Beschäftigungen nach laufbahnrechtlichen Vorgaben im Rahmen der Probezeitanrechnung berücksichtigt werden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Das beklagte Land verfolgt seinen Klageabweisungsantrag im Revisionsverfahren weiter. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Parteien unstreitig gestellt, dass eine der beiden ausgeschriebenen Stellen immer noch nicht besetzt ist.

Gründe

10Die zulässige Revision des beklagten Landes ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes gegen das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klägerin durfte nicht vom Bewerbungsverfahren für die Besetzung der Beförderungsstelle ausgeschlossen werden.

11A. Die zulässige Klage ist begründet.

12I. Die Klage ist zulässig.

13Sie ist hinreichend bestimmt. Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Hiernach müssen der Streitgegenstand und der Umfang der gerichtlichen Prüfung und Entscheidungsfindung klar bezeichnet sein (vgl. Senat - 9 AZR 70/07 - Rn. 16, BAGE 126, 26). Im Konkurrentenstreitverfahren genügt das Begehren, das Auswahlverfahren um ein öffentliches Amt unter „Einbeziehung“ oder „Berücksichtigung“ der klagenden Partei ohne bestimmte Einstellungs- oder Beförderungshindernisse vorzunehmen (vgl. Senat - 9 AZR 537/03 - zu A der Gründe, BAGE 112, 13; - 9 AZR 410/00 - zu I der Gründe, BAGE 99, 67). Das Vollstreckungsgericht kann bei einem solchen Antrag anhand des Urteilsspruchs und der zur Auslegung heranzuziehenden Gründe beurteilen, ob der in Streit stehenden Leistungspflicht iSd. § 888 ZPO genügt wurde (vgl. Senat - 9 AZR 410/00 - zu I der Gründe, aaO). Hinsichtlich der von der Klägerin erstrebten Einbeziehung in das Auswahlverfahren gilt das gleichermaßen. Es kann im Vollstreckungsweg nachvollzogen werden, ob eine Berücksichtigung wegen Erfüllung der fiktiven laufbahnrechtlichen Beförderungsvoraussetzungen stattfand.

14II. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klägerin hat entgegen der Auffassung des beklagten Landes gemäß Art. 33 Abs. 2 GG Anspruch auf Teilnahme am Bewerbungsverfahren für die noch zu besetzende Stelle. Zudem verstößt die Handhabung des beklagten Landes, befristete Beschäftigungen laufbahnrechtlich nicht zu berücksichtigen, gegen § 4 Abs. 2 Satz 3 TzBfG.

151. Die Klägerin hat gemäß Art. 33 Abs. 2 GG Anspruch auf Teilnahme am fortbestehenden Bewerbungsverfahren.

16a) Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Jede Bewerbung muss nach diesen Kriterien beurteilt werden (Senat - 9 AZR 445/96 - Rn. 22, BAGE 87, 165). Öffentliche Ämter in diesem Sinne sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch solche Stellen, die von Arbeitnehmern besetzt werden können (Senat - 9 AZR 70/07 - Rn. 23, BAGE 126, 26; - 9 AZR 672/06 - Rn. 19, BAGE 124, 80). Verfassungsrechtlich ist ebenso der Zugang zu Beförderungsämtern geschützt (vgl. Senat - 9 AZR 277/08 - Rn. 15, BAGE 130, 107). Beamte und Angestellte haben nach Art. 33 Abs. 2 GG bei der Besetzung von Ämtern des öffentlichen Dienstes den grundrechtsgleichen Anspruch auf sachgerechte und zeitnahe Entscheidung über ihre Bewerbung. Dabei folgt aus der Festlegung der Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung in Art. 33 Abs. 2 GG ein subjektives Recht jedes Bewerbers auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren ( - 9 AZR 537/03 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 112, 13). Erweist sich die vom öffentlichen Arbeitgeber getroffene Auswahlentscheidung vor dem Hintergrund dieser Kriterien als rechtsfehlerhaft und ist die ausgeschriebene Stelle nicht schon besetzt oder das Auswahlverfahren rechtmäßig abgebrochen, kann die Wiederholung der Auswahlentscheidung unter Beachtung der gerichtlichen Vorgaben verlangt werden (vgl. Senat - 9 AZR 277/08 - Rn. 15, 17, BAGE 130, 107).

