BAG Urteil v. - 8 AZR 840/08

Betriebsübergang - falsche Unterrichtung - Widerspruch - Verwirkung

Gesetze: § 613a Abs 1 BGB, § 613a Abs 2 BGB, § 613a Abs 5 BGB, § 613a Abs 6 BGB, § 242 BGB, § 425 Abs 1 BGB

Instanzenzug: Az: 13 Ca 3195/07 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 6 Sa 934/07 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten um die Frage, ob zwischen ihnen über den hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht.

2Seit dem war der Kläger im Betrieb in H beschäftigt, zuletzt war er dort Außendienstmitarbeiter und verdiente 70.300,00 Euro jährlich.

3Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses firmierte seine Arbeitgeberin als „Te GmbH“. Nach Verkauf Mitte der Achtziger Jahre an die französische T-Gruppe firmierte sie seit dem als „T m S G & A GmbH“ (TMSG & A), seit dem als „T S G & A GmbH“ (TSG & A). Zur Muttergesellschaft „T Holding Germany GmbH & Co. oHG“ (Holding OHG) besteht ein auf das Jahr 1984 zurückgehender Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag. Die Holding OHG firmiert ab als „D T oHG“ (OHG). Auf diese wurde die TSG & A mit Eintragung in das Handelsregister am verschmolzen.

4Für den Betrieb H fand am eine Betriebsversammlung statt, zu der die Betriebsangehörigen der Holding OHG und der TMSG & A eingeladen wurden. Es sollte über den geplanten europaweiten Verkauf der TV-Sparte an den chinesischen Konzern „TC“ unterrichtet werden.

5Der Vertrieb von TV-Geräten wurde nebst den dazugehörigen Teilen der Verwaltung von TMSG & A Mitte 2005 in einer eigenen Betriebsabteilung konzentriert. Diese sollte im Wege eines Betriebsteilübergangs auf die „T S GmbH“ (TSG) übertragen werden. Diese TSG firmiert seit Eintrag in das Handelsregister am als „TTE GmbH“(TTE). Bereits in einer für die Betriebsversammlung vom vorbereiteten Präsentation wurde als Betriebserwerberin ein Unternehmen unter dem Kürzel „TTE“ vorgestellt.

Mit dem Betriebsrat des Betriebs H schlossen am die TMSG & A, die Holding OHG und die TSG eine „Betriebsvereinbarung über den Interessenausgleich“. Diese lautet auszugsweise:

Zwischen dem 1. Juli und dem , nach Darstellung der Beklagten jedoch nicht vor dem , richtete sich die TSG mit einem Unterrichtungsschreiben an den Kläger. Dieses lautete:

8Unter dem unterzeichnete der Kläger dieses Unterrichtungsschreiben, um sein Einverständnis zu erklären. Am änderten die Parteien des Interessenausgleichs vom diesen dahingehend, „dass der eigentliche Übergang statt am erst zum stattfindet“. Auf Arbeitgeberseite wurde „für die T-Unternehmen“ diese Änderung von M S unterzeichnet.

Unter den neuen Firmen TSG & A als Verkäuferin und TTE als Käuferin wurde sodann am ein „Kauf- und Schuldübernahmevertrag“ geschlossen. Dieser lautet auszugsweise:

Am informierte die TTE als Käuferin den Kläger mit einem weiteren Informationsschreiben darüber, dass der „Übergang nunmehr mit Wirkung zum stattgefunden“ habe und alle mit dem Betriebsrat in dem Interessenausgleich vereinbarten Leistungen mit diesem Datum in Kraft träten. Weiter heißt es:

