BAG Urteil v. - 5 AZR 498/09

Kleine dynamische Bezugnahmeklausel - Tarifsukzession - Tarifpluralität - ergänzende Vertragsauslegung - Chefarztvergütung

Gesetze: § 611 Abs 1 BGB, § 133 BGB, § 157 BGB, § 242 BGB, § 305 Abs 1 S 1 BGB, § 1 Abs 1 TVG, Art 3 Abs 1 GG, § 2 Abs 1 S 1 TVÜ-VKA, § 4 Abs 1 S 1 TVÜ-VKA, § 17 Abs 2 TVÜ-VKA, § 19 Abs 2 TVÜ-VKA, Anl 1 Entgeltgr 15Ü TVÜ-VKA, § 16 Buchst d TV-Ärzte/VKA, § 1 Abs 2 TV-Ärzte/VKA, § 51 Abs 1 S 1 TVöD BT-K, § 51 Abs 3 TVöD BT-K, Anl 1a Teil I VergGr I BAT, § 3 Buchst i BAT, § 2 Abs 1 S 1 TVÜ-Ärzte/VKA

Instanzenzug: Az: 8 Ca 141/08 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 13 Sa 1277/08 E Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung Vergütung nach dem zwischen dem Marburger Bund und der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) geschlossenen Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom (im Folgenden: TV-Ärzte/VKA) zuzüglich eines Aufschlags von 15 % beanspruchen kann.

2Die Beklagte betreibt eine Klinik. Der 1953 geborene Kläger ist bei ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin, der Landeshauptstadt Hannover, seit als Chefarzt der Urologischen Klinik des Krankenhauses S beschäftigt.

Im Arbeitsvertrag vom vereinbarten die Parteien ua.:

4Bei den in § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrags aufgeführten Beträgen handelt es sich um die am geltende tarifliche Grundvergütung nach Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum BAT. Der Ortszuschlag entspricht in seiner Höhe dem damaligen tariflichen Anspruch nach Stufe 1,5. Die Beklagte hat während der Geltung des BAT im kommunalen öffentlichen Dienst Grundvergütung und Ortszuschlag entsprechend den tariflichen Entgelterhöhungen gewährt und familiäre Veränderungen im Ortszuschlag umgesetzt (zuletzt nach Stufe 2). Der Kläger wurde für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich faktisch bezahlt wie ein verheirateter Angestellter nach Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum BAT und erhielt vom bis zum monatlich 5.700,30 Euro brutto.

5Mit Schreiben vom machte der Kläger rückwirkend ab August 2006 Vergütung nach Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA zuzüglich eines Aufschlags von 15 % geltend.

6Mit seiner Klage hat der Kläger für den Zeitraum August 2006 bis Juni 2007 die Differenz zwischen der Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA zuzüglich eines Aufschlags von 15 % iHv. insgesamt 7.475,00 Euro brutto monatlich und den erhaltenen 5.700,30 Euro brutto sowie die Feststellung begehrt, dass sich seine Vergütung nach der jeweiligen Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA zuzüglich 15 % berechnet. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, durch den Wegfall des BAT sei in seinem Arbeitsvertrag eine Regelungslücke entstanden. Maßgebender Nachfolgetarifvertrag sei der TV-Ärzte/VKA. Nach den Eingruppierungsregelungen des BAT seien Oberärzte in die Vergütungsgruppe Ia eingruppiert gewesen, so dass die Vereinbarung der Vergütungsgruppe I im Vergleich zum Gehalt der unterstellten Oberärzte eine um 15 % höhere Vergütung bedeutet habe. Diese Vergütungsdifferenz sei im Rahmen der Tarifumstellung fortzuschreiben. Da er an Tarifsteigerungen teilhaben sollte, stehe ihm zumindest die prozentuale Erhöhung der Vergütung nach Vergütungsgruppe Ia BAT zu Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA um 25,63 % und damit ein monatlicher Differenzbetrag iHv. 1.460,98 Euro brutto zu.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

8Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Entgeltansprüche des Klägers seien einzelvertraglich geregelt, eine Eingruppierung nach dem TV-Ärzte/VKA komme nicht in Betracht. Nach der Ersetzung des BAT durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (im Folgenden: TVöD) könne die Anpassungsklausel allenfalls dahingehend ausgelegt werden, dass eine Anpassung entsprechend der Endgrundvergütung des TVöD für den kommunalen Bereich erfolge. Eine Anspruchsgrundlage für einen 15%igen Zuschlag sei im Übrigen nicht erkennbar.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Gründe

10Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger hat weder Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA (Hauptantrag) noch einen solchen auf Anpassung seiner Vergütung entsprechend der „prozentualen Erhöhung“ der Vergütung nach Vergütungsgruppe Ia BAT im Vergleich zu der Vergütung nach Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA.

