BAG Urteil v. - 4 AZR 713/08

Zur Anwendung eines Spartentarifvertrags Nahverkehrsbetriebe - keine Tarifpluralität oder Tarifkonkurrenz im Fall der gleichzeitigen Geltung des TV-V und des TV-N NW

Gesetze: § 1 TVG, § 1a Buchst b BMT-G 2

Instanzenzug: Az: 3 Ca 1555/07 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 4 Sa 89/08 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob auf das Arbeitsverhältnis des Klägers der zwischen der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände und - ab dem ersten Änderungstarifvertrag - ua. der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft e.V.(ver.di) abgeschlossene Tarifvertrag Versorgungsbetriebe (TV-V) vom  oder der zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen (KAV NW) und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste Transport und Verkehr, Bezirk Nordrhein-Westfalen I und II und der Deutschen Angestelltengewerkschaft, Landesbezirk NRW unter Bezugnahme auf § 1a BMT-G bzw. § 1a BAT abgeschlossene Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe (TV-N NW) vom anzuwenden ist.

2Der Kläger ist bei der Beklagten auf Grundlage eines Arbeitsvertrages vom als Busfahrer beschäftigt.

Im Arbeitsvertrag heißt es ua.:

4Die Beklagte, die Mitglied im KAV NW ist, erfüllt zusammen mit fünf Tochterunternehmen Aufgaben der kommunalen öffentlichen Daseinsvorsorge. Sie beschäftigt ca. 730 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie übt die zentrale Leitung für Mutter- und Tochterunternehmen aus, namentlich durch die kaufmännische Leitung und Abwicklung. Es besteht ein einheitlich von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Beklagten wie auch der Tochtergesellschaften gewählter Betriebsrat. Die Aktivitäten, die im Bereich der Aufgabenerfüllung des öffentlichen Nahverkehrs anfallen(Fahrdienst, Buswerkstatt, Verkehrswirtschaft) sind im so genannten Center 24 (Center Verkehr) gebündelt. Diesem Center Verkehr sind ca. 170 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - ua. auch der Kläger - zugeordnet, die bis auf etwa 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Arbeitnehmer der Beklagten sind.

Im Bereich der Versorgungsunternehmen und Nahverkehrsbetriebe war durch die Einfügung des § 1a BMT-G II bzw. § 1a BAT im Jahre 2001 die Möglichkeit zur Anwendung besonderer Tarifverträge geschaffen worden. § 1a BMT-G II hat folgenden Wortlaut:

6Seit dem wendet die Beklagte auf die bei ihr bestehenden Arbeitsverhältnisse zwei Tarifverträge an, nämlich den TV-N NW für die im Center Verkehr eingesetzten Beschäftigten sowie den TV-V für die übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Grundlage hierfür sind zwei zwischen der Beklagten und dem Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen(KAV NW) einerseits sowie der Gewerkschaft ver.di - Landesbezirk NRW andererseits am getroffene Vereinbarungen.

Dabei handelt es sich zum Einen um den Tarifvertrag vom zur Einführung des TV-V bei der Stadtwerke Hamm GmbH (TV Stadtwerke Hamm/TV-V). Dieser ergänzt den § 1 des zwischen der Gewerkschaft ver.di - Landesbezirk NRW - sowie dem KAV NW abgeschlossenen Bezirklichen Tarifvertrag vom gemäß § 1 Abs. 2 und § 24 Abs. 1 Tarifvertrag Versorgungsbetriebe (TV-V) vom (BezirksTV NW/TV-V) dahingehend, dass mit Wirkung zum auch der Betrieb der Beklagten in den Geltungsbereich des TV-V gemäß § 1 Abs. 2 TV-V mit folgender Maßgabe einbezogen werden soll:

Zum Zweiten schlossen die genannten Tarifvertragsparteien eine Anwendungsvereinbarung vom zur Herbeiführung der betrieblichen Geltung des Spartentarifvertrages Nahverkehrsbetriebe NW (TV-N NW). Diese sieht vor dem Hintergrund sich abzeichnender existenzieller Risiken für das Center Verkehr der Beklagten sowie zur betrieblichen Inkraftsetzung des neuen Tarifrechts (TV-N NW) - in § 1 Folgendes vor:

9In der Anlage zu § 1 ist ein Verzeichnis der überzuleitenden Mitarbeiter/innen mit 128 aufgeführten Namen enthalten, unter denen sich auch der des Klägers findet.