In der Folgezeit arbeitete der Kläger für die TTE. Diese schloss am mit dem Betriebsrat des Betriebs H einen Interessenausgleich und einen Transfer-Sozialplan ab. Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers in H sollte geschlossen, die Arbeitnehmer sollten in eine Transfergesellschaft überführt und unter bestimmten Voraussetzungen sollte eine individuelle Abfindung gezahlt werden, bei der die gesamte Betriebszugehörigkeit der Mitarbeiter von Anbeginn ihrer Tätigkeit honoriert werden sollte. Unter Bezugnahme darauf schlossen der Kläger, die TTE und die V GmbH mit Sitz in G am einen dreiseitigen Vertrag über die Aufhebung des bisherigen Arbeitsverhältnisses und den Beginn eines Beschäftigungsverhältnisses mit der V GmbH. Auszugsweise lautet dieser Vertrag:

12Für die Dauer seiner Zugehörigkeit zum Betrieb H seit 1978 bis zum erhielt der Kläger von TTE eine Abfindung von über 90.000,00 Euro.

13Mit anwaltlichem Schreiben vom ließ der Kläger gegenüber der TSG & A dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die TTE widersprechen, bei der er sich infolge eines dramatischen Arbeitsplatzabbaus gezwungen gesehen habe, „seine faktische Beschäftigung … zum aufzugeben“.

14Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein Widerspruchsschreiben vom sei nicht außerhalb der Monatsfrist des § 613a Abs. 6 BGB erfolgt. Die Information über den Betriebsübergang sei sowohl durch das Unterrichtungsschreiben der TSG vom Juli 2005 als auch durch das Hinweisschreiben der TTE vom so unzureichend erfolgt, dass die Frist zur Einlegung des Widerspruchs nicht in Gang gesetzt worden sei. Er habe auf sein Widerspruchsrecht auch nicht verzichtet. Zwar habe er eine Zustimmung zum Übergang seines Arbeitsverhältnisses infolge eines Betriebsübergangs zum auf die TSG erklärt. Ein solcher Betriebsübergang habe jedoch nie stattgefunden. Sein Recht zum Widerspruch habe er nicht verwirkt. Durch die völlig unzureichende Information habe die Beklagte zur späten Ausübung des Widerspruchsrechts erst maßgeblich beigetragen. Außerdem habe die Beklagte nicht dargelegt, dass sie von dem Abschluss seines dreiseitigen Vertrages mit TTE und der V GmbH Kenntnis erlangt habe.

Der Kläger hat beantragt

16Zur Begründung ihres Antrags auf Klageabweisung hat die Beklagte die Auffassung vertreten, die Unterrichtung sei iSv. § 613a Abs. 5 BGB fehlerfrei erfolgt. Im Juli 2005 sei nach dem damaligen Kenntnisstand informiert worden, mit seiner Unterschrift vom habe der Kläger vertraglich den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die TSG vereinbart. Jedenfalls aber habe der Kläger sein Recht zum Widerspruch verwirkt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter.

Gründe

18Die Revision ist unbegründet, da die Klage unbegründet ist. Zwischen den Parteien besteht seit dem kein Arbeitsverhältnis mehr, da dieses infolge eines Betriebsübergangs an diesem Tag auf die Betriebserwerberin übergegangen ist. Dem konnte der Kläger im Februar 2007 nicht mehr wirksam widersprechen.

19A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Es könne dahinstehen, ob der Kläger über den Betriebsteilübergang ordnungsgemäß iSv. § 613a Abs. 5 BGB unterrichtet und dadurch die einmonatige Widerspruchsfrist nach § 613a Abs. 6 BGB in Lauf gesetzt worden sei. Zum Zeitpunkt der Widerspruchserklärung habe für den Kläger kein Widerspruchsrecht mehr bestanden. Dies ergebe sich neben der Begründung des Arbeitsgerichts, das auf Verwirkung abgestellt habe, aus einer analogen Anwendung des Rechtsgedankens des § 144 BGB. Die Ausübung des Widerspruchsrechts sei ausgeschlossen, wenn der „widerspruchsbehaftete Übergang“ des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber vom Widerspruchsberechtigten bestätigt werde. Eine solche Bestätigung habe der Kläger durch den Abschluss des dreiseitigen Vertrages vom und die Annahme der Abfindungszahlung für den gesamten Bestand seines Arbeitsverhältnisses vorgenommen.

20B. Dem folgt der Senat im Ergebnis.

