BAG Urteil v. - 3 AZR 107/08

Unterstützungskasse - Rückdeckungsversicherung - Insolvenz des Arbeitgebers

Gesetze: § 80 Abs 1 InsO, § 47 InsO, § 103 InsO, § 1 BetrAVG

Instanzenzug: Az: 6 Ca 626/04 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Az: 12 Sa 10/06 Urteil

Tatbestand

1Der klagende Insolvenzverwalter und der Beklagte als Unterstützungskasse streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, aufgelaufene Rückkaufswerte aus einer von ihm zur kongruenten Rückdeckung von Altersversorgungsleistungen abgeschlossenen Versicherung an die Insolvenzmasse auszukehren.

2Der Beklagte ist eine Gruppenunterstützungskasse, über die verschiedene Unternehmen ihre betriebliche Altersversorgung abwickeln. Er schließt zur Rückdeckung seiner Leistungen Versicherungen ab. Die Trägerunternehmen sind Mitglieder des Beklagten.

Die Satzung des Beklagten lautet auszugsweise:

4Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der R GmbH (künftig: Insolvenzschuldnerin). Die Insolvenz wurde mit Beschluss vom eröffnet.

Die Insolvenzschuldnerin war am im Wege der Umwandlung aus der Produktionsgenossenschaft des Handwerks „B“ (künftig: PGH) hervorgegangen. 15 Mitglieder der PGH erklärten im Vorfeld der Umwandlung am :

Die Mitglieder schlossen im Zuge der Umwandlung Arbeitsverträge mit der Insolvenzschuldnerin ab. Diese wurde beim Beklagten als Trägerunternehmen Mitglied, um ihren Arbeitnehmern, ua. den ehemaligen Mitgliedern der PGH, eine betriebliche Altersversorgung zu verschaffen. Dazu schloss sie mit dem Beklagten am 11./ einen „Leistungsplan“. Dieser lautet auszugsweise:

7Unter dem erklärte die Insolvenzschuldnerin gegenüber dem Beklagten, der Anteil der Arbeitnehmer am unteilbaren Fonds sei nicht als Gesellschaftsanteil in die GmbH eingebracht worden, sondern werde in der Bilanz als Verbindlichkeit behandelt.

Durch den Nachtrag I vom 8./ zum Leistungsplan wurde Ziff. 5 letzter Absatz des ursprünglichen Leistungsplans wie folgt geändert:

9Aufgrund der von der Insolvenzschuldnerin nach dem Leistungsplan an den Beklagten entrichteten Zahlungen belief sich der Rückkaufswert der seitens des Beklagten abgeschlossenen Rückdeckungsversicherung am auf 80.454,24 Euro.

10Die Arbeitsverhältnisse der früheren PGH-Mitglieder endeten zum Teil vor Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens; im Übrigen kündigte die spätere Insolvenzschuldnerin mit Zustimmung des Klägers als vorläufigem Insolvenzverwalter die Arbeitsverhältnisse teils zum , teils zum .

Unter dem richtete der Kläger an die Arbeitnehmer Schreiben folgenden Inhalts:

12Zumindest neun Arbeitnehmer widersprachen den Widerrufserklärungen. Der Kläger unterrichtete den Beklagten unter dem über die Widerrufe und verlangte die Auszahlung des Rückkaufswerts iHv. 80.454,24 Euro an die Masse. Dies lehnte der Beklagte ab.

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Auskehrung des Rückkaufswerts weiter verfolgt. Er hat zuletzt beantragt,

14Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht sie abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger den zuletzt gestellten Sachantrag weiter. Der Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

16Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht der Berufung stattgegeben und unter Abänderung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Auskehrung des Rückkaufswerts der Versicherung, mit dem die Anwartschaften auf Altersversorgung der ehemaligen Mitglieder der PGH und späteren Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin vom Beklagten rückgedeckt wurden.

171. Der Insolvenzschuldnerin standen keine Rechte an dem Rückkaufswert zu, in die der Kläger als Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 InsO durch Übernahme der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über deren Vermögen hätte eintreten können.

18a) Bei dem von der Insolvenzschuldnerin gewählten Durchführungsweg für die Altersversorgung ihrer Arbeitnehmer über eine Unterstützungskasse handelt es sich um einen externen Durchführungsweg. Dabei ist zwischen dem Rechtsverhältnis des Arbeitgebers zu seinem Arbeitnehmer (Versorgungsverhältnis, Valutaverhältnis) einerseits und dem Rechtsverhältnis des Arbeitgebers zum Versorgungsträger (Deckungsverhältnis) andererseits zu unterscheiden. Was der Arbeitgeber im Deckungsverhältnis kann, weicht möglicherweise von dem ab, was er im Versorgungsverhältnis darf. In der Insolvenz des Arbeitgebers hat die Unterscheidung zur Folge, dass der Verwalter die Rechte des Arbeitgebers gegenüber dem Versorgungsträger ausüben kann, ohne dass dadurch Aussonderungsrechte des Arbeitnehmers nach § 47 InsO entstehen (vgl. insgesamt für den insoweit gleichgelagerten Fall der Direktversicherung zur betrieblichen Altersversorgung:  - Rn. 14, 17 ff., ZIP 2010, 1915). Das schließt nicht aus, dass Rechtspositionen aus dem Versorgungsverhältnis auch für das Deckungsverhältnis Bedeutung erlangen können, sei es kraft vertraglicher Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Versorgungsträger (dazu  - Rn. 14, NZA-RR 2008, 32) oder kraft Gesetzes. Das wirkt sich entsprechend in der Insolvenz aus.

