BGH Urteil v. - I ZR 68/09

Wettbewerbsverstoß: Verwendung der Berufsbezeichnung "Freier Architekt" ohne Eintragung in der Architektenliste in Nordrhein-Westfalen - Freier Architekt

Leitsatz

Freier Architekt

Gesetze: § 4 Nr 11 UWG, § 2 BauKaG NW, Art 2 EGRL 36/2005, Art 4 Abs 1 EGRL 36/2005

Instanzenzug: Az: I-4 U 156/08 Urteilvorgehend Az: 22 O 61/08 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte, ein inzwischen nach längerem Aufenthalt in Spanien wieder in Deutschland wohnhafter deutscher Architekt, durch die Verwendung der Berufsbezeichnung "Freier Architekt" wettbewerbswidrig handelt, weil er nicht in Deutschland, sondern auf Gran Canaria in die Architektenliste eingetragen ist.

2Der Beklagte ließ sich nach im Jahr 1980 bestandener Diplomprüfung in der Fachrichtung Architektur in die von der Architektenkammer Baden-Württemberg geführte Architektenliste eintragen. Seine Eintragung wurde gelöscht, als er Ende 1999 nach Gran Canaria zog. Nachdem er dort im Jahr 2003 in die Architektenliste eingetragen worden war, beschloss der Beklagte Ende 2006, nach Deutschland zurückzukehren. Am versandte er eine E-Mail an einen potentiellen Bauherren, in der er sich als "Freier Architekt" bezeichnete.

3Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V., hat das Verhalten des Beklagten mit der Begründung als wettbewerbswidrig beanstandet, dieser sei in Deutschland nicht in eine Architektenliste eingetragen. Mit ihrer nach erfolgloser Abmahnung erhobenen Klage hat sie beantragt,

den Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd mit der Bezeichnung "Freier Architekt" und/oder "Architekt" zu werben, sofern nicht seine Eintragung in die Architektenliste der zuständigen Architektenkammer vorliegt.

4Darüber hinaus hat die Klägerin Zahlung einer Abmahnkostenpauschale in Höhe von 189 € nebst Zinsen begehrt.

5Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat insbesondere geltend gemacht, seine Eintragung in die spanische Architektenliste berechtige ihn, auch in Deutschland die entsprechenden Bezeichnungen zu führen.

6Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (, juris). Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG Hamm WRP 2009, 870). Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.

Gründe

7I. Das Berufungsgericht hat die Unterlassungsklage unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs für gemäß §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 2 des Baukammerngesetzes Nordrhein-Westfalen (BauKaG NRW) begründet erachtet und hierzu ausgeführt:

8Die Bestimmung des § 2 BauKaG NRW stelle als Verbraucherschutznorm eine Marktverhaltensregelung i.S. des § 4 Nr. 11 UWG dar. Sie bestimme strikt, dass die Berufsbezeichnung "Architekt" nur führen dürfe, wer in die Architektenliste eingetragen sei; dies aber treffe für den Beklagten unstreitig nicht zu. Die in § 7 BauKaG NRW enthaltene Ausnahmeregelung für auswärtige Architekten sei auf den Beklagten, der über eine deutsche Berufsqualifikation verfüge, nicht anwendbar. Der Beklagte werde dadurch weder im Verhältnis zu anderen Inländern diskriminiert, da er sich um die Eintragung in die Architektenliste des zuständigen deutschen Bundeslandes bemühen könne, noch im Verhältnis zu spanischen Architekten, da er über keine spanische Berufsqualifikation verfüge. Entgegen seiner Ansicht seien reglementierte Berufsbezeichnungen nicht EU-weit gültig. Die Rechtsstellung des Beklagten lasse sich auch nicht durch eine an der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen orientierte Auslegung verbessern. Diese Richtlinie sei nach ihrem Artikel 2 nur dann anwendbar, wenn jemand einen reglementierten Beruf in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wolle als in dem, in dem er seine Berufsqualifikation erworben habe.

