BFH Urteil v. - VIII R 14/09 BStBl 2010 II S. 909

Berufsbetreuer und Verfahrenspfleger: Keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit

Leitsatz

Eine Volljuristin ohne anwaltliche Zulassung, die als Berufsbetreuerin und Verfahrenspflegerin tätig ist, erzielt Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG (Änderung der Rechtsprechung).

Gesetze: EStG § 18 Abs. 1 Nr. 3

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

I.

1Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Volljuristin und war im Streitjahr als berufsmäßige Betreuerin und Verfahrenspflegerin tätig. In ihrer Einkommensteuererklärung 2000 deklarierte sie die von ihr erzielten Einkünfte als solche aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) beurteilte die von der Klägerin erzielten Einkünfte indes als solche aus Gewerbebetrieb und setzte für das Streitjahr einen entsprechenden Gewerbesteuermessbetrag fest. Den gegen den Gewerbesteuermessbescheid 2000 eingelegten Einspruch der Klägerin wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurück. Nachdem das FA den Gewerbesteuermessbescheid 2000 bereits im August 2002 geändert hatte, korrigierte es den Gewerbesteuermessbescheid nochmals am .

2Mit der dagegen erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, sie erziele als Berufsbetreuerin und Verfahrenspflegerin Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Sie übe einen einem Katalogberuf gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ähnlichen Beruf aus; dieser entspreche in den typischen wesentlichen Merkmalen demjenigen eines Rechtsanwalts. Als Volljuristin würden ihr speziell Betreuungen übertragen, die einen starken juristischen Bezug hätten; bei ihrer Tätigkeit als Verfahrenspflegerin sei zu beachten, dass sie diese ohne detaillierte Kenntnisse des Unterbringungsrechts und des Sorgerechts nicht ausüben könnte. Sie vertrete die Betreuten gegenüber Dienstleistern und Behörden, führe vor Gericht Rechtsstreitigkeiten für sie durch, entwerfe Verträge und sei als Vertreterin von Betreuten an Erbauseinandersetzungen beteiligt. Als Verfahrenspflegerin vertrete sie die Betroffenen wie ein Rechtsanwalt nach § 50 Abs. 3 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG); sie übe daher mindestens eine sonstige selbständige Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG aus. Sie habe zudem im Streitjahr mindestens 3/4 ihrer Einkünfte mit Betreuungen erzielt, die überwiegend in der Vermögensverwaltung bestünden.

3Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit Urteil vom 6 K 2787/03 G ab. Es entschied, die Klägerin habe als berufsmäßige Betreuerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) erzielt. Weder ihre Tätigkeit als Berufsbetreuerin noch als Verfahrenspflegerin erfüllte die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 EStG.

4Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Ihre Tätigkeit sei eine freiberufliche i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, zumindest aber als sonstige selbständige Arbeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu bewerten.

5Die Klägerin beantragt,

das und den Gewerbesteuermessbescheid 2000 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom sowie den Änderungsbescheid vom aufzuheben.

6Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

7Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

II.

8Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Aufzuheben sind ferner der angefochtene Gewerbesteuermessbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung sowie der letztmalige Änderungsbescheid vom .

9Zu Unrecht hat das FG die Tätigkeit der Klägerin als Berufsbetreuerin und Verfahrenspflegerin als gewerblich i.S. des § 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG beurteilt. Vielmehr hat die Klägerin Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erzielt.

101. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG unterliegen der Gewerbesteuer nur (inländische) gewerbliche Unternehmen i.S. des EStG; nicht gewerblich sind danach Unternehmen, deren Betätigung als Ausübung eines freien Berufs oder als eine selbständige Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 EStG) anzusehen ist.

112. Entgegen der Auffassung des FG gehört die hier zu beurteilende Tätigkeit der Klägerin als berufsmäßige Betreuerin und Verfahrenspflegerin zu den Tätigkeiten, die den Einkünften aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 EStG zuzurechnen sind.

