BGH Beschluss v. - 1 StR 57/10

Tötung Unbeteiligter in Italien im Zweiten Weltkrieg als Rache für einen Partisanenangriff

Leitsatz

Zur Tötung von Unbeteiligten in Italien im Zweiten Weltkrieg als Rache für einen Partisanenangriff .

Gesetze: § 211 Abs 2 StGB, Art 54 SDÜREO, Art 50 EUGrdRCh, Art 52 Abs 2 EUGrdRCh

Instanzenzug: LG München I Az: 1 Ks 115 Js 10394/07 Urteil

Gründe

I.

1Die Strafkammer hat festgestellt:

2Die zur Heeresgruppe C zählende, vom 1918 geborenen Angeklagten geführte 1. Kompanie des Gebirgspionierbataillons 818 sollte am nahe dem Weiler Falzone di Cortona (Toskana) eine von Partisanen wegen ihrer Bedeutung für den Rückzug der deutschen Truppen gesprengte Brücke reparieren. Zwei Soldaten, die im Auftrag des Angeklagten Fahrzeuge zum Transport beschaffen sollten, wurden dabei in einem Hinterhalt von Partisanen erschossen, ein dritter wurde verletzt. Da sich die Partisanen nach dem Anschlag auf die Soldaten abgesetzt hatten, beschloss der Angeklagte aus Wut und Rachsucht eine Vergeltungsaktion gegen die männliche Zivilbevölkerung der Gegend. Zunächst meldete er den Vorfall dem Bataillonskommandeur und regte die von ihm geplante Maßnahme gegen die italienischen Zivilisten an, die der Bataillonskommandeur entsprechend dem Wunsch des Angeklagten anordnete und außerdem durch ein Flakgeschütz und Sprengstoff logistisch unterstützte. Am nächsten Tag befahl der Angeklagte, alle in der Gegend erreichbaren männlichen Zivilisten festzunehmen. Am Ende waren dies neun Männer, von denen der älteste 67 Jahre alt war, und zwei Jugendliche von 15 und 16 Jahren. Keiner war der Beteiligung an dem Anschlag oder überhaupt der Unterstützung von Partisanen verdächtig. Sie wurden in einem Haus eingeschlossen.

3Zwar hatten einige Angst, erschossen zu werden, andere gingen jedoch davon aus, mit dem Leben davon zu kommen und nach Deutschland in ein Konzentrationslager gebracht zu werden, um dort zu arbeiten. Das Haus wurde alsbald in Anwesenheit und auf Befehl des Angeklagten gesprengt. Danach wurde ebenfalls auf seinen Befehl mit Maschinengewehren in die Trümmer geschossen, um noch lebende Opfer zu töten. Am Ende überlebte nur der schwer verletzte 15-jährige. Nach der Reparatur der Brücke verließ die Kompanie am die Region.

4Auf dieser Grundlage wurde der Angeklagte wegen zehnfachen Mordes und versuchten Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Seine Revision macht Verfahrenshindernisse geltend und erhebt Verfahrensrügen sowie die näher ausgeführte Sachrüge. Sie bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).

II.

5Verfahrenshindernisse bestehen nicht. Weder ist das Verbot der Doppelbestrafung („ne bis in idem“) verletzt (1.), noch ist die Tat verjährt (2.).

61. Allerdings wurde der Angeklagte bereits in Abwesenheit durch Urteil des Militärgerichts La Spezia (Italien) vom , rechtskräftig seit dem , wegen dieser Tat zu lebenslanger Haft verurteilt.

7a) Das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens - SDÜ - (ABl. EG 2000 L 239/219) ist hier nicht verletzt. Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung, die grundsätzlich auch Abwesenheitsurteile erfasst (, NStZ 2009, 454), setzt voraus, dass die in dem Urteil vom verhängte Strafe entweder bereits vollstreckt worden ist oder gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaates (hier: Italien) nicht mehr vollstreckt werden kann. All dies ist nicht der Fall. Die gegen den Angeklagten in Italien verhängte Freiheitsstrafe ist und wird nicht vollstreckt. Sie könnte aber, wie auch die zuständige italienische Behörde der Strafkammer bestätigt hat, nach italienischem Recht vollstreckt werden.

8b) Nichts anderes als für Art. 54 SDÜ gilt für das mit Art. 54 SDÜ praktisch identische Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der EG über das Verbot der Doppelbestrafung, das zwar noch nicht umfassend in Kraft getreten ist, aber sowohl von der Bundesrepublik als auch von Italien bereits angewendet wird (vgl. hierzu , BGHSt 46, 307, 309; Schomburg, StV 1999, 246, 247 <Anm. zu BGH aaO 244>; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., Einl. Rn. 177b).

9c) Der Senat hat erwogen, ob das Urteil vom etwa im Blick auf eine mögliche Auslieferung des Angeklagten nach Italien oder eine mögliche Vollstreckung dieses Urteils in Deutschland ein Verfahrenshindernis begründen könnte (vgl. ). Dies war jedoch zu verneinen.

