Versorgungsbezüge; nicht zu berücksichtigende Dienstzeiten; Zusammentreffen von Versorgungsbezügen mit Rente; Mindestruhegehalt
Gesetze: § 30 BBesG, § 55 Abs 2 BeamtVG, § 14 Abs 4 S 1 BeamtVG, § 14 Abs 4 S 2 BeamtVG, § 12a BeamtVG, Art 3 Abs 1 GG, Art 33 Abs 5 GG
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Az: 1 L 40/09 Beschluss
Gründe
1Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
21. Der Kläger bezieht eine Altersrente in Höhe von 831,59 € und begehrt höhere Versorgungsbezüge. Er war zunächst als Grenzbeamter und dann als Volkspolizist in der ehemaligen DDR tätig. Von 1988 bis 1990 war er inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit. Nach der Wiedervereinigung war er kurze Zeit als Angestellter und vom Juli 1991 bis zur Vollendung seines 60. Lebensjahres im Jahre 2001 als Beamter im Polizeidienst des beklagten Landes tätig.
3Während das Verwaltungsgericht seiner Klage stattgegeben hat, hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Die Versorgungsbezüge sind nach Auffassung des Berufungsgerichts wie folgt zu berechnen: Nach § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b, § 12a BeamtVG seien Zeiten der Tätigkeit beim Ministerium für Staatssicherheit von der ruhegehaltfähigen Dienstzeit vorab abzuziehen, so dass nur die Zeit vom bis zum Eintritt des Versorgungsfalles am als ruhegehaltfähige Dienstzeit zugrunde zu legen sei. Die so errechnete fiktive ruhegehaltfähige Dienstzeit nach § 14 Abs. 1 BeamtVG in Höhe von 20,63 v.H. ergebe Versorgungsbezüge in Höhe von 531,36 €. Da diese sowohl das amtsbezogene als auch das amtsunabhängige Mindestruhegehalt unterschritten, sei der höhere der beiden Beträge, nämlich 1 196,44 € (§ 14 Abs. 4 Satz 1 und 2 BeamtVG), als Höchstgrenze i.S.d. § 55 Abs. 2 BeamtVG zugrunde zu legen und hiervon die Altersrente abzuziehen; daraus ergebe sich der zu zahlende Betrag der Versorgungsbezüge (364,85 €).
42. Der Kläger wendet sich gegen diese Auslegung der §§ 55, 14 und 12a BeamtVG i.V.m. § 30 BBesG. Er sieht darin einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Versorgung eines Beamten sei nach den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) aus dem letzten Amt zu bestimmen. Hiermit sei es unvereinbar, wenn der Beamte nach dem Eintritt in den Ruhestand unabhängig vom erreichten Amt lediglich eine Versorgung in Höhe der amtsunabhängigen Mindestversorgung erhalte und diese ihm wegen der Anrechnung seiner Altersrente auch nur in Teilen ausgezahlt werde. § 12a BeamtVG könne nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit später in ein Beamtenverhältnis übernommen werde. Ansonsten stünde ein nicht entlassener Beamter schlechter als ein belasteter Beamter, der aus dem Dienst entfernt und nachversichert werde. Insofern sei klärungsbedürftig,
ob § 55 BeamtVG i.V.m. § 30 BBesG und § 12a BeamtVG eine Verletzung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums aufgrund der damit verbundenen Kürzungen der Versorgungsbezüge der Ruhestandsbeamten in sich berge.
5Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr, BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18). Daran fehlt es hier. Die vom Kläger aufgeworfene Frage ist teilweise schon höchstrichterlich geklärt und lässt sich im Übrigen anhand des eindeutigen Gesetzeswortlauts im vom Berufungsgericht dargestellten Sinne beantworten, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
6a) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist über die Regelung des § 55 Abs. 2 BeamtVG, in dessen Rahmen die Vorschriften über die Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 Satz 1 und 2 BeamtVG gelten, sichergestellt, dass die Gesamtversorgung des Beamten ausnahmslos zumindest das Niveau der beamtenrechtlichen Mindestversorgung erreicht und damit in jedem Falle dem Gebot der amtsangemessenen Versorgung nach Art. 33 Abs. 5 GG genügt.