17b) Das vorliegende Bewerbungsverfahren unterfällt dem Schutzbereich des Art. 33 Abs. 2 GG. Die zu besetzende Stelle ist ein öffentliches Amt gemäß Art. 33 Abs. 2 GG. Das Verfahren betrifft ein Beförderungsamt in Gestalt der Mitarbeit bei der Betreuung von Beratungs- und Fördermaßnahmen am B Kolleg, bemessen nach der Besoldungsgruppe A 14/Entgeltgruppe 14 TV-L. Das Kolleg wird von dem beklagten Land als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts betrieben.

18c) Die von dem beklagten Land getroffene Entscheidung, die Klägerin vom Auswahlverfahren auszuschließen, widerspricht dem Leistungsgrundsatz aus Art. 33 Abs. 2 GG und verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung aus § 4 Abs. 2 Satz 3 TzBfG.

19aa) Grundsätzlich steht es dem öffentlichen Arbeitgeber frei, für die geschaffenen Stellen ein Anforderungsprofil aufzustellen, dessen Erfüllung Voraussetzung für die Teilnahme am Bewerbungsverfahren ist. Durch die Bestimmung eines Anforderungsprofils für einen Dienstposten legt der Dienstherr die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest. Anhand dieses Anforderungsprofils hat er dann festzustellen, welcher Bewerber diesem am besten entspricht. Die rechtlichen Anforderungen an den öffentlichen Arbeitgeber entsprechen denen, die er als Dienstherr anzuwenden hat, wenn sich (auch) Beamte um eine Stelle bewerben ( - zu B I 1 der Gründe, BAGE 112, 13). Es ist auch zulässig, dass der öffentliche Arbeitgeber in seinem Anforderungsprofil für eine Stelle eine Mindestbeschäftigungsdauer für Bewerber fordert. Dies steht dann mit Art. 33 Abs. 2 GG im Einklang, wenn es zB einer sachgerechten Anwendung des Leistungsgrundsatzes dient. Die Wartezeit, die mit dem Erfordernis einer Mindestbeschäftigungszeit zwangsläufig verbunden ist, muss geeignet und erforderlich sein, um eine zuverlässige Beurteilung des Leistungsvermögens und eine fundierte Prognose über die voraussichtliche Bewährung des Bewerbers in einem höheren Amt zu ermöglichen (Senat - 9 AZR 142/04 - zu III 2 b aa der Gründe, BAGE 114, 80).

20bb) Das beklagte Land beruft sich vorliegend allein auf die nach seiner Auffassung gemäß Art. 33 Abs. 2 GG gebotene „völlige Gleichstellung“ zwischen tarifbeschäftigten und verbeamteten Bewerbern. Es kann vorliegend dahinstehen, ob die einjährige Mindestprobezeit des § 39 Abs. 4 LVO NRW und die weitere einjährige Beförderungssperre gemäß § 25 Abs. 2 Landesbeamtengesetz NRW idF vom (LBG NRW aF) iVm. § 10 Abs. 2 Buchst. b LVO NRW im Hinblick auf den Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG überhaupt zulässig sind (vgl. zur Zulässigkeit  2 C 23.03 - zu 1 und 2 der Gründe, BVerwGE 122, 147); denn die Klägerin hat diese Wartezeiten zurückgelegt. Entgegen der Auffassung des beklagen Landes ist nicht nur die Zeit der unbefristeten Beschäftigung ab dem , sondern auch die Zeit der befristeten Beschäftigung vom bis zum auf die Erfüllung der Mindestprobezeit anzurechnen. Damit hat die Klägerin die verkürzte einjährige Mindestprobezeit am und die sich daran anschließende Wartezeit der weiteren einjährigen Beförderungssperre am erfüllt. Die in den Hinweisen zur Stellenausschreibung unter Nr. 5 zum Stichtag verlangten Voraussetzungen für die Bewerbung lagen somit vor.