10Nachdem die Beklagte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Center Verkehr schon am mitgeteilt hatte, dass zum eine Anwendung des TV-N NW erfolgen werde, gab sie dem Kläger mit Schreiben vom bekannt, er sei künftig in die Entgeltgruppe EG 6, Endstufe 5 des TV-N NW mit einem im Einzelnen dargestellten Entgelt eingereiht. Dem Kläger wurde eine Leistungszulage weitergewährt sowie eine persönliche Zulage erbracht, welche den Differenzbetrag zwischen der monatlichen Tabellenvergütung nach dem vormaligen Tarifrecht und dem TV-N NW ausglich. Für die Arbeitnehmer der Beklagten, die außerhalb des Center Verkehr beschäftigt wurden, wandte diese seit dem die Arbeitsbedingungen nach dem TV-V an.

11Mit seiner am zugestellten Klage hat der Kläger die Anwendung des TV-V auf sein Arbeitsverhältnis geltend gemacht und für die Monate April bis Juni 2007 eine sich daraus ergebende Zahlung von jeweils 133,63 Euro brutto verlangt. Er hat die Ansicht vertreten, der TV-V sei aus Gründen der Tarifeinheit im Betrieb auf sein Arbeitsverhältnis anzuwenden. Der TV-V und der TV-N NW seien unterschiedliche Tarifverträge, welche innerhalb eines Betriebes nicht gleichzeitig zur Anwendung gelangen könnten. Andernfalls bestünden Rechtsunsicherheiten bezüglich der geltenden Arbeitsbedingungen, insbesondere wenn die Beklagte von ihrem Versetzungsrecht Gebrauch mache. Dass im Betrieb für dieselben Tätigkeiten und gegebenenfalls nach erfolgter Versetzung sogar für dieselben Arbeitnehmer unterschiedliche Bedingungen gälten, sei nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz zu vereinbaren.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

13Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie ist der Auffassung, es liege weder ein Fall der Tarifkonkurrenz, noch ein Fall der Tarifpluralität vor. Der TV-V und der TV-N NW seien von den selben Tarifvertragsparteien geschlossen worden. Auch liege kein Gleichheitsverstoß vor, da die Geltung des TV-N NW auf Gründen der Wirtschaftlichkeit beruhe. Nur die im Center Verkehr beschäftigten Personen seien in den Geltungsbereich des TV-N NW einbezogen. Sofern eine Umsetzung einzelner Beschäftigter erfolge, könne diese nur zu unveränderten Arbeitsvertragsbedingungen in Betracht kommen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

15Die Revision ist nicht begründet. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der TV-V keine Anwendung.

16A. Das Landesarbeitsgericht hat gegen die Anwendung der beiden Tarifverträge TV-V und TV-N NW im Unternehmen der Beklagten und gegen die tariflich vereinbarte Zuordnung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter des Center Verkehr zum Geltungsbereich des TV-N NW keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken erhoben. Die Geltung beider Tarifverträge beziehe sich auf unterschiedliche Arbeitnehmergruppen und entspreche dem ausdrücklichen Willen der Tarifvertragsparteien. Der Kläger könne sich deshalb nicht auf den Grundsatz der Tarifeinheit berufen. Es liege auch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor. Die Tarifvertragsparteien seien berechtigt, unterschiedliche Ordnungsbereiche unterschiedlich zu regeln. Das Center Verkehr sei eine selbständige Betriebsabteilung, in der abweichend vom Hauptbetrieb ein anderer Tarifvertrag existieren könne.

17B. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers ist erfolglos. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der TV-V auf das Arbeitsverhältnis des Klägers keine Anwendung findet.

