EuGH Urteil v. - C-175/09

Zahlungspläne für zahnärztliche Versorgung - Dienstleistungen der Einziehung und der Bearbeitung von Zahlungen für Rechnung der Kunden eines Dienstleisters

Leitsatz

Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass die Erbringung einer Dienstleistung, die im Wesentlichen darin besteht, bei den Banken Dritter die Beträge, die diese Dritten dem Kunden des Dienstleisters schulden, für Rechnung des Kunden im Lastschriftverfahren einzuziehen, dem Kunden eine Aufstellung der erhaltenen Beträge zu übermitteln, Kontakt mit den Dritten aufzunehmen, von denen der Dienstleister keine Zahlung erhalten hat, und schließlich der Bank des Dienstleisters den Auftrag zu erteilen, die erhaltenen Beträge abzüglich des Entgelts des Dienstleisters auf das Bankkonto des Kunden zu überweisen, nicht unter die in dieser Bestimmung vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung fällt.

Instanzenzug:

Gründe

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie), der vorsieht, dass Umsätze u. a. im Zahlungs- und Überweisungsverkehr von der Mehrwertsteuer befreit sind.

Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Commissioners for Her Majesty's Revenue and Customs (im Folgenden: Commissioners) und der AXA UK plc (im Folgenden: AXA) über die Frage, ob Entgelte der Mehrwertsteuer unterliegen, die die Denplan Ltd (im Folgenden: Denplan) als Gegenleistung für an ihre Kunden erbrachte Dienstleistungen erhalten hat und die nach Ansicht von AXA von der Mehrwertsteuer befreit sein müssten.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Nach Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer "Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt".

Art. 13 ("Steuerbefreiungen im Inland") der Sechsten Richtlinie sieht vor:

"...

B. Sonstige Steuerbefreiungen

Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

...

d) die folgenden Umsätze:

...

3. die Umsätze - einschließlich der Vermittlung - im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der [Einziehung] von Forderungen,

..."

Nationales Recht

Die in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Befreiung wurde im Vereinigten Königreich durch Schedule 9 Group 5 Item 1 des Mehrwertsteuergesetzes von 1994 (Value Added Tax Act 1994) umgesetzt, wonach "[d]ie Ausgabe, die Übertragung oder die Entgegennahme von oder jedes Geschäft mit Geldern, in Wertpapieren verbrieften Geldern oder auf Zahlung von Geld lautenden Schuldversprechen oder Anweisungen" von der Mehrwertsteuer befreit sind.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

AXA ist das vertretungsberechtigte Mitglied einer Mehrwertsteuergruppe, zu der Denplan gehört. Deren Tätigkeit besteht in der Erbringung einer Reihe von Dienstleistungen, die Zahnärzten den Betrieb ihrer Praxis erleichtern sollen, wobei die wichtigste Dienstleistung in der Durchführung von Zahlungsplänen im Verhältnis von Zahnärzten und ihren Patienten besteht. Nach diesen Zahlungsplänen behandeln die Zahnärzte ihre Patienten laufend in bestimmtem Umfang, in Form regelmäßiger Kontrolluntersuchungen oder erforderlicher Behandlungen oder auch beider dieser Arten von Dienstleistungen, wofür die Patienten monatlich einen Festbetrag zahlen.

Entscheidet sich der Patient eines die Dienstleistungen von Denplan in Anspruch nehmenden Zahnarztes für einen Zahlungsplan, schließt er mit seinem Zahnarzt einen Vertrag, dessen Inhalt auf einem von Denplan erstellten Vordruck aufgeführt ist und der im Allgemeinen vorsieht, dass der Patient den monatlichen Betrag an Denplan zu leisten hat, die bei der Entgegennahme der dem Zahnarzt zustehenden Zahlungen als dessen Vertreterin handelt. Zugleich füllt der Patient ein Auftragsformular für das im Vereinigten Königreich eingerichtete Lastschriftverfahren zugunsten von Denplan aus und unterzeichnet dieses. Dieser Abbuchungsauftrag besteht in einer dauernden Weisung eines Bankkunden, im vorliegenden Fall des Patienten, an seine Bank, auf Verlangen eines bestimmten Dritten, im vorliegenden Fall Denplan, Zahlungen vorzunehmen. In diesem Auftragsformular sind die Bezeichnung und die Anschrift der Bank des Patienten sowie dessen Kontonummer angegeben.

