Zweitwohnungsteuer für Studentenwohnung in Berlin
Leitsatz
1. Nach dem Berliner Zweitwohnungsteuergesetz gilt sowohl für die Erst- oder Hauptwohnung als auch für die Zweit- oder Nebenwohnung der melderechtliche Wohnungsbegriff. Die Zweitwohnungsteuerpflicht ist nicht auf Inhaber einer Erstwohnung mit eigener Verfügungsbefugnis beschränkt.
2. Der Einbeziehung von Wohnungen in die Zweitwohnungsteuer, die aus Gründen der Ausbildung bewohnt werden, steht der Charakter der Zweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer i.S. des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG nicht entgegen.
Gesetze: GG Art. 105 Abs. 2aBlnZwStG § 1BlnZwStG § 2BlnZwStG § 4 Abs. 2BlnMeldeG § 16BlnMeldeG § 17
Instanzenzug: (EFG 2008, 578) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
1Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bewohnte in den Jahren 2001 bis 2003 studienbedingt ein Zimmer in einem Studentenwohnheim in Berlin und war dort mit dem Nebenwohnsitz gemeldet. Mit dem Hauptwohnsitz war der Kläger in der elterlichen Wohnung in K gemeldet, wo ihm sein ehemaliges Kinderzimmer zur Verfügung stand.
2Mit Bescheid vom setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) gegen den Kläger auf der Grundlage des Berliner Zweitwohnungsteuergesetzes vom —BlnZwStG— (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin —GVBl Bln— 1997, 686) Zweitwohnungsteuer für 2001 in Höhe von 44,99 € und für 2002 und 2003 in Höhe von jeweils 45,43 € fest. Dabei legte das FA seiner Steuerberechnung eine vom Kläger zu zahlende jährliche Kaltmiete von 1.777,32 DM zugrunde. Der Einspruch, den der Kläger mit dem fehlenden Innehaben einer Erstwohnung im Wohnhaus seiner Eltern begründete, hatte keinen Erfolg.
3Das Finanzgericht (FG) hat die Zweitwohnungsteuer aufgrund einer Neuberechnung der vom Kläger zu zahlenden Nettokaltmiete unter Änderung des Zweitwohnungsteuerbescheids vom und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom für das Jahr 2001 auf 42,71 € und für 2002 auf 44,85 € festgesetzt; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Kläger habe in Berlin eine Zweitwohnung innegehabt. Das BlnZwStG knüpfe allein an das Innehaben einer Zweitwohnung und nicht an das Innehaben zweier Wohnungen an. Der Zweitwohnungsteuer unterlägen daher auch Inhaber von Zweitwohnungen, die ihre überwiegend genutzte Hauptwohnung mangels Verfügungsbefugnis nicht inne hätten. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 578 veröffentlicht.
4Mit seiner Revision macht der Kläger Verletzung des Art. 105 Abs. 2a des Grundgesetzes (GG) sowie von §§ 1 und 2 BlnZwStG geltend. Der Steuertatbestand des § 1 BlnZwStG sei nur bei einem Innehaben sowohl einer Erst- als auch einer Zweitwohnung erfüllt; in den sog. „Kinderzimmerfällen” fehle es jedoch typischerweise am Innehaben der Hauptwohnung. Das im Haus seiner Eltern genutzte Kinderzimmer erfülle mangels Vorhandenseins einer Küche oder Kochnische nicht die bauordnungsrechtlichen Voraussetzungen einer Wohnung i.S. des § 2 Abs. 3 BlnZwStG und habe für ihn keinen abgeschlossenen Lebensbereich dargestellt.
5Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung, den Zweitwohnungsteuerbescheid vom und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
6Das FA beantragt sinngemäß, die Revision betreffend die Zweitwohnungsteuer für 2001 zurückzuweisen und die Zweitwohnungsteuer für 2002 und 2003 auf jeweils 42,71 € herabzusetzen.
II.