18I. Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat auch ein hinreichendes Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung der auf sein Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge. Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dann der Fall, wenn die Frage des anwendbaren Tarifvertrages für eine Mehrzahl von Rechtsansprüchen bedeutsam ist(vgl.  - Rn. 11, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 39; - 4 AZR 803/05 - Rn. 10, ZTR 2007, 151; - 4 AZR 294/01 - BAGE 103, 9). Die hier in Betracht kommenden Tarifverträge weichen in zahlreichen, zwischen den Parteien teilweise auch aktuell streitigen Punkten voneinander ab, namentlich im Bereich der Urlaubs-, Entgelt- und Kündigungsregelungen.

19II. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Das vom Kläger im Feststellungsantrag bezeichnete Rechtsverhältnis besteht nicht. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der TV-V nicht anzuwenden. Deshalb kann der Kläger auch keine Vergütungsansprüche auf den TV-V stützen.

201. Der TV-V gilt nicht normativ nach § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG für das Arbeitsverhältnis der Parteien. Der Kläger ist nicht an den TV-V gebunden. Er ist nicht Mitglied einer tarifschließenden Gewerkschaft.

212. Der TV-V findet im Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht aufgrund der von den Parteien vereinbarten arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel Anwendung.

22a) Nach dem Wortlaut des Arbeitsvertrages richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem BMT-G und den zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung. Das gleiche soll für die an deren Stelle tretenden Tarifverträge gelten. Daneben finden die für den Bereich der Beklagten geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung.

23Bei der Bezugnahme auf das für die tarifgebundene Beklagte geltende Tarifwerk handelt es sich um eine sog. Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Senatsrechtsprechung. Danach waren bei Tarifbindung des Arbeitgebers - anders als bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern - Verweisungsklauseln auf Tarifverträge in aller Regel als sog. Gleichstellungsabreden auszulegen. Dies beruhte auf der Vorstellung, dass mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden sollte, um jedenfalls so zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrages zu kommen und damit zu dessen Geltung für alle Beschäftigten(vgl. nur  - Rn. 21 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 63 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 38). An dieser Auslegungsregel hält der Senat zwar nicht mehr uneingeschränkt fest. Er wendet sie aus Gründen des Vertrauensschutzes aber weiterhin auf Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen an, die vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum abgeschlossen worden sind (vgl. nur  - Rn. 28 ff., BAGE 122, 74, 81 ff.).

24b) Danach kommt eine Anwendung des TV-V auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht in Betracht. Der TV-V ist zwar ein zusätzlicher Tarifvertrag zum BMT-G II im Sinne der Verweisungsklausel. Das Arbeitsverhältnis des Klägers fiele jedoch auch dann nicht unter dessen Geltungsbereich, wenn der Kläger normativ an den TV-V gebunden wäre.

25aa) Der TV-V wurde am zwischen den Tarifvertragsparteien des BMT-G II vereinbart. Am schlossen die regionalen Organisationen derselben Tarifvertragsparteien für den Nahverkehrsbereich in Nordrhein-Westfalen den TV-N NW. Hierdurch wurden die Arbeitsverhältnisse im Energie- und Wasserversorgungsbereich sowie im Nahverkehrsbereich Nordrhein-Westfalen, die bisher allein unter den BMT-G II bzw. BAT fielen, teilweise auch vom TV-V und vom TV-N NW erfasst. Deshalb wurde - parallel zu einer entsprechenden Regelung im BAT ua. - zunächst durch den 49. Ergänzungstarifvertrag vom in den BMT-G II ein neuer § 1a eingefügt. Dieser regelte ua., dass der BMT-G II ersetzt wird, soweit der TV-V und/oder der TV-N NW gilt. Nachdem sich die Notwendigkeit des Abschlusses weiterer regionaler Spartentarifverträge im Bereich des Nahverkehrs aus Gründen der Konkurrenzfähigkeit im Hinblick auf Änderungen des EU-Rechts zur Aufnahme von Verkehrsleistungen abzeichneten(vgl. dazu Schart ZTR 2002, 13), ist durch den 50. Ergänzungstarifvertrag vom § 1a BMT-G II insoweit geändert worden, als nicht mehr nur der TV-N NW, sondern jeder Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe eines Arbeitgeberverbandes, der der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände angehört, den BMT-G II ersetzt.