21(1) Die vom beklagten Land vorgenommene Gleichstellung von angestellten mit verbeamteten Bewerbern verkennt die rechtlichen Besonderheiten dieser unterschiedlichen Rechtsverhältnisse. Im Beamtenverhältnis gibt es keine vergleichbaren befristeten Beschäftigungsverhältnisse. Indem das beklagte Land befristete Beschäftigungen von Angestellten für die Erfüllung der Laufbahnvoraussetzungen vollständig unberücksichtigt lässt, legt sie für angestellte Bewerber weniger günstige Anforderungen zugrunde. Das steht im Widerspruch zu dem in Art. 33 Abs. 2 GG enthaltenen Gebot des gleichen Zugangs zum Amt für Angestellte und Beamte. Darin liegt eine Ungleichbehandlung zulasten der angestellten Bewerber.

22 (2) Das beklagte Land zeigt keinen Grund auf, warum gerade im Übergang vom befristeten zum unbefristeten Beschäftigungsverhältnis ein punktuelles Ereignis liegen sollte, das im Hinblick auf Eignung, Befähigung und fachliche Leistung von Bedeutung ist. Die vom beklagten Land gesetzte Erlasslage bezieht unterschiedslos alle „vom BAT erfassten“ Arbeitsverhältnisse von Lehrerinnen und Lehrern in die „Richtlinien für die dienstliche Beurteilung“ ein (RdErl. des Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder vom - 122-1 -15026/02 - BASS 21-02 Nr. 2, Ziff. 6.2). Die Differenzierung ist auch nicht mit dem Gesichtspunkt der laufbahnrechtlich verankerten Kontinuität zu rechtfertigen. Das Laufbahnrecht strukturiert den beruflichen Werdegang allein vor dem Hintergrund fortlaufend bekleidbarer Ämter, die im kontinuierlichen Karriereverlauf nach Stadien der Einstellung, Anstellung, Beförderung, des Aufstiegs und des Wechsels von Laufbahnen unterschieden sind (vgl. §§ 2, 12 LVO NRW). Berufsperspektivische Unterschiede, wie sie für Angestellte in befristeten und unbefristeten Arbeitsverhältnissen bestehen, kennt das beamtenbezogene Laufbahnrecht hingegen nicht. Indem das beklagte Land die beamtenrechtlich selbstverständliche Kontinuität bei Angestellten in Phasen befristeter und unbefristeter Anstellung aufteilt, vermengt es die angestellten- und beamtenrechtlichen Berufsverläufe und überzeichnet damit zugleich den fiktiven beruflichen Werdegang der Angestellten.

23(3) Soweit das beklagte Land davon ausgeht, dass bei einer fiktiven Laufbahnnachzeichnung grundsätzlich nur Beamte und (kalendermäßig) unbefristet Beschäftigte einander gegenübergestellt werden dürften, misst es der befristeten Beschäftigung im Rahmen der Bestenauslese den Wert eines zusätzlichen Differenzierungskriteriums bei. Das ist nicht sachgerecht.

