BVerwG Beschluss v. - 2 B 34/10

Rückforderung von Bezügen; Verjährungsbeginn des Rückforderungsanspruchs; Kenntnis des Dienstherrn

Gesetze: § 12 Abs 2 S 1 BBesG, § 199 Abs 1 BGB

Instanzenzug: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Az: 1 Bf 225/09 Urteil

Gründe

1Die auf die Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

21. Der Kläger, ein Polizeioberkommissar, erhielt, obwohl er mit Wirkung vom aus dem Schichtdienst im Polizeikommissariat 35 herausgenommen worden war, weiterhin die Wechselschichtzulage, und zwar bis zum . Erst am fertigte das Polizeikommissariat 35 eine Veränderungsanzeige über die Beendigung der Wechselschicht und sandte diese an die Landespolizeiverwaltung der Beklagten. Mit Bescheid vom forderte die Landespolizeiverwaltung die überzahlte Wechselschichtzulage zurück. Klage und Berufung blieben erfolglos.

32.a) Der Kläger hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, wer im Behördenaufbau für den Verjährungsbeginn des Rückforderungsanspruchs nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangen muss oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Insoweit weist er darauf hin, dass die Beklagte ein Stadtstaat sei und es sich bei dem Kommissariat und der Landespolizeiverwaltung um einen Teil derselben (Polizei-)Verwaltung handele.

4Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf ( BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18; stRspr). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

5Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger (Dienstherr) von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners (Beamter) Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB). Bei Behörden oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften ist hierzu auf die Kenntnis des zuständigen Bediensteten der verfügungsberechtigten Behörde abzustellen; verfügungsberechtigt in diesem Sinne sind dabei solche Behörden, denen die Entscheidungskompetenz für den Rückforderungsanspruch zukommt, wobei die behördliche Zuständigkeitsverteilung zu respektieren ist (vgl. BVerwG 2 B 24.09 - Juris Rn. 6 m.w.N.). Von diesen Rechtssätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Die sich hieran anschließende und mit der Grundsatzrüge aufgeworfene Frage, wer im Einzelnen im Behördenaufbau der jeweiligen Verwaltung für den Rückforderungsanspruch zuständig ist, ist eine Frage des Einzelfalls und nicht von grundsätzlicher Bedeutung.

6b) Außerdem sieht es der Kläger als grundsätzlich klärungsbedürftig an, ob der Beklagten ein Organisationsverschulden vorzuwerfen ist, weil sie es unterlassen hat, Kontrollmechanismen einzubauen, damit die für die Rückforderung von Bezügen zuständige Stelle rechtzeitig Kenntnis vom Wegfall der Voraussetzungen für die Gewährung der Schichtzulage erhält. Auch diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht, weil es sich abermals um eine Frage des Einzelfalls handelt.

7Die Frage, ob nach der Einführung des Maßstabes der grob fahrlässigen Unkenntnis in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB dieses Tatbestandsmerkmal dann zu bejahen ist, wenn bei einer Behörde ein Informationsaustausch über verjährungsrelevante Fragen zwischen einzelnen Abteilungen nicht erfolgt ist, ist zwar verallgemeinerungsfähig, würde sich jedoch in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass grob fahrlässige Unkenntnis auch dann zu bejahen wäre, wenn bei der Behörde ein solcher Informationsaustausch über verjährungsrelevante Fragen zwischen einzelnen Abteilungen nicht erfolgt ist. Es hat aber dann im Rahmen einer Einzelfallwürdigung angenommen, die Personaldienststelle könne davon ausgehen, dass Veränderungsanzeigen bei den Dienststellen gefertigt und ihr zugeleitet werden und fehlerfrei sind. Die Personaldienststelle müsse nicht ohne besonderen Anlass davon ausgehen, dass dies nicht der Fall sei. Es sei nicht grob fahrlässig, wenn sie allein wegen der in einer Massenverwaltung immer gegebenen Möglichkeit eines Fehlers davon abgesehen habe, ein aufwändiges Kontrollverfahren einzuführen.

8Der Kläger verweist in diesem Zusammenhang auf das - (Juris Rn. 19 m.w.N. zur Rechtsprechung des BGH) und meint, es stelle sich die Frage, warum kein Abgleich zwischen den verschiedenen Stellen innerhalb der Polizei stattgefunden habe. Diese, zudem einzelfallbezogene, Frage würde sich aber ebenfalls in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts findet ein regelmäßiger Informationsaustausch durch Veränderungsanzeigen der Kommissariate an die Personaldienststelle statt. Aus diesem Grunde hielt das Berufungsgericht ein zusätzliches Kontrollverfahren für überflüssig und meinte, ein aufwändiges Kontrollverfahren müsse nicht eingeführt werden, nur um die im Rahmen einer Massenverwaltung immer wieder gegebene Möglichkeit gelegentlich auftretender Fehler auszuschalten. Auch das Bundessozialgericht (a.a.O.) hat in dem von der Beschwerde benannten Urteil lediglich einen Informationsaustausch für erforderlich gehalten, aber hierfür nicht etwa ein bestimmtes Verfahren vorgegeben, sondern ausgeführt, dass jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation sicherzustellen habe, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden könnten. Der deshalb notwendige interne Informationsaustausch könne von unten nach oben, aber auch horizontal erfolgen und bedinge entsprechende organisatorische Maßnahmen. Nur dann, wenn es an derartigen organisatorischen Maßnahmen fehle, müsse sich die Organisation das Wissen einzelner Mitarbeiter - auf welcher Ebene auch immer diese angesiedelt seien - zurechnen lassen.

9Soweit der Kläger ausführt, es sei der Polizeiverwaltung bekannt, dass Polizeivollzugsbeamte im Alter zwischen 40 und 45 Jahren angesprochen würden, ob sie wegen der gesundheitlichen Belastungen weiter im Schichtdienst verbleiben wollen, so dass die Personaldienststelle mit Blick auf das ihr bekannte Lebensalter des Klägers hätte nachfragen müssen, geht seine Beschwerde von einem Sachverhalt aus, den das Berufungsgericht nicht festgestellt hat.

Fundstelle(n):
BAAAD-60247