7Die Revision ist teilweise begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Entscheidung in der Sache selbst insoweit, als die Zweitwohnungsteuer für 2002 und 2003 auf jeweils 42,71 € herabgesetzt wird. Hinsichtlich der Zweitwohnungsteuer für 2001 ist die Revision unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
8Das BlnZwStG ist revisibles Recht (§ 118 Abs. 1 Satz 2 FGO), dessen Auslegung durch das FG der Überprüfung durch den Senat im Revisionsverfahren unterliegt (s. § 1 Nr. 4 des Berliner Gesetzes über den Anwendungsbereich der Abgabenordnung vom , GVBl Bln 1977, 1394).
91. Das FG hat zutreffend erkannt, dass für den Kläger aufgrund der von ihm in Berlin genutzten Zweitwohnung die Voraussetzungen der Zweitwohnungsteuerpflicht gemäß §§ 1 und 2 BlnZwStG erfüllt sind. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger am Wohnort seiner Eltern lediglich sein früheres Kinderzimmer bewohnte und nicht verfügungsberechtigter Inhaber der Erstwohnung war.
10a) Der Kläger war aufgrund des für die Zweitwohnungsteuerpflicht maßgebenden melderechtlichen Wohnungsbegriffs wegen des von ihm in Berlin angemieteten und zum Wohnen oder Schlafen benutzten Raums Inhaber einer Zweitwohnung.
11aa) Gegenstand der Zweitwohnungsteuer ist das Innehaben einer Zweitwohnung in Berlin (§ 1 BlnZwStG). Zweitwohnung ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BlnZwStG jede Wohnung i.S. des § 2 Abs. 3 und 4 BlnZwStG, die dem Hauptmieter als Nebenwohnung i.S. des Berliner Gesetzes über das Meldewesen vom —BlnMeldeG— (GVBl Bln 1985, 507) dient. Nach § 16 Satz 1 BlnMeldeG ist Wohnung jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird. Auf diese Bestimmung verweist auch der in § 2 Abs. 5 BlnZwStG definierte Begriff der Nebenwohnung. Diese liegt vor, wenn sie —wie im Fall des Klägers— einer mit Nebenwohnung gemeldeten Person i.S. des § 16 BlnMeldeG zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs dient.
12bb) Für die Rechtsansicht des Klägers, eine Zweitwohnungsteuerpflicht bestehe nur für Inhaber einer Erstwohnung mit eigener Verfügungsbefugnis, ist kein Raum. Auch für die Erst- oder Hauptwohnung gilt der melderechtliche Wohnungsbegriff des § 16 BlnMeldeG. Dies ergibt sich aus der Verweisung des § 2 Abs. 1 Satz 1 BlnZwStG auf §§ 16 und 17 BlnMeldeG. § 17 Abs. 1 BlnMeldeG bestimmt für den Fall, dass ein Einwohner mehrere Wohnungen im Inland hat, dass eine dieser Wohnungen seine Hauptwohnung und jede weitere Wohnung seine Nebenwohnung ist. Damit gilt sowohl für die Erst- oder Hauptwohnung als auch für die Zweit- oder Nebenwohnung derselbe Wohnungsbegriff des § 16 BlnMeldeG (, BFH/NV 2009, 53). Den in § 2 Abs. 3 und 4 BlnZwStG getroffenen Regelungen kann auch nicht entnommen werden, dass hinsichtlich der Erstwohnung über den melderechtlichen Wohnungsbegriff hinausgehende Anforderungen zu stellen sind. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 5 und 6 BlnZwStG, die ebenfalls auf den Wohnungsbegriff des § 16 BlnMeldeG ausgerichtet sind. Demgemäß genügt das vom Kläger im Hause seiner Eltern zum Schlafen oder Wohnen „benutzte” Kinderzimmer den an das Innehaben einer Hauptwohnung zu stellenden Anforderungen.