Nach Erhalt einer Vertragskopie und des vom Patienten ausgefüllten Abbuchungsauftrags speichert Denplan die Daten des Patienten, insbesondere Name und Anschrift, in ihrem EDV-System und übermittelt der Bank des Patienten mittels eines elektronischen Systems die Einzelheiten des Auftrags. Der Abbuchungsauftrag bleibt als dauernde Weisung an die Bank des Patienten so lange wirksam, bis dieser die Bank von seiner Entscheidung in Kenntnis setzt, den Auftrag zu widerrufen.

Jeden Monat veranlasst Denplan an einem bestimmten Tag die Einziehung der Beträge, die die Patienten ihren Zahnärzten schulden. Hierzu erstellt sie für jeden Patienten eine elektronische Datei, die sie zur Übermittlung der Angaben an das Bankers' Automated Clearing System (automatisiertes Abrechnungssystem der Banken, im Folgenden: BACS) verwendet, ein automatisiertes elektronisches Clearingsystem, das von einer Gesellschaft eingerichtet und betrieben wird, deren sämtliche Gesellschafter Banken mit Sitz im Vereinigten Königreich sind. Denplan übermittelt dem BACS für jeden Patienten u. a. dessen Kontonummer sowie den Betrag, der von diesem Konto eingezogen werden soll. Das BACS leitet diese Informationen dann an das Rechenzentrum der betreffenden Bank weiter.

Sofern der Patient den Abbuchungsauftrag nicht widerrufen hat und sein weiterhin bestehendes Konto ein ausreichendes Guthaben für die Durchführung der Zahlung aufweist, belastet seine Bank das Konto und teilt dies dem BACS mit. Dieses verbucht dann eine entsprechende Gutschrift an die Bank von Denplan, damit diese Bank ihrerseits eine Gutschrift auf dem Konto von Denplan verbucht. Auf diese Weise wird der angeforderte Betrag vom Bankkonto des Patienten auf das Bankkonto von Denplan übertragen. Das BACS übermittelt Denplan eine Aufstellung der durchgeführten sowie der nicht durchgeführten Zahlungen. Denplan wiederum unterrichtet die betroffenen Zahnärzte und nimmt außerdem Kontakt mit denjenigen Patienten auf, von denen sie keine Zahlungen erhalten hat.

Ungefähr zehn Tage nach Eingang der Zahlungen auf ihrem Bankkonto rechnet Denplan gegenüber jedem Zahnarzt die Beträge ab, die von den Konten seiner Patienten stammen, wobei er bestimmte vereinbarte Abzüge vornimmt. Zu diesem Zweck erteilt Denplan ihrer eigenen Bank den Auftrag, eine Summe in Höhe des dem Zahnarzt zustehenden Gesamtbetrags von ihrem Bankkonto auf das Bankkonto des Zahnarztes zu überweisen.

Denplan zieht von den einzelnen Beträgen, die sie für Rechnung des Zahnarztes erhält, u. a. ein dem Zahnarzt in Rechnung gestelltes Entgelt ab. Dieser Abzug entspricht einem Prozentsatz jeder eingegangenen Zahlung. Nach den Angaben in der Vorlageentscheidung ist ein Teil der von den Zahlungen der Patienten abgezogenen Entgelte die Gegenleistung für die von Denplan erbrachte Dienstleistung des Zahlungseinzugs für Rechnung der Zahnärzte, die darin besteht, die Beträge von den Bankkonten der Kunden im Lastschriftverfahren einzuziehen und gegenüber den Zahnärzten eine Abrechnung vorzunehmen. In dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren ist die mehrwertsteuerliche Behandlung dieses Vorgangs streitig.

Mit einer Entscheidung vom Juni 2006 wiesen die Commissioners einen Anspruch von AXA wegen überzahlter Mehrwertsteuer für die Abrechnungszeiträume März 2002 bis Dezember 2004 zurück. Mit einer zweiten Entscheidung vom September 2006 setzten die Commissioners die Mehrwertsteuer für die in den Abrechnungszeiträumen März 2005 bis März 2006 erbrachten Dienstleistungen fest. Beide Entscheidungen beruhten auf der Feststellung, dass die von Denplan den Zahnärzten in Rechnung gestellten Entgelte die Gegenleistung für Dienstleistungen gewesen seien, die der Mehrwertsteuer unterlägen.