10(1) Italien hat bisher keinen Antrag auf Auslieferung des Angeklagten gestellt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich dies ändern könnte, bestehen nicht. Zwingend ausgeschlossen ist ein solcher Antrag aber auch nicht. Die (theoretische) Möglichkeit, dass ein nicht gestellter Antrag doch noch gestellt wird, führt nicht dazu, dass rechtliche Konsequenzen, die ein solcher Antrag im Falle seines Erfolges hätte, ein Verfahrenshindernis begründen würden. Im Übrigen wäre eine Auslieferung des Angeklagten zum Zwecke der Strafvollstreckung nur mit seiner Zustimmung möglich (§ 80 Abs. 3 Satz 1 IRG).

11(2) Auch ein Antrag von Italien an die Bundesrepublik Deutschland, die Vollstreckung des Urteils vom zu übernehmen, ist nicht gestellt. Allerdings müsste die Bundesrepublik im Falle der Ablehnung einer Auslieferung die Strafvollstreckung übernehmen (Art. 4 Nr. 6 RbEuH, vgl. auch § 48 IRG), jedoch ebenfalls nur auf Verlangen des um Rechtshilfe ersuchenden Staates, hier also von Italien (vgl. Hackner, Schomburg, Lagodny, Gleß, NStZ 2006, 663, 667; Burchard/Brodowski, StraFo 2010, 179, 185; vgl. auch § 80 Abs. 4 Satz 1 IRG „Ersuchen um Vollstreckung“). Wie dargelegt, kann allein die Möglichkeit eines tatsächlich nicht gestellten Antrags auf Auslieferung kein Verfahrenshindernis begründen; für die Möglichkeit, auf der Grundlage der Annahme von Erfolglosigkeit des nicht gestellten Auslieferungsantrages einen Antrag auf Übernahme der Vollstreckung zu stellen, gilt nichts anderes.

12Aus alledem ergibt sich insgesamt, dass das Urteil vom deshalb kein Verfahrenshindernis begründet, weil die Vollstreckung dieses Urteils sowohl aus rechtlichen als aus praktischen Gründen weder in Italien noch in Deutschland zu erwarten ist (vgl. Burchard/Brodowski aaO 186). Auch die Revision zweifelt all dies nicht an.

13d) Auch die im Vertrag von Lissabon enthaltene Charta der Grundrechte (GrCh), die am in Kraft getreten ist (BGBl. II S. 1223) und die der Senat daher - anders als noch die Strafkammer - zu beachten hat (§ 354a StPO), führt zu keinem anderen Ergebnis. Allerdings ist das Verbot der Doppelbestrafung in Art. 50 GrCh, anders als das entsprechende Verbot in Art. 54 SDÜ (vgl. oben II 1. a), nicht ausdrücklich durch Vollstreckungsbedingungen modifiziert. Jedoch können gemäß Art. 52 Abs. 1 GrCh die in der Charta anerkannten Rechte durch gesetzliche Regelungen eingeschränkt werden, die den Wesensgehalt der Charta achten. Art. 54 SDÜ ist eine solche einschränkende Regelung. Dies ergibt sich aus den Erläuterungen des Präsidiums des Konvents zur Ausarbeitung der Charta (ABl. EG 2004 C 310/453; aktualisierte Fassung ABl. EU 2007 C 303/17), die ausweislich der Präambel der Charta bei deren Auslegung durch die Gerichte zu berücksichtigen sind. Dort heißt es zu Art. 50 GrCh: „Nach Art. 50 findet der Grundsatz ‚ne bis in idem’ nicht nur innerhalb der Gerichtsbarkeit eines Staates, sondern auch zwischen den Gerichtsbarkeiten mehrerer Mitgliedstaaten seine Anwendung. Dies entspricht dem Rechtsbesitzstand der Union; siehe Artikel 54 bis 58 des Schengener Durchführungsübereinkommens (…). Die klar eingegrenzten Ausnahmen, in denen die Mitgliedstaaten nach diesen Übereinkommen von dem Grundsatz ‚ne bis in idem’ abweichen können, sind von der horizontalen Klausel des Artikels 52 Absatz 1 über die Einschränkungen abgedeckt.“

14Danach besteht kein Zweifel, dass der Grundsatz „ne bis in idem“ auch im Blick auf Art. 50 GrCh nur nach Maßgabe von Art. 54 SDÜ gilt, also hier nicht eingreift (Burchard/Brodowski aaO, 184 im Ergebnis ebenso LG Aachen, StV 2010, 237 in einem im Rahmen eines noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens ergangenen Beschluss, der allerdings auf die oben genannten Erläuterungen nicht eingeht; a.A. in einer Anmerkung hierzu Reichling [aaO, 238], der aber die Erläuterungen zur GrCh ebenfalls nicht anspricht).

