Betriebliche Altersversorgung - Direktversicherung - Bezugsrecht - Insolvenz
Leitsatz
1. Ob die Rechte aus einem Versicherungsvertrag zur Durchführung einer betrieblichen Altersversorgung in der Insolvenz des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer oder der Masse zustehen, richtet sich danach, ob das Bezugsrecht nach den Regelungen im Versicherungsvertrag noch widerrufen werden kann. Nur wenn eine Widerrufsmöglichkeit besteht, stehen die Rechte der Masse zu.
2. Enthält der Versicherungsvertrag ein eingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht, nach dem ein an sich unwiderrufliches Bezugsrecht unter bestimmten Bedingungen doch widerrufen werden kann, ist bei der Auslegung auf die betriebsrentenrechtlichen Wertungen abzustellen.
3. Soll das Bezugsrecht widerruflich sein, falls der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, ohne dass die Voraussetzungen einer gesetzlichen Unverfallbarkeit der Versorgungszusage vorliegen, kommt es darauf an, ob das Arbeitsverhältnis im betriebsrentenrechtlichen Sinne endet und ob zum Zeitpunkt der Beendigung eine gesetzlich unverfallbare Anwartschaft vorliegt.
4. Geht das Arbeitsverhältnis aufgrund eines Betriebsübergangs auf einen anderen Arbeitgeber über, endet es nicht. Der Arbeitnehmer scheidet nicht aus dem Arbeitsverhältnis aus.
Gesetze: § 1 BetrAVG, § 133 BGB, § 157 BGB, § 613a Abs 1 BGB, § 47 InsO, § 80 Abs 1 InsO, § 91 Abs 1 InsO, § 108 InsO, § 812 Abs 1 S 1 Alt 2 BGB, § 159 VVG 2008
Instanzenzug: ArbG Hagen (Westfalen) Az: 1 Ca 1168/05 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 3 Sa 2064/05 Urteilvorgehend Az: 3 AZR 334/06 (A)vorgehend Az: GmS-OGB 2/07
Tatbestand
1Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte als ehemaliger Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin verpflichtet ist, zugunsten der klagenden Insolvenzverwalterin einen hinterlegten Geldbetrag aus einer Direktlebensversicherung zur betrieblichen Altersversorgung freizugeben.
Die Klägerin ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen der C AG. Der Beklagte wurde 1966 geboren. Mit Arbeitsvertrag vom trat er als Entwicklungsleiter in ein Arbeitsverhältnis bei der S AG, einer Rechtsvorgängerin der Insolvenzschuldnerin, ein. In § 8.2 dieses Arbeitsvertrages heißt es:
Aufgrund eines Antrages auf Lebensversicherung vom schloss die Rechtsvorgängerin der Insolvenzschuldnerin bei der Victoria Lebensversicherung AG zur Versicherungsnummer eine Lebensversicherung ab, deren Bezugsberechtigter der Beklagte war. In der Ausfertigung des Versicherungsscheins für diese Versicherung vom heißt es ua.:
Zudem unterzeichneten die Rechtsvorgängerin der Insolvenzschuldnerin und der Beklagte unter dem auf einem Formular der Victoria Lebensversicherung AG eine „Ergänzende Erklärung des Antragstellers/Versicherungsnehmers zum Antrag auf Lebensversicherung Direktversicherung“. Darin heißt es ua.:
5Mit wurde die Klägerin im Verfahren über die Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin zur vorläufigen Insolvenzverwalterin bestellt. Mit weiterem Beschluss vom wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt. Am selben Tag veräußerte sie den Betrieb der Insolvenzschuldnerin an die S S GmbH, bei der der Beklagte seitdem beschäftigt ist. In dem notariell beurkundeten Kaufvertrag ist als Datum der Übernahme der Leitungsmacht der vereinbart.
6Zwischen der Klägerin und der Victoria Lebensversicherung AG kam es zum Schriftwechsel über die Auszahlung des Rückkaufswerts der Lebensversicherung. Die Victoria Lebensversicherung AG kam einer Aufforderung der Klägerin auf Auszahlung vom nicht nach, sondern hinterlegte den dem Rückkaufswert entsprechenden Betrag iHv. 5.533,02 Euro bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Dortmund. Sie benannte die Parteien als mögliche Berechtigte. Mit Schreiben vom 7. April und forderte die Klägerin den Beklagten auf, den Betrag zu ihren Gunsten freizugeben. Das lehnte der Beklagte ab.