24(a) Allein deshalb, weil eine Tätigkeit im (kalendermäßig) befristeten und nicht im unbefristeten Arbeitsverhältnis ausgeführt wird, ist sie nicht automatisch im Hinblick auf die Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung schlechter oder weniger aussagekräftig. Die vom Befristungsrecht ausgehenden Besonderheiten sind gemäß § 620 Abs. 1 und 3 BGB iVm. § 15 TzBfG im Wesentlichen solche des Bestands- und nicht des Inhaltsschutzes. Die konkreten Beschäftigungsbedingungen richten sich nach der Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts, das für befristet Beschäftigte jedoch nicht grundlos anders gehandhabt werden kann als für unbefristet Beschäftigte (§ 4 Abs. 2 TzBfG; vgl. APS/Preis 3. Aufl. § 4 TzBfG Rn. 5). Das gilt umgekehrt auch für den Anspruch des Arbeitnehmers auf vertragsgerechte Beschäftigung. Das beklagte Land sieht das letztlich nicht anders. So wird der Klägerin die Anrechnung vorangegangener befristeter Beschäftigungszeiten im Rahmen von § 52 und § 7 LVO NRW eröffnet. Das setzt nach § 39 Abs. 3 LVO NRW voraus, dass die Tätigkeit „nach Art und Bedeutung mindestens der Tätigkeit in einem Amt der Laufbahn entsprochen hat“. Abweichendes dürfte auch nicht bei typisierender Betrachtung der vom Landesarbeitsgericht nicht einzeln festgestellten Beschäftigungsinhalte folgen. Die Lehrtätigkeit der Klägerin fand im befristeten wie im unbefristeten Arbeitsverhältnis im Eingangsamt der Lehrerlaufbahn nach § 50 Abs. 1 Nr. 9 LVO NRW (Sekundarstufe II) statt und vermittelte typischerweise ein gleichförmiges Erfahrungswissen durch Unterrichtsplanung, Unterrichtsgestaltung, fachliche Fundierung des Unterrichts, allgemeines Interaktionsverhalten, Wertevermittlung und Hinwirken auf die vorgegebenen Erziehungsziele (vgl. zu diesem Beschäftigungsinhalt im Rahmen fiktiver Lehrerlaufbahnnachzeichnungen  - zu A II 2 b cc der Gründe, BAGE 105, 329). Ein Unterschied zu Lehrkräften im unbefristeten Anstellungsverhältnis besteht insoweit nicht.