15Art. 52 Abs. 2 GrCh, wonach die Ausübung der durch die Charta anerkannten Rechte, die in den Gemeinschaftsverträgen oder im Vertrag über die Europäische Union begründet sind, nur im Rahmen der darin festgelegten Bedingungen und Grenzen erfolgen darf, ist hier entgegen der Auffassung der Revision nicht einschlägig. „Ne bis in idem“ ist nicht durch diese Verträge begründet, sondern als über nationales Recht hinausgehender europarechtlicher Grundsatz vom EuGH im Wege richterrechtlicher Rechtsfortbildung entwickelt worden (Schwarze/Stumpf, EU-Kommentar, 2. Aufl., Art. 6 EUV Rn. 12 u. 30 mwN); hierauf findet Art. 52 Abs. 2 GrCh keine Anwendung (Kingreen in Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl., Art. 52 GrCh Rn. 6 f.).

16Für die von der Revision in diesem Zusammenhang angeregte Vorlage der Sache an den EuGH ist kein Raum. Die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts ist angesichts der dargelegten Erläuterungen offenkundig und zweifelsfrei („acte-claire-Doktrin“, vgl. 283/81 <Cilfit>, NJW 1983, 1257; ). Die Klarheit der Rechtslage, die sich aus den Erläuterungen ergibt, wird nicht dadurch zweifelhaft, dass das Landgericht Aachen (aaO) diese Erläuterungen, die der Sache nach seine Entscheidung bestätigen, nicht erwähnt. Der Senat ist nicht der Auffassung, dass dadurch eine „mangelnde Verbreitung“ der Erläuterungen „offenkundig“ und nicht zuletzt deshalb eine Vorlage an den EuGH geboten sei (so Burchard/Brodowski, aaO, 185). Die Präambel der Charta selbst weist auf die Erläuterungen hin, deren Text in einschlägigen Gesetzessammlungen und juristischen Werken, aber auch im Internet ohne weiteres zu finden ist. Der Frage, ob eine noch nicht überall verbreitete Kenntnis der Grundlage einer eindeutigen Rechtslage die Eindeutigkeit der Rechtslage selbst überhaupt in Frage stellen könnte, geht der Senat daher nicht nach.

172. Verfolgungsverjährung ist nicht eingetreten. Anders wäre es nur, wenn die Verjährungsfrist unmittelbar nach der Tat zu laufen begonnen hätte (a) oder wenn die Tat - hierauf hebt die Revision ab - nicht als Mord (§ 211 StGB) zu werten wäre (b). Beides ist nicht der Fall.

18a) Da Mord zur Tatzeit nach 20 Jahren verjährte (§ 67 Abs. 1, 1. Alt., § 211 Abs. 1 RStGB) wäre im Juni 1964 Verjährung eingetreten, wenn diese nicht bis Kriegsende geruht hätte (§ 69 StGB aF; entspricht § 78b StGB). Sonst hätten die Gesetze vom (BGBl. I S. 315), (BGBl. I S. 1065) und (BGBl. I S. 1045) zur Neuberechnung, Verlängerung und Aufhebung der Verjährungsfrist die Tat nicht mehr erfasst (vgl. näher , NJW 1995, 1297). Geruht hat die Verjährung bis zum Kriegsende (u.a.) dann, wenn die Tat den zu ihrer Verfolgung berufenen Stellen zwar bekannt war, eine Verfolgung aber aus politischen Gründen unterblieb (BGH aaO; , BGHSt 23, 137; , BGHSt 18, 367 jew. mwN). So verhält es sich hier. Nach den damaligen Bestimmungen hatte ein militärischer Vorgesetzter eine ihm bekannt gewordene gerichtlich zu verfolgende Straftat eines Untergebenen dem „Gerichtsherrn“ mitzuteilen. Hier meldete der Angeklagte dem Bataillonskommandeur die geplante Racheaktion, der sie auf dessen Wunsch hin „anordnete“ und logistisch unterstützte. Dies entsprach dem auch im angefochtenen Urteil zitierten kurz zuvor ergangenen Befehl von Generalfeldmarschall Kesselring, Oberbefehlshaber der Wehrmacht in Italien, vom (sog. erster Bandenbefehl). Danach war der „Kampf gegen die Banden“ - also Partisanen - „mit allen (…) Mitteln und (…) größter Schärfe“ durchzuführen. Dem, der bei der Wahl und Schärfe des Mittels bei der Bekämpfung der Banden über das „übliche zurückhaltende Maß“ hinausginge, wurde Deckung zugesagt. Dies belegt, dass die Verfolgung einer Tat im Zusammenhang mit der sog. Bandenbekämpfung, wie die Tötung von „Sühnegefangenen/-geiseln“ (zum Begriff vgl. Artzt/Penner, Geisel- und Partisanentötungen im Zweiten Weltkrieg - Hinweise zur rechtlichen Beurteilung - Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg 1968 S. 3 mwN) als Vergeltung für die Tötung deutscher Soldaten durch Partisanen, aus den genannten Gründen unterbleiben sollte. Auch die von der Strafkammer zur „Verfolgungswahrscheinlichkeit“ der Tat gehörte Sachverständige Dr. von L., die auf diesem Gebiet intensiv geforscht hat, hält eine Verfolgung einer solchen Tat im Hinblick auf die damalige Befehlslage für ausgeschlossen. Dabei verweist sie auch darauf, dass die vollständig erhaltenen und nunmehr umfassend ausgewerteten Gerichtsakten der Heeresgruppe C insbesondere auch nach diesem Befehl kein Verfahren gegen einen deutschen Soldaten wegen einer Tat zum Nachteil italienischer Zivilisten dokumentieren. Soweit es Hinweise auf die Meldung solcher Vorgänge an zur Mitwirkung an ihrer Strafverfolgung berufene Stellen gibt, wurden diese indes nicht aktenkundig gemacht.