21I. Von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht einen Betriebsteilübergang zum auf die TTE festgestellt. Daran ist der Senat nach § 559 Abs. 2 ZPO gebunden.

22II. Der Widerspruch des Klägers vom gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die TTE erfolgte nicht außerhalb der Frist des § 613a Abs. 6 BGB, obwohl der Betriebsteilübergang schon am stattgefunden hatte. Denn der Kläger ist über diesen nicht nach § 613a Abs. 5 BGB informiert worden, so dass die Monatsfrist des § 613a Abs. 6 BGB nicht zu laufen begonnen hatte(st. Rspr. des Senats seit - 8 AZR 763/05 - AP BGB § 613a Nr. 318 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 63 und - 8 AZR 305/05 - BAGE 119, 91 = AP BGB § 613a Nr. 312 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 56).

231. Das Informationsschreiben der TSG vom Juli 2005 ist schon deswegen fehlerhaft, weil darin von einer „Übertragung von Tätigkeiten“ gesprochen wird, die zur Folge habe, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nach § 613a BGB auf die TSG zum übergehe. Bei Aushändigung des Unterrichtungsschreibens an den Kläger nicht vor dem stand indes fest, dass eine solche „Übertragung“ oder ein Betriebsübergang auf die TSG zum nicht stattgefunden hatte.

242. Auch die Parteien des Kauf- und Schuldübernahmevertrages wurden falsch bezeichnet. Bei diesem erst am geschlossenen Vertrag firmierte die Verkäuferin nicht mehr unter „TMSG & A“, sondern als „TSG & A“; die Firma der Erwerberin war nicht mehr „TSG“, sondern „TTE“. Gerade im Hinblick auf die häufigen Firmenänderungen bei den Beteiligten war aber eine genaue Bezeichnung wichtig, um den Arbeitnehmern eine Information über ihren bisherigen und den künftigen Arbeitgeber zu ermöglichen.

253. Auch das Schreiben der TTE vom schaffte nicht die erforderliche Klarheit, wenn dem Kläger mitgeteilt wurde, dass sich der „Übergang … zwischen T und TTE“ verzögert und „nunmehr mit Wirkung zum stattgefunden“ habe. Wiederum werden weder die beteiligten Arbeitgeber noch die Einzelheiten des Betriebsübergangs geschildert und es bleibt weiterhin wie schon im Juli 2005 undeutlich, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers kraft Gesetzes auf die TTE übergegangen ist.

26III. Zum Zeitpunkt der Ausübung seines Widerspruchs am hatte der Kläger jedoch sein Recht zum Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die TTE verwirkt.

271. Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung(§ 242 BGB). Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.

28Schon nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor dem Inkrafttreten des § 613a Abs. 5 und 6 BGB konnte das Widerspruchsrecht wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. An dieser Rechtsprechung hat der Senat im Einklang mit der herrschenden Auffassung im Schrifttum auch nach der neuen Rechtslage festgehalten. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Grundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann(Senat - 8 AZR 431/06 - mwN, BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64).

29Angesichts der gesetzlichen Regelung kann hinsichtlich des Zeitmoments nicht auf eine feststehende Monatsfrist, beispielsweise von sechs Monaten abgestellt werden. Im Gesetzgebungsverfahren sind nämlich Vorschläge auf Aufnahme einer generellen Höchstfrist von drei(BR-Drucks. 831/1/01 S. 2) bzw. sechs Monaten (BT-Drucks. 14/8128 S. 4) nicht aufgegriffen worden. Abzustellen ist vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles (Senat - 8 AZR 431/06 - BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64). Dabei ist, wie der Senat bereits zur Verwirkung der Geltendmachung eines Betriebsübergangs ( - 8 AZR 106/99 -) ausgeführt hat, davon auszugehen, dass bei schwierigen Sachverhalten die Rechte des Arbeitnehmers erst nach längerer Untätigkeit verwirken können. Zutreffend ist es weiterhin auch, die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken. Es müssen letztlich besondere Verhaltensweisen sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (Senat - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347).

