BAG Urteil v. - 5 AZR 700/09

Nichteinhaltung der Kündigungsfrist - Geltendmachung innerhalb der Klagefrist - Fiktionswirkung - Umdeutung - Anwendungsvorrang des Unionsrechts - Annahmeverzug

Leitsatz

Eine vom Arbeitgeber mit zu kurzer Kündigungsfrist erklärte ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses kann nur dann in eine Kündigung zum richtigen Kündigungstermin umgedeutet werden (§ 140 BGB), wenn sie nicht gemäß § 7 KSchG als rechtswirksam gilt.

Gesetze: § 140 BGB, § 622 Abs 2 S 2 BGB, § 611 Abs 1 BGB, § 615 S 1 BGB, § 4 S 1 KSchG, § 7 KSchG, § 133 BGB, § 622 Abs 2 S 1 Nr 4 BGB, § 622 Abs 2 S 1 Nr 3 BGB, Art 1 EGRL 78/2000, Art 2 Abs 1 EGRL 78/2000, Art 2 Abs 2 Buchst a EGRL 78/2000, § 1 AGG, § 10 S 1 AGG, § 2 Abs 4 AGG, Art 3 Abs 1 Buchst c EGRL 78/2000, Art 6 Abs 1 S 1 EGRL 78/2000, § 242 BGB, § 115 Abs 1 SGB 10, § 11 Abs 1 S 2 ArbGG, § 117 Abs 1 Nr 1 SGB 3

Instanzenzug: ArbG Stralsund Az: 3 Ca 522/08 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Az: 2 Sa 132/09 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs.

Der am geborene Kläger war seit dem bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen, der S und der Sh GmbH, beschäftigt, zuletzt als Tankstellenmitarbeiter gegen eine Vergütung von 1.376,00 Euro brutto monatlich. Der Kläger und die Sh GmbH schlossen am einen schriftlichen Arbeitsvertrag, in dem es ua. heißt:

3Mit Schreiben vom kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum . Ab August 2008 bezog der Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von 649,50 Euro monatlich.

4Mit seiner am beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger Annahmeverzugsvergütung für die Monate August und September 2008 geltend gemacht und die Auffassung vertreten, die Kündigung der Beklagten habe das Arbeitsverhältnis erst zum beendet. Die Kündigungsfrist betrage nach § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BGB fünf Monate zum Monatsende, weil bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer auch die vor der Vollendung des 25. Lebensjahrs liegende Beschäftigungszeit zu berücksichtigen sei. Mit Ablauf der unzutreffend gewählten Kündigungsfrist sei die Beklagte in Annahmeverzug geraten, eines besonderen Arbeitsangebots habe es nicht bedurft.

Der Kläger hat zuletzt in der Berufung beantragt,

6Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB sei wirksam, jedenfalls solange anzuwenden, bis der Gesetzgeber eine Gesetzesänderung vornehme. Unabhängig davon sei das Arbeitsverhältnis zum beendet worden, weil der Kläger keine Klage nach § 4 Satz 1 KSchG erhoben habe. Zudem fehle ein Angebot des Klägers, seine Arbeitsleistung nach Ablauf der Kündigungsfrist zu erbringen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger hat sinngemäß beantragt, die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit B - 1.299,00 Euro sowie an den Kläger 2.752,00 Euro brutto abzüglich 1.299,00 Euro netto nebst Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 726,50 Euro seit dem und aus 726,50 Euro seit dem zu zahlen.

Gründe

8Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.

9I. Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger die Zahlung von 1.299,00 Euro an die Bundesagentur für Arbeit begehrt. Es fehlt an der Prozessführungsbefugnis des Klägers.