25(b) Der Vorhalt einer zeitweiligen Befristung der Beschäftigung wird auch nicht dadurch sachlich gerechtfertigt, dass die Erlasslage eine Erfüllung der für entsprechende Lehrkräfte im Beamtenverhältnis bestehenden notwendigen Voraussetzungen für eine Beförderung verlangt (vgl. Ziff. 5.1 Var. 2, Ziff. 6.1 Var. 2, Ziff. 7.1 Var. 2 RdErl. des Kultusministeriums vom „Eingruppierung der im Tarifbeschäftigungsverhältnis beschäftigten Lehrerinnen und Lehrer an allgemeinbildenden Schulen und Berufskollegs mit den fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen zur Übernahme in das Beamtenverhältnis“, GABl. NRW 1982 S. 5, BASS 21-21 Nr. 52 - sog. Erfüllererlass - … bzw. Ziff. 2.2 Satz 1 4. Spiegelstrich sowie Ziff. 5.1 RdErl. des Kultusministeriums vom „Richtlinien zur Stellenausschreibung“, GABl. NRW I S. 138, BASS 11-12 Nr. 1). Für die Auslegung ministerieller Erlasse ist der Wille des Hoheitsträgers entscheidend, der sich aus dem Erlass samt der zugehörigen Schriftstücke ergibt, wobei nicht am buchstäblichen Sinn einzelner Begriffe zu haften, sondern auf den systematischen und teleologischen Zusammenhang abzustellen ist (vgl.  - Rn. 27, AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 103; - 10 AZR 568/99 - zu II B 2 a cc der Gründe, ZTR 2001, 226; - 4 AZR 40/90 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 149; - 4 AZR 302/89 - ZTR 1990, 26). Die Erfüllung laufbahnrechtlicher Erfordernisse kann vom Erlassgeber für angestellte Lehrkräfte schon deshalb nicht im buchstäblichen Sinn des § 10 Abs. 2 LVO NRW gemeint sein, weil angestellte Lehrkräfte keine „Anstellung“ iSv. § 24 LBG NRW aF und § 3 Abs. 2 LVO NRW erfahren und auch kein „Amt“ im statusrechtlichen Sinn gemäß § 17 Abs. 1 LBG NRW aF bzw. § 4 Abs. 1 LVO NRW bekleiden. Bei sinn- und zweckentsprechender Auslegung sowie systematischer Betrachtung zielt das Erfordernis der Erfüllung laufbahnrechtlicher Voraussetzungen vielmehr auf eine Parallelisierung der Werdegänge verbeamteter und nicht verbeamteter Beförderungsbewerber, die ein gleichförmiges Gefüge von Vergütungs- und Besoldungsgruppen nach Höhe und Abfolge sicherstellen wollen (vgl. Ziff. 1 bis 7 des sog. Erfüllererlasses bzw. Ziff. 5.2 der „Richtlinien zur Stellenausschreibung“). Eine unterschiedliche Behandlung von befristeten und unbefristeten Beschäftigungszeiten rechtfertigt das schon deshalb nicht, weil diese beiden Beschäftigungsformen allein im Anstellungsverhältnis vorkommen. Zudem spielt auch die etwaige Verfügbarkeit von Planstellen während der Beschäftigung im Eingangsamt erlassrechtlich keine Rolle, denn der sog. Erfüllererlass setzt die Verfügbarkeit von entsprechenden Planstellen nur für den zu besetzenden Beförderungsdienstposten voraus. Sie hat für die Bewertung von Vordienstzeiten im Eingangsamt bzw. der Eingangstätigkeit keine Bedeutung (vgl. Ziff. 5.1 Var. 2, Ziff. 6.1 Var. 2, Ziff. 7.1 Var. 2). Im Übrigen lassen die Differenzierungsmerkmale des Art. 33 Abs. 2 GG (Eignung, Befähigung, fachliche Leistung) keinen unterscheidenden Rückgriff auf fiskalische oder schulpolitische Gesichtspunkte zu, aufgrund derer länger- bzw. kürzerfristige Budgetierungen für durchgehend ausgeübte Beschäftigungen bestanden.

26(c) Entgegen der Ansicht des beklagten Landes folgt aus der vollständigen Einbeziehung befristeter Beschäftigungszeiten in die fiktive Laufbahnnachzeichnung auch keine Besserstellung angestellter Beförderungsbewerber. Beamten- und Anstellungsverhältnisse gehören unterschiedlichen Ordnungs- und Regelungsbereichen an, die eine vollständige Gleichbehandlung ausschließen (vgl. näher Senat - 9 AZR 209/05 - zu II 5 der Gründe, AP BAT § 50 Nr. 18). Wie bereits dargelegt, gibt es für Beamte keine befristeten Arbeitsverhältnissen entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten.

27(d) Entgegen der Ansicht der Revision folgt aus einer herangezogenen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm nichts anderes. Sie betraf eine andere Rechtsfrage. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat lediglich angenommen, der öffentliche Arbeitgeber dürfe den Bewerberkreis auf Beamte auf Lebenszeit und auf unbefristet angestellte Lehrkräfte beschränken. Der befristet beschäftigte Bewerber könne keine Neueinstellung beanspruchen, die der Organisationsentscheidung des Staats über die beschränkte Zahl der Stellen/Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst entgegenstehe ( - 11 Sa 2/07 - zu 2 der Gründe). Die Klägerin dagegen war zum Zeitpunkt ihrer Bewerbung unbefristet beim beklagten Land beschäftigt.