7Mit der vorliegenden Klage verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter. Sie hat die Auffassung vertreten, der Rückkaufswert falle in die Masse. Ein Aussonderungsrecht zugunsten des Beklagten sei nicht gegeben.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
9Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
10Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte weiterhin das Ziel der Klageabweisung. Die Klägerin begehrt die Zurückweisung der Revision.
Der Senat hat mit Beschluss vom - 3 AZR 334/06 (A) - (BAGE 122, 351) das Verfahren ausgesetzt und dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes eine Anfrage vorgelegt. Dabei ging es um eine beabsichtigte Abweichung von Entscheidungen des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, von denen abzuweichen der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs seinerseits abgelehnt hatte. Das Verfahren vor dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes endete mit Einstellung, nachdem der Gemeinsame Senat aufgrund von Äußerungen der beteiligten Senate nicht mehr von der Notwendigkeit einer Entscheidung ausging.
Gründe
12Die Revision ist begründet. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Abgabe der begehrten Freigabeerklärung. Das ergibt sich aus Folgendem:
13I. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB in Betracht (vgl. - Rn. 25, BAGE 126, 89). Hinterlegt der Schuldner - wie im Streitfall die Victoria Lebensversicherung AG - den geschuldeten Betrag zu Gunsten der streitenden Forderungsprätendenten (§ 372 Satz 2 BGB), so ist für die Frage der Freigabepflicht entscheidend, ob derjenige, der die Freigabe verlangt, im Verhältnis zum Schuldner Inhaber der Forderung ist, zu deren Erfüllung der hinterlegte Betrag bestimmt ist. Maßgeblich ist die Gläubigerstellung gegenüber dem hinterlegenden Schuldner. Auf die Rechtsbeziehung zwischen den Forderungsprätendenten kommt es grundsätzlich nicht an (vgl. - Rn. 9, ZIP 2007, 194).
14Allerdings gilt etwas anderes, wenn das Freigabeverlangen ausnahmsweise treuwidrig ist (vgl. - zu II 2 der Gründe, NJW-RR 1997, 495). Diese Treuwidrigkeit kann aber nicht aus der „Dolo-Petit-Einrede“ (vgl. dazu - NJW-RR 2005, 1321) hergeleitet werden. Es ist also nicht entscheidend, ob die Klägerin den hinterlegten Betrag sofort wieder an den Beklagten auskehren müsste. Andernfalls würde letztlich entgegen hinterlegungsrechtlichen Grundsätzen doch darauf abgestellt, wie sich die Rechtslage zwischen den streitenden Forderungsprätendenten darstellt. Daher kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht darauf an, ob die Klägerin durch die Einziehung des Rückkaufswerts einen Schadensersatzanspruch des Beklagten begründen würde und ob die unter der Konkursordnung entwickelte Rechtsprechung des Senats, nach der ein derartiger Schadensersatzanspruch Konkursforderung und keine Masseverbindlichkeit ist (grundlegend: - 3 AZR 213/90 - zu II der Gründe, AP BetrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 15 = EzA KO § 43 Nr. 2; vgl. auch - 3 AZR 136/98 - zu B I 3 a der Gründe, BAGE 92, 1), auch unter der Insolvenzordnung aufrechtzuerhalten ist.
15Ebenso wenig kommt es darauf an, ob dem Beklagten gegenüber der Versicherung der Rückkaufswert zusteht und er gegenüber der Klägerin daher einen Anspruch auf Freigabeerklärung hat. Ein derartiges Verlangen ist nicht Gegenstand des Verfahrens.
16II. Die Klägerin war gegenüber der Versicherung nicht berechtigt, den Rückkaufswert der von der Rechtsvorgängerin der Insolvenzschuldnerin zu Gunsten des Beklagten abgeschlossenen Versicherung zur Masse zu ziehen. Ein Anspruch auf Abgabe der Freigabeerklärung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB scheidet daher aus.