302. Im Streitfall hat der Abschluss des dreiseitigen Vertrages zwischen dem Kläger, der TTE und der V GmbH als Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft am das Umstandsmoment verwirklicht.

31a) Nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalles begann die Phase des für die Verwirkung erforderlichen Zeitmoments jedenfalls mit dem . Zwar wurde, wie ausgeführt, unter diesem Datum der Kläger nicht, auch nicht durch das Zusatzschreiben der TTE, korrekt iSd. § 613a Abs. 5 BGB über den Übergang seines Arbeitsverhältnisses informiert. Es wurde ihm aber mitgeteilt, dass an diesem Tag der Betriebsübergang stattfindet, dass er die nächsten zwölf Monate von „seiner Personalabteilung“ begleitet werde und sein neuer Arbeitgeber trat jetzt unter der korrekten Firma auf. Der Kläger arbeitete auch ohne Widerspruch für die TTE weiter. Zwischen dem und dem Widerspruch des Klägers mit anwaltlichem Schreiben vom liegt ein Zeitraum von nahezu 17 Monaten. Damit ist das Zeitmoment insbesondere auch deshalb erfüllt, weil der Kläger ein besonders gewichtiges Umstandsmoment gesetzt hat.

32b) Ein solches Umstandsmoment ist allerdings noch nicht darin zu sehen, dass der Kläger unter dem auf dem ersten, noch von TSG formulierten Informationsschreiben durch Unterschrift sein Einverständnis zu dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die TSG zum erklärt hat. Da kein solcher Betriebsübergang und dementsprechend auch nicht ein Übergang des Arbeitsverhältnisses stattgefunden hatte, mit dem sich der Kläger hätte ausdrücklich einverstanden erklären können, geht seine diesbezügliche Erklärung ins Leere.

33c) Die Voraussetzungen für das Umstandsmoment werden jedoch durch den dreiseitigen Vertrag vom erfüllt.

34aa) Das Umstandsmoment ist erfüllt, wenn der Arbeitgeber davon ausgehen durfte, der Widerspruch werde nicht mehr ausgeübt. Dies ist dann der Fall, wenn er aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers annehmen durfte, dieser habe den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber und diesen damit als seinen neuen Arbeitgeber akzeptiert(vgl. Senat - 8 AZR 188/07 -; - 8 AZR 407/07 - AP BGB § 613a Nr. 348). Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Betriebserwerber disponiert hat (vgl. Senat - 8 AZR 174/07 - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106; - 8 AZR 1016/06 - NZA 2008, 1354).

35Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer(zunächst) widerspruchslos beim Betriebserwerber weiterarbeitet und von diesem die Arbeitsvergütung entgegennimmt, stellt ebenso wenig eine Disposition über den Bestand des Arbeitsverhältnisses dar (vgl. Senat - 8 AZR 225/07 -; - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347) wie Vereinbarungen mit dem Betriebserwerber, durch welche einzelne Arbeitsbedingungen, zB Art und Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung, Höhe der Arbeitsvergütung, geändert werden. Als Disposition über den Bestand des Arbeitsverhältnisses stellen sich nur solche Vereinbarungen oder Verhaltensweisen des Arbeitnehmers dar, durch welche es zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt, zB Abschluss eines Aufhebungsvertrages (Senat - 8 AZR 174/07 - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106) bzw. die Hinnahme einer vom Betriebserwerber ausgesprochenen Kündigung (Senat - 8 AZR 175/07 - aaO), oder durch welche das Arbeitsverhältnis auf eine völlig neue rechtliche Grundlage gestellt wird (zB die Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses).

