BGH Beschluss v. - VIII ZR 184/09

Stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses: Wirksamkeit des mit der Kündigung erklärten Widerspruchs

Leitsatz

Ein bereits mit der Kündigung erklärter Widerspruch gegen eine stillschweigende Vertragsfortsetzung ist wirksam; eines zeitlichen Zusammenhangs mit der Vertragsbeendigung bedarf es nicht (im Anschluss an BGH, , VIII ZR 100/85, NJW-RR 1986, 1020) .

Gesetze: § 545 BGB

Instanzenzug: Az: 5 S 79/08 Urteilvorgehend Az: 21 C 123/08 Urteil

Gründe

I.

1Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung in S. Die Klägerin hat das Grundstück, auf dem sich die an die Beklagte vermietete Wohnung befindet, erworben und wohnt dort auch selbst.

2Mit Schreiben vom erklärte die Klägerin die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs zum Ablauf des Monats Februar 2008. Zur Begründung ist in dem Kündigungsschreiben im Einzelnen ausgeführt, dass die Klägerin die Wohnung für ihre Eltern benötige. Einer stillschweigenden Vertragsfortführung werde vorsorglich widersprochen.

3Mit der am zugestellten Klage hat die Klägerin Räumung der Wohnung begehrt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Beklagte zur Räumung verurteilt. Im Revisionsverfahren haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte die Wohnung zwischenzeitlich geräumt hatte.

II.

4Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

5Die Klägerin sei gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB wegen des von ihr nachgewiesenen Eigenbedarfs zur Kündigung des mit der Beklagten bestehenden Mietverhältnisses berechtigt gewesen. Eine Verlängerung des Mietverhältnisses gemäß § 545 BGB sei nicht eingetreten. Zwar sei die Frist für die Erklärung des Widerspruchs am abgelaufen, weil der Klägerin die Fortsetzung des Gebrauchs der Mietsache durch die Beklagte ab sogleich bekannt gewesen sei. Die erst am zugestellte Räumungsklage stelle deshalb keinen rechtzeitigen Widerspruch dar. Jedoch sei der schon im Kündigungsschreiben vom erklärte Widerspruch ausreichend. Nach allgemeiner Ansicht könne der Widerspruch des Vermieters schon vor Mietende erklärt werden, soweit ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Widerspruchserklärung und der Vertragsbeendigung bestehe. Hiervon sei vorliegend auszugehen, weil nach den Gesamtumständen für die Beklagte eindeutig sei, dass der gleichzeitig mit der Eigenbedarfskündigung ausgesprochene Widerspruch auch nach Ablauf der Kündigungsfrist und Eintritt der Vertragsbeendigung dem Willen der Klägerin entspreche.

III.

61. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden (§ 91a Abs. 1 ZPO). Danach sind die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, weil die Klägerin voraussichtlich obsiegt hätte. Der Klägerin stand der von ihr geltend gemachte Räumungsanspruch zu (§ 546 Abs. 1 BGB), weil das Mietverhältnis durch ihre berechtigte Eigenbedarfskündigung beendet worden ist. Die im Revisionsverfahren allein streitige Frage, ob der von der Klägerin bereits im Kündigungsschreiben erklärte Widerspruch einer Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 545 BGB entgegenstand, ist mit dem Berufungsgericht zu bejahen.

72. Nach § 545 Satz 1 BGB tritt eine Verlängerung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit ein, wenn der Mieter den Gebrauch der Mietsache nach Ablauf der Mietzeit fortsetzt und keine der Parteien ihren entgegenstehenden Willen binnen zwei Wochen dem anderen Teil erklärt. Für den Vermieter beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, in dem er von der Fortsetzung Kenntnis erlangt (§ 545 Satz 2 Nr. 2 BGB). Dies war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hier der . Der in der Klageerhebung liegende Widerspruch war deshalb nicht fristgemäß, weil die Klage erst am zugestellt worden ist. Die Klägerin hat der Fortsetzung des Mietvertrages jedoch bereits mit Schreiben vom widersprochen und damit eine Vertragsfortsetzung wirksam ausgeschlossen.