7Etwas anders folgt auch nicht aus § 12a BeamtVG (i.V.m. § 30 BBesG). Die Bestimmung betrifft diejenigen Beamten, die - wie der Kläger - im Beitrittsgebiet erst seit dem in ein Beamtenverhältnis getreten sind. Da § 12a BeamtVG i.V.m. § 30 BBesG an davor liegende Zeiten bzw. Tätigkeiten anknüpft, sind Beamte umso mehr von der Regelung betroffen, je lebens- bzw. dienstälter sie in das Beamtenverhältnis getreten sind. In diesen Fällen haben sie nur eine kurze Dienstzeit im aktiven Beamtenverhältnis verbracht, so dass dann die amts(un)abhängige Versorgung nach § 14 Abs. 4 Satz 1 oder 2 BeamtVG zu zahlen ist. Aus diesem Grunde hat § 12a BeamtVG bei Beamten, die - wie der Kläger - sehr geringe, nämlich weniger als derzeit 20 Dienstjahre (35 v.H. ./. 1,79375 v.H., vgl. § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG; beim Kläger: 10 Jahre und 69 Tage) aufweisen können, im Ergebnis keine Rechtswirkung, weil das Ruhegehalt nicht nach § 14 Abs. 1 BeamtVG, sondern nach § 14 Abs. 4 Satz 1 oder 2 BeamtVG berechnet wird. Auch hierauf hat das Berufungsgericht bereits zutreffend hingewiesen. Aus dem Alimentationscharakter der Mindestversorgung folgt zugleich, dass auch sie im Beamtenstatus „erdient" ist und sich demgemäß nicht von der Versorgung nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 BeamtVG unterscheidet ( BVerwG 2 C 25.04 - BVerwGE 124, 19 = Buchholz 239.1 § 14a BeamtVG Nr. 4 und vom - BVerwG 2 C 29.08 - IÖD 2010, 67 f.).
8b) Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist außerdem geklärt, dass es keinen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums gibt, wonach Renten auf die Versorgungsbezüge nicht in der in § 55 BeamtVG vorgesehenen Art angerechnet werden dürfen (vgl. - ZBR 2009, 381 m.w.N.). Der Dienstherr kann sich von seiner Alimentationspflicht dadurch entlasten, dass er den Versorgungsberechtigten auf Einkünfte aus einer anderen öffentlichen Kasse verweist, sofern diese ebenfalls der Existenzsicherung des Versorgungsberechtigten und seiner Familie zu dienen bestimmt sind. Bei den Renten im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG handelt es sich um solche auf die Versorgungsbezüge anrechenbare Leistungen aus einer anderen öffentlichen Kasse. Es ist insbesondere nicht sachwidrig, wenn der Gesetzgeber bei Rente beziehenden Versorgungsempfängern eine Kürzung der Versorgungsbezüge anordnet, um eine Überhöhung der Gesamtversorgung zu beseitigen, die nicht durch eine Eigenleistung des Versorgungsempfängers, sondern dadurch entstanden ist, dass Rentenrecht und Beamtenversorgungsrecht nicht hinreichend aufeinander abgestimmt sind. Anderenfalls erhielte der Beamte mit einer Mischlaufbahn grundlos eine überproportionale Versorgung (vgl. a.a.O. m.w.N.).
9Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass im Fall des Klägers eine nach dem Maßstab des § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 und 2 BeamtVG ausgesprochen kurze Dienstzeit im Beamtenverhältnis von lediglich 10 Jahren und 69 Tagen ruhegehaltfähig ist und im Übrigen nur noch ein Zeitraum im Angestelltenverhältnis von 293 Tagen, so dass ein Zeitraum von lediglich insgesamt knapp 12 Jahren im versorgungsrechtlichen Sinne im öffentlichen Dienst zugebracht wurde. Vor diesem Hintergrund ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber den Kläger versorgungsrechtlich im Ergebnis nicht anders behandelt als einen „Nur-Beamten“, der gleichfalls letztlich nur die amtsunabhängige Mindestversorgung erhält.