171. Zu unterscheiden ist zwischen dem Rechtsverhältnis des Arbeitgebers und Versicherungsnehmers zum Versicherer (Deckungsverhältnis) und dem Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (Versorgungsverhältnis, Valutaverhältnis). Das Rechtsverhältnis des Arbeitgebers zum Versicherer richtet sich allein nach dem Versicherungsvertrag. Demgegenüber richten sich die auf die Versicherung bezogenen Verpflichtungen des Arbeitgebers nach dem Rechtsverhältnis, das zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer besteht. Das kann dazu führen, dass der Arbeitgeber aus dem Versicherungsvertrag abgeleitete Rechte versicherungsrechtlich ausüben kann, obwohl er dies nach den arbeitsrechtlichen Rechtsverhältnissen nicht darf. Versicherungsrechtlich ist in diesem Fall die Ausübung wirksam. Arbeitsrechtlich können jedoch Ansprüche, insbesondere Schadensersatzansprüche, bestehen (vgl. - zu 3 der Gründe, BAGE 73, 209; - AP BetrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 25).
182. Die Frage, ob die Rechte aus dem Versicherungsvertrag der Masse zustehen oder der Arbeitnehmer ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO hat, beantwortet sich nach folgenden Grundsätzen:
19a) Ausschlaggebend ist die versicherungsrechtliche Lage. Allein danach richtet sich, in welcher Weise der Arbeitgeber noch in der Lage ist, rechtswirksam auf die Versicherung zuzugreifen, und ob diese Rechte noch zu seinem Vermögen gehören, in das der Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 InsO bei Insolvenzeröffnung eintritt (st. Rspr. des BAG, zuletzt - 3 AZR 446/05 - Rn. 14, NZA-RR 2008, 32 sowie zB - 3 AZR 136/98 - zu B I der Gründe, BAGE 92, 1; ebenso: - zu II der Gründe, DB 2002, 2104; 1 C 20.92 - zu 2 c cc ccc der Gründe, BVerwGE 96, 160). Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn der Direktversicherung arbeitsrechtlich eine Entgeltumwandlung zugrunde liegt, für die die Neuregelung über die sofortige gesetzliche Unverfallbarkeit noch nicht anwendbar ist, weil die Versorgungszusage vor dem erteilt wurde (§ 1b Abs. 5, § 30f Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 BetrAVG), oder wenn die Rentenanwartschaft arbeitsvertraglich unverfallbar ist so wie die des Beklagten im Verhältnis zur Insolvenzschuldnerin. Auch bei einer derartigen Fallgestaltung liegt kein Treuhandverhältnis vor, aufgrund dessen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag vom sonstigen Vermögen des Arbeitgebers ausreichend getrennt wären, um sie nicht der Masse zuzuordnen (vgl. - zu I 1 b der Gründe, AP BetrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 23 = EzA BetrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 7; - 3 AZR 136/98 - zu B I 2 b bb der Gründe, aaO; - zu II 2 der Gründe, aaO).
20b) Im Ergebnis kommt es deshalb darauf an, wie sich die konkrete versicherungsrechtliche Lage darstellt.
21Hat der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer dem Arbeitnehmer als Versichertem - was nach § 159 VVG (früher: § 166 VVG) der gesetzliche Normalfall ist - lediglich ein widerrufliches Bezugsrecht im Versicherungsfall eingeräumt, kann er die bezugsberechtigte Person jederzeit ersetzen. Der Versicherte hat vorher lediglich eine Hoffnung auf die später fällig werdende Leistung (vgl. - DB 1984, 1776). In der Insolvenz fallen die Rechte aus der Lebensversicherung deshalb in das Vermögen des Arbeitgebers und gehören zur Insolvenzmasse (vgl. zB - zu I der Gründe, AP BetrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 23 = EzA BetrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 7; - zu II der Gründe, DB 2002, 2104). Da die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst nur zur Folge hat, dass die gegenseitigen Ansprüche auf Leistungen ihre Durchsetzbarkeit verlieren (so - zu II 2 b aa der Gründe, DB 2005, 1453; anders noch: - NJW 1993, 1994), muss der Verwalter allerdings den Vertrag beenden und den Rückkaufswert zur Masse ziehen.
22Räumt der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer dem Arbeitnehmer als Versichertem dagegen abweichend vom gesetzlichen Normalfall ein unwiderrufliches Bezugsrecht ein, stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag von vornherein dem Arbeitnehmer zu ( - zu II der Gründe, BGHZ 45, 162). Mit der Unwiderruflichkeit erhält das Bezugsrecht dingliche Wirkung ( - zu 1 der Gründe, AP BetrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 25). Insolvenzrechtlich hat dies zur Folge, dass die Rechte aus dem Versicherungsvertrag von diesem Zeitpunkt an nicht mehr zum Vermögen des Arbeitgebers und damit auch nicht mehr zur Insolvenzmasse gehören. Sie stehen vielmehr dem Arbeitnehmer zu, der deshalb ein Aussonderungsrecht hat ( - zu 2 b der Gründe, BAGE 65, 208; - 3 AZR 2/89 - zu 2 b der Gründe, AP BetrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 12 = EzA KO § 43 Nr. 1).