Im Juli und Oktober 2006 legte AXA Rechtsmittel gegen diese Entscheidungen beim VAT and Duties Tribunal, London, ein, das feststellte, dass auf die Entgelte keine Mehrwertsteuer anfalle, da es sich bei ihnen um die Gegenleistung für eine unter Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Sechsten Richtlinie fallende Finanzdienstleistung handele. Das Rechtsmittel der Commissioners gegen diese Entscheidung wurde vom High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division, Revenue List, zurückgewiesen. Die Commissioners legten daraufhin ein Rechtsmittel beim vorlegenden Gericht ein.

Nach Ansicht dieses Gerichts ist die wichtigste Frage in der bei ihm anhängigen Rechtssache, ob die in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung für "Umsätze ... im Zahlungs- und Überweisungsverkehr" für eine Dienstleistung gilt, die an einen Kunden - den Zahnarzt - erbracht wird, der Beträge von Dritten - den Patienten - erhalten möchte, und die darin besteht, die Beträge im Lastschriftverfahren von den Bankkonten der Dritten einzuziehen und die eingegangenen Beträge gegenüber dem Kunden abzurechnen.

In diesem Zusammenhang verweist das vorlegende Gericht auf das Urteil vom , SDC (C-2/95, Slg. 1997, I-3017), insbesondere Randnrn. 53 und 66, in dem der Gerichtshof entschieden hat, dass bezüglich eines "Umsatzes im Überweisungsverkehr" die erbrachten Dienstleistungen eine Übertragung von Geldern bewirken und zu rechtlichen und finanziellen Änderungen führen müssen.

Da die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits seiner Ansicht nach von der Auslegung des Unionsrechts abhängt, hat der Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Was sind die charakteristischen Merkmale einer von der Steuer befreiten Dienstleistung, die "eine Übertragung von Geldern bewirk[t] und zu rechtlichen und finanziellen Änderungen führ[t]"? Insbesondere:

a) Gilt die Befreiung für Dienstleistungen, die andernfalls von keinem der Finanzinstitute erbracht werden müssten, die i) Belastungen eines Kontos vornehmen, ii) entsprechende Gutschriften auf einem anderen Konto vornehmen oder iii) eine zwischen i und ii eingeschaltete Tätigkeit ausüben?

b) Gilt die Befreiung für Dienstleistungen, die keine Tätigkeiten umfassen, die in der Belastung eines Kontos und in der entsprechenden Gutschrift auf einem anderen Konto bestehen, die aber, wenn es zu einer Übertragung von Geldern kommt, als ursächlich für die Übertragung angesehen werden können?

2. Erbringt im Licht des Urteils SDC ein Unternehmen (das selbst keine Bank ist) eine von der Steuer befreite Dienstleistung im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3, wenn die Tätigkeiten, die es für seinen Kunden vornimmt,

a) die Einziehung und Bearbeitung der Zahlungen eines Dritten und die Weiterleitung der dem Kunden zustehenden Gelder umfassen, insbesondere

- die Übermittlung von Angaben an die Bank des Dritten zur Anforderung einer Zahlung vom Bankkonto des Dritten auf das Bankkonto des Unternehmens, und zwar gestützt auf eine Dauerermächtigung, die der Dritte der Bank (im Lastschriftverfahren) erteilt hat, und, falls die Bank die Zahlung vornimmt,

- die Erteilung eines Auftrags an die Bank des Unternehmens, Gelder von seinem Bankkonto auf das Bankkonto des Kunden zu überweisen,

aber

b) nicht i) die Belastung eines Bankkontos, ii) die Vornahme einer entsprechenden Gutschrift auf einem anderen Bankkonto oder iii) eine zwischen i und ii eingeschaltete Tätigkeit einschließen?

3. Macht es für die Beantwortung der Frage 2 einen Unterschied, wenn die in dieser Frage beschriebene Dienstleistung durch Übermittlung der Angaben an ein elektronisches System erbracht wird, das dann automatisch mit der betreffenden Bank kommuniziert, auch wenn die Übermittlung der Angaben nicht immer eine Überweisung zur Folge hat (etwa weil der Dritte die seiner Bank erteilte Dauerermächtigung widerrufen hat oder sein Bankkonto kein ausreichendes Guthaben aufweist)?