19Allerdings hat der Bundesgerichtshof auf der Grundlage des Zweifelssatzes die Annahme gebilligt, dass bei einer im Oktober 1943 begangenen, als Mord bewerteten Tötung italienischer Zivilisten durch einen deutschen Offizier die Möglichkeit einer Strafverfolgung schon vor Kriegsende nicht ausgeschlossen gewesen sei (, NJW 1995, 1297). Jedoch war in jenem Fall die Befehlslage zur Tatzeit am Tatort unklar und es stand die Möglichkeit eines individuellen Exzesses im Raum, der möglicherweise nur deshalb nicht verfolgt wurde, weil er nicht bekannt wurde. Hier war demgegenüber die Befehlslage eindeutig und die Tat kein individueller, unbekannt gebliebener Exzess. Sie geschah vielmehr im Einvernehmen mit dem Vorgesetzten und mit dessen Unterstützung.

20Nach alledem hat die Verjährung bis Kriegsende geruht, so dass die genannten Gesetze von 1965, 1969 und 1979 eingreifen und die Tat daher noch verfolgbar ist.

21b) Weitere Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sie als Mord (§ 211 StGB) zu werten ist, da lediglich insoweit die Verjährung aufgehoben ist. Läge etwa (nur) Totschlag (§ 212 StGB) vor, wäre inzwischen Verjährung eingetreten. Ob Mord vorliegt, ist hier daher nicht erst bei der sachlich-rechtlichen Überprüfung des Schuldspruchs, sondern schon bei der Frage, ob das Verfahrenshindernis der Verjährung vorliegt, von entscheidender Bedeutung.

22Die Strafkammer hat die von dem Angeklagten befohlene Tötung der italienischen Zivilisten zu Recht als Mord bewertet. Sie hat das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe rechtsfehlerfrei bejaht.

23Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Tötungsbeweggrund niedrig, wenn er nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung, welche die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit einschließt (, BGHSt 47, 128, 130 mwN). Bei einer Tötung aus Wut und Verärgerung kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (BGH aaO mwN). Bei diesen Abwägungen steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann (; , NStZ 2007, 330, 331; jew. mwN). Hat der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt, ist seine Würdigung nicht zu beanstanden (vgl. , NStZ 2006, 284, 285).

24Diesen Anforderungen an die vorzunehmende Gesamtwürdigung wird das angefochtene Urteil gerecht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind rachemotivierte Tötungen nicht ohne weiteres als Mord aus niedrigen Beweggründen zu bewerten, sondern vielmehr erst dann, wenn die Gefühlsregungen, auf denen sie beruhen, ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, also nicht menschlich verständlich sind, wie z.B. nach einem vom Opfer begangenen schweren Unrecht oder einer schwerwiegenden Kränkung des Täters durch das Opfer, sondern Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters sind (, NJW 2006, 1008 mwN). Hier war der Angeklagte von der Tötung der beiden zu seiner Kompanie gehörenden Soldaten, die in seinem Auftrag unterwegs waren, durch die Partisanen zwar persönlich betroffen. Die italienischen Zivilisten, deren Tötung der Angeklagte im Rahmen der von ihm befehligten Vergeltungsmaßnahme veranlasste, hatten aber nach den Feststellungen des Landgerichts mit dem Partisanenüberfall nichts zu tun. Keines der Opfer stand in dem Verdacht, an dem Überfall beteiligt gewesen zu sein oder die Partisanen in irgendeiner Form unterstützt zu haben. Hinzu kommt, dass es dem Angeklagten nach den Feststellungen des Landgerichts bei der Durchführung der Vergeltungsaktion darum ging, möglichst „alle, junge wie alte, männlichen Einwohner der umliegenden Ortschaften (…), derer seine Einheit habhaft werden konnte“, zu töten. Ein solcher zufälliger, unterschiedsloser und deshalb willkürlicher Rückgriff auf die gesamte männliche Zivilbevölkerung eines ganzen Landstrichs, mit dem Ziel, diese auszulöschen, offenbart ebenfalls die niedere Gesinnung des Angeklagten bei der Tatbegehung, der hierdurch ein außerordentliches Maß an Missachtung der körperlichen Integrität seiner Opfer zum Ausdruck gebracht hat (vgl. , BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 43; , BGHR StGB § 11 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 40).