23Hat der Arbeitgeber hingegen dem Arbeitnehmer im Versicherungsvertrag ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt, dieses jedoch unter bestimmten Voraussetzungen mit einem Widerrufsvorbehalt versehen - „eingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht“ -, so ist zu unterscheiden: Wenn die Voraussetzungen des Widerrufsvorbehalts vorliegen, bleibt das Widerrufsrecht ebenso erhalten wie im Normalfall. Das Bezugsrecht kann dann widerrufen werden. Der Insolvenzverwalter kann von der Widerrufsmöglichkeit Gebrauch machen mit der Folge, dass der Rückkaufswert der Masse zusteht ( - zu B I 2 der Gründe, BAGE 92, 1). Sind die Voraussetzungen des Vorbehalts demgegenüber nicht gegeben, kann das Bezugsrecht nicht widerrufen werden ( - zu 3 und 4 der Gründe, BAGE 65, 208 und - 3 AZR 2/89 - zu 3 und 4 der Gründe, AP BetrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 12 = EzA KO § 43 Nr. 1; ebenso: - zu 2 der Gründe, AP BetrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 25). Die Rechte aus dem Versicherungsvertrag gehören dann zum Vermögen des Arbeitnehmers und nicht zur Masse. Der Arbeitnehmer hat ein Aussonderungsrecht.
243. Der Versicherungsvertrag zwischen der Rechtsvorgängerin der Insolvenzschuldnerin und der Victoria Lebensversicherung ist dahingehend auszulegen, dass die Voraussetzungen des Vorbehalts für einen Widerruf nicht vorlagen und die Klägerin deshalb nicht berechtigt war, das Bezugsrecht zu widerrufen und den Rückkaufswert zur Masse zu ziehen.
25a) Da es sich um typische Vertragsbedingungen handelt, kann sie der Senat selbst auslegen ( - zu I 2 a aa der Gründe, AP BetrAVG § 1 Unverfallbarkeit Nr. 11 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 80). Die Regelung der Bezugsberechtigung im vorliegenden Einzelfall - Versicherungsvertrag von 1999 - stellt eine Allgemeine Geschäftsbedingung dar. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (vgl. - Rn. 22, BAGE 116, 267).
26Umstände außerhalb der Urkunde sind einzubeziehen, soweit §§ 133, 157 BGB dies gebieten. Die den Vertragsschluss begleitenden Umstände können - wie § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB zeigt - nicht bei der Auslegung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, sondern nur bei der Prüfung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB berücksichtigt werden (vgl. - Rn. 22, BAGE 116, 267). Alle außerhalb der Urkunde liegenden Umstände sind jedoch einzubeziehen, wenn es darum geht zu ermitteln, ob im konkreten Einzelfall die Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden haben (vgl. dazu - Rn. 27, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 13).
27Bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen einer Lebensversicherung, mit denen Ansprüche von Arbeitnehmern auf betriebliche Altersversorgung durchgeführt werden sollen, sind entsprechend dem Zweck dieser Versicherung auch die Interessen der versicherten Beschäftigten zu berücksichtigen ( - Rn. 20, DB 2008, 939; - Rn. 12 mwN, NJW-RR 2006, 1258).
28b) Das bedeutet, dass bei der Auslegung von Versicherungsverträgen, die der Durchführung einer betrieblichen Altersversorgung dienen, entscheidend auf die betriebsrentenrechtlichen Wertungen abzustellen ist (so dezidiert auch Krause Anm. AP BetrAVG § 1b Nr. 8). Die Parteien eines Vertragsgefüges, das dazu dient, dem Arbeitnehmer auf der Grundlage des Betriebsrentengesetzes Ansprüche zu verschaffen, wollen in der Regel - und nur so können die beteiligten Verkehrskreise auch die verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstehen - an das anknüpfen, was nach dem Betriebsrentenrecht maßgeblich ist (ähnlich bereits - Rn. 24, AP BetrAVG § 2 Nr. 61 = EzA BetrAVG § 1b Nr. 6 und - 3 AZR 446/05 - Rn. 18 ff., NZA-RR 2008, 32). Das gilt sowohl dann, wenn auf die gesetzliche Unverfallbarkeit der Versorgungszusage nach dem Betriebsrentengesetz abgestellt wird, als auch dann, wenn es um die Frage geht, ob ein Arbeitsverhältnis iSd. Versicherungsbedingungen beendet ist.
