BAG Urteil v. - 5 AZR 521/09

Arbeitszeitkonto - Guthabenmitteilung - tarifliche Ausschlussfrist - BauRTV

Leitsatz

Die vorbehaltlose Mitteilung eines Arbeitgebers an den Arbeitnehmer über den Stand des für ihn geführten Arbeitszeitkontos stellt dessen Saldo ebenso streitlos wie eine Lohn- oder Gehaltsmitteilung die darin ausgewiesene Geldforderung.

Gesetze: § 3 Nr 1.43 Abs 1 S 1 BauRTV, § 15 BauRTV, § 611 Abs 1 BGB, § 4 Abs 4 S 3 TVG, § 2 Abs 1 S 1 ArbZG, § 3 Nr 1.43 Abs 3 S 1 BauRTV, § 3 Nr 1.43 Abs 3 S 2 BauRTV, § 242 BGB

Instanzenzug: Az: 5 Ca 3785/08 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 9 Sa 58/09 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Auszahlung eines Guthabens auf einem Arbeitszeitkonto.

2Der Kläger war bis zum bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der allgemeinverbindliche Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom (im Folgenden: BRTV-Bau) Anwendung.

§§ 3, 15 BRTV-Bau lauten auszugsweise:

4Eine freiwillige Betriebsvereinbarung oder eine einzelvertragliche Vereinbarung nach § 3 Nr. 1.43 Abs. 4 BRTV-Bau gibt es nicht.

5Jedenfalls im Zeitraum von Mai bis einschließlich September 2006 erhielt der Kläger neben seiner Lohnabrechnung, auf der das Arbeitszeitkonto mit „0“ Stunden und „0“ Euro geführt wurde, jeweils ein Zusatzblatt „Bestandteil der Lohnabrechnung“, welches den Stand seines individuellen Arbeitszeitguthabens wiedergab. Zum belief sich dieses auf 90 Stunden.

6Ab Oktober 2006 wies die Beklagte das nun als Arbeitszeit-/Geldkonto bezeichnete Ausgleichskonto auf den jeweiligen monatlichen Lohnabrechnungen aus. In der Abrechnung für Oktober 2006 wurde ein Guthaben von 1,26 Stunden mitgeteilt.

7Mit der am beim Arbeitsgericht Dortmund eingegangenen Klage hat der Kläger nach vorhergehender erfolgloser außergerichtlicher schriftlicher Geltendmachung vom unter Fristsetzung bis zum die Vergütung für 90 Stunden zu je 12,50 Euro brutto begehrt.

Der Kläger hat beantragt,

9Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie ist der Auffassung, der Anspruch sei verfallen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage sowie eine Widerklage der Beklagten abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

Gründe

11Die Revision des Klägers ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Die Beklagte schuldet dem Kläger gemäß § 611 BGB die Vergütung von 90 Arbeitsstunden zu je 12,50 Euro brutto nebst Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe.

12I. Der Zahlungsanspruch ist jedenfalls bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im geltend gemachten Umfang entstanden, als sich der für Ende September 2006 auf dem Arbeitszeitkonto ausgewiesene Guthabensaldo von 90 Stunden in einen Geldanspruch wandelte.

131. Ein Arbeitszeitkonto drückt aus, in welchem Umfang der Arbeitnehmer Arbeit geleistet hat und deshalb Vergütung beanspruchen kann, bzw. in welchem Umfang er noch Arbeitsleistung für die vereinbarte Vergütung erbringen muss. Da dieses Zeitguthaben nur in anderer Form den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ausdrückt ( - BAGE 100, 256), genügt für die Schlüssigkeit einer Klage, die auf Ausgleich des Guthabens auf einem Arbeitszeitkonto gerichtet ist, dass der Kläger die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos und das Bestehen eines Guthaben darlegt ( - zu II 1 der Gründe, EzA ZPO § 253 Nr. 22). Der Sache nach handelt es sich um den Vergütungsanspruch für vorgeleistete Arbeit ( - zu II 2 a der Gründe, BAGE 108, 1 zu § 3 Nr. 1.43 BRTV-Bau).

142. Der Kläger hat für September 2006 das Zusatzblatt „Bestandteil der Lohnabrechnung“, welches den Stand seines individuellen Ausgleichskontos wiedergab, vorgelegt. Danach belief sich sein Guthaben per auf 90 Stunden. Dieses Guthaben ist wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit 1.125,00 Euro brutto entsprechend 12,50 Euro brutto je Arbeitsstunde zu vergüten. Für diesen Zahlungsanspruch ist es unerheblich, dass die Beklagte das Guthaben, anders als dies § 3 Nr. 1.43 BRTV-Bau vorsieht, nicht in Geld, sondern in „Lohnstunden“ ausgewiesen hat.

15II. Der Anspruch ist nicht durch Erfüllung erloschen. Das Landesarbeitsgericht hat gemäß § 559 Abs. 2 ZPO für den Senat bindend festgestellt, dass das Guthaben weder im Oktober 2006 noch später durch Freizeit ausgeglichen worden ist. Die Beklagte hat die Guthabenstunden auch nicht abgegolten.