19b) Im Deckungsverhältnis zwischen der Insolvenzschuldnerin und dem Beklagten gibt es keine Rechtsgrundlage, aufgrund derer die Insolvenzschuldnerin und damit der Kläger eine Auskehrung des Rückkaufswerts der Rückdeckungsversicherungen verlangen können.

20aa) Der Insolvenzschuldnerin standen keine vertraglichen Rechte an der Rückdeckungsversicherung zu.

21Aus dem sowohl für das Deckungsverhältnis als auch für das Versorgungsverhältnis maßgeblichen Leistungsplan vom 11./ ergibt sich kein Anspruch der Insolvenzschuldnerin auf Auskehrung des Rückkaufswerts. Die Insolvenzschuldnerin hatte für die Altersversorgung ihrer Arbeitnehmer keine Direktversicherung abgeschlossen, sondern den Beklagten als Unterstützungskasse mit der Durchführung der Altersversorgung beauftragt. Versicherungsnehmer der von ihm abgeschlossenen Rückdeckungsversicherung ist der Beklagte. Deshalb ist er und nicht die Insolvenzschuldnerin berechtigt, die Rechte als Versicherungsnehmer aus der Versicherung wahrzunehmen. Dies ist in Ziff. 7 des Leistungsplans vom 11./ auch ausdrücklich festgelegt. Die Insolvenzschuldnerin konnte daher weder die Bezugsberechtigung aus der Versicherung widerrufen noch die Versicherung kündigen. Diese Rechte stehen allein dem Beklagten zu. Auch aus der in Ziff. 6 des Leistungsplans vorgesehenen „Freiwilligkeit“ der Leistungen folgt keine vertragliche Berechtigung oder Verpflichtung des Beklagten, Leistungen statt an die Versorgungsberechtigten an das Trägerunternehmen zu erbringen.

22bb) Ein mitgliedschaftsrechtlicher Anspruch der Insolvenzschuldnerin nach der Satzung des Beklagten auf Auszahlung des Rückkaufswerts ist ebenfalls nicht gegeben.

23Nach der Satzung erfolgen - mit Ausnahme solcher Zuwendungen, die ein Trägerunternehmen als Mitglied irrtümlich geleistet hat (§ 13 Abs. 3 der Satzung) - keine Rückflüsse. Selbst bei einer Beendigung der Mitgliedschaft des Trägerunternehmens oder wenn Leistungen an Leistungsanwärter oder -empfänger vom Beklagten nicht mehr zu erbringen sind, kommen die von dem Mitglied geleisteten Beiträge nicht dem Mitglied zugute, sondern werden für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke verwandt (§ 4 Abs. 3 iVm. § 19 Abs. 1 Buchst. b der Satzung).

24cc) Ein Anspruch der Insolvenzschuldnerin auf Auszahlung des Rückkaufswerts, in den der Kläger eingetreten wäre, ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), sofern es sich bei der durchgeführten Altersversorgung - wie der Kläger meint - nicht um betriebliche Altersversorgung iSd. Betriebsrentengesetzes handeln sollte. Selbst wenn dies zuträfe, wäre den Beteiligten ein Festhalten an den getroffenen Vereinbarungen nicht unzumutbar.

25Sollte die Versorgung nicht „aus Anlass“ des Arbeitsverhältnisses oder der „Tätigkeit für ein Unternehmen“ zugesagt worden sein, wie es § 1 Abs. 1 Satz 1, § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG verlangen (vgl. dazu nur  - Rn. 27, 36 ff., EzA BetrAVG § 7 Nr. 75), weil die Versorgungszusagen den früheren PGH-Mitgliedern und späteren Arbeitnehmern im Zusammenhang mit ihrem Anteil am unteilbaren Fonds der PGH (dazu im Einzelnen:  - ZIP 1996, 1682) erteilt wurden, könnten sich weder die Insolvenzschuldnerin noch der Beklagte von den getroffenen Vereinbarungen lösen. Denn sie haben beide in Kenntnis des Umstands, dass der Anteil am unteilbaren Fonds in der Bilanz der Insolvenzschuldnerin als Verbindlichkeit ausgewiesen wurde, zugunsten der begünstigten Arbeitnehmer die Durchführung einer Altersversorgung geregelt. Sie sind daher verpflichtet, die Versorgung so durchzuführen, als läge betriebliche Altersversorgung vor, auch wenn möglicherweise die Vorschriften des Betriebsrentengesetzes keine Anwendung finden sollten.