29Demnach ist in den Fällen, in denen ein Betrieb oder Betriebsteil iSd. § 613a BGB veräußert wird, grundsätzlich nicht von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses iSd. jeweiligen Versicherungsbedingungen auszugehen. Denn auch betriebsrentenrechtlich besteht ein Arbeitsverhältnis nach einem Betriebsübergang fort, da der Erwerber nach § 613a BGB in die Verpflichtungen aus der Versorgungszusage eintritt. Der Veräußerer hat für sie mit Ausnahme der Renten, die innerhalb eines Jahres nach dem Betriebsübergang fällig werden (§ 613a Abs. 2 BGB), nicht mehr einzustehen ( - AP BGB § 613a Nr. 12 = EzA BGB § 613a Nr. 19). Beim Veräußerer zugebrachte Zeiten der Betriebszugehörigkeit sind auch beim Erwerber hinsichtlich des Eintritts der Unverfallbarkeit einer Versorgungszusage zu berücksichtigen ( - zu II 2 b der Gründe, BAGE 73, 350).
30Demgegenüber trägt der im Vorlagebeschluss in dieser Sache ( - 3 AZR 334/06 (A) - Rn. 25 f., BAGE 122, 351) angeführte Gedanke nicht, im Verhältnis zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber bestehe kein Interesse des Veräußerers daran, dass Ansprüche, für die der Erwerber im Wesentlichen allein einzutreten habe, gedeckt würden. Der Senat kann diesen Gesichtspunkt nach erneuter Überprüfung nicht mehr durchgreifen lassen. Mit der Zahlung der Beiträge für eine Direktversicherung zur Durchführung einer betrieblichen Altersversorgung erfüllt der Veräußerer Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitnehmer (vgl. - Rn. 22, BAGE 123, 82). Redliche Vertragsparteien können nicht davon ausgehen, dass dem Veräußerer Gelegenheit gegeben wird, seine Vertragserfüllung gegenüber dem Arbeitnehmer aus Anlass eines Betriebsübergangs rückgängig zu machen, wenn es aufgrund des Betriebsübergangs möglich bleibt, dass die Versorgungszusage gesetzlich unverfallbar wird.
31c) Insolvenzrechtliche Besonderheiten spielen bei der Auslegung keine entscheidende Rolle.
32aa) Nicht gerechtfertigt ist in der Regel eine Auslegung, wonach das Bezugsrecht gerade in der Insolvenz unter Umständen, in denen außerhalb der Insolvenz ein Widerruf möglich wäre, nicht mehr widerrufen werden kann. Eine derartige Vereinbarung wäre nämlich unwirksam und es kann den Vertragsparteien nicht unterstellt werden, eine unwirksame Vereinbarung abzuschließen.
33Das Insolvenzrecht ist vom Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung geprägt (§ 38 InsO). Dieses Ziel wird beispielsweise dadurch abgesichert, dass Vereinbarungen mit dem Insolvenzschuldner, nach denen die in §§ 103 bis 118 InsO angeordneten besonderen Wirkungen der Insolvenz ausgeschlossen werden sollen, nach § 119 InsO unwirksam sind. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass von dem geschlossenen System der InsO im Interesse der Gläubiger nicht durch Vereinbarungen abgewichen werden darf. Zu diesen gesetzlichen Wertungen stünde es in Widerspruch, würde ein Aussonderungsrecht entgegen § 47 InsO nicht nach den außerhalb der Insolvenz geltenden Gesetzen, sondern durch Vereinbarungen begründet, die nur im Insolvenzfall greifen. Hierdurch würde das gesetzlich festgelegte und in seinen Grenzen bestimmte Aussonderungsrecht durch einen Vertrag zu Lasten der Gläubiger erweitert. Ausschließlich der Masse und damit den Gläubigern würde nur im Insolvenzfall Vermögen entzogen, das dem Insolvenzschuldner zusteht und durch den Eintritt des Insolvenzverwalters in das Recht, das Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen (§ 80 Abs. 1 InsO), zur Verteilung zur Verfügung stünde. Ein derartiger Erwerb von Rechten an Gegenständen der Masse nach der Insolvenzeröffnung wird nach § 91 Abs. 1 InsO ausgeschlossen (Hinkel/Laskos ZInsO 2006, 1253, 1255 f.).