16III. Der Anspruch des Klägers ist nicht verfallen.

171. Der Anspruch auf eine Zeitgutschrift, der zunächst an die Stelle des ursprünglichen Vergütungsanspruchs aus § 611 BGB getreten war, bedurfte keiner Geltendmachung iSd. § 15 BRTV-Bau, denn die Beklagte hatte die Guthabenstunden im Arbeitszeitkonto des Klägers zum vorbehaltlos ausgewiesen. Damit war wie bei der Ausweisung einer Vergütungsforderung in einer Lohnabrechnung der Zweck der Geltendmachung erreicht.

18a) Eine einmal in einer schriftlichen Lohnabrechnung des Arbeitgebers ausgewiesene Lohnforderung ist streitlos gestellt und muss nicht noch einmal schriftlich geltend gemacht werden. Das folgt aus dem Zweck von Ausschlussfristen. Der Gläubiger soll durch diese angehalten werden, die Begründetheit und Erfolgsaussichten seiner Ansprüche zu prüfen. Er soll den Schuldner innerhalb der maßgebenden Fristen darauf hinweisen, ob und welche Ansprüche im Einzelnen noch erhoben werden. Der Schuldner soll sich darauf verlassen können, nach Ablauf der Verfallfrist nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Mit der Zuleitung einer vorbehaltlosen Lohnabrechnung ist dieser Zweck der Ausschlussfrist erreicht, ohne dass es einer weiteren Geltendmachung bedarf ( - BAGE 73, 54; - 5 AZR 110/82 - BAGE 40, 258; - 7 AZR 124/83 - AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 92; - 5 AZR 660/77 - AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 67). Die Obliegenheit zur Geltendmachung lebt nicht wieder auf, wenn der Arbeitgeber die Forderung später bestreitet ( - aaO).

19b) Diese Grundsätze sind auf die Ausweisung von Guthabenstunden in einem vom Arbeitgeber für den einzelnen Arbeitnehmer geführten Arbeitszeitkonto, das einen Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers nur in anderer Form ausdrückt, zu übertragen. Die vorbehaltlose Mitteilung eines Arbeitgebers an den Arbeitnehmer über den Stand des Arbeitszeitkontos stellt dessen Saldo ebenso streitlos wie eine Lohn- oder Gehaltsmitteilung eine Geldforderung. Einer weiteren Geltendmachung bedarf es nicht mehr. Dem steht nicht entgegen, dass Buchungen und Gutschriften auf einem Arbeitszeitkonto kein Anerkenntnis im Rechtssinne, dh. keine rechtsgeschäftliche Erklärung, sondern lediglich Wissenserklärungen darstellen (vgl.  - Rn. 26, AP BGB § 611 Feiertagsvergütung Nr. 1; zur Gehaltsabrechnung - 5 AZR 973/08 - Rn. 27, EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 50).

202. Die Notwendigkeit zur Geltendmachung eines auf einem Arbeitszeitkonto ausgewiesenen Anspruchs lebt mangels abweichender Regelung nicht wieder auf, wenn sich - beispielsweise - wegen des Ablaufs eines Ausgleichszeitraums oder der Schließung eines Arbeitszeitkontos ein Freizeitausgleichs- in einen Zahlungsanspruch wandelt. Der Zahlungsanspruch ist im Verhältnis zum Zeitguthaben kein neuer Anspruch im Sinne der Ausschlussfrist. Er ersetzt ihn lediglich, nachdem eine Freistellung ausscheidet. Die Geltendmachung einer Zeitgutschrift oder der gleichwertigen Zahlung entsprechen einander ( - zu I 3 c der Gründe, BAGE 100, 256; - 9 AZR 244/01 - zu B III 1 a der Gründe, BAGE 102, 321).

213. Hiernach musste der Kläger die Abgeltung der Guthabenstunden weder im Oktober 2006 noch später schriftlich oder gerichtlich geltend machen, denn das Guthaben war bereits streitlos gestellt. Deshalb ist es für die Anwendung der tariflichen Ausschlussfrist unerheblich, aus welchen Gründen die Beklagte das Arbeitszeitkonto des Klägers auf „0“ stellte, ohne die Guthabenstunden zu vergüten oder durch bezahlte Freizeit auszugleichen. Da die erste Stufe der Ausschlussfrist nicht einzuhalten war, war der Kläger auch nicht gehalten, den Anspruch innerhalb der tariflich geregelten Frist gerichtlich geltend zu machen (vgl.  - BAGE 40, 258).

224. Die mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses beginnende Frist des § 15 Nr. 1 Alt. 2 BRTV-Bau hat der Kläger gewahrt, denn er ist am ausgeschieden und hat die Forderung mit Schreiben vom und am klageweise erhoben.

23IV. Der Zinsanspruch ist gemäß § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen Schuldnerverzugs der Beklagten begründet. Der Kläger hat mit Schreiben vom unter Fristsetzung zum die Zahlung von 1.125,00 Euro brutto begehrt.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 91 ZPO.

Fundstelle(n):
BB 2010 S. 2628 Nr. 43
DB 2010 S. 2284 Nr. 41
AAAAD-53449