13Das Vorbringen des Klägers, das von ihm im Hause seiner Eltern benutzte Kinderzimmer erfülle mangels vorhandener Küche oder Kochnische nicht die an eine Wohnung zu stellenden bauordnungsrechtlichen Anforderungen des § 2 Abs. 3 BlnZwStG, geht fehl. § 2 Abs. 3 BlnZwStG betrifft ausschließlich die an eine Zweitwohnung zu stellenden Anforderungen und lässt den für die Erstwohnung geltenden melderechtlichen Wohnungsbegriff unberührt.
14b) Dieser Rechtslage steht Bundesrecht nicht entgegen. Die Zweitwohnungsteuer ist als Aufwandsteuer i.S. des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG eine Steuer auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die in der Verwendung des Einkommens für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommt (, BVerfGE 65, 325, 346). Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Erstwohnung ist ein besonderer Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt (, BFHE 182, 243, BStBl II 1997, 469; vom II R 53/01, BFH/NV 2004, 546).
15Für den Aufwandsbegriff des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG ist es unerheblich, ob der Inhaber einer Zweitwohnung auch verfügungsberechtigter Inhaber der Erstwohnung ist. Entscheidend ist allein, dass mit der Erstwohnung das Grundbedürfnis Wohnen als Teil des persönlichen Lebensbedarfs abgedeckt wird (vgl. z.B. , Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht —NVwZ— 2009, 532; vom 9 C 7/08, NVwZ 2009, 1437).
16Die Zweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer verlangt auch nicht, dass das Innehaben der Zweitwohnung der Befriedigung eines gehobenen Bedarfs dient. Die Zweitwohnungsteuer ist nicht mit einer Luxussteuer gleichzusetzen (BFH-Entscheidungen vom II R 71/99, BFH/NV 2002, 232, und in BFH/NV 2009, 53). Daher können auch solche Zweitwohnungen in die Besteuerung einbezogen werden, die aus Gründen der Ausbildung bewohnt werden (BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 53).
172. Für das Jahr 2001 hat das FG die Zweitwohnungsteuer zutreffend auf 42,71 € festgesetzt; insoweit ist die Revision unbegründet. Die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen findet erstmals für das Jahr des Beginns der Steuerpflicht und sodann für jedes dritte folgende Kalenderjahr statt (§ 4 Abs. 2 Satz 2 BlnZwStG). Bemessungsgrundlage der Zweitwohnungsteuer ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 BlnZwStG die auf Grund des Mietvertrages im Besteuerungszeitraum geschuldete Nettokaltmiete. In Anwendung dieser Vorschriften beträgt die Zweitwohnungsteuer, ausgehend von einer Nettokaltmiete von 870,21 DM und einem Steuersatz von 5 v.H. der Bemessungsgrundlage, 42,71 €.
18Hinsichtlich der für die Jahre 2002 und 2003 festgesetzten Zweitwohnungsteuer hat das FG nicht beachtet, dass gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 BlnZwStG auch für diese Jahre die vom Kläger im Jahr 2001 geschuldete Kaltmiete als Bemessungsgrundlage anzusetzen war. Insoweit war die Vorentscheidung aufzuheben und die Zweitwohnungsteuer auch für 2002 und 2003 auf jeweils 42,71 € festzusetzen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2010 II Seite 889
BB 2010 S. 1373 Nr. 23
BFH/NV 2010 S. 1393 Nr. 7
BFH/PR 2010 S. 359 Nr. 9
BStBl II 2010 S. 889 Nr. 16
DB 2010 S. 1163 Nr. 21
DB 2010 S. 21 Nr. 21
DB 2010 S. 7 Nr. 21
DStR-Aktuell 2010 S. 10 Nr. 21
DStRE 2010 S. 947 Nr. 15
HFR 2010 S. 854 Nr. 8
KÖSDI 2010 S. 16995 Nr. 6
NWB-Eilnachricht Nr. 22/2010 S. 1732
StB 2010 S. 221 Nr. 7
StBW 2010 S. 500 Nr. 11
QAAAD-43767