Zu den Vorlagefragen

Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass eine Dienstleistung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende von der Mehrwertsteuer befreit ist.

Diese von Denplan an ihre Kunden erbrachte und insbesondere in Frage 2 Buchst. a beschriebene Dienstleistung des "Zahlungseinzugs" umfasst die Einziehung, Bearbeitung und Weiterleitung von Geldbeträgen, die Dritte - die Patienten - den Kunden von Denplan - den Zahnärzten - schulden. Diese Dienstleistung besteht insbesondere in der Übermittlung von Angaben an die Bank des Dritten, um, gestützt auf eine Dauerermächtigung, die der Dritte seiner Bank erteilt hat, die Übertragung eines bestimmten Geldbetrags vom Bankkonto des Dritten auf das Bankkonto des Dienstleisters anzufordern und anschließend der Bank des Dienstleisters den Auftrag zu erteilen, Gelder von dessen Konto auf das Bankkonto seines Kunden zu überweisen. In der Zwischenzeit übermittelt der Dienstleister seinem Kunden eine Aufstellung über die erhaltenen Beträge und nimmt Kontakt mit den Dritten auf, von denen die angeforderten Beträge nicht eingegangen sind.

Da diese Dienstleistung mehrere Handlungen umfasst, ist zunächst zu prüfen, ob in mehrwertsteuerlicher Hinsicht, insbesondere für die Auslegung der Bestimmung, auf die sich die Vorlagefragen beziehen, Denplan ihren Kunden mehrere voneinander verschiedene und selbständige Leistungen erbringt, die getrennt zu beurteilen sind, oder eine komplexe, aus mehreren Elementen zusammengesetzte Leistung, die eine Einheit bildet (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom , Levob Verzekeringen und OV Bank, C-41/04, Slg. 2005, I-9433, Randnrn. 18 und 20, vom , Part Service, C-425/06, Slg. 2008, I-897, Randnrn. 48 f., sowie vom , Don Bosco Onroerend Goed, C-461/08, Slg. 2009, I-11079, Randnr. 34).

Unter bestimmten Umständen sind nämlich mehrere formal verschiedene Leistungen, die einzeln erbracht werden und damit zu einer getrennten Besteuerung oder Befreiung führen könnten, als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbständig sind. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Steuerpflichtige zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. in diesem Sinne Urteile Part Service, Randnrn. 51 und 53, vom , RLRE Tellmer Property, C-572/07, Slg. 2009, I-4983, Randnrn. 18 und 19, sowie Don Bosco Onroerend Goed, Randnrn. 36 f.).

Wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, ist bei einem Umsatz, der ein Bündel von Einzelleistungen und Handlungen umfasst, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, um zu bestimmen, ob zwei oder mehr getrennte Leistungen vorliegen oder eine einheitliche Leistung (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile Levob Verzekeringen und OV Bank, Randnr. 19, vom , Aktiebolaget NN, C-111/05, Slg. 2007, I-2697, Randnr. 21, sowie Don Bosco Onroerend Goed, Randnr. 38).

Was Umsätze wie die vom vorlegenden Gericht genannten anbelangt, ist festzustellen, dass die von Denplan vorgenommenen Handlungen in mehrwertsteuerlicher Hinsicht untrennbar miteinander verbunden sind. Der wirtschaftliche Zweck dieser Handlungen ist die Übertragung des dem Zahnarzt vom Patienten monatlich geschuldeten Betrags. Die Übertragung des geschuldeten Betrags auf das Bankkonto des Dienstleisters ist für dessen Kunden nur dann von Nutzen, wenn dieser Betrag, verringert um das Entgelt des Dienstleisters, anschließend dem Kunden überwiesen wird und der Dienstleister die erhaltenen Beträge gegenüber dem Kunden abrechnet. Daher ist die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Dienstleistung unter den vom vorlegenden Gericht geschilderten Umständen mehrwertsteuerrechtlich als ein einheitlicher Umsatz anzusehen.