10Die Prozessführungsbefugnis ist als Prozessvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Die gerichtliche Geltendmachung eines fremden Rechts im eigenen Namen (gewillkürte Prozessstandschaft) setzt neben einem eigenen schutzwürdigen Interesse des Klägers eine wirksame Ermächtigung durch den Berechtigten voraus ( - Rn. 10, BAGE 126, 205; - 9 AZR 752/00 - zu B III 2 a der Gründe, BAGE 100, 369). Letztere Voraussetzung ist im Streitfalle nicht erfüllt. Nach seinem eigenen Vorbringen hat der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum Arbeitslosengeld iHv. 649,50 Euro monatlich bezogen. Damit wäre in Höhe der erbrachten Sozialleistung ein evtl. Annahmeverzugsanspruch nach § 115 Abs. 1 SGB X auf den Leistungsträger übergegangen. Der Anspruchsübergang führt zum Verlust der Aktivlegitimation und der Klagebefugnis (allgemeine Auffassung, vgl. nur von Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 11 Rn. 53). Der Arbeitnehmer kann zwar grundsätzlich Vergütungsansprüche, die wegen der Zahlung von Arbeitslosengeld auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen sind, im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft für die Bundesagentur geltend machen ( - Rn. 11, aaO). Dass der Kläger von der Bundesagentur für Arbeit zur gerichtlichen Geltendmachung der übergegangenen Vergütungsansprüche ermächtigt wäre, ergibt sich aber weder aus seinem Sachvortrag noch den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts.

11II. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

12Der Kläger hat für die Monate August und September 2008 keinen Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung gem. § 615 Satz 1 in Verb. mit § 611 Abs. 1 BGB. Unbeschadet der sonstigen in §§ 293 ff. BGB geregelten Erfordernisse setzt der Annahmeverzug des Arbeitgebers den Bestand des Arbeitsverhältnisses voraus. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aber aufgrund der Fiktionswirkung des § 7 KSchG am geendet. Der Kläger hätte die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist mit der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG geltend machen müssen.

131. Entgegen ihrer Auffassung hat die Beklagte allerdings mit ihrer Kündigung vom zum die gesetzliche - verlängerte - Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 BGB in zweifacher Hinsicht nicht gewahrt.

14a) Unabhängig von der von den Parteien ausschließlich thematisierten Frage der Anwendbarkeit des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB betrug die Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BGB vier Monate zum Ende eines Kalendermonats. Das ist der . Nach nicht angegriffener Feststellung des Landesarbeitsgerichts war der Kläger seit dem bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Nach Vollendung seines 25. Lebensjahrs () betrug die Beschäftigungsdauer bei Ausspruch der Kündigung im April 2008 mehr als zehn und weniger als zwölf Jahre. Die von der Beklagten gewählte Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats, die die zutreffende gesetzliche Kündigungsfrist wäre, wenn das Arbeitsverhältnis mindestens acht, aber weniger als zehn Jahre bestanden hat (§ 622 Abs. 2 Nr. 3 BGB), lässt sich nur damit erklären, dass die Beklagte lediglich die sich aus dem Arbeitsvertrag des Klägers mit ihrer unmittelbaren Rechtsvorgängerin, der Sh GmbH, ergebende Beschäftigungsdauer ab berücksichtigt, diejenige aus dem Arbeitsvertrag des Klägers mit der S, einer weiteren Rechtsvorgängerin, jedoch außer Betracht gelassen hat.

15b) Darüber hinaus ergibt sich nach § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BGB eine Kündigungsfrist von fünf Monaten zum Ende eines Kalendermonats (= ), wenn bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer auch Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahrs des Klägers liegen, berücksichtigt werden müssten. In diesem Falle beträgt die maßgebliche Beschäftigungsdauer mindestens zwölf Jahre.

16aa) § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB, der bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahrs des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt, ist nicht anzuwenden.

17Der Gerichtshof der Europäischen Union hat erkannt, dass das Unionsrecht, insbesondere das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf dahin auszulegen ist, dass es einer Regelung wie § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB entgegensteht, nach der vor Vollendung des 25. Lebensjahrs liegende Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers bei der Berechnung der Kündigungsfrist nicht berücksichtigt werden ( - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 43, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 14 = EzA Richtlinie 2000/78 EG-Vertrag 1999 Nr. 14). Dabei obliegt es dem nationalen Gericht, bei dem ein Rechtsstreit über das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78/EG anhängig ist, im Rahmen seiner Zuständigkeiten den rechtlichen Schutz, der sich für den Einzelnen aus dem Unionsrecht ergibt, sicherzustellen und die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten, indem es erforderlichenfalls jede diesem Verbot entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt ( - [Kücükdeveci] Rn. 51, aaO; - C-144/04 - [Mangold] Rn. 77, Slg. 2005, I-9981).