11I. Der TV-Ärzte/VKA findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG). Unabhängig von dem Erfordernis der beiderseitigen Tarifgebundenheit gilt der TV-Ärzte/VKA nach seinem § 1 Abs. 2 nicht für Chefärzte, deren Arbeitsbedingungen einzelvertraglich vereinbart worden sind. Darüber hinaus sind nach § 16 Buchst. d TV-Ärzte/VKA in Entgeltgruppe IV (nur) Leitende Oberärzte, denen die ständige Vertretung des Chefarztes übertragen ist (zu den Eingruppierungsmerkmalen des § 16 Buchst. d TV-Ärzte/VKA vgl.  - ZTR 2010, 294), nicht aber Chefärzte eingruppiert.

12II. Ein Anspruch des Klägers auf Vergütung nach Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA ergibt sich nicht aus dem Arbeitsvertrag.

13Gemäß § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrags erhält der Kläger für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich eine Vergütung, die sich entsprechend der in § 26 BAT vorgesehenen Struktur aus Grundvergütung und Ortszuschlag zusammensetzt und deren Höhe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Grundvergütung nach Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum BAT und dem Ortszuschlag nach Stufe 1,5 entsprach. Außerdem sollte sich die Grundvergütung „im gleichen prozentualen Verhältnis und vom gleichen Zeitpunkt an wie die Endgrundvergütung der Vergütungsgruppe I BAT für den kommunalen Bereich“ ändern. Diese Vereinbarung enthält eine kleine dynamische Bezugnahme.

141. Bei § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrags handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB). Dafür begründet das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl.  - Rn. 20 ff., BAGE 117, 155; - 6 AZR 76/07 - Rn. 18, BAGE 128, 73), der keine der Parteien entgegen getreten ist. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten ( - Rn. 24 mwN, BAGE 126, 198). Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist durch das Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen ( - Rn. 13, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 58 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 13).

152. Danach enthält § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrags eine kleine dynamische Bezugnahme.

16In § 8 Abs. 1 vereinbaren die Parteien eine Grundvergütung, die - obwohl leitende Ärzte (Chefärzte) nach § 3 Buchst. i BAT von dessen Geltungsbereich ausgenommen sind und dementsprechend die Vergütungsordnungen zum BAT keine Eingruppierungsmerkmale für Chefärzte enthalten - der Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum BAT einschließlich der in § 26 BAT vorgesehenen Struktur einer Gesamtvergütung bestehend aus der Grundvergütung und dem Ortszuschlag entspricht, und gestalten sie dynamisch. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Vereinbarung. Die in einem bestimmten DM-Betrag festgehaltene Grundvergütung soll sich im gleichen prozentualen Verhältnis und vom gleichen Zeitpunkt an wie die Endgrundvergütung der Vergütungsgruppe I BAT für den kommunalen Bereich ändern. Damit wollte die Beklagte in ihrem Krankenhaus das Vergütungssystem des kommunalen öffentlichen Dienstes für die Vergütung der Chefärzte im dienstlichen Aufgabenbereich anwenden und die dort stattfindende Vergütungsentwicklung nachvollziehen (vgl.  - Rn. 14, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44). Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach Bezugnahmen im Arbeitsvertrag auf anderweitige normative Regelungen in der Regel dynamisch zu verstehen sind ( - 4 AZR 351/01 - zu III 1 b bb der Gründe, BAGE 103, 338; vgl. auch - 5 AZR 128/05 - Rn. 22, BAGE 116, 185). Dass die Bezugnahme - jedenfalls innerhalb des Bezugsobjekts BAT - dynamisch sein sollte, bestätigt auch die tatsächliche Handhabung der Beklagten, die den Kläger nach nicht angegriffener Feststellung des Landesarbeitsgerichts wie einen in Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum BAT eingruppierten, verheirateten Angestellten vergütete.