12a) Berufsbetreuer übernehmen rechtliche Betreuungen (§§ 1896 ff. des Bürgerlichen GesetzbuchsBGB—), ohne dass dafür eine bestimmte Ausbildung oder ein Studium erforderlich ist. Deshalb nehmen nicht nur Juristen oder Steuerberater (vgl. Bundesgerichtshof —BGH—, Beschluss vom XII ZB 66/08, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht —FamRZ— 2010, 199; Zimmermann, Deutsches Steuerrecht 2007, 1322), sondern auch andere Berufsgruppen (wie Sozialarbeiter/-pädagogen, Alten- und Krankenpfleger sowie Erzieher, aber auch Verwaltungsfachkräfte und Kaufleute) diese Aufgabe wahr. Berufsbetreuer werden durch die Vormundschaftsgerichte (heute: Betreuungsgerichte) als Betreuer (§ 1836 Abs. 1 BGB, § 1897 Abs. 6 BGB) bestellt; im Bestellungsbeschluss wird die Betreuung als beruflich geführt bezeichnet.

13Gegenstand des Berufsbilds der Berufsbetreuer ist die Unterstützung und Beratung volljähriger Menschen, die in ihrer Entscheidungs- oder Handlungsfähigkeit eingeschränkt sind und deshalb nicht selbst für ihre Angelegenheiten sorgen können. Die Betreuer unterstützen die Betroffenen rechtlich oder handeln „stellvertretend für sie, zum Beispiel durch Regelung der Finanzen, Vertretung gegenüber Behörden, Organisation von pflegerischen Diensten oder Einwilligung in ärztliche Behandlungen” (vgl. www.bdb-ev.de/2_Informationen_zu_Betreuung.php). Dabei gehört zur Betreuung insbesondere auch die Vertretung in Vermögensangelegenheiten (vgl. , FamRZ 2008, 680; vom XII ZR 110/06, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2008, 2333; BGH-Beschluss in FamRZ 2010, 199; Sonnenfeld, FamRZ 2009, 1027; Wilde, GmbH-Rundschau 2010, 123).

14b) Ob diese danach schon zu einem eigenen Berufsbild verdichtete Tätigkeit als „Berufsbetreuer” den Einkünften aus selbständiger Arbeit zuzuordnen ist, ist streitig.

15aa) Der in der Vergangenheit für die Besteuerung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit zuständig gewesene IV. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat die Berufsbetreuertätigkeit mit Urteil vom IV R 26/03 (BFHE 208, 280, BStBl II 2005, 288 mit Anm. Habscheidt, NJW 2005, 1257) unter Bezugnahme auf die , BFHE 154, 332, BStBl II 1989, 24; vom IV R 1/03, BFHE 203, 438, BStBl II 2004, 112) als gewerbliche und nicht als sonstige selbständige Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG angesehen, weil diese Vorschrift nur vermögensverwaltende Tätigkeiten erfasse. Diese Voraussetzung erfülle die Tätigkeit eines berufsmäßigen Betreuers nicht, da sie nicht nur Vermögensfragen, sondern auch persönliche Angelegenheiten (z.B. Gesundheitsangelegenheiten, Wohnungsfragen, Bestimmung des Aufenthalts oder des Umgangs; vgl. etwa MünchKommBGB/Schwab, 5. Aufl., § 1896 Rz 62 ff.) umfasse.

16Diese Auffassung wird auch in einer Vielzahl erstinstanzlicher Entscheidungen (vgl. , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1999, 1080; , EFG 2004, 119; ,AO, EFG 2004, 36; , EFG 2004, 1459; vom 1 K 5087/06 G, EFG 2008, 1729 als Vorinstanz dieses Verfahrens; , EFG 2009, 412; , juris, Rev. VIII R 14/09) und von der Finanzverwaltung vertreten (vgl. Verfügungen der , juris; vom -S 2240 A-St 314, Der Betrieb 2007, 255; , juris) sowie im Schrifttum geteilt (vgl. Bienwald, FamRZ 2003, 1501; Zimmermann, Betreuungsrechtliche Praxis 1999, 133; ebenso Mann, NJW 2008, 121).

