BFH Urteil v. - IX R 48/07 BStBl 2011 II S. 345

Zur Frage der Rückwirkung von § 11 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 52 Abs. 30 Satz 1 EStG

Leitsatz

Werden im Jahr 2005 aufgrund eines nach dem zustande gekommenen Kaufvertrags über ein Wohnungserbbaurecht Erbbauzinsen in einer Summe für die gesamte Laufzeit des Erbbaurechts im Voraus geleistet, so liegt in der Anwendung des § 11 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 52 Abs. 30 Satz 1 EStG keine Rückwirkung (Abgrenzung zum ).

Gesetze: EStG § 11 Abs. 2 Satz 3EStG § 21 Abs. 1EStG § 52 Abs. 30 Satz 1

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

1Die Beteiligten streiten darüber, ob im Streitjahr (2005) für 99 Jahre im Voraus geleistete Erbbauzinsen insgesamt im Streitjahr als Werbungskosten abziehbar sind.

2Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bot mit notarieller Urkunde vom als Käufer der Verkäuferin an, einen Kaufvertrag über ein Wohnungserbbaurecht verbunden mit dem Sondereigentum an einer vermieteten Wohnung mit einer Laufzeit von 99 Jahren abzuschließen. Mit notariellem Vertrag vom nahm die Verkäuferin das Angebot an. Ein Betrag von insgesamt 38.296 € sollte zur Abgeltung aller Erbbauzinsansprüche für die Gesamtlaufzeit des Erbbaurechts dienen und wurde zusammen mit dem Kaufpreis im Streitjahr bezahlt. Zum 1. Juli des Streitjahres gingen Besitz, Nutzungen und Lasten über.

3Im Rahmen seiner Veranlagung zur Einkommensteuer für das Streitjahr machte der Kläger den für 99 Jahre im Voraus gezahlten Erbbauzins von 38.296 € bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten geltend. Demgegenüber berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) nach § 11 Abs. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG) nur den auf das Streitjahr anteilig entfallenden Teil (also 1/99 der Vorauszahlung für sechs Monate = 194 €) der Erbbauzinsen als Werbungskosten.

4Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 115 veröffentlichten Urteil vertrat es die Auffassung, die durch § 52 Abs. 30 EStG angeordnete Geltung des § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG im Streitjahr sei verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

5Hiergegen richtet sich die Revision, die der Kläger auf die Verletzung von § 11 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 52 Abs. 30 EStG stützt. Es liege ein verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der Rückwirkung unzulässiger Eingriff in einen abgeschlossenen, der Vergangenheit angehörenden Sachverhalt vor.

6Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und in Abänderung der angefochtenen Entscheidungen bei dem Kläger im Streitjahr bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zusätzliche Werbungskosten von 38.102 € zu berücksichtigen und die Einkommensteuer 2005 entsprechend herabzusetzen,

und regt überdies an,

die Sache dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorzulegen.

7Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8Es sieht in § 52 Abs. 30 EStG keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung.

9Der Senat hat im Einverständnis beider Beteiligter das Verfahren durch Beschluss vom bis zur Entscheidung des BVerfG über die Vorlage des (BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284) ruhen lassen und das Verfahren mit Beschluss vom wieder aufgenommen.

II.

10Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung zurückzuweisen. Das FG hat zutreffend die in einem Betrag vorausgezahlten Erbbauzinsen in Höhe von 38.296 € auf den gesamten Zeitraum des Erbbaurechts (99 Jahre) verteilt und insoweit lediglich anteilige 194 € als Werbungskosten bei den Einkünften aus der Vermietung der Wohnung berücksichtigt.

111. Werden Ausgaben für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren im Voraus geleistet, sind sie gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig zu verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird. So verhält es sich im Streitfall: Erbbauzinsen sind als Entgelt für die regelmäßig wiederkehrende Leistung des Grundstückseigentümers Ausgaben für die Nutzungsüberlassung (vgl. die ständige Rechtsprechung, , BFHE 203, 355, BStBl II 2005, 159, und vom IX R 17/04, BFHE 215, 139, BStBl II 2007, 112) und deshalb —wie es das FA getan hat— auf den Zeitraum von 99 Jahren gleichmäßig zu verteilen.

12Diese Rechtslage gilt nach § 52 Abs. 30 Satz 1 EStG im Hinblick auf Erbbauzinsen, die —wie im Streitfall— nach dem geleistet wurden.

132. § 11 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 52 Abs. 30 EStG, also i.d.F. des Richtlinien-Umsetzungsgesetzes vom (BGBl I 2004, 3310), das am verkündet wurde, führt im Streitfall nicht zu einer verfassungsrechtlich zu beanstandenden Rückwirkung (vgl. dazu eingehend den Vorlagebeschluss des Senats vom heutigen Tage in der Sache IX R 70/07): Denn im Streitfall wirken die Normen schon gar nicht zurück. Es fehlt insoweit an einem bereits vor der Verkündung des Gesetzes ins Werk gesetzten Sachverhalt, an den die Norm (hier § 11 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 52 Abs. 30 Satz 1 EStG) tatbestandlich anknüpft. Der Kläger leistete die Erbbauzinsen im Voraus lange nach Verkündung des Gesetzes erst im Streitjahr. Auch der Kaufvertrag kam erst nach der Verkündung des Gesetzes zustande. Vor der Verkündung des Gesetzes am hatte der Kläger den Kauf lediglich angeboten. Erst nach der Verkündung des Gesetzes kam dann eine Vereinbarung durch Annahme dieses Angebots am zustande. Nur daran knüpft das Gesetz an. Denn lediglich aufgrund dieses Kaufvertrags hat der Kläger im Streitjahr die Erbbauzinsen in einer Summe im Voraus geleistet.

14Selbst wenn man allerdings bereits auf den Zeitpunkt abstellte, in dem der Kläger sein (nur nach Maßgabe von Absatz B. der notariellen Urkunde bindendes) Vertragsangebot abgegeben hat, wäre sein Vertrauen nicht schutzwürdig, eine schonende Übergangsregelung mithin nicht geboten. Seine Disposition läge zeitlich weit hinter der Einbringung der Neuregelung in den Deutschen Bundestag (s. den Vorlagebeschluss des erkennenden Senats vom heutigen Tage in der Sache IX R 70/07, unter B. I.: am ) und rechtfertigte —i.V.m. der Zahlung erst im Streitjahr— keinen Vertrauensschutz (vgl. dazu eingehend , 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06, BGBl I 2010, 1297 —Leitsatz—, BFH/NV 2010, 1968 Rz 73 ff.).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BStBl 2011 II Seite 345
BB 2011 S. 278 Nr. 5
BFH/NV 2011 S. 494 Nr. 3
BFH/PR 2011 S. 128 Nr. 4
BStBl II 2011 S. 345 Nr. 6
DB 2011 S. 272 Nr. 5
DStR 2011 S. 168 Nr. 4
DStRE 2011 S. 255 Nr. 4
DStZ 2011 S. 142 Nr. 5
EStB 2011 S. 56 Nr. 2
FR 2011 S. 529 Nr. 11
HFR 2011 S. 279 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 5/2011 S. 338
StB 2011 S. 57 Nr. 3
StBW 2011 S. 101 Nr. 3
WPg 2011 S. 487 Nr. 10
UAAAD-60313