173. Eine Erstreckung auf den TV-Ärzte/VKA trägt der Wortlaut der Bezugnahmeklausel aber nicht. Der TV-Ärzte/VKA ist keine „Fassung“ des BAT. § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrags ist zeit-, nicht jedoch inhaltsdynamisch ausgestaltet. Ein Zusatz, dass sich die Grundvergütung auch entsprechend der den BAT ersetzenden Tarifverträge ändern soll, wurde nicht in die Vergütungsvereinbarung der Parteien aufgenommen (vgl.  - Rn. 15, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44; - 4 AZR 796/08 - Rn. 18 f.).

18III. Ein Anspruch des Klägers auf Vergütung nach dem TV-Ärzte/VKA seit lässt sich nicht auf eine ergänzende Auslegung des Arbeitsvertrags stützen.

191. Es ist nachträglich eine Regelungslücke entstanden.

20Im kommunalen Bereich wurde der BAT zum durch den TVöD ersetzt, § 2 Abs. 1 TVÜ-VKA. Ab diesem Zeitpunkt wurden der BAT und die Vergütungstarifverträge zum BAT nicht mehr weiterentwickelt. Durch die Tarifsukzession ist die zeitdynamisch angelegte Bezugnahme auf eine Änderung der Grundvergütung entsprechend der Grundvergütung der Vergütungsgruppe I BAT im Arbeitsvertrag zur statischen geworden. Der letzte Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT datiert vom . Ihn als Grundlage der Vergütung des Klägers zu betrachten, wäre weder mit dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrags noch dem Zweck einer zeitdynamischen Bezugnahme vereinbar. Es träte eine statische Fortgeltung der bereits heute überholten tariflichen Rechtslage des Jahres 2003 ein ( - Rn. 18 ff., EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44). Mithin lässt sich ohne Vervollständigung der arbeitsvertraglichen Vergütungsvereinbarung nach dem ihr zugrunde liegenden Regelungsplan eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht erzielen (vgl.  - Rn. 23; - 3 AZR 640/07 - Rn. 33, AP BetrAVG § 2 Nr. 60).

212. Die zum entstandene nachträgliche Regelungslücke ist zu diesem Zeitpunkt im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen.

22a) Bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat die ergänzende Vertragsauslegung nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu erfolgen, der am Willen und Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise (und nicht nur der konkret beteiligten Parteien) ausgerichtet sein muss. Die Vertragsergänzung muss deshalb für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein. Es ist zu fragen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unvollständigkeit ihrer Regelung bekannt gewesen wäre ( - Rn. 26, BAGE 122, 182; - 5 AZR 721/05 - Rn. 34, AP BGB § 308 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 6).

23b) Aus der dynamischen Ausgestaltung der Änderung der Grundvergütung ergibt sich der Wille der Parteien, die Vergütung nicht in der im Arbeitsvertrag festgehaltenen bestimmten Höhe bis zu einer Vertragsänderung festzuschreiben, sondern sie - dynamisch - an der jeweiligen Höhe der Vergütung eines Angestellten im öffentlichen Dienst, der in die Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum BAT eingruppiert ist, auszurichten. Deshalb hätten die Parteien redlicherweise für den Fall einer Tarifsukzession eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe vereinbart, die der im Arbeitsvertrag bezeichneten Vergütungsgruppe nachfolgt und ihr entspricht. Ein „Einfrieren“ der Vergütung auf den Zeitpunkt der Tarifsukzession entsprach nicht ihren Interessen.

24Die Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum BAT galt zwar ab dem - für neu eingestellte Beschäftigte - nicht fort, die Ausgestaltung entsprechender Arbeitsverhältnisse erfolgt außertariflich, § 17 Abs. 2 TVÜ-VKA. Zum schon Beschäftigte der Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum BAT wurden aber in die Entgeltgruppe 15 Ü übergeleitet, § 4 Abs. 1 Satz 1 iVm. der Anlage 1 TVÜ-VKA, § 19 Abs. 2 TVÜ-VKA. Es ist deshalb anzunehmen, dass die Parteien eine Vergütung entsprechend der Entgeltgruppe 15 Ü TVöD vereinbart hätten, wenn sie eine Ersetzung der Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum BAT bedacht hätten. Damit erhält der Kläger genau die Vergütung, die er arbeitsvertraglich vereinbart hat.