18Daran ist der Senat gebunden. Wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts ist § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht anzuwenden ( - Rn. 53, NZA 2010, 995; vgl. auch BVerfG Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvL 4/08 - Rn. 12, EzA BGB 2002 § 622 Nr. 6).

19bb) Die Unanwendbarkeit des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB gilt auch für Kündigungen, die - wie hier - vor der Entscheidung des Gerichtshofs vom ausgesprochen worden sind. Der Gerichtshof hat den Tenor seiner Entscheidung zeitlich nicht begrenzt und damit keinen Vertrauensschutz gewährt. Die Entscheidung ist deshalb für alle Kündigungen maßgeblich, die nach Ablauf der Umsetzungsfrist für das Merkmal Alter der Richtlinie 2000/78/EG () ausgesprochen wurden (vgl.  - [Bidar] Rn. 66, Slg. 2005, I-2119; zu den Voraussetzungen einer zeitlichen Beschränkung durch den Gerichtshof  - [Cobelfret] Rn. 68, Slg. 2009, I-731; - C-184/99 - [Grzelczyk] Rn. 50 ff., Slg. 2001, I-6193).

202. Ob bei einer ordentlichen Kündigung die Nichteinhaltung der objektiv richtigen Kündigungsfrist mit der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht werden muss, hängt davon ab, ob die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist zur Unwirksamkeit der Kündigungserklärung führt. Das ist der Fall, wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nicht als eine solche mit der rechtlich gebotenen Frist auslegen lässt. Bedürfte die Kündigung der Umdeutung in eine Kündigung mit zutreffender Frist, gilt die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nach § 7 KSchG als rechtswirksam und beendet das Arbeitsverhältnis zum „falschen Termin“, wenn die zu kurze Kündigungsfrist nicht als anderer Rechtsunwirksamkeitsgrund binnen drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege (§ 4 Satz 1 KSchG, § 6 KSchG) geltend gemacht worden ist.

21a) Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat zwar seiner ersten Entscheidung zu dieser Problematik nach der am in Kraft getretenen Neufassung des § 4 Satz 1 KSchG aufgrund des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom (BGBl. I S. 3002) in der Amtlichen Sammlung den - die Entscheidungsgründe nur verkürzt wiedergebenden - Leitsatz vorangestellt, der Arbeitnehmer könne die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist außerhalb der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG geltend machen ( - 2 AZR 148/05 - BAGE 116, 336). Aus den Gründen der Entscheidung ergibt sich aber, dass auch der Zweite Senat annimmt, die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist müsse innerhalb der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG angegriffen werden, sofern der Kündigungstermin „integraler Bestandteil der Willenserklärung“ sei. Das sei der Fall, wenn sich nicht durch Auslegung ermitteln lasse, es solle eine fristwahrende Kündigung ausgesprochen sein. Dabei meint der Zweite Senat, die Auslegbarkeit einer ordentlichen Kündigungserklärung mit fehlerhafter Kündigungsfrist als eine solche zum richtigen Kündigungstermin sei der Regelfall. Denn der Empfänger der Kündigungserklärung dürfe sich nicht einfach auf den wörtlichen Sinn der Erklärung verlassen, sondern müsse seinerseits unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände, die dafür von Bedeutung sein können, danach trachten, das Gemeinte zu erkennen. Bei einer ordentlichen Kündigung sei für den Kündigungsadressaten erkennbar, dass der Kündigende die einzuhaltende Kündigungsfrist grundsätzlich wahren wolle, weil er aufgrund gesetzlicher, tariflicher oder einzelvertraglicher Regelungen an sie gebunden sei ( - 2 AZR 148/05 - Rn. 25 ff., aaO).

22Diese Auffassung hat der Zweite Senat in seiner Entscheidung vom (- 2 AZR 215/05 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 57) bestätigt. Der Sechste Senat hat sich dem angeschlossen ( - 6 AZR 283/05 - Rn. 32, BAGE 117, 68), während der Achte Senat ausdrücklich offengelassen hat, ob der Rechtsprechung des Zweiten Senats zu folgen sei ( - 8 AZR 201/07 - Rn. 31, AP BGB § 613a Nr. 353 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 95). Im Schrifttum ist die Rechtsprechung des Zweiten Senats teils auf Zustimmung, teils auf Ablehnung gestoßen (vgl. zum Meinungsstand etwa APS/Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 4 KSchG Rn. 10b und APS/Linck § 622 BGB Rn. 66 f.; von Hoyningen-Huene/Linck § 4 Rn. 22; KR/Rost 9. Aufl. § 7 KSchG Rn. 3b und KR/Friedrich § 13 KSchG Rn. 89; Stahlhacke/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 10. Aufl. Rn. 1833 - jeweils mwN).