25Dieses Maß an Missachtung zeigt sich darüber hinaus auch besonders in der Vorbereitung und Durchführung der Tötung der unschuldigen Zivilisten auf Anordnung des Angeklagten. Bei der von dem Angeklagten veranlassten Vergeltungsaktion handelte es sich nicht um eine Spontantat (vgl. allgemein zur Bedeutung eines spontanen Tatentschlusses für die Annahme niedriger Beweggründe , NStZ 2001, 87; , BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 11). Sie war vielmehr von dem Angeklagten gründlich vorbereitet. Für die Durchführung war ihm auf seinen Wunsch hin schon am Vortag durch das Bataillonskommando logistische Unterstützung durch mehrere Kisten Sprengstoff und ein Flakgeschütz (das beim Durchkämmen der Wälder dazu eingesetzt werden sollte, die sich dort versteckt haltenden Personen aufzuscheuchen) gewährt worden. Die ihm unterstellten Zugführer informierte er schon am Vorabend der Tat über die von ihm geplante Vergeltungsaktion. Seine Opfer hingegen ließ er bis zur Sprengung des Gebäudes, in dem sie eingesperrt worden waren, über ihr Schicksal im Ungewissen. Keinem von ihnen war klar, dass ein Angriff auf sein Leben unmittelbar bevorstand, obwohl der Angeklagte dies seit langem schon so entschieden hatte. Angesichts dieser Umstände stellt sich die von dem Angeklagten veranlasste Tötung der Zivilisten durch Sprengung des Gebäudes und das sich anschließende Maschinengewehrfeuer, was jeweils für sich gesehen schon eine entwürdigende und erniedrigende Hinrichtungsart ist (vgl. Gribbohm, Selbst mit einer Repressalquote von zehn zu eins? Über Recht und Unrecht einer Geiseltötung im Zweiten Weltkrieg - Rechtsgeschichte und Rechtsgeschehen Kleine Schriften Bd. 6, S. 29), als besonders menschenverachtend dar (vgl. , BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 43 mwN).

26Eine solche aus Rachsucht motivierte und gründlich vorbereitete Tötung von Unschuldigen, die durch ihr Verhalten keine Veranlassung für die durchgeführte Vergeltungsmaßnahme gegeben haben, durch Sprengung eines Gebäudes und anschließendes Maschinengewehrfeuer kann daher selbst vor dem Hintergrund einer kriegsbedingten Ausnahmesituation nicht mehr als menschlich verständliche Handlung des Angeklagten angesehen werden. Sie ist vielmehr Ausdruck einer auf tiefster Stufe stehenden und besonders verachtenswerten Gesinnung. Mit dieser Wertung hat das Landgericht seinen aufgezeigten Beurteilungsspielraum offensichtlich nicht überschritten (vgl. <Tötung von 80 Dorfbewohnern in Tupice/Weißruthenien>; vgl. auch <Massenerschießungen von italienischen Gefangenen> [Rz. 38]; allgemein zur Tötung von Unbeteiligten vgl. , BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 43).

III.

27Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen sind aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen, die auch durch die Erwiderung der Revision nicht entkräftet werden, unbegründet.

IV.

28Auch die Sachrüge bleibt erfolglos.

29Der Angeklagte war erstmals 2005 auf Ersuchen der italienischen Behörden als Beschuldigter vernommen worden. Damals hatte er erklärt, er habe mit der Tat nichts zu tun, so etwas wäre illegal und mit seinem Soldateneid nicht vereinbar gewesen. Auch im gesamten weiteren Verfahrensverlauf hat er die Tat nicht eingeräumt. Die Strafkammer sieht ihn dennoch als überführt an, weil die Racheaktion gegenüber der italienischen Zivilbevölkerung nach dem Ergebnis der umfangreichen Beweisaufnahme ausschließlich von Soldaten der 1. Kompanie des Gebirgspionierbataillons 818 durchgeführt wurde, deren alleiniger befehlshabender Offizier zur Tatzeit der Angeklagte war. Rechtsfehler bei der Beweiswürdigung sind nicht ersichtlich. Auch die rechtliche Bewertung der Tat durch die Strafkammer als Mord (§ 211 StGB) ist zutreffend (vgl. oben II 2. b).

30Anders als die Revision meint, ist die Tat auch weder als Kriegsrepressalie gerechtfertigt (1.), noch als Handeln auf Befehl straffrei (2.).

311. Eine Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Bewertung der Tat als eine zur Tatzeit nach Kriegsvölkergewohnheitsrecht zulässige Kriegsrepressalie kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen hierfür sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht fehlen.