253. Mit dem Inkrafttreten des TV-Ärzte/VKA zum ist entgegen der Auffassung des Klägers eine (weitere) Regelungslücke nicht entstanden.

26a) Der TV-Ärzte/VKA hat zwar, allerdings erst mit Wirkung zum , den BAT für die in den Geltungsbereich des TV-Ärzte/VKA fallenden Ärztinnen und Ärzte ersetzt, § 2 Abs. 1 TVÜ-Ärzte/VKA. § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrags ist dadurch aber nicht - erneut - lückenhaft geworden. Die von den Parteien gewollte Dynamik der Vergütungsvereinbarung war durch die Schließung der Lücke zum durch die Anwendung der Entgeltgruppe 15 Ü TVöD erhalten geblieben. Diese ist - jedenfalls bislang - keine „statische“ Entgeltgruppe, ihre Tabellenwerte wurden zum , , sowie 1. Januar und erhöht, § 19 Abs. 2 TVÜ-VKA idF des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom und des Änderungstarifvertrags Nr. 5 vom . Zudem gibt es im TV-Ärzte/VKA keine der Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum BAT entsprechende Entgeltgruppe. Auch eine Zuordnung der Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum BAT bzw. der Entgeltgruppe 15 Ü TVöD zu einer der Entgeltgruppen des § 16 TV-Ärzte/VKA erfolgte nicht.

27b) Selbst wenn man eine Lücke deshalb annehmen würde, weil die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht bedenken konnten, dass ihnen ab dem bei der Vereinbarung der Vergütung zwei die Arbeitsverhältnisse von Ärzten regelnde Tarifwerke (die allerdings beide Chefärzte aus ihrem Geltungsbereich ausgeschlossen haben) zur Verfügung stehen würden (so wohl Bayreuther NZA 2009, 935), ist nicht anzunehmen, dass die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien eine Vergütung nach dem TV-Ärzte/VKA vereinbart hätten.

28aa) Als redliche Vertragsparteien hätten die Parteien, wenn sie bei Vertragsschluss bedacht hätten, dass die arbeitsvertraglich in Bezug genommene Vergütungsordnung durch mehrere tarifliche Vergütungssysteme ersetzt werden könnte, eine Anlehnung ihrer Vergütung an das Vergütungssystem gewählt, das der im Arbeitsvertrag benannten „Vergütungsgruppe I BAT für den kommunalen Bereich“ entspricht oder am nächsten kommt. Eine „Überleitung“ bzw. „Ersetzung“ der Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum BAT erfolgte nur durch die Entgeltgruppe 15 Ü TVöD. Dagegen enthält der TV-Ärzte/VKA überhaupt keine der Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum BAT entsprechende Entgeltgruppe und hat zudem ein gegenüber dem früheren BAT vollständig neues Eingruppierungssystem für die von ihm erfassten Ärztinnen und Ärzte (also nicht für Chefärzte) geschaffen, §§ 16 ff. TV-Ärzte/VKA. Einer derartigen diskontinuierlichen Ersetzung ihrer Vergütungsabrede hätten redliche Vertragsparteien nicht den Vorzug gegenüber der mit einer Vergütung entsprechend Entgeltgruppe 15 Ü TVöD kontinuierlichen Entwicklung gegeben (ähnlich Anton ZTR 2009, 2, 5). Es wäre keine angemessene Lösung, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Vergütungsvereinbarung und die Vergütung der Parteien auf ein „neues System“ umzustellen, wenn ein die Kontinuität der bisherigen Vergütungsabrede wahrendes Vergütungssystem zur Verfügung steht. Dass über die von den Parteien gewollte Dynamisierung der Vergütung hinaus der Kläger auch an strukturellen Änderungen der tariflichen Vergütungsregelungen oder an neuen tariflichen Entgeltsystemen für Ärzte, die nicht Chefärzte sind, teilhaben soll, lässt sich dem Regelungsplan des § 8 Arbeitsvertrag nicht entnehmen. Dafür hat der Kläger auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte vorgebracht.