17bb) Davon abweichend hat das (Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst —DStRE— 2001, 965, rechtskräftig) unter Hinweis darauf, dass für die Zuordnung zum Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG eine Gruppenähnlichkeit zu den Tätigkeiten des Testamentsvollstreckers, Vermögensverwalters und Aufsichtsratsmitglieds genüge, auch für die Tätigkeit der Berufsbetreuer eine Anwendbarkeit der Nr. 3 bejaht, weil sie ebenso wie diese drei Regelbeispiele deren gemeinsames Leitbild der Fremdnützigkeit, der Tätigkeit in einem fremden Geschäftskreis und der weitestgehenden selbständigen Ausübung aufweise.

18c) Verfahrenspfleger wurden im Streitjahr nach den Vorschriften des FGG bestellt. Heute gilt insoweit das Gesetz über die Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom FamFG— (BGBl I 2008, 2587). Verfahrenspfleger werden von den Gerichten bestellt in Betreuungssachen (§ 276 FamFG), Unterbringungssachen (§ 317 FamFG) und Freiheitsentziehungssachen (§ 419 FamFG). In Betracht kommt eine Bestellung ferner in Kindschaftssachen (§ 50 FGG, nunmehr Verfahrensbeistand i.S. des § 158 FamFG) und in Adoptionssachen (§ 56f FGG, nunmehr Verfahrensbeistand gemäß § 191 FamFG). Verfahrenspfleger kann grundsätzlich jede volljährige natürliche Person, aber auch die Betreuungsbehörde oder ein Betreuungsverein oder deren Mitarbeiter sein (Rausch in Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG Kommentar, § 276 Rz 10). Bestimmte persönliche oder fachliche Qualifikationen für die Person des Verfahrenspflegers hat der Gesetzgeber nicht festgelegt. Bei gravierenden Eingriffen wird entsprechend den Erfordernissen des Einzelfalls, sofern nicht eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt geboten ist, eine erforderliche Sachkunde des zu bestellenden Verfahrenspflegers verlangt (vgl. Dodegge in Schulte-Bunert/Weinreich, a.a.O., § 419 Rz 7 f.; Rausch in Schulte-Bunert/Weinreich, a.a.O., § 276 Rz 10).

19In Betreuungssachen ist der Verfahrenspfleger als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen mit allen Rechten und Pflichten eines Beteiligten ausgestattet (vgl. Rausch in Schulte-Bunert/ Weinreich, a.a.O., § 274 Rz 10); im Unterbringungsverfahren wie im Freiheitsentziehungsverfahren hat der Verfahrenspfleger ebenfalls die Rechtsstellung eines Beteiligten (vgl. Dodegge in Schulte-Bunert/Weinreich, a.a.O., § 317 Rz 10, § 419 Rz 10); das gilt gleichermaßen im Adoptionsverfahren (Sieghörtner in Schulte-Bunert/Weinreich, a.a.O., § 191 Rz 10).

20Ob die Tätigkeit als Verfahrenspfleger zu Einkünften aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 EStG führt, ist höchstrichterlich bislang nicht entschieden. Bei der Bewertung dieser Tätigkeit ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein Verfahrenspfleger ähnlich wie ein Betreuer die (objektiven) Interessen des Betroffenen wahrzunehmen und diese im jeweiligen Verfahren zu wahren hat. Im Betreuungsverfahren z.B. kann es um die Besorgung aller Angelegenheiten des Betroffenen oder die Erweiterung des Aufgabenkreises hierauf gehen (vgl. § 276 Abs. 1 Nr. 2 FamFG) einschließlich der mit der Betreuung im Zusammenhang stehenden weiteren Verfahren, wie z.B. der Kostenentscheidungen und des Festsetzungsverfahrens gegen den Betroffenen (vgl. Rausch in Schulte-Bunert/Weinreich, a.a.O., § 276 Rz 2). Unterbringungssachen hingegen betreffen die zivilrechtliche Unterbringung Volljähriger gemäß § 1906 BGB, die Genehmigung freiheitsentziehender Maßnahmen nach § 1906 Abs. 4 BGB bzw. die Anordnung der freiheitsentziehenden Unterbringung eines Volljährigen nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker (§ 312 FamFG). Im Freiheitsentziehungsverfahren nach § 415 FamFG, einem Verfahren, aufgrund dessen einer Person gegen ihren Willen oder im Zustand der Willenlosigkeit die Freiheit entzogen wird, hat der Verfahrenspfleger als Beteiligter in vollem Umfang die Belange des Betroffenen zu gewährleisten und diesen fachkundig zu beraten und zu vertreten. Auch wenn es im Unterbringungsverfahren wie im Verfahren der Freiheitsentziehung vornehmlich um Eingriffe in höchstpersönliche Angelegenheiten des Betroffenen, seine persönliche Freiheit, geht, hat das zwangsläufig Konsequenzen auch für dessen vermögensrechtliche Position. Insgesamt umfasst die Interessenwahrnehmung für den Betroffenen damit rechtliches wie tatsächliches Handeln einschließlich der Wahrnehmung von Vermögensangelegenheiten; es handelt sich um eine selbständige fremdnützige Tätigkeit in einem fremden Geschäftskreis.