9II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

101. Die Klägerin hat ihren Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt (§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG) und dazu eine ihrer Auffassung nach vom Beklagten im Juni 2007 begangene Zuwiderhandlung vorgetragen. Da der Unterlassungsanspruch auf die Abwehr künftiger Rechtsverstöße gerichtet ist, ist er nur begründet, wenn auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Rechts Unterlassung verlangt werden kann. Außerdem muss die Handlung zum Zeitpunkt ihrer Begehung wettbewerbswidrig gewesen sein, weil es andernfalls an der Wiederholungsgefahr fehlt (st. Rspr.; vgl. nur , GRUR 2009, 73 Tz. 15 = WRP 2009, 48 - Telefonieren für 0 Cent!; Urt. v. - I ZR 14/07, GRUR 2009, 1180 Tz. 23 = WRP 2009, 1510 - 0,00 Grundgebühr). Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt.

11a) Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom (BGBl. I, S. 1414; nachfolgend: UWG 2004), das zur Zeit der von der Klägerin beanstandeten Verhaltensweise des Beklagten gegolten hat, ist zwar durch das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom (BGBl. I, S. 2949) mit Wirkung ab geändert worden. Diese Gesetzesänderung, die der Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken in das deutsche Recht diente, ist für den Streitfall jedoch ohne Bedeutung. Das beanstandete Verhalten der Beklagten ist sowohl eine Wettbewerbshandlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 UWG 2004 als auch eine geschäftliche Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 UWG 2008. Der Wortlaut des § 4 Nr. 11 UWG ist gleich geblieben. Die im Streitfall weiterhin in Rede stehenden Bestimmungen der §§ 2 und 7 BauKaG NRW haben seit Juni 2007 ebenfalls keine für die Beurteilung des Streitfalls relevanten Änderungen erfahren.

12b) Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken hat in ihrem Anwendungsbereich (Art. 3 der Richtlinie) zu einer vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts geführt (vgl. Art. 4 der Richtlinie; , GRUR 2008, 807 Tz. 17 = WRP 2008, 1175 - Millionen-Chance). Sie regelt daher die Frage der Unlauterkeit von Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern abschließend. Im Streitfall ist insoweit Art. 3 Abs. 8 der Richtlinie zu beachten, wonach diese alle Niederlassungs- oder Genehmigungsbedingungen, berufsständischen Verhaltenskodizes oder andere spezifische Regeln für reglementierte Berufe unberührt lässt, damit die strengen Integritätsstandards, die die Mitgliedstaaten den in dem Beruf tätigen Personen nach Maßgabe des Unionsrechts auferlegen können, gewährleistet bleiben. Dementsprechend ist die Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG auf unionsrechtskonforme Marktverhaltensregelungen für gesetzlich geregelte Berufe mit der Richtlinie vereinbar (vgl. , GRUR 2009, 886 Tz. 18 = WRP 2009, 1513 - Die clevere Alternative; Urt. v. - I ZR 13/07, GRUR 2009, 977 Tz. 12 = WRP 2009, 1076 - Brillenversorgung). Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt (vgl. nachstehend unter II 3).

132. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Beklagte Ende 2006 seine Übersiedelung nach Deutschland beschlossen und zu der Zeit, zu der er die von der Klägerin beanstandete E-Mail versandt hat, eine Tätigkeit als freier Architekt in Deutschland gerade aufgenommen hatte. Die Revision weist danach mit Recht darauf hin, dass sich das vom Landgericht ausgesprochene und vom Berufungsgericht bestätigte Verbot bei diesen Gegebenheiten nicht auf die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV [vormals: Art. 49 ff. EG]), sondern auf die in den Art. 49 ff. AEUV (vormals: Art. 43 ff. EG) geregelte Niederlassungsfreiheit des Beklagten auswirkte.