29bb) Ein anderes Auslegungsergebnis lässt sich nicht damit begründen, der TV-Ärzte/VKA sei der „speziellere“ Tarifvertrag. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dem tatsächlich so ist (verneinend etwa Bayreuther NZA 2009, 935: „tarifrechtlich (…) gleichwertig“). Jedenfalls für Chefärzte ist der TV-Ärzte/VKA schon deshalb nicht „spezieller“, weil er für sie ebenso wie der TVöD nicht gilt, § 1 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA, und keine Regelungen für die Berufsgruppe der Chefärzte enthält. Zudem handelt es sich bei dem Prinzip der Sachnähe oder Spezialität um eine tarifrechtliche Kollisionsregel, die dazu dient, eine Tarifkonkurrenz aufzulösen (vgl. dazu ErfK/Franzen 10. Aufl. § 4 TVG Rn. 65 ff. mwN;  - Rn. 49, NZA 2010, 712). Eine Tarifkonkurrenz kann aber bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag nicht entstehen ( - Rn. 20, BAGE 124, 34; - 4 AZR 549/08 (A) - Rn. 99, NZA 2010, 645). Für die ergänzende Vertragsauslegung ist deshalb das tarifrechtliche Prinzip der Spezialität ohne Belang, sofern sich nicht aus dem Regelungsplan des Vertrags Gegenteiliges ergibt.

30cc) Eine Vergütung entsprechend dem TV-Ärzte/VKA hätten die Parteien nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien auch nicht deshalb vereinbaren müssen, weil Chefärzte stets mehr verdienen müssten, als ihr in Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA eingruppierter ständiger Vertreter.

31Einen allgemeinen Grundsatz, ein Vorgesetzter sei stets höher zu vergüten als seine ihm unterstellten Mitarbeiter, gibt es im Arbeitsrecht ebenso wenig wie ein „Abstandsgebot“ (vgl. für tarifliche Vergütungsregelungen  - ZTR 2010, 190). Überdies erzielt ein Chefarzt aufgrund der Einräumung des Liquidationsrechts als variablen weiteren Vergütungsbestandteil neben der Festvergütung in der Regel ein höheres Einkommen als die ihm unterstellten Ärzte.

32IV. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Erhöhung seiner Vergütung um 25,63 % (Hilfsantrag).

33Seine Vergütung ist zwar dynamisch in dem Sinne, dass sie entsprechend den tariflichen Erhöhungen der Grundvergütung der Vergütungsgruppe I BAT steigt, § 8 Abs. 1 letzter Satz Arbeitsvertrag. Diese Dynamik bleibt durch die im Wege ergänzender Vertragsauslegung erfolgte Anpassung der Vergütungsabrede (Vergütung entsprechend der Entgeltgruppe 15 Ü TVöD) erhalten. Inwiefern sich darüber hinaus aus § 8 Abs. 1 letzter Satz des Arbeitsvertrags ein Anspruch auf eine Erhöhung um das prozentuale Verhältnis, in dem die Vergütung nach Vergütungsgruppe Ia BAT zur Vergütung nach Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA differiert, ist nicht nachzuvollziehen. Die Differenz zwischen der Vergütungsgruppe Ia der Vergütungsordnung zum BAT und der Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA beruht nicht auf einer tariflichen Vergütungserhöhung, sondern resultiert aus unterschiedlichen Vergütungsordnungen in verschiedenen Tarifverträgen. Möglicherweise meint der Kläger, er müsse gleichbehandelt werden mit einem Leitenden Oberarzt, dem die ständige Vertretung des Chefarztes übertragen worden ist und der früher Vergütung nach Vergütungsgruppe Ia BAT erhielt, seit dem aber in Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA eingruppiert ist bzw. eingruppiert sein kann. Ein Anspruch aufgrund des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes kommt aber schon deshalb nicht in Betracht, weil eine Differenzierung der Beklagten zwischen der Gruppe der Chefärzte und der Gruppe der „sonstigen Ärzte“ bzw. der Gruppe der Leitenden Oberärzte aufgrund von § 1 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA sachlich gerechtfertigt wäre.

V. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

Fundstelle(n):
DB 2011 S. 1226 Nr. 21
MAAAD-53445