34Demgemäß hat der Senat bereits in seinem Urteil vom (- 3 AZR 783/76 - AP KO § 30 Nr. 4 = EzA KO § 30 Nr. 1), wenn auch nicht tragend, ausgesprochen, dass mit der Vereinbarung einer bis zur Stellung eines Konkursantrages aufschiebend bedingten Abtretung der Rechte aus einer (Rückdeckungs-)Versicherung (für eine unverfallbare Anwartschaft auf Betriebsrente) der konkursrechtliche Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung umgangen wird.
35Allerdings ist es grundsätzlich zulässig, Rechtsbeziehungen so zu gestalten, dass Ansprüche auch in der Insolvenz gesichert sind. Das ist zum Teil sogar gesetzlich vorgeschrieben (etwa in § 7e SGB IV, § 8a AltTZG). Es setzt aber voraus, dass Vermögenswerte bereits vor Eintritt der Insolvenz vom Schuldnervermögen getrennt sind, beispielsweise durch eine Treuhandabrede (vgl. - BAGE 108, 1; - zu II 2 b und c der Gründe, BGHZ 155, 227). In derartigen Fällen gehört der fragliche Gegenstand bereits nach den außerhalb des Insolvenzverfahrens geltenden Gesetzen iSd. § 47 InsO nicht mehr zum Vermögen des späteren Insolvenzschuldners und unterliegt auch nicht der Einzelzwangsvollstreckung (vgl. - DB 1993, 2378). Deshalb geht den Gläubigern im Insolvenzfalle nichts verloren, was dem Schuldner zusteht.
36bb) Ebenso wenig ist es geboten, bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen für den Fall der Insolvenz eine Ausnahme von der betriebsrentenrechtlichen Wertung zu machen, dass das Arbeitsverhältnis durch einen Betriebsübergang nicht endet.
37Auch im Insolvenzverfahren bleibt es bei der Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen, wie sie außerhalb des Insolvenzverfahrens zwischen Arbeitnehmer und Insolvenzschuldner geschlossen wurden. Nach der Interessenlage der Parteien kann eine Verschlechterung zu Lasten des Arbeitnehmers für den Fall der Insolvenz nicht als vereinbart angenommen werden. Es ist grundsätzlich möglich, durch die Vereinbarung eines unwiderruflichen Bezugsrechts die Rechtsposition des Arbeitnehmers gegenüber der Versicherung insolvenzfest zu machen. Eine Vereinbarung, die lediglich im Insolvenzfall greifen soll, liegt nicht vor. Die Interessen der Masse sind im Übrigen durch das Recht der Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO) geschützt.
38Zudem gilt der Grundsatz, dass durch einen Betriebsübergang das Arbeitsverhältnis nicht endet, auch in der Insolvenz. Der Bestandsschutz des § 613a BGB bleibt gewahrt, wenngleich der Erwerber aus insolvenzrechtlichen Gründen in vor der Insolvenzeröffnung entstandene Ansprüche des Arbeitnehmers nicht einzutreten hat (vgl. nur - zu B I 2 d der Gründe, BAGE 114, 349). Bei der Frage, ob ein Arbeitsverhältnis endet, geht es allein um den Bestandsschutzaspekt der Bestimmung.
39cc) Die Insolvenzeröffnung selbst unterbricht den Lauf der gesetzlichen Fristen zur Erreichung der Unverfallbarkeit nicht (vgl. - BAGE 57, 152).
40d) Der Senat ist an der Aufstellung dieser Auslegungsgrundsätze nicht durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehindert. Das gilt sowohl für die Rechtsprechung, die Anlass zum Vorlagebeschluss in dieser Sache vom gegeben hat, als auch im Hinblick auf die neuere Entscheidung vom (- IV ZR 65/09 - VersR 2010, 517).