143. Nach Ansicht der Revision verstößt die Regelung in § 2 BauKaG NRW, wonach die Tätigkeit als Architekt im Land Nordrhein-Westfalen unter dieser Bezeichnung grundsätzlich nur ausüben darf, wer in die Architektenliste der zuständigen Architektenkammer des Landes eingetragen ist, insofern gegen Art. 49 Abs. 1 Satz 1 AEUV, als sie keine Ausnahme für den Fall vorsieht, dass ein in Nordrhein-Westfalen niedergelassener Architekt als Staatsangehöriger eines EU-Mitgliedstaates (einschließlich Deutschlands) bereits in der Architektenliste eines anderen EU-Mitgliedstaates eingetragen ist. Die Niederlassungsfreiheit garantiere neben einem bloßen Diskriminierungsverbot ein allgemeines Beschränkungsverbot. Sie stehe daher auch unterschiedslos geltenden Regelungen entgegen, die die Niederlassungsfreiheit beschränkten, sofern sie nicht durch zwingende Gründe des öffentlichen Interesses gerechtfertigt und zur Erreichung des fraglichen Ziels geeignet seien sowie auch nicht über das hierzu Erforderliche hinausgingen. Das nach der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Bereich der Niederlassungsfreiheit juristischer Personen anzuwendende Herkunftslandprinzip habe auch für natürliche Personen zu gelten. Damit hat die Revision keinen Erfolg.

15a) Die Revision weist im rechtlichen Ansatz allerdings zutreffend darauf hin, dass ein Unionsbürger, der nach einem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat in seinen Herkunftsmitgliedstaat zurückkehrt, nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dort dann nicht schlechter behandelt werden darf als ein Bürger aus einem anderen Mitgliedstaat, der sich in derselben Situation befindet (vgl. , Slg. 1996, I-3089 = NJW 1996, 2921 Tz. 32 - Asscher, m.w.N.). Sie berücksichtigt bei ihren weiteren Ausführungen jedoch nicht hinreichend, dass die Frage, wie ein solcher Bürger in der Situation des Beklagten zu behandeln ist, in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen eine spezielle Regelung erfahren hat. Nach zur Konkretisierung des Rechts auf freie Niederlassung erlassenen Richtlinie ermöglicht die Anerkennung der Berufsqualifikationen durch den Aufnahmemitgliedstaat der begünstigten Person, dort denselben Beruf wie den, für den sie in ihrem Herkunftsmitgliedstaat qualifiziert ist, aufzunehmen und unter denselben Voraussetzungen wie ein Inländer auszuüben. Die Berufsanerkennungsrichtlinie geht daher im Bereich der Niederlassungsfreiheit von dem Grundsatz aus, dass auf der ersten Stufe für den Marktzugang das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung (Herkunftslandprinzip) und auf der zweiten Stufe für das Marktverhalten der Grundsatz der Inländer(gleich)behandlung und damit das Aufnahmelandprinzip gilt (vgl. Kluth/Rieger, EuZW 2005, 486, 490; dies., GewArch 2006, 1, 6 f.; Bulla, Freiheit der Berufswahl, 2009, S. 403). Auf der zweiten Stufe gilt daher für das Marktverhalten der Berufsträger insbesondere auch das Berufsrecht und das Berufsaufsichtsrecht des Staates, in dem der Beruf ausgeübt wird (Kluth/Rieger, EuZW 2005, 486, 490).

