Strafverfahren: Mehrfache Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
Gesetze: § 55 Abs 2 StGB, § 64 StGB, § 67f StGB
Instanzenzug: LG Wuppertal Az: 30 KLs 36/09 Urteilvorgehend LG Wuppertal Az: 30 KLs 36/09 Urteil
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung mehrerer Freiheitsstrafen aus anderen Urteilen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, die in einer Vorverurteilung angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aufrechterhalten, die Maßregel nach § 64 StGB erneut angeordnet und einen Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe von drei Monaten festgesetzt. Die hiergegen gerichtete, auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2Während die Nachprüfung des Urteils zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht hat, hält die (erneute) Maßregelanordnung nach § 64 StGB rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass bei dem Angeklagten die Voraussetzungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auch zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch vorliegen. Es hat deshalb zutreffend die im Urteil des Landgerichts Wuppertal vom angeordnete und im Urteil des Landgerichts Düsseldorf nach § 55 Abs. 2 StGB aufrechterhaltene Maßregel erneut aufrechterhalten. Für eine zusätzliche Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bestand indes kein Raum, weil die jetzt abgeurteilte Tat vor der früheren, die Maßregel anordnenden Verurteilung des Angeklagten begangen wurde. In diesem Fall haben die Grundsätze der nachträglichen Gesamtstrafenbildung Vorrang vor der Regelung des § 67f StGB (st. Rspr.; , BGHSt 30, 305; Beschluss vom - 2 StR 401/91; Urteil vom - 4 StR 287/97, BGHR StGB § 64 Anordnung 4).
4Für seine gegenteilige Entscheidung hat sich das Landgericht auf den , NStZ 1992, 432) bezogen. Der Bundesgerichtshof hat darin ausgesprochen, die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sei bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 64 StGB "auch dann zwingend" anzuordnen, "wenn die Maßregel schon in einem früheren Verfahren angeordnet worden ist". Dieser Entscheidung lag indes gerade kein Fall einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung zugrunde. Im Übrigen ist diese Rechtsprechung, soweit sie eine "zwingende Anordnung" verlangt (ebenso , BGHR StGB § 64 Anordnung 4; Urteil vom - 3 StR 313/01; Beschluss vom - 3 StR 305/06, NStZ-RR 2007, 38), durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom (BGBl. I S. 1327) ohnehin überholt, da seither die Maßregelanordnung im Ermessen des Gerichts steht. Sie hat nur noch Bedeutung für die Fälle, in denen das Gericht unter Ausübung seines Ermessens die Maßregel anordnet.
5Die vom Landgericht neu angeordnete Maßregel hatte deshalb zu entfallen. Gleiches gilt für die vom Landgericht getroffene Entscheidung über einen teilweisen Vorwegvollzug der Gesamtfreiheitsstrafe. Diese ist vorliegend ohne praktische Bedeutung, da sich der Angeklagte bereits mehr als die zur Vorwegvollstreckung bestimmten drei Monate in Untersuchungshaft befunden hat. Der Senat braucht deshalb nicht zu entscheiden, wie in Fällen zu verfahren wäre, in denen nachträglich eine so hohe Gesamtfreiheitsstrafe gebildet wird, dass eine nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB bemessene, am Halbstrafenzeitpunkt orientierte Anordnung des Vorwegvollzugs zu einer Herausnahme des Angeklagten aus dem Maßregelvollzug führen müsste. Er neigt dazu, darin eine der Konstellationen zu sehen, in denen entgegen der Regel des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB auf eine Entscheidung über einen Vorwegvollzug verzichtet werden kann.
Becker Pfister von Lienen
Sost-Scheible Hubert
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
RAAAD-59398