26bb) Das Arbeitsverhältnis des Klägers unterfällt nach Maßgabe der tariflich geregelten und voneinander abgegrenzten Geltungsbereiche des TV-V und des TV-N NW nicht dem TV-V.

27(1) Der Geltungsbereich des TV-V ist in dessen § 1 Abs. 1 zunächst dahingehend bestimmt, dass er Arbeitnehmer in rechtlich selbständigen Versorgungsbetrieben erfasst. Als solche definiert der TV-V Unternehmen, die Energie- und Wasserversorgung betreiben, wenn mindestens 90 Prozent des Gesamtpersonals in diesem Bereich tätig sind.

28Dies ist bei der Beklagten nicht der Fall. Einer genauen Zuordnung aller Mitarbeiter der Beklagten bedarf es nicht, da zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Beklagte ca. 730 Arbeitnehmer beschäftigt, von denen 128, darunter der Kläger, im Center Verkehr tätig sind. Diese Tätigkeit ist weder der Energie- noch der Wasserversorgung zuzurechnen, so dass bereits aufgrund dieser Feststellungen eine Zuordnung von mindestens 90 Prozent der von der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer zu diesem Bereich ausgeschlossen ist.

29(2) Nach § 1 Abs. 2 TV-V können ferner Betriebe durch einen landesbezirklichen Tarifvertrag ganz oder teilweise in den Geltungsbereich einbezogen, aber auch hiervon ausgenommen werden. Auch dies führt jedoch für den Kläger nicht zu einer Anwendung des TV-V. Denn ein landesbezirklicher Tarifvertrag, der einen für das Arbeitsverhältnis des Klägers maßgebenden Betrieb oder Teil eines Betriebes in den Geltungsbereich des TV-V einbezogen hätte, ist nicht abgeschlossen worden.

30(a) Die von § 1a BMT-G II eröffnete Möglichkeit, einerseits für den Bereich der Versorgungsunternehmen und andererseits - in Nordrhein-Westfalen - für den Bereich der Nahverkehrsunternehmen vom BMT-G II abweichende tarifliche Regelungen zu vereinbaren, ist vom KAV NRW und der Gewerkschaft ver.di mit dem Abschluss der Tarifverträge TV-V und TV-N NW wahrgenommen worden.

31(aa) Die Geltung des TV-V hängt - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Bereich der im TV-V selbst definierten Versorgungsbetriebe - davon ab, dass weitere Betriebe durch einen landesbezirklichen Tarifvertrag ganz oder teilweise in den Geltungsbereich des TV-V einbezogen worden sind. Dies ist in Bezug auf die Beklagte durch den Bezirkstarifvertrag zum TV-V vom iVm. dem TV-Stadtwerke Hamm/TV-V vom geschehen.

32(bb) Der TV-N NW vom setzt für die Ersetzung der Regelungen des BMT-G II eine Anwendungsvereinbarung zwischen den Tarifvertragsparteien und dem Unternehmen voraus. Wenn der Nahverkehrsbetrieb Teil eines selbständigen Versorgungsunternehmens ist, kann der betriebliche Geltungsbereich des TV-N NW nach dessen § 1 Abs. 3 Satz 2 von den Beteiligten der Anwendungsvereinbarung festgelegt werden. Auch insoweit haben der KAV NW, die Gewerkschaft ver.di und die Beklagte selbst mit ihrer Anwendungsvereinbarung vom die Voraussetzungen für die tarifliche Geltung des TV-N NW im Unternehmen der Beklagten geschaffen.