26dd) Schließlich ist ein Anspruch nicht nach den Grundsätzen über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung wegen Wegfalls des Rechtsgrunds für die von der Insolvenzschuldnerin geleisteten Beitragszahlungen oder wegen Zweckverfehlung (§ 812 Abs. 1 Satz 2 BGB) entstanden, weil der Kläger die Versorgungszusage gegenüber den ehemaligen PGH-Mitgliedern und späteren Arbeitnehmern wirksam widerrufen hätte und deshalb eine Abwicklung der Versorgungsverhältnisse über den Beklagten ausschiede. Der vom Kläger ausgesprochene Widerruf der Versorgungszusage hat keine Wirkung entfaltet.

27Eine Widerrufsmöglichkeit ergibt sich allenfalls aus dem in Ziff. 6 des Leistungsplans vorgesehenen Freiwilligkeitsvorbehalt. Es handelt sich dabei um den bei Unterstützungskassen üblichen Vorbehalt, der in der betrieblichen Altersversorgung lediglich dazu berechtigt, die Leistungszusage aus sachlichen Gründen zu widerrufen (vgl. nur  - Rn. 24, BAGE 123, 307). Ein sachlicher Grund könnte hier allenfalls in der wirtschaftlichen Notlage der Insolvenzschuldnerin liegen. Der Widerruf einer Versorgungszusage wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten kommt aber nur insoweit und solange überhaupt in Betracht, wie eine Sanierung geplant ist und die Sanierungsmaßnahmen nicht gescheitert sind ( - AP BetrAVG § 7 Widerruf Nr. 1). Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Der Kläger hat den Betrieb der Insolvenzschuldnerin stillgelegt. Die vom Kläger beabsichtigte Nutzung des Rückkaufswerts zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger rechtfertigt den Widerruf der Versorgungszusagen nicht. Gegenüber den Insolvenzgläubigern brauchen die Arbeitnehmer keine Beschneidung ihrer bereits erworbenen Rechte hinzunehmen ( - zu III 1 der Gründe, aaO).

28Sollten die Versorgungszusagen als betriebliche Altersversorgung iSd. Betriebsrentengesetzes anzusehen sein, erscheint es zudem nicht ausgeschlossen, dass unter Einbeziehung der Tätigkeit für die PGH (dazu:  - Rn. 37 ff., EzA BetrAVG § 7 Nr. 75) die Versorgungsanwartschaften nach § 30f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 iVm. § 1b Abs. 1 BetrAVG gesetzlich unverfallbar sind. Hinsichtlich gesetzlich unverfallbarer Anwartschaften ist ein Widerruf der Versorgungszusage wegen wirtschaftlicher Notlage von vornherein unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt ausgeschlossen (vgl.  - Rn. 26 ff. mwN, EzA BetrAVG § 7 Nr. 74).

29ee) Sollten die Arbeitnehmer keine unverfallbaren Anwartschaften nach § 30f Abs. 1, § 1b Abs. 1 BetrAVG erworben haben, wäre der Rechtsgrund für die Beitragszahlungen ebenfalls nicht nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB entfallen. Nach Ziff. 5 Satz 4 des Leistungsplans ist die Versorgung in Höhe der beitragsfreien Versicherungssumme aus der Rückdeckungsversicherung, die sich nach dem Geschäftsplan des Rückdeckungsversicherers zum Zeitpunkt des Ausscheidens ergibt, unverfallbar. In diesem Umfang steht den Arbeitnehmern gegenüber dem Beklagten im Versorgungsfall ein Leistungsanspruch zu.

302. Weitergehendes folgt nicht aus § 103 InsO. Nach dieser Vorschrift kann der Insolvenzverwalter bei gegenseitigen Verträgen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner oder dem anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt sind, die Erfüllung des Vertrags verlangen oder ablehnen. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum Erlöschen von Erfüllungsansprüchen aus gegenseitigen Verträgen im Sinne einer materiell-rechtlichen Umgestaltung führt. Erfüllungsansprüche des Vertragspartners des Insolvenzschuldners verlieren lediglich ihre Durchsetzbarkeit, soweit sie nicht auf die anteilige Gegenleistung für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen gerichtet sind. Vertragliche Vereinbarungen bleiben deshalb im Grundsatz wirksam und sind lediglich in das System der Insolvenzordnung einzubeziehen (vgl. grundlegend:  - BGHZ 150, 353). Damit entfällt auch die Möglichkeit, den für die Vergangenheit bereits abgewickelten Teil einer Vertragsbeziehung rückgängig zu machen. So kann bei einer Direktversicherung der Versicherungsvertrag nicht anders als durch Kündigung beendet werden ( - Rn. 18, ZIP 2010, 2260). Entsprechendes gilt, soweit im Deckungsverhältnis zwischen dem insolvent gewordenen Arbeitgeber und einer Unterstützungskasse bereits durch Beitragsleistung die Voraussetzungen einer Leistungserbringung der Unterstützungskasse geschaffen worden sind.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BB 2011 S. 435 Nr. 7
DB 2011 S. 424 Nr. 7
HAAAD-60887