32a) Die Annahme eines Rechtfertigungsgrundes erfordert neben seinen objektiven Voraussetzungen auch ein oft „Rechtfertigungsvorsatz“ genanntes subjektives Rechtfertigungselement. Die rechtfertigenden Umstände müssen dem Täter bekannt sein und sich im Motiv seines Handelns niederschlagen (st. Rspr., vgl. nur , BGHSt 2, 111, 114 <übergesetzlicher Notstand>; , NStZ 2000, 365, 366 <Notwehr>; , BGHSt 5, 245, 247 <Nothilfe>; BGH <D> MDR 1953, 401 <§ 193 StGB>; LK-Rönnau, 12. Aufl., vor § 32 Rn. 82 Fußn. 295 mwN auch zu anderen Rechtfertigungsgründen). Gründe für die Annahme, bei einer möglichen Rechtfertigung wegen einer Kriegsrepressalie gelte anderes, sind nicht ersichtlich (zur Notwendigkeit eines „Rechtfertigungsvorsatzes“ bei allen Rechtfertigungsgründen vgl. auch eingehend Rönnau aaO Rn. 82 mwN).

33Hier ist der Angeklagte bei der Tat jedoch nicht davon ausgegangen, er handle im Rahmen einer zur Tat vom Recht gedeckten Kriegsrepressalie. Dagegen spricht seine Einlassung, er habe die von ihm selbst als illegal und mit seinem Soldateneid nicht vereinbar bewertete Tat nicht begangen.

34Durch die so begründete Ablehnung eines „Rechtfertigungsvorsatzes“ entstehen dem Angeklagten hier keine Nachteile aus einem zulässigen Verteidigungsverhalten.

35Allerdings kann ein die Tat bestreitender Angeklagter nicht zugleich (möglicherweise) strafmildernde Umstände vorbringen. Gleichwohl, so die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes insbesondere im Zusammenhang mit § 213 StGB, ist insoweit von der dem Angeklagten günstigsten Möglichkeit auszugehen, die nach den konkreten Umständen in Betracht kommt, damit ihm aus zulässigem Verteidigungsverhalten keine Nachteile erwachsen (vgl. , NStZ-RR 1997, 99 mwN).

36Diese Fälle sind dem vorliegenden Fall zwar ähnlich, aber nicht mit ihm identisch. Dort erscheint möglich, dass der Angeklagte sich nicht wahrheitsgemäß auf Strafmilderungsgründe beruft, weil er lieber freigesprochen als (nur) milder bestraft werden will. Hier wäre demgegenüber zu unterstellen, dass der Angeklagte sich nicht wahrheitsgemäß auf Gesichtspunkte beruft, die (möglicherweise) zu einem Freispruch wegen eines Rechtfertigungsgrundes führen könnten, weil er lieber mangels Tatnachweises freigesprochen werden will.

37Letztlich braucht der Senat diesem Unterschied aber nicht näher nachzugehen. Die Strafkammer hat nämlich mit rechtsfehlerfreien Erwägungen im Einzelnen dargelegt, dass der Angeklagte bei der Tat wusste, dass sie unter militärischen Gesichtspunkten keinen Sinn hatte, sondern ausschließlich der Rache für den Anschlag an hieran Unbeteiligten diente, und dass sein Vorgehen deshalb - entsprechend seiner eigenen Bewertung im Rahmen seines Verteidigungsvorbringens - einen rein verbrecherischen Charakter hatte.

38b) Ohnehin kommt eine Rechtfertigung des Angeklagten mit Blick auf eine nach damaligem Kriegsvölkergewohnheitsrecht als zulässig angesehene Kriegsrepressalie durch Tötung von „Sühnegefangenen“ hier nicht in Betracht (zur Fortgeltung des Kriegsvölkergewohnheitsrechts für sog. „Altfälle“ vgl. Gribbohm aaO S. 32 mwN; zur Zulässigkeit von Kriegsrepressalien vgl. , BGHSt 49, 189, 193 mwN und zu deren völkerrechtlichen Grundlagen zusammenfassend Gribbohm aaO S. 5 ff, 25 ff m. zahlr. Nachw.). Die auch nach damaligem Rechtsverständnis hierfür erforderlichen objektiven Voraussetzungen waren nämlich insgesamt nicht erfüllt. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Umfeldes, als auch hinsichtlich der Auswahl der Opfer, der Art ihrer Tötung und dem darauf folgenden Geschehen.

39(1) Regelmäßige Voraussetzung für eine derartige Aktion war, dass sie letztlich im besetzten Gebiet zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung diente (Gribbohm aaO S. 25; Artzt/Penner aaO S. 5 f unter Hinweis auf Art. 43 HLKO). Schon daran fehlte es. Das in Rede stehende Gebiet war nicht (mehr) von den Deutschen besetzt, die Alliierten waren wenige Kilometer entfernt, der Angeklagte war mit seinem Truppenteil nur kurzfristig in der Region, um die für den Rückzug wichtige Brücke zu reparieren, eine wie auch immer geartete Berechtigung oder Verpflichtung, gegenüber der einheimischen Bevölkerung noch öffentliche Sicherheit und Ordnung durchzusetzen, bestand, auch wenn sie sonst bestanden haben sollte, zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht mehr. Eine im Rahmen von Kriegsgeschehen erfolgte „vorbeugende Erschießung“ zur Abwehr womöglich anderweitig drohender künftiger Gefahren hat der Bundesgerichtshof als „verbrecherisch“ bewertet (, BGHSt 15, 214, 217). Es ist nicht ersichtlich, warum für eine vorbeugende Tötung Unbeteiligter, die nicht der Wahrung und Durchsetzung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in einem besetzten Gebiet diente, anderes gelten könnte.