33(b) Aus dieser Tariflage ergibt sich, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers, das dem Center Verkehr als dem betrieblichen Nahverkehrsbereich der Beklagten zugeordnet ist, nicht dem TV-V unterfällt. Zwar haben der KAV, die Gewerkschaft ver.di und die Beklagte mit dem TV Stadtwerke Hamm/TV-V einen Tarifvertrag abgeschlossen, mit dem zunächst die Beklagte insgesamt in den TV-V einbezogen werden sollte. Der TV Stadtwerke Hamm/TV-V trifft jedoch für die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter des Center Verkehr Sonderregelungen dahingehend, dass diese nicht in den Geltungsbereich des TV-V einbezogen werden sollen, sondern ihrerseits dem TV-N NW zuzuordnen sind. Eine auf § 1a Buchst. b BMT-G II iVm. mit § 1 Abs. 3 TV-N NW ausdrücklich Bezug nehmende Anwendungsvereinbarung entsprechenden Inhalts wurde für den Bereich der Nahverkehrsbetriebe zeitgleich geschlossen. Damit haben die Beteiligten an diesen Vereinbarungen die jeweiligen tariflichen Vorgaben für eine Anwendung des TV-N NW im Center Verkehr erfüllt.

34(c) Gegen diese gemeinsamen Festlegungen des Arbeitgeberverbandes, der Gewerkschaft und des Arbeitgebers selbst bestehen keine rechtlichen Bedenken.

35(aa) Tarifvertragsparteien sind im Rahmen ihrer Tarifzuständigkeit frei, den Geltungsbereich ihrer Vereinbarungen eigenständig festzulegen(st. Rspr., vgl. nur  - BAGE 114, 162, 172 mwN). An der tarifrechtlichen Zulässigkeit der von den Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes vorgenommenen Differenzierung durch die Einfügung des § 1a BMT-G II bzw. BAT und durch die Abschlüsse des TV-V und des TV-N NW bestehen keine Zweifel. Auch das Bundesarbeitsgericht ist insoweit von einem wirksamen, den BMT-G II im konkreten Arbeitsverhältnis ablösenden TV-N NW ausgegangen ( - EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 38). Es steht Tarifvertragsparteien grundsätzlich frei, die von ihnen vereinbarten Mindestarbeitsbedingungen für verschiedene betriebliche oder branchen- oder tätigkeitsbezogene Bereiche im Rahmen ihrer Tarifzuständigkeit unterschiedlich zu regeln. Hiervon haben zuletzt die tarifschließenden Parteien im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom mit den Tarifverträgen zu dessen Besonderen Teilen für die Bereiche Verwaltung, Pflege- und Betreuungseinrichtungen, Krankenhäuser, Entsorgung und Sparkassen Gebrauch gemacht. Mit dem Abschluss des TV-V und der Spartentarifverträge Nahverkehr, ua. in Nordrhein-Westfalen haben die Tarifvertragsparteien in den Jahren 2000 und 2001 in zulässiger Weise vor allem auf eine sich verändernde Marktlage reagieren wollen, die besonders in den hiervon erfassten Bereichen von einem zunehmenden Wettbewerb mit privaten Anbietern gekennzeichnet war (Hoffmann ZTR 2001, 54, 55, 57). Zugleich wurden in diesen beiden Bereichen aber auch die Unterscheidungen zwischen Arbeitern und Angestellten zugunsten eines einheitlichen Arbeitnehmerbegriffs mit einer einheitlichen Entgeltordnung aufgehoben. Im bundesweiten TV-V sind überdies keine unterschiedlichen Regelungen für die Tarifgebiete Ost und West mehr enthalten.

36Von der Zulässigkeit der entsprechenden tariflichen Regelungen ist auch das Landesarbeitsgericht mit überzeugender Begründung ausgegangen. Insoweit erhebt die Revision auch keine Einwände gegen das Berufungsurteil.