Was sodann die Frage betrifft, ob eine Dienstleistung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende unter die in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung für Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr fällt, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die in Art. 13 vorgesehenen Steuerbefreiungen autonome unionsrechtliche Begriffe sind, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems verhindern sollen (vgl. u. a. Urteile vom , Abbey National, C-169/04, Slg. 2006, I-4027, Randnr. 38, vom , Velvet & Steel Immobilien, C-455/05, Slg. 2007, I-3225, Randnr. 15, vom , Swiss Re Germany Holding, C-242/08, Slg. 2009, I-10099, Randnr. 33, und vom , Future Health Technologies, C-86/09, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 28).

Aus der Rechtsprechung geht weiter hervor, dass die Begriffe, mit denen die in Art. 13 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen umschrieben sind, eng auszulegen sind, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Lieferung und jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt. Bei der Auslegung dieser Begriffe ist jedoch darauf zu achten, dass der in Rede stehenden Befreiung nicht ihre praktische Wirksamkeit genommen wird (vgl. in diesem Sinne Urteile Don Bosco Onroerend Goed, Randnr. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung, Future Health Technologies, Randnr. 30, sowie vom , EMI Group, C-581/08, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 20).

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Sechsten Richtlinie von der Steuer befreiten Umsätze durch die Art der erbrachten Dienstleistungen und nicht durch den Erbringer oder Empfänger der Leistung definiert werden (vgl. Urteile SDC, Randnrn. 32 und 56, vom , MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring, C-305/01, Slg. 2003, I-6729, Randnr. 64, sowie Swiss Re Germany Holding, Randnr. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Steuerbefreiung hängt daher nicht davon ab, dass die Umsätze von einem bestimmten Unternehmenstyp oder einem bestimmten Typ einer juristischen Person ausgeführt werden, solange die in Rede stehenden Umsätze zum Bereich der Finanzgeschäfte gehören (vgl. in diesem Sinne Urteile SDC, Randnr. 38, Velvet & Steel Immobilien, Randnr. 22, sowie Swiss Re Germany Holding, Randnr. 46).

Schließlich hat der Gerichtshof zu einigen Steuerbefreiungen nach Art. 13 Teil B Buchst. d der Sechsten Richtlinie entschieden, dass die in Rede stehenden Dienstleistungen nur dann als von der Steuer befreite Umsätze eingestuft werden, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes sind, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer in dieser Bestimmung beschriebenen Dienstleistung erfüllt (vgl. in diesem Sinne Urteile SDC, Randnrn. 66 und 75, zu Art. 13 Teil B Buchst. d Nrn. 3 und 5 der Sechsten Richtlinie, vom , CSC Financial Services, C-235/00, Slg. 2001, I-10237, Randnrn. 25 und 27, zu Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5, sowie Abbey National, Randnr. 70, zu Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6).

Was die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Dienstleistung betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass ihr Zweck darin besteht, den Kunden von Denplan, also den Zahnärzten, die Zahlung der ihnen von ihren Patienten geschuldeten Geldbeträge zukommen zu lassen. Denplan ist mit der Betreibung dieser Forderungen gegen Entgelt beauftragt und erbringt eine Dienstleistung, die in deren Verwaltung für Rechnung des Forderungsinhabers besteht. Diese Dienstleistung stellt daher grundsätzlich einen nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Sechsten Richtlinie von der Steuer befreiten Umsatz im Zahlungsverkehr dar, es sei denn, dass es sich um eine "Einziehung von Forderungen" handelt, die nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 a. E. von der Liste der Steuerbefreiungen ausdrücklich ausgenommen ist.

Da die Sechste Richtlinie keine Definition des Begriffs "Einziehung von Forderungen" enthält, ist Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 a. E. der Sechsten Richtlinie in seinem Kontext zu betrachten und nach dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung sowie allgemein nach der Systematik dieser Richtlinie auszulegen (Urteil MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring, Randnr. 70; vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom , Henriksen, 173/88, Slg. 1989, 2763, Randnr. 11, und vom 3. März 1994, Tolsma, C-16/93, Slg. 1994, I-743, Randnr. 10).

Während die in Art. 13 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen, wie in Randnr. 25 des vorliegenden Urteils ausgeführt, als Ausnahmen von der allgemeinen Geltung der Mehrwertsteuer eng auszulegen sind, ist der Begriff "Einziehung von Forderungen" als Ausnahme von einer solchen von der Geltung der Mehrwertsteuer abweichenden Bestimmung, die dazu führt, dass die von ihr erfassten Umsätze gemäß der Grundregel, auf der die Sechste Richtlinie beruht, der Besteuerung unterliegen, weit auszulegen (vgl. Urteil MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring, Randnrn. 72, 73 und 75, sowie entsprechend Urteil vom , Libéros/Kommission, C-171/00 P, Slg. 2002, I-451, Randnr. 27).