10c) Auch einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG legt die Beschwerde nicht dar.
11Der Regelfall des § 55 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b BeamtVG führt im Ergebnis dazu, dass gerechnet ab dem vollendeten 17. Lebensjahr von einer fiktiven ruhegehaltfähigen Dienstzeit von 40 Jahren auszugehen und das Ruhegehalt nach Maßgabe von § 14 Abs. 1 BeamtVG mit einem Faktor von derzeit 1,79375 zu berechnen ist, so dass der Höchst-Ruhegehaltssatz in Höhe von derzeit 71,75 v.H. erreicht ist und danach die Höchstgrenze gemäß § 55 Abs. 2 BeamtVG bemessen wird.
12Die Anwendung von § 12a BeamtVG i.V.m. § 30 BBesG führt nach Maßgabe von § 55 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b BeamtVG im Ergebnis demgegenüber dazu, dass sich nach dem Berechnungsmodus des § 14 Abs. 1 oder § 14 Abs. 4 Satz 1 bzw. 2 BeamtVG in der Regel eine geringere Höchstgrenze als der Höchst-Ruhegehaltssatz ergibt. Von diesen Regelungen negativ betroffen sind indes lediglich diejenigen Beamten, mit denen trotz Vorliegens der in § 30 BBesG geregelten Tatbestände ein Beamtenverhältnis begründet oder aufrecht erhalten wurde.
13Eine im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG sachwidrige Ungleichbehandlung ist insoweit - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht in Bezug auf diejenigen Personen gegeben, mit denen ein Beamtenverhältnis (etwa aus den Gründen des § 30 BBesG) gar nicht erst begründet oder die aus diesem wieder entlassen bzw. entfernt wurden. Denn diese Personen beziehen keine Versorgungsleistungen des Dienstherrn, was die Ungleichbehandlung rechtfertigt. Auch hierauf hat das Berufungsgericht bereits hingewiesen.
14Auch durfte der Gesetzgeber die in § 12a BeamtVG angeführten Zeiten, die nach § 30 BBesG für das Besoldungsdienstalter nicht berücksichtigt werden, als nicht ruhegehaltfähig und damit im Rahmen des § 55 BeamtVG zugleich als nicht berücksichtigungsfähig bestimmen. Insofern ist für § 30 BBesG bereits höchstrichterlich geklärt, dass die dort genannten Zeiten nicht besoldungssteigernd zu berücksichtigen sind. Grundgedanke von § 30 Abs. 1 BBesG ist, Dienstzeiten im öffentlichen Dienst der DDR, die durch eine in verschiedener Weise herausgehobene Nähe zum Herrschaftssystem der DDR gekennzeichnet sind, von der - besoldungssteigernden - Anrechnung auf das Besoldungsdienstalter auszuschließen. Die Regelung geht davon aus, dass solche Dienstzeiten, während derer der Beamte außerhalb des Rahmens einer rechtsstaatlichen Verwaltung tätig geworden ist, nicht mit Tätigkeiten in der rechtsstaatlichen Grundsätzen verpflichteten öffentlichen Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland gleichgestellt und deshalb bei der Festsetzung des Besoldungsdienstalters nicht besoldungssteigernd berücksichtigt werden dürfen ( - BVerfGE 103, 310; BVerwG 2 C 5.03 - Buchholz 240 § 30 BBesG Nr. 2). Diesen Grundgedanken hat § 12a BeamtVG lediglich aufgegriffen, indem die vorgenannten Zeiten ebenfalls nicht versorgungssteigernd wirken sollen, wobei § 14 Abs. 4 Satz 1 und 2 BeamtVG in jedem Falle im System der Beamtenversorgung sicherstellen, dass Beamte die amts(un)abhängige Mindestversorgung erhalten.
15Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.
Fundstelle(n):
AAAAD-48959