37(bb) Von den nach § 1a BMT-G II bzw. § 1a BAT eröffneten Möglichkeiten haben die Tarifvertragsparteien des TV-V und des TV-N NW sowie des TV Stadtwerke Hamm/TV-V in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Es liegt auch ein erkennbar hinreichender Sachgrund für die Zuordnung des Center Verkehr zum Geltungsbereich des TV-N NW vor. Die Tarifvertragsparteien haben durch alle Regelungsebenen (bundesweiter Tarifvertrag, landesbezirklicher Tarifvertrag, Anwendungsvereinbarung) eine Zuordnung von Betrieben oder von Teilen von Betrieben zu den jeweils unterschiedlich und abweichend von den allgemeinen Bestimmungen des öffentlichen Dienstes geregelten Bereichen der Versorgungsbetriebe und des Nahverkehrs ermöglichen wollen. Dabei sollte erkennbar die bestehende Unternehmensstruktur einheitlich berücksichtigt werden können, ohne dass jedoch eine tariflich zwingende Vorgabe zu einer solchen einheitlichen Zuordnung erfolgen sollte. Gerade wegen der Einbindung von kommunalen Nahverkehrsbetrieben in Unternehmen der Versorgung musste sichergestellt werden, dass die marktbedingten Anforderungen einer anderen tariflichen Kostensituation nicht durch eine unmittelbare Unterwerfung auch dieser Betriebe oder Betriebsteile unter den TV-V verfehlt werden würden(Hoffmann ZTR 2001, 54, 57). Beide Tarifverträge haben die Zuordnung von Betrieben oder Teilen von Betrieben zu dem sachlichen Geltungsbereich des jeweils anderen Tarifwerks ermöglicht, wenn die tatsächliche betriebliche Tätigkeit eine solche Zuordnung erlaubt. Ein Nahverkehrsbetrieb sollte danach auch dann den von den Tarifvertragsparteien für den Bereich der Nahverkehrsunternehmen als angemessen angesehenen Mindestarbeitsbedingungen unterworfen werden können, wenn er einem Unternehmen der Versorgungswirtschaft angehört. Ob dem hauptsächlichen Unternehmenszweck nicht entsprechende Betriebsteile oder Arbeitsstätten dem Tarifvertrag unterfallen sollen oder nicht, entscheiden die Tarifvertragsparteien selbst (Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 152; Jacobs/Krause/Oetker TVR § 5 Rn. 53; ähnlich bereits  - BAGE 17, 53, 58). Die Entscheidung über eine solche Zuordnung war den Tarifvertragsparteien des TV-V und des TV-N unter Einbeziehung des Unternehmens selbst vorbehalten. Eine sachlich nicht begründete Ungleichbehandlung ist damit nicht verbunden, zumal die aus dem Geltungsbereich des TV-V ausgegrenzten Arbeitnehmer der entsprechenden Betriebe und Betriebsteile keineswegs jeglichen tariflichen Schutz verlieren, sondern - im vorliegenden Falle - denjenigen Tarifverträgen unterliegen, die gerade für den Bereich von Nahverkehrsunternehmen unter Berücksichtigung aller Umstände als angemessen angesehen worden sind.

