BVerwG Beschluss v. - 6 PB 12/10

Personalvertretungsrechtlicher Maßnahmebegriff; Überwachung von Beschäftigten durch einen Dritten; Beteiligung bei der Vermietung von Diensträumen

Leitsatz

1. Die Überwachung von Beschäftigten durch einen Dritten ohne Wissen oder Zustimmung des Dienststellenleiters ist keine diesem zuzurechnende Maßnahme im Sinne des Personalvertretungsrechts.

2. Die Vermietung von Diensträumen ist nicht anhörungspflichtig nach § 75 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 2 NWPersVG.

Gesetze: § 66 Abs 1 PersVG NW, § 66 Abs 2 PersVG NW, § 66 Abs 4 PersVG NW, § 75 Abs 1 Nr 3 Alt 2 PersVG NW

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: 16 A 276/09.PVL Beschlussvorgehend VG Aachen Az: 16 K 1706/08.PVL

Gründe

1Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 NWPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg. Die allein erhobene Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Die in der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung.

21. Der Antragsteller will sinngemäß geklärt wissen, ob die Überwachung von Beschäftigten durch einen Dritten dem Dienststellenleiter als eigene Maßnahme zuzurechnen ist, wenn dieser rechtlich und faktisch auf den Dritten Einfluss nehmen kann. Diese Frage ist unter den hier gegebenen Umständen eindeutig im Sinne des Oberverwaltungsgerichts zu beantworten, so dass es ihrer Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht bedarf.

3a) In der Senatsrechtsprechung ist geklärt, unter welchen Umständen eine Maßnahme, die der Dienststellenleiter nicht selbst trifft, ihm personalvertretungsrechtlich zuzurechnen ist. Dies ist der Fall, wenn der Dienststellenleiter einem Dezernat oder einer anderen organisatorisch nachgeordneten Stelle, die keine Dienststelle im personalvertretungsrechtlichen Sinne ist, Befugnisse zur eigenständigen Bearbeitung und Entscheidung überträgt. Vergleichbares kann gelten, wenn die nachgeordnete Stelle eine eigene Rechtspersönlichkeit hat; deren Maßnahmen sind dem Dienststellenleiter zuzurechnen, wenn dessen arbeitsrechtliche Stellung gegenüber den betroffenen Beschäftigten unberührt bleibt (vgl. BVerwG 6 P 34.91 - Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 85 S. 123 f.). Eine Maßnahme des Dienststellenleiters liegt vor, wenn dieser einen Dritten mit der Überwachung der Beschäftigten beauftragt. Eine entsprechende Wertung kommt in Betracht, wenn der Dienststellenleiter die Beschäftigten anweist, die Überwachung durch einen Dritten zu dulden (vgl. BVerwG 6 P 10.00 - Buchholz 251.4 § 86 HmbPersVG Nr. 8 S. 17; - BAGE 109, 235 <242 f.>).

4Eine vergleichbare Fallgestaltung liegt hier nicht vor. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat die kuweitische Botschaft die Videokamera vor dem von ihr gemieteten Büroflur ohne Wissen des Beteiligten angebracht und ohne dessen Zustimmung eingesetzt.

5b) Eine abweichende Bewertung ist nicht deswegen geboten, weil der Beteiligte gegen die Nutzung der Kamera nichts unternommen hat. Nach ständiger Senatsrechtsprechung kann von einer Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinne (vgl. § 66 Abs. 1 und 2 NWPersVG) nur gesprochen werden bei einer Handlung oder Entscheidung, die den Rechtsstand der Beschäftigten berührt. Die Maßnahme muss auf eine Veränderung des bestehenden Zustandes abzielen. Nach Durchführung der Maßnahmen müssen das Beschäftigungsverhältnis oder die Arbeitsbedingungen eine Änderung erfahren haben. Ein Unterlassen erfüllt diese Voraussetzungen nicht, weil die dienst- oder arbeitsrechtliche Stellung von Beschäftigten nicht berührt wird, es vielmehr bei dem bestehenden Zustand verbleibt (vgl. Beschlüsse vom - BVerwG 6 P 6.94 - BVerwGE 104, 14 <15 f.> = Buchholz 251.95 § 51 S-HPersVG Nr. 1 S. 2, vom - BVerwG 6 P 9.98 - Buchholz 251.95 § 51 MBGSH Nr. 2 S. 2 f., vom - BVerwG 6 P 15.01 - Buchholz 251.95 § 51 MBGSH Nr. 4 S. 18 und vom - BVerwG 6 P 13.03 - BVerwGE 121, 38 <43> = Buchholz 251.0 § 79 BaWüPersVG Nr. 17 S. 3).

6c) Eine andere Frage ist, ob der Antragsteller im Wege des Initiativrechts nach § 66 Abs. 4 NWPersVG verlangen kann, dass der Beteiligte seine Rechtsstellung als Vermieter der fraglichen Räumlichkeiten im Dienstgebäude des Universitätsklinikums mit dem Ziel nutzt, die Überwachung der Beschäftigten durch die kuweitische Botschaft für die Zukunft zu beseitigen oder soweit als möglich zu begrenzen (vgl. dazu Beschlüsse vom - BVerwG 6 P 4.04 - Buchholz 251.5 § 69 HePersVG Nr. 1 S. 5 und vom - BVerwG 6 PB 15.07 - Buchholz 251.2 § 85 BlnPersVG Nr. 14 Rn. 8). Dies bedarf hier keiner Vertiefung. Denn ein dahin gehendes Mitbestimmungsrecht in aktiver Form ist nicht Gegenstand des streitigen Begehrens.

72. Der Antragsteller will ferner sinngemäß geklärt wissen, ob die Vermietung von Diensträumen nach § 75 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 2 NWPersVG beteiligungspflichtig ist. Die Frage ist mit dem Oberverwaltungsgericht eindeutig zu verneinen.

8Nach der vorbezeichneten Vorschrift ist der Personalrat anzuhören bei der Anmietung von Diensträumen. Eine Beteiligungspflicht für die Vermietung von Diensträumen ist vom Gesetzeswortlaut nicht gedeckt. Eine Analogie scheidet ebenfalls aus. Es fehlt an einer planwidrigen Lücke. Sinn der Anhörung des Personalrats bei der Anmietung von Diensträumen ist es, die Dienststelle im Vorfeld des Arbeitsschutzes bei der menschengerechten Gestaltung der Arbeitswelt zu unterstützen (vgl. Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, Das Personalvertretungsrecht in Nordrhein-Westfalen, § 75 Rn. 22). Dieses Anliegen kommt bei der Vermietung von Diensträumen typischerweise nicht zum Tragen. Sicherheitsaspekte der vom Antragsteller hervorgehobenen Art stehen bei § 75 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 2 NWPersVG nicht im Vordergrund.

9Soweit der Antragsteller auf die Systematik der Beteiligungstatbestände abstellt, ist ihm entgegenzuhalten, dass das nordrhein-westfälische Personalvertretungsgesetz keine Allzuständigkeit des Personalrats vorsieht, sondern einen abschließenden Katalog einzeln aufgezählter Beteiligungstatbestände enthält. Dass ein solcher Tatbestand - von dem bereits erörterten abgesehen - hier eingreifen könnte, ist in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 92a Satz 2 ArbGG).

Fundstelle(n):
JAAAD-53096