BFH Urteil v. - VI R 15/09 BStBl 2011 II S. 47

Erneute doppelte Haushaltsführung am früheren Beschäftigungsort bedingt keinen Wohnungswechsel

Leitsatz

1. Wurde eine doppelte Haushaltsführung beendet, kann sie am früheren Beschäftigungsort auch in der dazu schon früher genutzten Wohnung erneut begründet werden.

2. Eine doppelte Haushaltsführung ist regelmäßig dann beendet, wenn der Haushalt in der Wohnung am Beschäftigungsort nicht mehr geführt wird.

Gesetze: EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5, Abs. 5EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5

Instanzenzug: (EFG 2009, 822) (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

I.

1Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und erzielten im Streitjahr (2006) jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Familienwohnsitz befindet sich in Köln.

2Der Kläger ist als wissenschaftlicher Assistent bei der X tätig. Im Jahr 2002 wurde er von seinem Arbeitgeber nach A an das…Institut abgeordnet. Hier bewohnte er seit 2004 eine Eigentumswohnung. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) erkannte eine doppelte Haushaltsführung an.

3Vom bis zum wurde der Kläger vom…Institut in A beurlaubt und gleichzeitig seiner Weiterbeschäftigung im Anschluss an die Beurlaubung zugestimmt. Während der Beurlaubung erfüllte der Kläger einen Lehrauftrag an der Universität B. Dort mietete der Kläger Wohnraum an. Die Wohnung in A stand in dieser Zeit leer.

4Zum nahm der Kläger seine Tätigkeit in A wieder auf und bezog erneut seine Eigentumswohnung.

5Der Kläger begehrte in seiner Einkommensteuererklärung für 2006 unter anderem den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen für drei Monate im Rahmen einer neuen doppelten Haushaltsführung in A ab dem . Das FA lehnte dies ab.

6Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 822 veröffentlichten Gründen insoweit statt, als es eine Wiederbegründung der doppelten Haushaltsführung in A mit Anspruch auf Verpflegungsmehraufwendungen für die ersten drei Monate anerkannte.

7Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

8Das FA beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9Die Kläger beantragen sinngemäß,

die Revision zurückzuweisen.

II.

10Die Revision des FA ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger für seine erneut begründete doppelte Haushaltsführung in A Verpflegungsmehraufwendungen in den ersten drei Monaten als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend machen kann.

111. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) gehören zu den Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG liegt eine doppelte Haushaltsführung vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Beschäftigungsort i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG ist der Ort der regelmäßigen, dauerhaften Arbeitsstätte. Regelmäßige Arbeitsstätte ist der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers (, BFHE 218, 174, BStBl II 2007, 609). Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen können im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung pauschal und beschränkt auf die ersten drei Monate an derselben Tätigkeitsstätte zum Abzug zugelassen werden (§ 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 6 EStG).

12Von der Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung ist deren Beendigung abzugrenzen. Erst mit Beendigung der doppelten Haushaltsführung scheidet der Werbungskostenabzug aus. Eine doppelte Haushaltsführung ist regelmäßig dann beendet, wenn der Haushalt in der Wohnung am Beschäftigungsort nicht mehr geführt wird. Das kann etwa der Fall sein, wenn der Steuerpflichtige die Familienwohnung an den Beschäftigungsort oder in dessen Einzugsbereich verlagert und seinen dort geführten zweiten Haushalt aufgibt oder wenn er den Zweithaushalt nicht mehr führt, weil er seine regelmäßige Arbeitsstätte aufgibt und an einem anderen Ort tätig wird. Nach Beendigung einer doppelten Haushaltsführung kann der Steuerpflichtige unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG erneut eine doppelte Haushaltsführung aus beruflichem Anlass, gegebenenfalls auch am früheren Beschäftigungsort und in der Wohnung, in der er bereits früher einen Zweithaushalt errichtet hatte, begründen.

132. Nach diesen Grundsätzen beendete der Kläger nach den Feststellungen des FG die 2002 begründete doppelte Haushaltsführung in A im Herbst 2005. Die regelmäßige Arbeitsstätte befand sich ab Oktober 2005 in B; der Zweithaushalt am früheren Beschäftigungsort in A wurde nicht mehr fortgeführt. Mit der Wiederaufnahme der Tätigkeit in A ab begründete der Kläger dort erneut eine doppelte Haushaltsführung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG. Dies berechtigte den Kläger, die notwendigen Mehraufwendungen als Werbungskosten in Abzug zu bringen. Dies gilt unter Beachtung der Dreimonatsfrist auch für die Mehraufwendungen für die Verpflegung.

14Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger seine Eigentumswohnung in A während seines Aufenthalts in B nicht veräußert, sondern im Hinblick auf die Rückkehr an seine frühere Arbeitsstätte beibehalten hat. Denn die erneute Begründung einer doppelten Haushaltsführung am früheren Beschäftigungsort setzt nicht voraus, dass der Arbeitnehmer dort eine neue Wohnung nimmt. Es kommt auch nicht darauf an, dass dem Kläger die Verpflegungssituation am Beschäftigungsort bekannt war. Denn der Abzug von Mehraufwendungen für die Verpflegung während der Dreimonatsfrist ist generell von der konkreten Verpflegungssituation unabhängig (, BFHE 212, 64, BStBl II 2006, 267).

Fundstelle(n):
BStBl 2011 II Seite 47
BB 2010 S. 2661 Nr. 44
BBK-Kurznachricht Nr. 24/2010 S. 1166
BFH/NV 2010 S. 2326 Nr. 12
BFH/PR 2011 S. 4 Nr. 1
BStBl II 2011 S. 47 Nr. 1
DB 2010 S. 2314 Nr. 42
DStR 2010 S. 2122 Nr. 42
DStRE 2010 S. 1338 Nr. 21
DStZ 2010 S. 856 Nr. 23
EStB 2010 S. 406 Nr. 11
FR 2011 S. 33 Nr. 1
GStB 2010 S. 45 Nr. 12
HFR 2010 S. 1281 Nr. 12
KÖSDI 2010 S. 17185 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 43/2010 S. 3436
StB 2010 S. 418 Nr. 12
StBW 2010 S. 964 Nr. 21
StC 2011 S. 10 Nr. 1
StuB-Bilanzreport Nr. 22/2010 S. 886
CAAAD-53901