38(d) Dagegen spricht auch nicht, dass der Teil des Betriebes der Beklagten, der von den Tarifvertragsparteien dem Geltungsbereich des TV-N NW zugeordnet worden ist, durch die Namen derjenigen Arbeitnehmer gekennzeichnet ist, die die entsprechenden Arbeitsplätze im Center Verkehr besetzen. Zwar ist damit eine wirksame unmittelbare Unterordnung der entsprechenden Arbeitsverhältnisse nicht erfolgt; eine solche tarifliche Zuordnung einzelner Arbeitsverhältnisse kann durch einen Tarifvertrag nicht erfolgen. Dies gilt insbesondere für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer wie den Kläger. Tarifvertragsparteien können Rechtsnormen nur für sich selbst und ihre Mitglieder verbindlich vereinbaren; nur so weit reicht ihre Normsetzungsmacht( - Rn. 51 mwN, AP TVG § 3 Nr. 41 = EzA GG Art. 9 Nr. 98). Die Liste der Arbeitnehmer, die von der Beklagten dem Center Verkehr zugeordnet worden sind, dient aber hinreichend deutlich dazu, denjenigen Teil des Betriebes, der von dem TV-N NW erfasst und vom Geltungsbereich des TV-V ausgenommen sein soll, und der nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Bereiche Fahrdienst, Buswirtschaft und Verkehrswirtschaft umfasst, mithin auch den Kläger als Busfahrer, von dem sonstigen Unternehmensbereich abzugrenzen. Dieser Zweck ergibt sich auch aus der Tatsache, dass die Zuordnung zum Geltungsbereich des TV-N NW auch für Arbeitnehmer vorgesehen ist, die „in diesem Bereich nach dem neu eingestellt werden“. Auch der Kläger hat den Einwand der mangelnden Bestimmtheit der Regelungen im Tarifvertrag und in der Anwendungsvereinbarung nicht erhoben, sondern insoweit lediglich geltend gemacht, wegen der zentralen Geschäftsführung, Personalleitung und Buchhaltung sei „der Betrieb im Sinne des Prinzips der Tarifeinheit“ die Beklagte (dazu unten). Es kann deshalb im Ergebnis dahinstehen, ob - wie das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen angenommen hat - das Center Verkehr eine im Rechtssinne selbständige Betriebsabteilung ist. Einen solchen Grad von organisatorischer Verselbständigung verlangt weder § 1 Abs. 2 TV-V noch § 1 Abs. 3 TV-N NW.

393. Die von der Revision gegen das landesarbeitsgerichtliche Urteil erhobenen Einwendungen sind auch ansonsten nicht durchgreifend.

40a) Soweit sich die Revision auf das Vorliegen einer Tarifpluralität beruft, die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unter dem Gesichtspunkt der Tarifeinheit aufzulösen wäre, geht dieses Argument ins Leere.

41aa) Die unmittelbare Anwendung etwaiger Grundsätze zur Auflösung einer Tarifpluralität scheitert zunächst bereits daran, dass von einer Tarifpluralität nur hinsichtlich der normativen Geltung von Tarifverträgen ausgegangen werden kann. Da der Kläger nicht tarifgebunden ist, gilt für ihn kein Tarifvertrag normativ, sondern allenfalls durch die arbeitsvertragliche Inbezugnahme. Die Anwendung des Grundsatzes der Tarifeinheit führt nicht zu einer Korrektur des im Arbeitsvertrag privatautonom gebildeten, übereinstimmenden Willens, im Arbeitsverhältnis einen bestimmten Tarifvertrag maßgebend sein zu lassen( - Rn. 28, 34, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 39), der ggf. durch Vertragsauslegung nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln ist.

42bb) Aber selbst wenn man zur Auslegung der arbeitsvertraglichen Inbezugnahme eines Tarifvertrages oder Tarifwerkes, insbesondere vor dem Hintergrund des Gleichstellungszwecks, die Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung zur Auflösung einer Tarifpluralität heranziehen würde, fänden sie - ungeachtet der Tatsache, dass der Senat in seinem Beschluss vom davon ausgegangen ist, dass eine Tarifpluralität nicht nach dem Grundsatz der Tarifeinheit aufzulösen ist( - 4 AZR 549/08 (A) - Rn. 43 ff., NZA 2010, 648, 649) - keine Anwendung. Denn die gleichzeitige Geltung des TV-V und des TV-N NW im Unternehmen der Beklagten ist kein Fall der Tarifpluralität. Eine solche liegt nach allgemeinem Verständnis dann vor, wenn der Betrieb des Arbeitgebers vom Geltungsbereich zweier von verschiedenen Gewerkschaften geschlossener Tarifverträge für Arbeitsverhältnisse derselben Art erfasst wird, an die der Arbeitgeber gebunden ist, während für den jeweiligen Teil der Arbeitnehmer je nach Tarifgebundenheit nur einer der beiden Tarifverträge Anwendung findet (vgl. nur (A) - Rn. 36 mwN, aaO). Vorliegend sind jedoch beide in Frage kommenden Tarifwerke von denselben Tarifvertragsparteien abgeschlossen worden. Im Falle einer Geltungsbereichsüberschneidung läge daher keine Tarifpluralität, sondern allenfalls eine Tarifkonkurrenz vor.