40(2) Kriegsrepressalien waren von der so genannten Humanitätsschranke begrenzt. Wenn auch - um so mehr nach heutigem Verständnis - eine wie auch immer durchgeführte „humane“ Tötung Unschuldiger kaum vorstellbar ist, so fiel unter diesen Begriff jedenfalls schon damals das Verbot von Kriegsrepressalien gegen Frauen und Kinder (vgl. <keine Tötung von “Kindern und insbesondere kleinen Kindern“>; , wo zwischen „Kindern“ und „Kleinkindern“ nicht durchgängig unterschieden ist; vgl. auch Artzt/Penner aaO S. 26; v. Münch, Geschichte vor Gericht - Der Fall Engel, S. 55).

41Die Revision meint, die hier Opfer gewordenen Personen im Alter von damals 15 und 16 Jahren seien keine Kinder gewesen. Der Senat neigt nicht zu dieser Auffassung. Das Gesetz definiert den Begriff des Kindes nicht einheitlich. Die UN-Kinderrechtskonvention vom - in Deutschland seit dem in Kraft (vgl. die Bekanntmachung vom , BGBl. II S. 990) - definiert in Art. 1 Kinder als Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Entsprechend dem jeweiligen Regelungsbedarf hat der Begriff des Kindes etwa im Strafrecht einen anderen Inhalt als im Unterhaltsrecht oder im Erbrecht. Fehlt, wie hier, mangels Kodifikation eine ausdrückliche Altersgrenze zur Definition des Begriffs des Kindes, ist daher auf den Regelungszusammenhang abzustellen (in vergleichbarem Sinne OLG Zweibrücken NStZ 1985, 179, 180). Aus der damals vorgenommenen Gleichsetzung von Frauen und Kindern ergibt sich nach Auffassung des Senats, dass Kriegsrepressalien nicht gegen solche Personen gerichtet sein sollten, die schon im Ansatz nicht (Frauen) oder noch nicht (Kinder) als reguläre Soldaten in Frage gekommen wären. Nach dem damals geltenden italienischen Wehrpflichtgesetz begann die Wehrpflicht jedoch erst mit 17 Jahren (v. Münch aaO S. 104), so dass hier die beiden von der Vergeltungsaktion betroffenen Jugendlichen nicht zum Militärdienst hätten eingezogen werden können, weshalb sie nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall als Kinder angesehen werden müssen.

42(3) Als ein für die Beurteilung der „Humanität“ einer Tötung im Rahmen einer Repressalie wesentlicher Gesichtspunkt wurde damals auch vielfach die Art der Tötung angesehen (Gribbohm aaO S. 29; Artzt/Penner S. 26). Als eine entwürdigende und erniedrigende und daher inhumane und von Kriegsrecht nicht gedeckte Tötungsart galt die hier praktizierte Sprengung des Gebäudes, in dem die über ihr Schicksal bewusst im Unklaren gelassenen Opfer gefangen gehalten wurden (Gribbohm aaO S. 28 f). Für das zusätzlich anschließend noch praktizierte Maschinengewehrfeuer gilt nichts anderes (Gribbohm aaO S. 29; vgl. auch v. Münch aaO S. 112).

43(4) Als völkerrechtlich unumstrittenste Anforderung an die Rechtmäßigkeit einer Kriegsrepressalie galt in diesem Zusammenhang die so genannte Notifikation, d.h. die öffentliche Bekanntmachung des Geschehens (, BGHSt 49, 189, 193; , BGHSt 15, 214, 217; Artzt/Penner aaO S. 28; Gribbohm aaO S. 29). Ihr Sinn lag darin, dass einerseits das Ziel der Abschreckung vor künftigen Wiederholungen von gegen die Besatzungsmacht gerichteten Anschlägen erreicht werden sollte (Artzt/Penner aaO) und andererseits gezeigt werden sollte, „dass die Maßnahmen der Durchsetzung des Rechts dienen (…) und deshalb das Tageslicht nicht zu scheuen brauchen“ (Gribbohm aaO S. 28). Eine solche Bekanntmachung ist vorliegend nicht erfolgt. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sie ursprünglich vor Begehung der Tat beabsichtigt gewesen wäre.