23b) Ob eine ordentliche Kündigung mit objektiv fehlerhafter Kündigungsfrist im Regelfall als eine solche mit der rechtlich zutreffenden Kündigungsfrist ausgelegt werden kann, bedarf keiner abschließenden Entscheidung des Senats. Die Kündigung der Beklagten vom zum kann nicht als eine Kündigung zum ausgelegt werden.

24aa) Die vom Landesarbeitsgericht unterlassene Auslegung dieser atypischen Willenserklärung kann der Senat selbst vornehmen, weil der erforderliche Sachverhalt vollständig festgestellt und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist (ständige Rechtsprechung, vgl. nur  - Rn. 35, AP HRG § 57a Nr. 12 = EzA TzBfG § 15 Nr. 2; - 8 AZR 106/05 - zu II 1 a der Gründe mwN, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 36 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitgeberhaftung Nr. 4).

25bb) Gegen eine Auslegung als Kündigung zum spricht zunächst der Wortlaut der Kündigungserklärung, die ausdrücklich zum erfolgte, ohne dass die Kündigungserklärung selbst Anhaltspunkte dafür enthielte, die Beklagte habe die Kündigung (auch) zu einem anderen Termin gewollt oder das angegebene Datum sei nur das Ergebnis einer vorangegangenen Berechnung anhand mitgeteilter Daten. Außerhalb der Kündigungserklärung liegende Umstände dafür, die Beklagte habe eine Kündigung zum in für den Kläger erkennbarer Weise gewollt, haben die Parteien weder vorgetragen noch das Landesarbeitsgericht festgestellt.

26cc) Selbst wenn man mit dem Zweiten Senat für den Regelfall annähme, der kündigende Arbeitgeber wolle die einzuhaltende Kündigungsfrist grundsätzlich wahren, weil er aufgrund gesetzlicher, tariflicher oder einzelvertraglicher Regelungen an sie gebunden sei, kann jedenfalls die streitgegenständliche Kündigung nicht als eine solche zum ausgelegt werden. Mit der von ihr gewählten Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende wollte die Beklagte als Betriebsübernehmerin offensichtlich die sich unter Zugrundelegung der Beschäftigungsdauer aus dem Arbeitsvertrag des Klägers mit ihrer unmittelbaren Rechtsvorgängerin vom ergebende gesetzliche Kündigungsfrist (§ 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB) wahren. Dabei lag die Beschäftigungsdauer des Klägers in Gänze nach dessen Vollendung des 25. Lebensjahrs, so dass bei der Berechnung der Kündigungsfrist § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB ohne Bedeutung gewesen sein dürfte. Darüber hinaus liegen keine Indizien dafür vor, die Beklagte als Pächterin einer Tankstelle sei sich des damals vom Gerichtshof der Europäischen Union noch nicht entschiedenen Problems einer Unanwendbarkeit des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB wegen Verstoßes gegen Unionsrecht auch nur im Ansatz bewusst gewesen und könnte deshalb eine Kündigung zum gewollt haben. Zudem wäre ein solcher Wille der Beklagten dem Kläger als Kündigungsadressaten nicht erkennbar gewesen. Für die Annahme, der Kläger als Mitarbeiter an einer Tankstelle hätte die ausdrücklich zum erklärte Kündigung seiner Arbeitgeberin als eine wegen der - möglichen - Unvereinbarkeit von § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB mit Unionsrecht zum gewollte Kündigung erkennen können, fehlt jeglicher Anhaltspunkt.

27dd) Im Übrigen muss sich aus der Kündigungserklärung ergeben, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beendet werden soll ( - Rn. 24, BAGE 116, 336). Ist eine ordentliche Kündigung ohne weiteren Zusatz zu einem bestimmten Datum erklärt worden, steht deshalb in Fällen wie dem vorliegenden auch das Bestimmtheitsgebot der Auslegung der Kündigungserklärung zu einem anderen Termin entgegen. Es ist nicht die Aufgabe des Arbeitnehmers, darüber zu rätseln, zu welchem anderen als in der Kündigungserklärung angegebenen Termin der Arbeitgeber die Kündigung gewollt haben könnte.

