BFH Beschluss v. - V R 2/09

Berichtigung bei ähnlicher offenbarer Unrichtigkeit im Sinne des § 107 FGO

Leitsatz

"Ähnliche" offenbare Unrichtigkeiten im Sinne des § 107 FGO sind Erklärungsmängel, die zu dem Erklärungswillen des Gerichts erkennbar im Widerspruch stehen; sie sind "offenbar", wenn sie augenfällig auf der Hand liegen, durchschaubar und eindeutig sind (BFH-Beschluss v. - - V B 84/02).
Die Berichtigung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG richtet sich nach dem materiellen Umsatzsteuerrecht des Zeitpunkts, in dem der Umsatz getätigt wurde ( BStBl 2006 I S. 477 Rz 26).
Die Urteilsformel kann auch hinsichtlich der Kosten berichtigt werden.

Gesetze: FGO § 107, FGO § 136 Abs. 1, UStG § 17, UStG § 12 Abs. 1

Instanzenzug:

Gründe

1I. Mit Urteil vom V R 2/09 hat der Senat entschieden, dass die Zahlung der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) in Höhe von 605.000 € an die Beigeladene zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage für den 1987 erfolgten Verkauf eines Grundstücks an die Beigeladene führt. Im Tenor hat der Senat den bezifferten Antrag der Klägerin auf Herabsetzung der Steuer auf . € übernommen in der irrtümlichen Annahme, die Klägerin habe den zutreffenden Steuersatz für die Berichtigung der Bemessungsgrundlage für den 1987 ausgeführten Umsatz (14 %) und nicht —wie geschehen— einen Steuersatz von 15 % zugrunde gelegt.

2Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) beantragt eine Berichtigung des Urteils dahingehend, dass die Umsatzsteuer auf . € festgesetzt wird. Da der Verkauf des Grundstücks in 1987 erfolgte, sei die Umsatzsteuer aus dem Bruttobetrag von 605.000 € mit dem damals geltenden Steuersatz von 14 % herauszurechnen. Die Beigeladene tritt dem Antrag bei. Nach Auffassung der Klägerin liegen die Voraussetzungen des § 107 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht vor.

3II. Der Antrag des FA auf Urteilsberichtigung ist begründet.

41. Nach § 107 Abs. 1 FGO sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit vom Gericht zu berichtigen. Als Berichtigungsgegenstand erfasst § 107 FGO alle Bestandteile des Urteils. „Ähnliche” offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 107 FGO sind Erklärungsmängel, die zu dem Erklärungswillen des Gerichts erkennbar im Widerspruch stehen; sie sind „offenbar”, wenn sie augenfällig auf der Hand liegen, durchschaubar und eindeutig sind (vgl. , V K 1/05, BFH/NV 2005, 2218).

52. Nach diesen Grundsätzen liegen im Streitfall die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Urteilstenors vor. Die Minderung der Bemessungsgrundlage wurde in offenbar unrichtiger Weise mit 15 % statt 14 % berücksichtigt.

6a) Die zur Änderung der Bemessungsgrundlage führende Zahlung von 605.000 € erfolgte zwar im Streitjahr 2004, der steuerpflichtige Verkauf des Grundstücks geschah jedoch bereits im Jahre 1987. Der Regelsteuersatz des § 12 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes betrug seinerzeit 14 %. Es liegt auf der Hand, dass sich die „Berichtigung” der Bemessungsgrundlage nach dem materiellen Umsatzsteuerrecht des Zeitpunkts richtete, in dem der Umsatz getätigt wurde (1987) und daher mit 14 % zu berücksichtigen war (vgl. z.B. Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 207 Rz 211; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 17 Rz 76; Schlosser-Zeuner in Bunjes/Geist, Umsatzsteuergesetz, 9. Aufl., § 17 Rz 55; , BStBl I 2006, 477 Rz 26). Dementsprechend bestand auch über die Höhe des anzuwendenden Steuersatzes zwischen den Beteiligten kein Streit. Die von der Klägerin vermisste Diskrepanz zwischen erklärtem und gewolltem Urteilsinhalt liegt darin, dass der Senat der Klage auf Berichtigung der Bemessungsgrundlage entsprechen wollte und dabei offensichtlich unzutreffend davon ausging, dass dies mit der von der Klägerin beantragten Herabsetzung der Umsatzsteuer 2004 auf . € erfolgt sei.

7b) Aus dem Bruttobetrag von 605.000 € ist die zu berichtigende Umsatzsteuer somit nicht mit 15 % (78.913 €), sondern mit 74.298 € herauszurechnen. Zuzüglich unstrittiger Vorsteuern von . € ergibt sich damit eine Herabsetzung der Umsatzsteuer 2004 auf . €.

83. Die Berichtigung der Umsatzsteuerfestsetzung führt zu einer Folgeänderung hinsichtlich der Kostenentscheidung. Diese beruht nunmehr auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Da die Klägerin eine Herabsetzung der Umsatzsteuer 2004 auf . € beantragt hatte, ist sie in Höhe von 4.614 € unterlegen. Bei einem Streitwert von 78.913 € und einer Unterliegensquote von ca. 6 % ist die Klägerin nicht i.S. von § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO „nur zu einem geringen Teil” unterlegen. Die Urteilsformel kann auch hinsichtlich der Kosten berichtigt werden (z.B. , juris).

94. Der Tenor des Urteils wird daher mit der Maßgabe berichtigt, dass

die Umsatzsteuer 2004 unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheids vom auf . € festgesetzt wird und

die Kosten des Verfahrens der Beklagte zu 94 % und die Klägerin zu 6 % zu tragen haben.

105. Die Kostenfreiheit der Entscheidung ergibt sich aus ihrer Zugehörigkeit zur abgeschlossenen Instanz (, BFH/NV 1987, 786).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 302 Nr. 2
HFR 2011 S. 464 Nr. 4
PAAAD-58781