16Zu den danach anzuwendenden Vorschriften gehören insbesondere auch die die Mitgliedschaft bei den Trägern der freiberuflichen und wirtschaftlichen Selbstverwaltung regelnden Bestimmungen wie hier die Vorschrift des § 2 BauKaG NRW (vgl. BFH DStR 2008, 2440; Frenz, Handwerkliche Qualifikation und EU-Recht, 2006, S. 73 f.; Bulla aaO S. 385 f. und S. 442-444; Scheidtmann, Wirtschafts- und berufsständische Kammern im europäischen Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 129). Die Ausgestaltung der Pflichtmitgliedschaft in den deutschen Kammern der wirtschaftlichen und berufsständischen Selbstverwaltung widerspricht im Übrigen entgegen dem von der Revision in der mündlichen Verhandlung gehaltenen Vortrag auch nicht dem sonstigen Unionsrecht. Dies gilt insbesondere für dessen Grundprinzipien, das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 12 der Grundrechte-Charta, Art. 11 EMRK, die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV sowie die in Art. 101 ff. AEUV enthaltenen Bestimmungen des europäischen Kartellrechts (vgl. zum Vorstehenden Scheidtmann aaO S. 91 ff., 118 ff. und 138 f.).

17b) Ohne Erfolg weist die Revision demgegenüber zur Stützung ihrer gegenteiligen Ansicht auf die Regelung in Art. 52 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36/EG hin. Danach führen in Fällen, in denen das Führen der Berufsbezeichnung im Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat reglementiert ist, die Angehörigen der übrigen Mitgliedstaaten, die einen solchen Beruf ausüben dürfen, die entsprechende Berufsbezeichnung des Aufnahmemitgliedstaats und verwenden deren etwaige Abkürzung. Dies setzt freilich voraus, dass sie - wie ein inländischer Architekt - zuvor in die Architektenliste eingetragen worden sind. Art. 52 Abs. 1 der Richtlinie durchbricht daher nicht das Aufnahmelandprinzip, sondern konkretisiert es in dieser Hinsicht.

18c) Die Europäische Kommission, die der vom Beklagten ergänzend angerufene Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments um Auskunft ersucht hat, hat in ihrer Antwort vom allerdings die Ansicht vertreten, der Beklagte könne in Deutschland unter der Berufsbezeichnung "Architekt" Dienstleistungen erbringen. Sie ist dabei jedoch auf der Grundlage der Eingabe des Beklagten und damit abweichend von den hier maßgeblichen tatrichterlichen Feststellungen davon ausgegangen, dass dieser andernfalls in der Ausübung seiner in Art. 56 AEUV garantierten Dienstleistungsfreiheit beeinträchtigt werde und dass dementsprechend auch die Art. 5 bis 7 der Richtlinie 2005/36/EG anzuwenden seien, die in deren die Dienstleistungsfreiheit näher regelndem Titel II enthalten sind. Im Bereich der Niederlassungsfreiheit sind diese Vorschriften jedoch nicht anwendbar (vgl. Frenz aaO S. 73 f. und Bulla aaO S. 443 f., jeweils mit Hinweis auf , Slg. 2000, I-7919 = EuZW 2000, 763 Tz. 45 = GewArch 2000, 476 - Corsten und Urt. v. - C-453/04, Slg. 2006, I-4929 = NJW 2006, 3195 Tz. 32 ff., 38 f. - innoventif Limited).

194. Das Berufungsgericht hat die danach mit dem Unionsrecht im Einklang stehende und im Streitfall anwendbare Bestimmung des § 2 BauKaG NRW mit Recht als eine Marktverhaltensregelung i.S. des § 4 Nr. 11 UWG angesehen, deren Verletzung die wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen dieser Personen spürbar beeinträchtigt. Denn sie dient dem Schutz der auf der Marktgegenseite stehenden Personen vor falschen Vorstellungen über die berufliche Stellung desjenigen, der die betreffende Berufsbezeichnung führt (vgl. , juris Tz. 25 und 26; MünchKomm.UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11 Rdn. 132).

205. Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass die Klägerin die Beklagte berechtigterweise abgemahnt hat und von dieser auch ihre dadurch entstandenen pauschal berechneten Kosten ersetzt verlangen kann (§ 12 Abs. 1 Satz 2 UWG).

21III. Nach allem ist die Revision des Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
NJW-RR 2011 S. 43 Nr. 1
XAAAD-54380