8a) Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Widerspruch grundsätzlich auch schon vor dem Beginn der zweiwöchigen Widerspruchsfrist erhoben werden (Senatsurteil vom - VIII ZR 184/66, WM 1969, 298, unter 3 b; Senatsbeschluss vom - VIII ZR 100/85, NJW-RR 1986, 1020, unter [II] 3; , NJW-RR 1988, 76, unter 2 c bb, sowie vom - VIII ZR 103/03, NJW-RR 2004, 558, unter II 1 b cc; jeweils zu § 568 BGB aF). Dies entspricht auch der wohl einhelligen Meinung in der Literatur (Staudinger/Emmerich, BGB (2006), § 545 Rdnr. 14; MünchKommBGB/Bieber, 5. Aufl., § 545 Rdnr. 16; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 9. Aufl., § 545 BGB Rdnr. 25; Erman/Jendrek, BGB, 12. Aufl., § 545 Rdnr. 7; Bamberger/Roth/Ehlert, BGB, 2. Aufl., § 545 Rdnr. 7; Schach in: Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 5. Aufl., § 545 Rdnr. 2; Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 545 Rdnr. 33).

9b) Unterschiedliche Meinungen werden hingegen zu der Frage vertreten, inwiefern ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Widerspruch und dem Vertragsende erforderlich ist, insbesondere, wenn der Widerspruch zusammen mit einer ordentlichen Kündigung erklärt wird, also zwischen dem Widerspruch und der Vertragsbeendigung mehrere Monate liegen oder - wie hier wegen der infolge des langjährigen Mietverhältnisses verlängerten Kündigungsfrist - sogar ein Zeitraum von neun Monaten.

10In seinem Beschluss vom (aaO) hat der Senat (allgemein) einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Widerspruch und Vertragsende für erforderlich gehalten. Der zugrunde liegende Sachverhalt betraf allerdings nicht einen zusammen mit einer Kündigung erklärten ausdrücklichen Widerspruch, sondern die Frage, ob die mehr als ein Jahr vor Vertragsende erfolgte Erklärung eines Pächters, an der Ausübung der Verlängerungsoption nicht interessiert zu sein, als wirksamer Widerspruch anzusehen war. Im Anschluss an diese Senatsentscheidung hat sich die Rechtsprechung der Instanzgerichte zur Wirksamkeit eines zusammen mit einer ordentlichen Kündigung erklärten Widerspruchs unterschiedlich entwickelt. Teilweise wird ein solcher Widerspruch mangels des erforderlichen zeitlichen Zusammenhangs allgemein (OLG Hamm, OLGR 1993, 221; LG Kassel, WuM 1989, 518; vgl. auch Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl., § 545 Rdnr. 21) oder jedenfalls bei längeren Kündigungsfristen (LG Ansbach, NJW-RR 1996, 1479, 1480; AG Schöneberg MM 1992, 174; vgl. auch Sternel, Mietrecht Aktuell, 4. Aufl., Rdnr. X 182) als unbeachtlich angesehen. Von anderen Instanzgerichten wird der gleichzeitig mit der ordentlichen Kündigung erklärte Widerspruch hingegen generell als wirksam angesehen (OLG Düsseldorf, ZMR 2002, 589, 591 f.; OLG Köln, WuM 2003, 465, 466; LG Bonn, WuM 1992, 617).

11c) Der Senat entscheidet nunmehr, dass es eines zeitlichen Zusammenhangs jedenfalls dann nicht bedarf, wenn der Widerspruch zusammen mit der Kündigung erklärt wird. Soweit sich aus dem Senatsbeschluss vom etwas anderes ergibt, hält der Senat daran nicht fest. Im Rahmen des § 545 BGB kommt es, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, entscheidend darauf an, ob nach den Gesamtumständen für den Mieter aus der früheren Erklärung seines Vermieters dessen eindeutiger Wille erkennbar wird, das Mietverhältnis nach dem Ablauf der Mietzeit nicht fortsetzen zu wollen. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Vermieter - wie hier die Klägerin - bereits im Kündigungsschreiben, das zur Beendigung des Mietverhältnisses führt, einer Fortsetzung des Mietverhältnisses über den Beendigungszeitpunkt hinaus ausdrücklich widerspricht. Ein solcher Widerspruch, der sich auf eine konkrete Beendigung des Mietverhältnisses bezieht, lässt keinen Zweifel daran, dass der Vermieter die Rechtsfolgen des § 545 BGB ausschließen will.

Ball                                     Dr. Frellesen                                     Dr. Milger

                 Dr. Achilles                                    Dr. Bünger

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BB 2010 S. 1456 Nr. 26
NJW 2010 S. 2124 Nr. 29
NJW 2010 S. 8 Nr. 26
XAAAD-44968