21d) Der erkennende Senat, auf den die alleinige Zuständigkeit für die Besteuerung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit übergegangen ist, geht unter Aufgabe der bisherigen BFH-Rechtsprechung (im Urteil des IV. Senats des BFH in BFHE 208, 280, BStBl II 2005, 288) davon aus, dass die Einnahmen eines Berufsbetreuers ihrer Art nach nicht den Einkünften aus Gewerbebetrieb, sondern den Einkünften aus selbständiger Arbeit zuzuordnen sind. Das gilt gleichermaßen für den berufsmäßigen Verfahrenspfleger, der Kraft seiner speziellen Kenntnisse —wie hier die Klägerin— insbesondere für Verfahren bestellt wird, die besondere Sachkunde erfordern.

22Die Einnahmen aus Berufsbetreuung sind ebenso wie diejenigen, welche die Klägerin aus ihrer Tätigkeit als Verfahrenspflegerin erzielt hat, den Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zuzurechnen.

23Danach gehören zu den freiberuflichen Einkünften auch

„Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit, z.B. Vergütungen für die Vollstreckung von Testamenten, für Vermögensverwaltung und für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied”.

24aa) Die Vorschrift enthält keinen abschließenden Katalog in Betracht kommender „Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit”, sondern lediglich die Auflistung der Regelbeispiele „Testamentsvollstreckervergütung”, „Vermögensverwaltung”, „Aufsichtsratstätigkeit” (vgl. Brandt in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 18 EStG Rz 251). Weitere Tätigkeiten fallen danach in den Anwendungsbereich der Regelung, wenn sie ihrer Art nach den Regelbeispielen des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ähnlich sind (Grundsatz der sog. Gruppenähnlichkeit; vgl. , BFHE 196, 84, BStBl II 2002, 338). Das ist z.B. der Fall, wenn die Tätigkeit die Betreuung fremder Vermögensinteressen umfasst, aber darüber hinaus auch dann, wenn es sich um eine selbständig ausgeübte fremdnützige Tätigkeit in einem fremden Geschäftskreis handelt (so FG Thüringen, Urteil in DStRE 2001, 965).

25bb) Auf dieser Grundlage ist die Tätigkeit eines Berufsbetreuers den Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit zuzuordnen, weil sie ebenso wie die in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG bezeichneten Regelbeispiele —berufsbildtypisch— durch eine selbständige fremdnützige Tätigkeit in einem fremden Geschäftskreis sowie durch Aufgaben der Vermögensverwaltung geprägt ist.

26An der Auffassung des IV. Senats im Urteil in BFHE 208, 280, BStBl II 2005, 288, dass eine Zuordnung der Betreuung zur sonstigen selbständigen Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht in Betracht komme, weil die Betreuung durch den Umfang der Personensorge über die Vermögensverwaltung hinausreiche, hält der erkennende Senat nicht mehr fest. Die in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG aufgeführten Regelbeispiele erschöpfen sich nicht in der bloßen Vermögensverwaltung, sondern umfassen zusätzliche Aufgaben, wie etwa Leistung von Rechtsbeistand durch den Testamentsvollstrecker (Palandt/Edenhofer, Bürgerliches Gesetzbuch, 68. Aufl., § 2203 Rz 1; vgl. auch § 2209 Satz 1 BGB) oder unternehmerische Kontrolle durch das Aufsichtsratsmitglied.