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bezieht sich der Begriff "Einziehung von Forderungen" im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Sechsten Richtlinie auf finanzielle Transaktionen, die darauf gerichtet sind, die Erfüllung einer Geldschuld zu erwirken (vgl. Urteil MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring, Randnr. 78).

Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Dienstleistung, die Denplan an Zahnärzte erbringt, vom Begriff der "Einziehung von Forderungen" im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Sechsten Richtlinie umfasst ist.

Zweck dieser Dienstleistung ist nämlich, den Kunden von Denplan, also den Zahnärzten, die Geldbeträge zukommen zu lassen, die ihnen von ihren Patienten geschuldet werden. Durch diese Dienstleistung soll daher die Erfüllung von Schulden erwirkt werden. Durch die Übernahme der Betreibung von Forderungen für Rechnung ihrer Inhaber nimmt Denplan ihren Kunden Aufgaben ab, die diese als Gläubiger, wenn Denplan nicht tätig würde, selbst erledigen müssten, Aufgaben, die in der Einziehung der ihnen geschuldeten Beträge im Lastschriftverfahren bestehen.

Entgegen dem Vorbringen der Kommission ist unerheblich, dass diese Dienstleistung bei Eintritt der Fälligkeit der betreffenden Schulden erbracht wird. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 a. E. der Sechsten Richtlinie bezieht sich nach seinem Wortlaut auf die Einziehung von Forderungen jeder Art, ohne seinen Anwendungsbereich auf Forderungen zu beschränken, die bei Eintritt der Fälligkeit nicht beglichen wurden. Außerdem ist das Factoring, das in all seinen Formen vom Begriff der "Einziehung von Forderungen" umfasst ist (vgl. Urteil MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring, Randnr. 77), nicht auf Forderungen beschränkt, hinsichtlich deren sich der Schuldner bereits mit der Zahlung in Rückstand befindet. Es kann auch Forderungen zum Gegenstand haben, die noch nicht fällig sind und die bei Fälligkeit befriedigt werden.

Ferner ist es für die Qualifikation der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dienstleistung als "Einziehung von Forderungen" in Anbetracht der Auslegung, die die Ausnahme von der Abweichung von der Geltung der Mehrwertsteuer in der in den Randnrn. 30 f. des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung erfahren hat, unerheblich, dass diese Dienstleistung nicht die Ergreifung von Zwangsmaßnahmen zum Zweck der Befriedigung der betreffenden Schulden vorsieht.

Nach alledem ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die Erbringung einer Dienstleistung, die im Wesentlichen darin besteht, bei den Banken Dritter die Beträge, die diese Dritten dem Kunden des Dienstleisters schulden, für Rechnung des Kunden im Lastschriftverfahren einzuziehen, dem Kunden eine Aufstellung der erhaltenen Beträge zu übermitteln, Kontakt mit den Dritten aufzunehmen, von denen der Dienstleister keine Zahlung erhalten hat, und schließlich der Bank des Dienstleisters den Auftrag zu erteilen, die erhaltenen Beträge abzüglich des Entgelts des Dienstleisters auf das Bankkonto des Kunden zu überweisen, nicht unter die in dieser Bestimmung vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung fällt.

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass die Erbringung einer Dienstleistung, die im Wesentlichen darin besteht, bei den Banken Dritter die Beträge, die diese Dritten dem Kunden des Dienstleisters schulden, für Rechnung des Kunden im Lastschriftverfahren einzuziehen, dem Kunden eine Aufstellung der erhaltenen Beträge zu übermitteln, Kontakt mit den Dritten aufzunehmen, von denen der Dienstleister keine Zahlung erhalten hat, und schließlich der Bank des Dienstleisters den Auftrag zu erteilen, die erhaltenen Beträge abzüglich des Entgelts des Dienstleisters auf das Bankkonto des Kunden zu überweisen, nicht unter die in dieser Bestimmung vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung fällt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
XAAAD-55579