41aa) Hinsichtlich der Entscheidungen, wegen derer der Senat den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes angerufen hatte, ergibt sich dies aus folgenden Erwägungen:
42Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte in den Urteilen vom (- IV ZR 30/04 - NJW-RR 2005, 1412) und vom (- IV ZR 134/05 - DB 2006, 1488) darauf erkannt, dass die Rechte aus dem Versicherungsvertrag bei Klauseln der vorliegenden Art auch dann, wenn die in den Versicherungsvertrag aufgenommenen Bedingungen eine Unwiderruflichkeit erst bei Unverfallbarkeit der Anwartschaft vorsehen, schon vor Eintritt der gesetzlichen Unverfallbarkeit dem Arbeitnehmer zustehen, wenn das Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber in der Insolvenz durch betriebsbedingte Kündigung oder einen Betriebsübergang endet. Eine interessengerechte Auslegung derartiger Klauseln führe dazu, dass ein Widerruf des Bezugsrechts bei einer „insolvenzbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Versicherungsnehmer“ ausscheide. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Hinweisbeschluss gem. § 552a ZPO vom (- IX ZR 85/04 - ZIP 2005, 1836) erklärt, von dieser Rechtsprechung nicht abweichen zu wollen, und dementsprechend die Revision durch Beschluss zurückgewiesen ( - IX ZR 85/04 - juris).
Die vom Senat gestellte Vorlagefrage hat der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes in Übereinstimmung mit dem Senat, die dieser durch Beschluss vom zum Ausdruck gebracht hatte, wie folgt verstanden:
Dazu wurde seitens des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs wie folgt Stellung genommen:
45Aufgrund einer Mitteilung des erkennenden Senats, dass er nunmehr keine Notwendigkeit einer Entscheidung durch den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes mehr sehe, hat der Gemeinsame Senat das Vorlageverfahren durch Beschluss vom eingestellt.
46Aus der Stellungnahme seitens des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs im Vorlageverfahren ergibt sich, dass der IV. Zivilsenat keine Rechtsgrundsätze zur Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgestellt hat. Mit den Entscheidungen sollte lediglich klargestellt werden, dass Umstände außerhalb der Urkunde bei der Auslegung zu berücksichtigen sind, soweit die gesetzlichen Regelungen dies gebieten. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ist dem IV. Zivilsenat ohne inhaltliche Änderung gefolgt. Seinen Entscheidungen kann also nichts Weitergehendes entnommen werden.
47Mit den vom IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seiner Stellungnahme aus seinen früheren Entscheidungen herausgearbeiteten Aussagen stehen die hier entwickelten Auslegungsregeln in Einklang.
48bb) Den hier gefundenen Auslegungsregeln steht auch die neuere Entscheidung des IV. Zivilsenats des - IV ZR 65/09 - VersR 2010, 517) nicht entgegen. Dort hat der IV. Zivilsenat (Rn. 10) lediglich seine alte Rechtsprechung in Bezug genommen und ausgeführt, die Versicherungsbedingungen bedürften im Einzelfall der Auslegung. Auch der Senat hält eine Auslegung im Einzelfall entsprechend den hier entwickelten Regeln für geboten.
4. Im Streitfall bedeutet dies, dass die Versicherungsbedingungen entsprechend den betriebsrentenrechtlichen Rechtsgrundsätzen auszulegen sind. Gegenteilige Umstände ergeben sich weder aus dem Versicherungsschein vom noch aus sonstigen Umständen. Im Gegenteil stellt die auf einem Formular der Versicherung unter dem abgegebene Erklärung der Rechtsvorgängerin der Insolvenzschuldnerin und des Beklagten ausdrücklich einen Zusammenhang zwischen der Versicherung und den betriebsrentenrechtlichen Regelungen her. Da der Beklagte aus dem mit Wirkung für die Masse nach § 108 InsO fortbestehenden Arbeitsverhältnis lediglich aufgrund eines Betriebsübergangs ausgeschieden ist, hat das Arbeitsverhältnis nicht iSd. Versicherungsvertrages geendet. Die Klägerin war deshalb nicht berechtigt, das Bezugsrecht zu widerrufen, da die Voraussetzungen des Vorbehalts nicht erfüllt sind.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2010 S. 1659 Nr. 27
BB 2010 S. 2431 Nr. 40
BB 2011 S. 127 Nr. 2
DB 2010 S. 16 Nr. 24
DB 2010 S. 2814 Nr. 50
StBW 2010 S. 571 Nr. 12
ZIP 2010 S. 1915 Nr. 39
ZIP 2010 S. 6 Nr. 25
GAAAD-52650