36bb) Der dreiseitige Vertrag vom enthielt ausdrücklich die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der TTE. Außerdem erhielt der Kläger von der TTE außerhalb des dreiseitigen Vertrages eine Abfindung von über 90.000,00 Euro, die den gesamten Bestand seines bisherigen Arbeitsverhältnisses seit seinem Eintritt bei der Te im März 1978 abdeckte. Auch die getroffenen Vereinbarungen zum Arbeitszeugnis, zum Verzicht auf ein Anfechtungsrecht und die Klarstellung, dass auch bei Veränderung der wirtschaftlichen Bedingungen von TTE der Kläger keinen Anspruch auf Wiedereinstellung haben sollte, dokumentieren, dass der Kläger unter sein bisheriges Arbeitsverhältnis, zuletzt bei TTE, einen Schlusspunkt setzen und stattdessen ein neues, befristetes Arbeitsverhältnis mit der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft begründen wollte. Damit hat der Kläger über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses disponiert, was die Beklagte darauf vertrauen lassen konnte, der Kläger werde ein bis dahin noch möglicherweise bestehendes Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben.

373. Unerheblich ist es, ob und ggf. ab wann die Beklagte von dem Abschluss des Aufhebungsvertrages Kenntnis erlangt hat.

38Auf die Verwirkung darf sich die Beklagte berufen, unabhängig davon, ob ihr alle vom Kläger verwirklichten Umstandsmomente bekannt geworden sind. Bei der Verwirkung des Widerspruchsrechts im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang genügt es, dass einer der Verpflichteten von den vertrauensbildenden Umständen Kenntnis hat. Jedenfalls im unmittelbaren Verhältnis zwischen Betriebsveräußerer und Betriebserwerber sieht das Gesetz grundsätzlich eine gemeinsame Verpflichtung und Berechtigung beider aus dem Arbeitsverhältnis vor. Daraus folgt, dass immer dann, wenn sich der Betriebserwerber als neuer Arbeitgeber mit Erfolg auf Verwirkungsumstände berufen könnte, diese auch der Betriebsveräußerer als früherer Arbeitgeber für sich in Anspruch nehmen darf.

39Die Unterrichtungspflicht des § 613a Abs. 5 BGB trifft als Gesamtschuldner sowohl den bisherigen Arbeitgeber als auch den neuen Betriebsinhaber. Der von einem Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer erlangt die Fortdauer seines Widerspruchsrechts sowohl durch Informationsfehler des einen wie des anderen. Wenn das Gesetz in der Frage der Informationspflicht zum Betriebsübergang den alten und neuen Arbeitgeber als Einheit sieht, legt dies nahe, Betriebsveräußerer und Betriebserwerber auch hinsichtlich des Informationsstandes zum Arbeitnehmerverhalten einheitlich aufzufassen. Auch Art. 3 Abs. 2 der RL 2001/23/EG fingiert einen gleichen Informationsstand von Veräußerer und Erwerber über die Rechte und Pflichten der übergegangenen Arbeitsverhältnisse. Entscheidend kommt hinzu, dass nach § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB der Arbeitnehmer den Widerspruch sowohl gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber (Betriebsveräußerer) als auch gegenüber dem neuen Inhaber (Betriebserwerber) erklären darf. Der Widerspruch kann aber nicht gegenüber dem neuen Arbeitgeber verwirkt sein, weil dieser die eingetretenen „Umstände“ kennt, gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber wegen dessen Unkenntnis jedoch nicht. Für das Schuldverhältnis von Betriebsveräußerer und Betriebserwerber als Gesamtschuldner gegenüber dem Arbeitnehmer als Berechtigtem ist in § 613a BGB, insbesondere in dessen Abs. 6, „ein anderes“ normiert(§ 425 Abs. 1 BGB). Neuer und alter Arbeitgeber dürfen sich wechselseitig auf die Kenntnis des anderen vom Arbeitnehmerverhalten berufen. Eine nachgewiesene Kenntnis des in Anspruch genommenen Verpflichteten von einem bestimmten Arbeitnehmerverhalten ist nicht erforderlich, wenn feststeht, dass dieses Verhalten wenigstens dem anderen Verpflichteten bekannt geworden ist (Senat - 8 AZR 220/07 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 6).

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Fundstelle(n):
BB 2010 S. 2108 Nr. 35
DB 2010 S. 2172 Nr. 39
RAAAD-48440