43b) Aber auch die Konstellation einer Tarifkonkurrenz liegt nicht vor. Eine Tarifkonkurrenz ist dann gegeben, wenn für dasselbe Arbeitsverhältnis zwei verschiedene Tarifverträge normativ gelten( - BAGE 74, 238, 245). Sie kommt dagegen nicht in Betracht, wenn bereits die Auslegung ergibt, dass nur einer von mehreren Tarifverträgen gelten kann oder gelten soll ( - Rn. 36, AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 37 = EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 43). Die Tarifvertragsparteien des TV-V und des TV-N NW haben mit der komplexen Regelungsstruktur die Geltung zweier Tarifverträge für ein Arbeitsverhältnis gerade ausgeschlossen. Soweit die Geltung des BMT-G II betroffen ist, haben die Tarifvertragsparteien in dessen § 1a eine eigenständige Kollisionslösungsregelung im Sinne eines Vorrangs des TV-V bzw. des TV-N NW getroffen ( - Rn. 18 „Ablösungsprinzip“, EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 38). Gegen die Zulässigkeit einer solchen „innertariflichen“ Vorrangsregelung bestehen keinerlei rechtliche Bedenken. Als Normgeber sind die Tarifvertragsparteien frei, Ausnahmen und Kollisionslösungsregelungen hinsichtlich des Anwendungsbereichs der von ihnen vereinbarten Tarifverträge selbst verbindlich zu vereinbaren. Diese sind in jedem Falle gegenüber Kollisionslösungsregelungen, die sich lediglich aus allgemeinen rechtlichen Überlegungen ergeben, vorrangig.

44c) Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg einwenden, dass es bei einer Zuordnung des Center Verkehr allein im Belieben der Beklagten liege, ihn im Wege einer Versetzung diesem oder jenem Tarifregime zu unterwerfen. Ausweislich seines Arbeitsvertrages ist er als Omnibusfahrer eingestellt und wird auch seit Beginn des Arbeitsverhältnisses als solcher beschäftigt. Die Vereinbarung in § 8 des Arbeitsvertrages, wonach der Kläger verpflichtet ist, auch jede andere Arbeit auszuführen, wenn für ihn berufsübliche Arbeiten nicht zu erledigen sind, ändert hieran nichts. Diese Regelung begründet kein Recht der Beklagten, den Arbeitsvertragsinhalt durch einseitige Gestaltungsmittel zu verändern, sondern erweitert lediglich unter bestimmten Umständen das Direktionsrecht des Arbeitgebers, das nach § 106 Satz 1 GewO allerdings ohnehin billigem Ermessen unterliegt und zudem einer Vertragskontrolle nach §§ 305 ff. BGB standhalten muss(vgl. zur Unwirksamkeit einer Versetzungsklausel wegen fehlender Sicherstellung der Gleichwertigkeit beider Tätigkeiten  - BAGE 118, 184). Eine dauerhafte Versetzung, dh. eine Änderung des vertraglichen Aufgabenbereichs nach Art, Ort und Umfang der Tätigkeit ( - AP TVG § 1 Tarifverträge: Textilindustrie Nr. 3 = EzA TVG § 4 Textilindustrie Nr. 1) ist individualrechtlich ohne Änderung des Arbeitsvertrages nicht möglich. Soweit ein Tätigkeitswechsel innerhalb der arbeitsvertraglichen Weisungsbefugnis des Arbeitgebers mit dem Wechsel vom Geltungsbereich des einen Tarifvertrages in den eines anderen verbunden ist, müssen sich beide Parteien an der sich hierin äußernden Bewertung der beiden Tätigkeiten durch die von ihnen mittels der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel selbst „ausgesuchten“ Tarifvertragsparteien festhalten lassen, wenn der Arbeitsvertrag an anderer Stelle nicht eine hiervon abweichende Regelung trifft.

C. Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen, weil sein Rechtsmittel erfolglos ist (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Fundstelle(n):
TAAAD-47677