Mögliche Fehlinterpretation der Einlassung von Beteiligten begründet weder einen Verfahrensmangel noch einen schwerwiegenden Rechtsfehler; Forderungsverzicht gegen Besserungsschein als Gestaltungsmittel zur Sanierung von Unternehmen
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 96 Abs. 1 Satz 1
Instanzenzug:
Gründe
1 Die Beschwerde ist —bei Zweifeln an ihrer Zulässigkeit— jedenfalls unbegründet.
2 1. Der Einwand des Beklagten und Beschwerdeführers (Finanzamt —FA—), die angefochtene Entscheidung beruhe auf fehlerhaften Tatsachenfeststellungen, weil das Finanzgericht (FG) unzutreffend davon ausgegangen sei, dass die Gesellschafterin der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) zugleich Arbeitnehmerin der B-GmbH gewesen sei, begründet keinen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das FA macht damit im Streitfall nur materielle Rechtsfehler geltend, die nach dem abschließenden Katalog des § 115 Abs. 2 FGO nicht zu einer Zulassung der Revision führen können (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom VI B 132/09, juris, und vom VIII B 83/09, juris, jeweils m.w.N.). Denn auch nach Aktenlage ist lediglich ersichtlich, dass das FG die in den Urteilsgründen erwähnte Einlassung der ausweislich des Protokolls in der mündlichen Verhandlung erschienenen Gesellschafterin der Klägerin möglicherweise falsch interpretiert hat, soweit es um deren vom FA bestrittene Arbeitnehmerstellung ging. Verfahrensfehlerhaft wäre indes nur, wenn das FG seiner Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 FGO nicht nachgekommen wäre oder Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) unberücksichtigt gelassen hätte (vgl. z.B. , BFH/NV 2005, 2230). Derartige Fehler hat jedoch das FA allein mit seinem Vorwurf einer fehlerhaften Tatsachenfeststellung und -würdigung nicht schlüssig vorgetragen.
3 2. Auch ein schwerwiegender Rechtsfehler, der die Rechtsanwendung durch das FG als objektiv willkürlich erscheinen ließe und deshalb ausnahmsweise die Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO gebieten würde (vgl. z.B. , juris), liegt allein wegen einer möglichen Fehlinterpretation der Einlassung von Beteiligten —die Klägerin hatte sich offenkundig Ausführungen ihrer Gesellschafterin zu eigen gemacht— in der mündlichen Verhandlung nicht vor. Gleiches gilt für den Vorwurf des FA, das FG habe sich auf den Erfahrungsschatz der Richterschaft gestützt. Dieser Einwand betrifft die Ausführungen des FG, bei einem Forderungsverzicht gegen Besserungsschein handele es sich um ein verbreitetes Gestaltungsmittel insbesondere zur Sanierung von Unternehmen; diese Auffassung ist indes nicht abwegig (vgl. zum Darlehensverzicht mit Besserungsschein z.B. Neu in GmbH-Handbuch, Rz III 2671 ff.) und indiziert deshalb auch keine willkürliche Rechtsanwendung.
4 3. Soweit sich das FA gegen die Würdigung des FG wendet, dass das FG ausgehend von den insbesondere im (BFHE 184, 63, BStBl II 1998, 652) ausgeführten Rechtsgrundsätzen unter den im Streitfall festgestellten Umständen eine Veranlassung des streitbefangenen Sanierungszuschusses durch das Gesellschaftsverhältnis des Beigeladenen zu der B-GmbH und damit eine verdeckte Einlage in das Vermögen der B-GmbH verneint und statt dessen eine Veranlassung des Sanierungszuschusses im Betrieb der Klägerin bejaht hat, rechtfertigt dies ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Die Bestimmung des jeweils maßgeblichen Veranlassungszusammenhangs richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Wird —wie hier— eine fehlerhafte Tatsachenwürdigung des FG gerügt, wird ebenfalls ein materiell-rechtlicher Fehler der Vorentscheidung geltend gemacht (vgl. z.B. , BFH/NV 2010, 1654), der —wie oben ausgeführt— nicht zur Zulassung der Revision führt. Eine Divergenz, auf die sich das FA unter Behauptung eines schweren Rechtsfehlers des FG beruft, zeigt die angefochtene Entscheidung auch insoweit nicht auf. Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung erfordert eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO dann, wenn das Urteil des FG auf einem so schwerwiegenden Fehler beruht, dass sein Fortbestand das Vertrauen in die Rechtsprechung beschädigen könnte. Das ist nur der Fall, wenn das Urteil unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist und sich deshalb der Schluss aufdrängt, dass es auf sachfremden Erwägungen beruht (z.B. BFH-Beschlüsse vom III B 33/08, Zeitschrift für Steuern und Recht 2009, R 866, und vom I B 43/04, BFH/NV 2005, 707, m.w.N.). Es erweist sich indes nicht in diesem Sinne als sachfremd, dass das FG als maßgeblich erachtet hat, ob die Rechtsgrundlage des streitbefangenen Sanierungszuschusses im Gesellschaftsverhältnis des Beigeladenen zur B-GmbH oder im Betrieb der Klägerin zu suchen ist (vgl. hierzu auch BFH-Urteil in BFHE 184, 63, BStBl II 1998, 652, unter B.I.1.a der Gründe). Sachfremd sind die Erwägungen des FG auch nicht schon deshalb, weil das FA die Würdigung des FG nicht für schlüssig hält oder den in der Urteilsbegründung nicht besonders erörterten Umstand, dass im Streitfall —zwischen den Beteiligten unstreitig— eine Betriebsaufspaltung vorgelegen hat, nur in seinem Sinne bewerten will.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 439 Nr. 3
JAAAD-59917