44c) Es mag zwar in Einzelfällen durchaus vorstellbar sein, dass trotz der Nichteinhaltung einzelner, auch nach damaligem Kriegsvölkergewohnheitsrecht an die Rechtmäßigkeit einer Kriegsrepressalie zu stellenden Anforderungen im Hinblick auf die Gesamtumstände ausnahmsweise von einer zulässigen (Repressal)Maßnahme ausgegangen werden kann (Gribbohm aaO S. 30). Dies ist hier aber nicht der Fall. Auch eine Gesamtschau der Tatumstände unter Berücksichtigung der oben genannten Punkte führt hier dazu, dass die Auffassung der Strafkammer, die objektiven Voraussetzungen einer zulässigen Kriegsrepressalie würden hier fehlen, rechtlicher Überprüfung ohne weiteres Stand hält.

45d) Nachdem die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes weder in subjektiver noch in objektiver Hinsicht vorliegen, braucht der Senat der uneinheitlich beurteilten Frage nicht nachzugehen, welche Konsequenzen sich dann ergeben könnten, wenn zwar die objektiven Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes vorliegen, dieser aber gleichwohl wegen des fehlenden „Rechtfertigungsvorsatzes“ nicht eingreift (vgl. hierzu Rönnau aaO Rn. 88, 90 mwN für die unterschiedlichen Auffassungen).

462. Die Tat ist schließlich auch nicht nach § 47 Abs. 1 Satz 1 des zur Tatzeit geltenden Militärstrafgesetzbuchs (MStGB) straffrei, der noch immer für vor seiner Aufhebung durch das Kontrollratsgesetz Nr. 34 mit Wirkung vom begangene Taten anwendbar ist (BGH LM § 47 MStGB Nr. 1, 3). Auch in diesem Zusammenhang braucht der Senat der Frage, ob dem Angeklagten, der sich hier auch nicht auf die Voraussetzungen von § 47 Abs. 1 Satz 1 MStGB beruft, durch ein zulässiges Verteidigungsverhalten ein Nachteil entstehen kann, nicht nachzugehen (vgl. oben IV 1. a), da bereits die objektiven Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht vorliegen.

47Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 des zur Tatzeit geltenden MStGB ist, von näher beschriebenen Ausnahmen abgesehen, ein befehlender Vorgesetzter allein verantwortlich, wenn „durch die Ausführung eines Befehls (…) ein Strafgesetz verletzt“ wird (zur heutigen Rechtslage vgl. MünchKommStGB/Dau, § 5 WStG Rn. 4 mwN). Ein Befehl erforderte aber, dass der Vorgesetzte - so ältere militärrechtliche Rechtsprechung - „in gebietender Weise“ (RGSt 58, 110; 64, 69) Gehorsam verlangt (vgl. auch Schölz/Lingens, WStG, 4. Aufl., § 2 Rn. 9). Hieran fehlte es, wenn der Untergebene seinem Vorgesetzten eine Maßnahme vorschlug und deren Genehmigung einforderte. Auch wenn diese Genehmigung durch den Vorgesetzten äußerlich ein Befehl ist, fehlt die zur Entlastung des Untergebenen nötige Alleinverantwortlichkeit des Vorgesetzten, der hier nicht „ausschließlich (…) durch Ausübung seiner Befehlsgewalt (…) die Folgen (…) des Befehls“ herbeigeführt hat (BGH LM § 47 MStGB Nr. 3). Vorliegend beruht die Tat des Angeklagten nicht etwa nur auf dem Befehl seines Vorgesetzten, sondern sie entsprach seinem Plan, den er schon vor Erteilung des Befehls hatte, nämlich eine sog. Racheaktion gegenüber der italienischen Zivilbevölkerung durchzuführen. Nur deshalb hatte er dem Bataillonskommandeur nahegelegt, einen entsprechenden Befehl zu erteilen. Wer einen solchen Plan hat und den Vorgesetzten zu dessen Genehmigung, auch in Form eines Befehls, - strafrechtlich gesprochen - anstiftet, kann nicht mit dem Vorbringen gehört werden, er hätte diesem Befehl gehorchen müssen, da es in einer solchen Situation an der typischerweise mit der Gehorsamspflicht verbundenen, einer Notstandslage nahe kommenden Konfliktslage eines Untergebenen fehlt (vgl. ; Schölz/Lingens, aaO zu § 5 WStG Rn. 3). Daher kommt es nicht mehr darauf an, dass der Angeklagte gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MStGB auch deshalb als Teilnehmer des Mordes zu bestrafen wäre, weil ihm „bekannt gewesen ist, dass der Befehl (…) ein (…) militärisches Verbrechen (…) bezweckte“.

483. Die Strafzumessung ist rechtsfehlerfrei. Das Alter des Angeklagten, die Dauer des Verfahrens und die Zeitspanne zwischen Tat und Aburteilung sind in Fällen der vorliegenden Art keine derart außergewöhnlichen Umstände, aufgrund derer die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe unverhältnismäßig erschiene (vgl. , StV 2002, 598).

Nack                          Wahl                           Elf

              Jäger                           Sander

Fundstelle(n):
NJW 2010 S. 10 Nr. 48
NJW 2011 S. 1014 Nr. 14
BAAAD-56084