282. Das beklagte Land verstößt zudem gegen das Schlechterstellungsverbot des § 4 Abs. 2 Satz 3 TzBfG, indem es bei seiner Laufbahnnachzeichnung befristete Beschäftigungszeiten gänzlich ausschließt. Wäre die Klägerin bereits ab dem nicht erst befristet, sondern schon unbefristet beschäftigt gewesen, hätte das beklagte Land sie am Bewerbungsverfahren teilnehmen lassen. Das gesetzliche Schlechterstellungsverbot dient gerade dem Schutz des beruflichen Fortkommens befristet Beschäftigter. Das kommt besonders durch § 19 TzBfG zum Ausdruck. Danach ist dem Arbeitgeber sogar ausdrücklich die Pflicht auferlegt, die berufliche Entwicklung befristet beschäftigter Arbeitnehmer zu fördern. Diese Pflichtenstellung lässt nur unter sachlichen Gründe Ausnahmen zu (vgl. BT-Drucks. 14/4374 S. 13, 21; DFL/Schüren 3. Aufl. § 4 TzBfG Rn. 24, § 19 TzBfG Rn. 1; KR/Bader 9. Aufl. § 19 TzBfG Rn. 1, 4). Solche sind hier weder dargelegt noch erkennbar. Der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 4 TzBfG führt zur uneingeschränkten Anwendung der die Klägerin begünstigenden Regelung (vgl. zu § 4 Abs. 1 TzBfG  - zu II 4 der Gründe, BAGE 108, 17).

293. Dem Bewerbungsverfahrensanspruch der Klägerin stehen keine weiteren Einwände entgegen. Die Beklagte hat die begehrte Stelle noch nicht abschließend besetzt. Das Bewerbungsverfahren ist auch nicht zulässigerweise abgebrochen. Die Klägerin hatte ihre Bewerbung auch fristgerecht am bei dem beklagten Land eingereicht und damit - entgegen der Mutmaßung der Revision - die Bewerbungsfrist gewahrt. Es bedarf mithin keiner weiteren Erörterung, ob und inwieweit die bei der Besetzung öffentlicher Ämter gesetzten Bewerbungsfristen als materielle Ausschlussfristen gelten.

304. Bei der gebotenen Laufbahnnachzeichnung ergibt sich - unter Berücksichtigung der gesamten Beschäftigungszeit der Klägerin im Lehrerverhältnis für die Sekundarstufe II bei dem beklagten Land - eine kontinuierliche Laufbahn seit Aufnahme der Beschäftigung am . Entsprechend den Annahmen des beklagten Landes konnte aufgrund der hervorragenden Laufbahnprüfung der Klägerin eine Verkürzung der Probezeit auf bis zu 18 Monate (§ 52 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Buchst. a iVm. § 50 Abs. 1 Nr. 9, § 39 Abs. 2 Satz 2 LVO NRW) und unter Anrechnung der zwischen 1999 und 2002 im gleichen Laufbahnamt erbrachten Vorbeschäftigungszeiten eine Verkürzung der Probezeit auf ein Jahr eintreten (§ 52 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Buchst. a iVm. § 39 Abs. 3 LVO NRW). Die zunächst mit 19/22 erbrachte Teilzeitbeschäftigung (vgl. zum Stundendeputat von 22 Unterrichtsstunden an Weiterbildungskollegs § 2 Abs. 1 Nr. 9 der VO vom zu § 93 Abs. 2 SchulG, GV NRW S. 218, BASS 11-11 Nr. 1) blieb laufbahnrechtlich unschädlich (§ 7 Abs. 5 LVO NRW). Mit der anschließenden einjährigen Beförderungssperre (§ 25 Abs. 2 LBG NRW aF; § 10 Abs. 2 Buchst. b LVO NRW) war ab eine Beförderungsmöglichkeit eröffnet (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Die Klägerin war mithin bei Ablauf der Ausschreibungsfrist am beförderungsfähig und durfte somit von dem beklagten Land nicht ausgeschlossen werden.

B. Das beklagte Land hat die Kosten seiner erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
NJW 2011 S. 8 Nr. 9
NJW 2011 S. 953 Nr. 13
QAAAD-61587