28c) Eine Kündigung der Beklagten zum könnte nur im Wege der Umdeutung gewonnen werden.

29aa) Grundsätzlich kann eine zu einem bestimmten Termin erklärte, nicht zu einem anderen Termin auslegbare und deshalb unwirksame Kündigung in eine solche zum nächstzulässigen Termin umgedeutet werden. Die Umdeutung nach § 140 BGB erfordert die Ermittlung des hypothetischen Willens des Kündigenden, also dem, was er bei Kenntnis der Fehlerhaftigkeit der Kündigungsfrist und damit der Unwirksamkeit der Kündigung gewollt hätte (APS/Linck § 622 BGB Rn. 66a; vgl. auch KR/Spilger § 622 BGB Rn. 140). Dabei steht die Überzeugung des Arbeitgebers, mit richtiger Frist gekündigt zu haben, der Annahme, er hätte bei Kenntnis der objektiven Fehlerhaftigkeit der seiner Kündigung zugrunde gelegten Frist das Arbeitsverhältnis nicht fortsetzen, sondern zum nächstzulässigen Termin beenden wollen, nicht entgegen.

30bb) Im Streitfalle scheidet eine Umdeutung aus, weil § 140 BGB ein nichtiges Rechtsgeschäft und damit die Unwirksamkeit der erklärten Kündigung erfordert. Eine Umdeutung kommt deshalb nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer die fehlerhafte Kündigungsfrist mit der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG angegriffen hat und nicht die Fiktionswirkung des § 7 KSchG eingetreten ist.

313. Dass die Fiktionswirkung des § 7 KSchG auch die Unwirksamkeit einer Kündigung wegen einer aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts zu kurzen Kündigungsfrist erfasst, verstößt nicht gegen den Effektivitätsgrundsatz.

32a) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung als Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit mit dem Unionsrecht vereinbar, sofern damit die Ausübung eines Rechts nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird ( - C-246/09 - [Bulicke] Rn. 36, 42, NZA 2010, 869; - C-2/06 - [Kempter] Rn. 58, Slg. 2008, I-411; - C-255/00 - [Grundig Italiana] Rn. 34, Slg. 2002, I-8003).

33b) Bereits das Kündigungsschutzgesetz vom (BGBl. I S. 499) hat den allgemeinen Kündigungsschutz an das Erfordernis geknüpft, die Sozialwidrigkeit einer Kündigung innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung gerichtlich geltend zu machen. Mit Wirkung zum hat der Gesetzgeber das Erfordernis einer fristgebundenen Klage auf alle Unwirksamkeitsgründe für eine schriftlich zugegangene Kündigung erstreckt. Eine entsprechende Klagefrist gilt seit für die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Befristung des Arbeitsverhältnisses (§ 1 Abs. 5 BeschFG, § 17 TzBfG). Die Befristung der Klagemöglichkeit und die nach Fristablauf eintretende Fiktion der Rechtswirksamkeit der Kündigung bezwecken die Herstellung alsbaldiger Klarheit über Fortbestand oder Ende des Arbeitsverhältnisses (allgemeine Ansicht, vgl. nur  - Rn. 8, NZA 2010, 1142; von Hoyningen-Huene/Linck § 4 Rn. 4 mwN). Sie erschweren den Kündigungsschutz des Arbeitnehmers nicht übermäßig, zumal § 5 KSchG die nachträgliche Klagezulassung eröffnet, wenn ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben.

III. Der Kläger hat gem. § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Fundstelle(n):
BB 2010 S. 2299 Nr. 38
BB 2010 S. 3020 Nr. 49
BB 2011 S. 63 Nr. 1
DB 2010 S. 2620 Nr. 47
GmbHR 2010 S. 315 Nr. 20
NJW 2010 S. 10 Nr. 52
NJW 2010 S. 3740 Nr. 51
StBW 2010 S. 1142 Nr. 24
StBW 2010 S. 858 Nr. 18
ZIP 2011 S. 140 Nr. 3
WAAAD-56038