27Hinzu kommt, dass bei einer umfassend angeordneten Betreuung eine Trennbarkeit der vermögensbetreuuenden und sonstigen persönlichen Tätigkeiten in einer Vielzahl von Fällen kaum gegeben ist. So stellt die Entscheidung über eine mögliche Heilbehandlung zugleich —wegen der damit verbundenen Kosten für den Betreuten— stets auch eine vermögensrelevante Entscheidung dar. Im Hinblick darauf, dass vermögensrechtliche Aspekte in derartigen Fällen zumindest mittelbar mit berührt werden, steht der Zurechnung der Berufsbetreuertätigkeit zum Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nichts entgegen, selbst wenn im Einzelfall die Betreuung in Vermögens- und sonstige persönliche Angelegenheiten aufgeteilt worden ist.

28cc) Nämliches gilt für die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit eines Verfahrenspflegers, der seine Tätigkeit ebenfalls fremdnützig und selbständig in einem fremden Geschäftskreis ausübt. Für Betreuungsverfahren hat der Senat vorstehend unter II.2.d bb bereits ausgeführt, dass eine Trennbarkeit zwischen vermögensbetreuenden und sonstigen persönlichen Tätigkeiten in einer Vielzahl von Fällen kaum möglich ist. Das gilt naturgemäß auch für den für solche Verfahren bestellten Pfleger. Z.B. bei Unterbringungssachen nach § 312 Nr. 3 FamFG, d.h. bei freiheitsentziehenden Unterbringungen Volljähriger nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker, bei denen die Klägerin mehrfach als Pflegerin bestellt wurde, hat eine Entscheidung des Betreuungsgerichts für den Betroffenen nicht nur persönliche, sondern auch vermögensrechtliche Konsequenzen; vermögensrechtliche Aspekte werden in derartigen Fällen zumindest mittelbar mit berührt. Angesichts dieser Umstände unterfällt die Tätigkeit der Klägerin als Verfahrenspflegerin ebenfalls dem Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG.

293. Die Sache ist spruchreif. Die Klägerin hat nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) —im Umfang zwischen den Beteiligten unstreitige— Betreuungstätigkeiten nach dem Betreuungsgesetz sowie Verfahrenspflegschaften in Unterbringungs- und Betreuungsverfahren wahrgenommen. Sie hat damit Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erzielt.

30Der Senat kann ohne Anfrage bei anderen Senaten entscheiden, da er zum einen die Zuordnung der Betreuungstätigkeit zur anwaltstypischen Berufstätigkeit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des V. Senats verneint hat (vgl. , BFHE 132, 136, BStBl II 1981, 193, und vom V R 63/86, BFH/NV 1991, 632) und zum anderen —soweit er von der Entscheidung des IV. Senats in BFHE 208, 280, BStBl II 2005, 288 zur fehlenden Freiberuflichkeit einer Betreuertätigkeit abweicht— aufgrund geänderter Geschäftsverteilung ausschließlich für die Auslegung des § 18 EStG zuständig geworden ist.

Fundstelle(n):
BStBl 2010 II Seite 909
BB 2010 S. 2142 Nr. 36
BFH/NV 2010 S. 1905 Nr. 10
BFH/PR 2010 S. 370 Nr. 10
BStBl II 2010 S. 909 Nr. 17
DB 2010 S. 1796 Nr. 33
DStRE 2010 S. 1163 Nr. 19
FR 2010 S. 1049 Nr. 22
HFR 2010 S. 1158 Nr. 11
NJW 2011 S. 110 Nr. 1
StB 2010 S. 298 Nr. 9
StBp. 2010 S. 358 Nr. 12
StuB-Bilanzreport Nr. 17/2010 S. 676
DAAAD-48287